Wenige Minuten vor seinem Feierabend taucht Karla (Elise Kripes) bei Richter Lamy (Rainer Bock) auf. Das zwölfjährige Mädchen behauptet, dass ihr Vater sie seit Jahren vergewaltige. Sie will, dass er dafür bestraft wird. Damals – der Film spielt 1962 in Bayern – wurde über so etwas nicht gesprochen, geschweige denn angeklagt und verurteilt. Was in der Familie geschah, blieb in der Familie.
Lamy beginnt mit der Befragung. Er glaubt der intelligenten und selbstbewusst auftretenden Karla und er beginnt für sie Partei zu ergreifen. Weil sie über die Taten ihres Vaters nicht reden will, gibt Lamy, ganz verständnisvoller Sozialarbeiter des 21. Jahrhunderts, ihr eine Stimmgabel. Sie ist zwischen ihnen fortan das Zeichen für ‚unzüchtige Handlung‘. Über die Handlung muss sie dann nichts mehr sagen.
Diese Gespräche inszeniert die 1992 geborene Christina Tournatzẽs in ihrem Debütspielfilm als intimes, zurückhaltend und trocken inszeniertes Kammerspiel mit einem Gespür für Pausen und Zwischentöne. Im Mittelpunkt stehen Karla, Richter Lamy und seine Sekretärin. Zusätzliche Glaubwürdigkeit gewinnt das psychologische Drama „Karla“ auf den ersten Blick durch den Hinweis, dass es sich um eine wahre Geschichte handelt. Allerdings führen die Macher das nicht genauer aus. Sie belassen es bei dem allgemeinen und entsprechend nichtssagendem Hinweis. Insofern betrachtet man „Karla“ wohl besser als eine hundertprozentig fiktionale Geschichte, die Mut machen soll und die in einer repressive Zeit spielt, in der Kinder noch nicht als vollwertige Menschen wahrgenommen wurden.
Irgendwann hat Lamy sich lange genug mit Karla unterhalten. Er formuliert eine Anklage gegen ihren Vater. Die Gerichtsverhandlung ist dann nur noch ein todernst inszenierter schlechter SNL-Sketch. Lamy, der vorher die anscheinend nur aus Gesprächen mit Karla bestehenden Ermittlungen durchführte und die entsprechend luftige Anklage formulierte, ist jetzt auch der vorsitzende Richter. Er leitet das Verfahren so, dass es nur ein Ergebnis geben kann: einen Schuldspruch. Das Verfahren manipuliert er entsprechend. Beweise sind egal. Die Behauptung eines Kindes und ihr Wunsch, nach einer Verurteilung, reichen aus für eine Verurteilung. Solche Verfahren kennen wir sonst nur aus Diktaturen. Im Film wird diese Travestie einer Gerichtsverhandlung als ein gerechtfertigtes und auch begrüßenswertes Verfahren gesehen.
Ob so eine Klage eines Kindes gegen seinen Vater 1962 überhaupt möglich gewesen wäre, steht auf einem anderen Blatt. Die große Diskussion über sexuelle Gewalt in der Familie gegenüber Ehefrauen und Kindern begann erst viele Jahre später. Vergewaltigung in der Ehe wurde in Deutschland erst im Mai 1997 strafbar.
Und so ist „Karla“ ein Film mit guten Absichten, der an den entscheidenden Stellen ärgerlich unglaubwürdig ist.
Karla (Deutschland 2025)
Regie: Christina Tournatzẽs
Drehbuch: Yvonne Görlach
mit Elise Krieps, Rainer Bock, Imogen Kogge, Torben Liebrecht, Katharina Schüttler, Robert Hunger-Bühler
Wenige Tage vor der Oscar-Verleihung, den er fünfmal gewinnen könnte, läuft Jonathan Glazers hochgelobtes Drama „The Zone of Interest“ endlich bei uns an. Glazer inszenierte vorher die sehr unterschiedlichen, in jedem Fall sehenswerten Filme „Sexy Beast“ (2000), „Birth“ (2004, sein schwächstes Werk) und „Under the Skin“ (2013) und etliche Musikvideos.
Seit seiner Premiere in Cannes, wo „The Zone of Interst“ den Großen Preis der Jury erhielt, wird sein neuester Film überall abgefeiert. Vor wenigen Tagen erhielt „The Zone of Interest“ den BAFTA als „Bester britischer Film“ und als „Bester nicht-englischsprachiger Film“. Das ging, weil in der britischen Produktion nur Deutsch gesprochen wird. Hauptdarstellerin Sandra Hüller erhielt vor wenigen Tagen einen weiteren Schauspielpreis. In diesem Fall war es am 23. Februar 2024 ein César als beste Schauspielerin für „Anatomie eines Falls“. Aber im Moment ist das wie eine Münze werfen und am Ende erhält Sandra Hüller den Preis für „Anatomie eines Falls“ oder für „The Zone of Interest“. Die Nominierungen und Preise werden begleitet von euphorischen Kritiken. „The Zone of Interest“ ist unbestritten und schon jetzt einer der besten Filme des Jahres und, falls ich im Dezember eine Jahresbestenliste erstelle, wird Glazers Film einen der vorderen Plätze der Top Ten belegen. Er ist auch eine grandiose Romanverfilmung, obwohl Glazer sich viele Freiheiten nimmt und oft gesagt wird, der Film sei nur inspiriert von Martin Amis‘ Roman „Interessengebiet“. Glazer, der auch das Drehbuch schrieb, veränderte die Geschichte und die Namen der Figuren. Aber er übernahm die kalt-analytische Sicht auf die Figuren, das Thema und den Handlungsort. Ironischwerweise hat sein Film, wie Amis‘ Roman, Probleme im dritten Akt und damit mit dem Ende. Amis und Glazer finden verschiedene Lösungen, um die Geschichte zu beenden. Für mich funktioniert keine hundertprozentig. Glazers Film gehört zu den Romanverfilmungen, die sich alle erdenklichen Freiheiten bei der Bearbeitung der Vorlage nehmen und ihr dabei treu bleiben.
In dem im ‚Interessengebiet Auschwitz‘ spielendem Roman erzählt Amis eine Liebesgeschichte, die aus einer Schmonzette stammen könnte. SS-Offizier Golo Thomsen verliebt sich in Hannah Doll, die Frau des Lagerkommandanten Paul Doll. Sie erwidert seine Avancen. Neben dieser Liebesgeschichte erzählt Amis von Dolls Arbeit als Behfelshaber über das Konzentrationslager, die er möglichst perfekt und zur Zufriedenheit seiner Vorgesetzten ausführen möchte, und von Szmul, einem im KZ sitzendem Juden und Führer des Sonderkommandos, das bei der Vernichtung von Juden mithilft. Geschrieben hat Amis seinen aus diesen drei Plots und damit verbundenen Perspektiven bestehenden Roman in einem nüchternen Tonfall, der einem genau deshalb erschauern lässt. Er schildert den Alltag der Familie Doll als ob es neben ihrem Haus nicht das Vernichtungslager gäbe, das ihnen allen ein gutes Leben beschert. Denn der Krieg ist weit weg und die Arbeit im KZ verhindert eine Einberufung an die Front. Währenddessen schwarwenzelt Thomsen um seine Frau herum.
„Interessengebiet“ ist einer von Martin Amis‘ besten Romanen.
In der Verfilmung konzentriert Jonathan Glazer sich auf die Familie Doll, die im Film, wie in der Realität, Höß heißt. Glazer verzichtet auf die Liebesgeschichte. Er blickt auch nicht hinter die Mauer, die, wie ein Schutzwall, das KZ von dem Haus der Familie Höß trennt. Von dem KZ sind nur einige Häuserdächer und Wachtürme zu sehen. Die aus dem KZ kommenden Geräusche sind für die Familie Höß Hintergrundgeräusche, die sie in ihrem Alltag in ihrem Haus und Garten nicht weiter wahrnehmen. Während Rudolf Höß (Christian Friedel) jeden Tag das Familienhaus verlässt und über den Hof zu seinem Arbeitsplatz geht, betritt seine Gattin Hedwig (Sandra Hüller) niemals das KZ. Sie führt den Haushalt, erzieht die fünf Kinder, bewirtet Gäste und bestellt den Garten. Neben dem Interessengebiet Auschwitz hat sie sich den Traum vom trauten Heim erfüllt. Dieses Paradies will sie unter keinen Umständen verlassen.
Glazer beschreibt das Leben der Familie Höß als Situationsbeschreibung. Er verzichtet auf einen Plot. Er verzichtet auf eine vertiefende Analyse der Figuren. Dafür hätte es nämlich Konflikte benötigt. Er zeigt sie nur in ihrem selbstgeschaffenem kleinen Paradies.
Aufgenommen hat er diese Situationsbeschreibung in der Nähe des Konzentrationslagers. Ursprünglich wollte er in dem KZ und in dem Haus, in dem die Familie Höß gelebt hat, filmen. Als das wegen des Denkmalschutzes und Veränderungen auf dem Gelände des KZ (so sind vor über achtzig Jahren gepflanzte Bäume heute größer als damals) nicht möglich war, drehte er in der Nähe in einem Nachbau des Hauses, das er mit teils versteckten, teils fest installierten Kameras ausstattete. Die Kameras nahmen den gesamten Raum auf. Die Schauspieler konnten sich während der Dreharbeiten frei im Set bewegen. Sie wussten allerdings auch nicht, wann sie aufgenommen wurden. Sie wurden ständig überwacht. Gleichzeitig verhinderte diese Anordnung der Kameras und der damit verbundenen Ästhetik, dass der Regisseur spontan eingreifen oder Szenen in einer normalen Abfolge von Einstellungen und Schnitten auflösen konnte. Mit diesen starren Einstellungen, in denen verschiedene Dinge geschehen, wirkt „The Zone of Interest“ wie ein Theaterstück, das man als Zuschauer aus dem Saal heraus erlebt. Deshalb sollte das Drama im Kino gesehen werden. Auf einem kleinen Bildschirm sieht man einfach zu wenig.
Die für einen Spielfilm ungewohnt detailreichen Bilder (bei Dokumentarfilmen ist das anders), die präzisen Bildkompositionen und die kluge Farbdramaturgie verstärken gekonnt das Unwohlsein, das man beim Ansehen des banalen Lebens in der Villa Höß, hat.
„The Zone of Interest“ ist ein sehr sehenswerter, konzentrierter und in sich geschlossener Feelbad-Film, der die Banalität des Bösen zeigt und, mit chirurgischer Präzision, die Frage stellt, wie man sich selbst verhalten würde. Oder, anders gesagt: wie viel Unrecht und Terror ist man bereit für seinen eigenen kleinen Traum vom Glück zu ignorieren?
Nach dem Kinobesuch sollte man den Roman lesen, der faktenreich, auch die Dinge erzählt, die einige im Film vermissen.
The Zone of Interest (The Zone of Interest, Großbritannien/Polen/USA 2023)
Regie: Jonathan Glazer
Drehbuch: Jonathan Glazer
LV: Martin Amis: The Zone of Interest, 2014 (Interessengebiet)
mit Christian Friedel, Sandra Hüller, Johann Karthaus, Luis Noah Witte, Nele Ahrensmeier, Lilli Falk, Anastazja Drobniak, Cecylia Pękala, Julia Polaczek, Kalman Wilson, Imogen Kogge, Medusa Knop, Zuzanna Kobiela, Martyna Poznańska, Stephanie Petrowitz, Max Beck, Andrey Isaev
1974 hat Johannes Leinert in einer Talkshow einen seltsamen Auftritt. Er hat einen Science-Fiction-Roman veröffentlicht und behauptet jetzt, dass es Multiversen und Parallelewelten gibt und dass er in seinem Roman eine Geschichte erzähle, die er selbst erlebt habe.
Danach springt die Geschichte zwölf Jahre zurück und wir erfahren die Hintergründe, die zu seinem Buch und dem Auftritt in der Talkshow führten. 1962 wurde Leinert von Dr. Julius Strathen, seinem Doktorvater, zu einem Kongress ins noble Hotel Esplanade in den Schweizer Alpen eingeladen. Der Höhepunkt soll der Vortrag eines iranischen Wissenschaftlers zur Quantenmechanik sein. In ihm will er die Theorie von Allem entwerfen.
Doch der Stargast kommt nicht. Die Gäste pendeln zunächst zwischen Dinnerpartys und Skiausflügen. Leinert arbeitet weiter an seiner Promotion in theoretischer Physik. Er trifft eine Femme-Fatale-Hotelpianistin, die Dinge über ihn weiß, die sie nicht wissen kann. Selbstverständlich verliebt er sich in die geheimnisvolle Schönheit. Als die Tagung abgesagt wird, leert sich das Hotel. Gleichzeitig häufen sich seltsame Ereignisse. Ein Tagungsteilnehmer wird tot aufgefunden. Die beiden ermittelnden Polizisten vermuten einen Mord.
Noch schneller als wir uns an die Bergluft gewöhnen können, spielt die Konferenz der Physiker keine Rolle mehr. Sie löst sich in Luft auf. Dabei hätte man so schön über universitäre und elitäre Dünkel und abgehobene physikalische Theorien schwadronieren können. Mit der abgesagten Konferenz sind dann auch schwuppdiwupp eigentlich alle Hotelgäste weg. Alles wird zunehmend beliebig. Erklärt werden die seltsamen und widersprüchlichen Ereignisse mit der Existenz von Paralleluniversen. Diese Erklärung führt in „Die Theorie von Allem“ zu der gleichen Laxheit im Denken, die wir auch in den Superheldenfilmen, die in Multiversen spielen, ertragen müssen. Alles ist möglich. Nichts ist wichtig.
Am Ende hatte ich, wieder einmal, den Eindruck, dass die Macher sich nicht weiter darum kümmerten, wie ihre Welten zusammenhängen und miteinander interagieren. Sie sind, vor allem in den Superheldenfilmen, voneinander vollkommen unabhängige Spielwiesen, in denen ausprobiert wird, was dem Publikum gefällt. Was gefällt, wird fortgefüht; was nicht gefällt wird fortan ignoriert und schnellstens vergessen. In „Die Theorie von Allem“ wird ähnlich verfahren. Es gibt die verschiedenen Welten, die in irgendeiner Verbindung zueinander stehen. Oft ist unklar, in welcher Welt die Szene gerade spielt, wie viele es gibt und in welcher Beziehung sie zueinander stehen.
Im Gegensatz zu den Filmen von David Lynch (den Timm Kröger als eine Inspiration für seinen Film nennt) bleibt sein Film emotional leer. „Die Theorie von Allem“ ist kein Abstieg in einen „Twin Peaks“-Wahnsinn, sondern eine zunehmend egale intellektuelle Spielerei mit vielen Anspielungen auf andere Filme. Diese Anspielungen und die vorzügliche Kameraarbeit von Roland Stuprich trösten etwas darüber hinweg, wie eine gute Ausgangsidee nach einem überzeugenden Anfang in den Sand oder, in der Sprache des Films, ein anderes Universum gesetzt wurde.
„folgen wir hier der tragischen (& vielleicht allzu altbekannten) Geschichte eines unentdeckten Genies oder betrachten wir die leicht paranoiden Verirrungen eines unfertigen Idioten, der metaphysischen Schatten hinterherjagt? Dieser Film tut immer beides. Schrödingers Katze ist hier sozusagen genial und hirntot zugleich.“
(Timm Kröger, Co-Drehbuchautor)
Die Theorie von allem (Deutschland/Österreich/Schweiz 2023)
Regie: Timm Kröger
Drehbuch: Timm Kröger, Roderick Warich
mit Jan Bülow, Olivia Ross, Hanns Zischler, Gottfried Breitfuß, Philippe Graber, David Bennent, Ladina Carla von Frisching, Imogen Kogge
Im Film ist seit den Ereignissen von „Enkel für Anfänger“ ein Jahr vergangen. In der Realität lief der Film bereits vor drei Jahren im Kino. Damals verbrachten die rüstigen Rentner Karin (Maren Kroymann), Gerhard (Heiner Lauterbach), Philippa (Barbara Sukowa) und Karins Mann Harald (Günther Maria Halmer) ihre Zeit, mehr oder weniger freiwillig, als Leihoma und -opa für fremde Kinder. Das unterhielt im Kino durchaus kurzweilig in seiner humorvollen Mischung aus vorhersehbarer Geschichte, oberflächlicher Behandlung wichtiger Themen und Feelgood-Humor.
Die große Entdeckung im Ensemble war Barbara Sukowa. Bislang war sie für ihre ernsten Rollen in Fassbinder-Filmen und als Rosa Luxemburg und Hannah Arendt bekannt. Hier spielt sie eine freigeistige, in einer Kommune in einem Bauwagen lebende Hippie-Oma, die für jeden Unfug zu haben ist und die Verantwortung ausschließlich als Ignorieren von Regeln versteht. Sie war kindischer als die Kinder.
Inzwischen lebt sie bei ihrer Tochter Annika (Marie Burchard). Annika betreibt in Essen einen Schülerladen, dessen Existenz bedroht ist. Aufgrund ihrer Schwangerschaft verdonnert ihr Arzt sie zu absoluter Bettruhe. Aufregung soll sie auch vermeiden. Einen Ersatz-Chef für ihren Schülerladen findet sie nicht. Da bietet Philippa ihr an, dass sie den Laden für einige Tage führen wird.
Kurz darauf sind Philippa, Karin, die einige Tage früher als geplant aus ihrem Neuseeland-Sabbatical zurückkam und ihren Mann mit ihrer Nachbarin in einem etwas zu vertrautem Umgang erwischte, und der schwule, pedantische Internist Gerhard, der gerade einen Kleinkrieg mit seinem Zeitungszusteller über die Pünktlichkeit der Zustellung austrägt, im Schülerladen verantwortlich für die Aufsicht und Förderung der Jugendlichen, die ihre Nachmittage in dem Schülerladen verbringen müssen, weil sie sonst nirgends hinkönnen.
Dieses Zusammentreffen der Generationen, Lebensansichten und Mentalitäten sorgt natürlich für einige witzige Szenen. Auch der Kleinkrieg zwischen Gerhard und dem Zeitungszusteller Aydin (Ercan Durmaz), dessen Nichte ebenfalls im Schülerladen ist und der ebenfalls schwul ist, amüsiert.
Amüsant ist auch, immerhin will ich nicht einfach meine Besprechung von „Enkel für Anfänger“ kopieren, die perfekte Beschreibung für „Enkel für Fortgeschrittene“. Denn anstatt die angesprochenen Probleme zu vertiefen, bewegt sich die gesamte Geschichte in den sattsam bekannten Bahnen eines harmoniesüchtigen Wohlfühl-Films für die gesamte Familie, der niemand verletzten will. Entsprechend absehbar sind die Verwicklungen und die Witze.
Aber dank des lustvoll aufspielenden Ensembles ist „Enkel für Fortgeschrittene“ eine unterhaltsame, nicht weiter aufregende Komödie, die ihr Herz auf dem rechten Fleck hat. Und, ja, wem „Enkel für Anfänger“ gefallen hat, dem wird die Fortsetzungswiederholung „Enkel für Fortgeschrittene“ gefallen.
Enkel für Fortgeschrittene(Deutschland 2023)
Regie: Wolfgang Groos
Drehbuch: Robert Löhr
mit Maren Kroymann, Heiner Lauterbach, Barbara Sukowa, Günther Maria Halmer, Ercan Durmaz, Marie Burchard, Johannes Allmayer, Bruno Grüner, Kayra Efe, Imogen Kogge
Während der Feier zu ihrem sechzigsten Geburtstag erfährt Gudrun, dass der Bürgermeister das Kinderheim, in dem sie aufwuchs, an einen Investor verkaufen will. Sie will das verhindern.
Bis dahin haben wir Gudrun als eine sehr bestimmende Person kennen gelernt. Die seit fast dreißig Jahren mit Werner verheiratete Lehrerin sagt immer allen, was sie zu tun haben und sie läßt nur ihre eigene Meinung gelten. Das bekommt auch ihre Tochter zu spüren. Lara lebt in Berlin und kommt für die Geburtstagsfeier zurück in das in der ostdeutschen Provinz liegende Dorf. Sie soll eine Geburtstagsrede halten. Aber noch bevor sie sie ihrer Mutter vor der Feier vortragen kann, beginnt Gudrun, ganz die resolute Macherin, die sie ihr ganzes Leben war, schnell die Rede aufzuschreiben, die ihre Tochter halten soll und wie sie auf die einzelnen Sätze reagieren wird. So eine Mutter ist Gudrun.
Im folgenden erzählt die Schauspielerin Katharina Marie Schubert in ihrem Spielfilmdebüt von Gudruns Versuchen, den Verkauf zu verhindern. Sie sind nicht strategisch durchdacht, sondern kindisch emotional. Währenddessen entdeckt Lara in der elterlichen Wohnung in einem Koffer ein ihrer Mutter gewidmetes Frauenporträt. Sie fragt sich, ob dieser Peter ihr leiblicher Vater ist. Neugierig geworden besucht sie in Berlin eine alte Bekannte ihrer Mutter, die sie bislang nicht kannte, und den ihr ebenfalls unbekannten Zeichner des Porträts ihrer Mutter.
Und wir fragen uns, warum Gudrun so heftig auf den geplanten Verkauf des Kinderheims reagiert. Sie verfolgt stur ein Ziel und ist dabei unfähig und unwillig, Kompromisse einzugehen oder über Alternativen nachzudenken. Aber warum sie den Verkauf der Ruine verhindern will, wird nie wirklich nachvollziehbar erklärt. Am Ende des Films kennen wir den Grund für ihr Verhalten nicht genauer als am Anfang, als Gudrun äußerst emotional auf die Nachricht von dem geplanten Verkauf reagiert. In dem Moment können wir uns denken können, dass das Kinderheim für sie wichtig war. Aber wir wissen nicht warum. Selbstverständlich, und das erklärt ihr Verhalten zu einem großen Teil, geht es in „Das Mädchen mit den goldenen Händen“ nicht nur um Gudruns Geschichte, sondern auch um die Frage, wie wir mit der Vergangenheit als Individuum und Gesellschaft umgehen. Insofern steht das Kinderheim auch für die gesamte Geschichte der DDR und alle Figuren müssen sich im Film mit ihrer DDR-Vergangenheit auseinandersetzen.
Hier füllt Corinna Harfouch, die Gudrun spielt, mit ihrer schauspielerischen Wucht Lücken des Drehbuchs aus. Wir spüren ihre Schmerzen, Bedürfnisse und Leiden. Wir erkennen ihre Unfähigkeit, im Umgang mit ihr nahe stehenden Menschen Emotionen zuzulassen. Auch wenn wir den Grund dafür mehr ahnen als wissen. Auch die anderen Schauspieler – Peter René Lüdecke als ihr Mann, Birte Schnöink als ihre Tochter und Jörg Schüttauf als Bürgermeister – verleihen in wenigen Momenten ihren Figuren eine Tiefe, die die jahrelange Vertrautheit, die verdrängten Konflikte, Zuneigungen und Ablehnungen glaubhaft machen. Sie alle kennen sich seit ihrer Kindheit und erlebten teilweise drei verschiedene politische Systeme. Denn Schuberts Geschichte spielt wenige Monate vor der Jahrtausendwende.
Das ist alles sehr gelungen in oft langen Szenen inszeniert. Aber das Drehbuch schwächelt mit der Zeit. So nimmt Laras Leben in Berlin und ihr Stochern in der Vergangenheit ihrer Mutter einen zu großen Raum ein. Gudruns Motiv bleibt, wie gesagt, rätselhaft. Und das Ende ist eines der unschönen Deus-ex-machina-Enden.
Das Mädchen mit den goldenen Händen (Deutschland 2021)
Regie: Katharina Marie Schubert
Drehbuch: Katharina Marie Schubert
mit Corinna Harfouch, Birte Schnöink, Peter René Lüdicke, Jörg Schüttauf, Gabriela Maria Schmeide, Imogen Kogge, Stephan Bissmeier, Ulrike Krumbiegel
Drehbuch: Christian Petzold, Harun Farocki (Mitarbeit)
LV (nach Motiven): Hubert Monteilhet: Le retour des cendres, 1961 (Der Asche entstiegen)
Deutschland, nach dem 2. Weltkrieg: die Auschwitz-Überlebende Nelly will wieder zurück zu ihrem Mann Johnny, der sie verraten haben soll. Johnny erkennt sie nicht, aber ihm fällt Nellys Ähnlichkeit zu seiner Frau auf und das will er ausnutzen, um an Nellys Vermögen zu kommen. Nelly macht, nicht ohne Hintergedanken, das Spiel mit.
Drehbuch: Christian Petzold, Harun Farocki (Mitarbeit)
LV (nach Motiven): Hubert Monteilhet: Le retour des cendres, 1961 (Der Asche entstiegen)
Deutschland, nach dem 2. Weltkrieg: die Auschwitz-Überlebende Nelly will wieder zurück zu ihrem Mann Johnny, der sie verraten haben soll. Johnny erkennt sie nicht, aber ihm fällt Nellys Ähnlichkeit zu seiner Frau auf und das will er ausnutzen, um an Nellys Vermögen zu kommen. Nelly macht, nicht ohne Hintergedanken, das Spiel mit.
Drehbuch: Christian Petzold, Harun Farocki (Mitarbeit)
LV (nach Motiven): Hubert Monteilhet: Le retour des cendres, 1961 (Der Asche entstiegen)
Deutschland, nach dem 2. Weltkrieg: die Auschwitz-Überlebende Nelly will wieder zurück zu ihrem Mann Johnny, der sie verraten haben soll. Johnny erkennt sie nicht, aber ihm fällt Nellys Ähnlichkeit zu seiner Frau auf und das will er ausnutzen, um an Nellys Vermögen zu kommen. Nelly macht, nicht ohne Hintergedanken, das Spiel mit.
Drehbuch: Christian Petzold, Harun Farocki (Mitarbeit)
LV (nach Motiven): Hubert Monteilhet: Le retour des cendres, 1961 (Der Asche entstiegen)
Deutschland, nach dem 2. Weltkrieg: die Auschwitz-Überlebende Nelly will wieder zurück zu ihrem Mann Johnny, der sie verraten haben soll. Johnny erkennt sie nicht, aber ihm fällt Nellys Ähnlichkeit zu seiner Frau auf und das will er ausnutzen, um an Nellys Vermögen zu kommen. Nelly macht, nicht ohne Hintergedanken, das Spiel mit.
Wenig Zeit, daher „Kurz & Knapp“ (auch eine Form von KuK) über die Neustarts im Kino am heutigen Donnerstag:
„I Origins“ ist einer der Filme, von denen ich viel erwartete und dann umso enttäuschter war. Denn die Prämisse, dass jede Iris einzigartig ist und ein Molekularbiologe, der in diesem Forschungsgebiet über die Evolution des Auges bahnbrechendes leistet, entdeckt, dass diese Arbeitshypothese falsch ist und damit seine gesamte Forschung und seine Überzeugungen in Frage stellen würde, verspricht einen philosophischen Science-Fiction-Film.
Aber dann geht es auch um eine Liebesgeschichte, die ungefähr in der Filmmitte ein abruptes Ende findet und später doch wieder wichtig ist. Es geht um Forschungsfragen. Es geht um die Frage nach der Einzigartigkeit des Menschen und um Wiedergeburt, was die Einzigartigkeit der Iris, aber auch etwas viel unangenehmeres beweisen würde. Es gibt auch ein seltsames Forschungsprogramm, das nicht näher erklärt wird, aber für die Fans von Paranoia-Thrillern gedacht ist. Für die gibt es auch eine Szene nach dem Abspann.
Letztendlich begnügt Mike Cahill sich in „I Origins“ mit dem Aufwerfen von Fragen und mehreren überraschenden bis abstrusen Wendungen, die nur verwirren ohne auch nur im Ansatz zu erklären, worum es den Machern ging.
„I Origins“ ist ein frustierender Film. Mit und ohne Seelenwanderung. Und dass Cahill im Presseheft sagt, dass für ihn „I Origins“ nur der Anfang seiner Erforschung des Bereiches zwischen Fakten und Glauben sei und er den Stoff in weiteren Filmen oder einer TV-Serie fortspinnen will, hilft nicht, weil wir dann den Film nicht als eigenständiges, in sich abgeschlossenes Werk, sondern nur als den Auftakt von etwas Größerem ansehen sollen.
Was wäre, wenn dein Kind bei der Geburt vertauscht worden wäre? Und was würdest du tun? Das muss sich Ryota Nonomiya fragen, als er erfährt, dass genau das vor sechs Jahren geschehen ist. Der distanzierte, statusbewusste Architekt, der in finanzieller Hinsicht alles für seinen Sohn tut, aber wegen der vielen Arbeit ihn fast nie sieht, hat jetzt eine Erklärung für die Defizite und den mangelnden Ehrgeiz seines Sohnes. Aber ist Blut wirklich dicker als Erziehung? Soll er seinen falschen Sohn gegen seinen echten Sohn tauschen, der bei einer zwar liebevollen, aber armen und furchtbar ambitionslosen Familie lebt? Oder soll er dafür kämpfen, das Sorgerecht für beide Kinder zu bekommen?
Hirokazu Kore-eda erhielt für seinen Film „Like Father, like Son“ in Cannes den Preis der Jury und das ist verständlich. Ruhig und aus Ryotas Perspektive erzählt er von diesem Dilemma. Dabei bleiben die Sympathien für den egoistischen Ryota, der das Kind vor allem als Statussymbol braucht, überschaubar. Aber die angesprochenen Fragen sind unversell und Hirokazu Kore-eda behandelt sie auch angemessen komplex in einer scheinbar einfachen Geschichte über zwei Familien und ihre Kinder in einer Gesellschaft, in der – wenn so ein Fehler entdeckt wird – die Kinder getauscht werden und ein Adoptionen selten sind.
Ein sehenswerter Film.
Nelly hat schwer verletzt und verunstaltet den Zweiten Weltkrieg und Auschwitz überlebt. Ihre Freundin Lene bietet ihr ein neues Leben in Israel mit einem neuen Gesicht an. Aber Nelly will wieder ihr altes Gesicht zurückhaben. Sie will in Deutschland bleiben und sie will wieder ihren Ehemann Johnny treffen. Er ist ihre große Liebe, der sie verraten hatte.
Johnny arbeitet jetzt in Berlin in der Bar „Phoenix“. Als er Nelly trifft, erkennt er sie nicht. Aber er bemerkt eine verblüffende Ähnlichkeit zwischen der unbekannten Schönheit und seiner toten Frau. Jedenfalls glaubt Johnny, dass Nelly tot ist. Er will die Fremde zu Nellys Ebenbild verändern, um so an Nelly Familienvermögen zu gelangen. Nelly spielt mit.
Cineasten werden in „Phoenix“ sofort eine Variante von Alfred Hitchcocks „Vertigo“ erkennen. Sowieso hat jedes Bild, jeder Satz, jede Geste und jede Szene mindestens eine weitere Bedeutung, was beim Ansehen und Entschlüsseln Spaß macht. Wobei, wie üblich bei Christian Petzold, der Film auch einfach als spannende Geschichte funktioniert. Jedenfalls bis Nelly auf Johnnys Angebot eingeht. Dann fällt die vorher vorhandene Spannung wie ein Soufflé in sich zusammen und die restlichen Minuten, wenn Nelly die Gestik von Nelly einstudiert und sie bei ihren Verwandten, die den Krieg überlebten, vorgestellt wird, haben dann etwa die Spannung von Malen-nach-Zahlen.
„Phoenix“ ist Fritz Bauer, dem Initiator und Ankläger des Auschwitz-Prozesses, gewidmet. Harun Farocki, mit dem Petzold bei, ich glaube, jedem seiner Filme zusammenarbeitete, verstarb kurz vor der Premiere des Films.
Insgesamt ist „Phoenix“ ein sehenswerter Film. Aber Petzolds bester Film ist es nicht.
– Phoenix (Deutschland 2014)
Regie: Christian Petzold
Drehbuch: Christian Petzold, Harun Farocki (Mitarbeit)
LV (nach Motiven): Hubert Monteilhet: Le retour des cendres, 1961 (Der Asche entstiegen)
mit Nina Hoss, Ronald Zehrfeld, Nina Kunzendorf, Michael Maertens, Imogen Kogge, Kirsten Block
Länge: 98 Minuten
FSK: ab 12 Jahre
– Hinweise Homepage zum Film Film-Zeit über „Phoenix“ Moviepilot über „Phoenix“ Rotten Tomatoes über „Phoenix“
–
Nach dem Tod ihres Vaters müssen die Mitglieder der Familie Altman, auf Wunsch des Verstorbenen, eine siebentägige Totenwache nach jüdischer Tradition halten, was natürlich dazu führt, dass die gar nicht so gläubige Familie, die uns als dysfunktional vorgestellt wird, über alte und neue Probleme reden muss.
„Sieben verdammt lange Tage“ ist gut besetzt. Jason Bateman als gerade entlassener und getrennt lebender Radio-Producer (seine Frau schlief mit seinem Boss), der jetzt nicht weiß, was er mit seinem Leben anfangen soll. Tina Fey, Adam Driver und Corey Stoll als seine Geschwister. Jane Fonda (Die soll Jahrgang 1937 sein? Niemals.) als Mutter mit vergrößerter Brust und die ihre Kinder als Studienobjekte für ihre populären Erziehungsratgeber benutzte. In Nebenrollen sind unter anderem Rose Byrne als Batemans alte und neue Freundin und Timothy Olyphant als verblödeter, aber sehr verständnisvoller Nachbar und Ex-Freund von Tina Fey dabei.
Es ist auch gut inszeniert von Shawn Levy (Real Steel, Prakti.com). Jonathan Troppers Drehbuch schmeckt die dramatischen und die komödiantischen Teile in dieser in Richtung harmonieseliger RomCom gehenden Familienzusammenführung ordentlich ab.
Aber die Charaktere, die alle in einem luftleeren Raum abseits von all den normalen Alltagsproblemen lebten, interessierten mich niemals wirklich. Auch die Prämisse wirkte arg ausgedacht. Immerhin versteht die Familie sich gut und sie traf sich in den vergangenen Jahren sicher zum üblichen Thanksgiving-Dinner und dem gemeinsamen Weihnachts-/Silvesterurlaub. Immerhin leben sie doch in und um Long Island, New York, ziemlich nah beieinander.
„Sieben verdammt lange Tage“ ist kein schlechter, aber ein uninteressanter Film.
Für die beiden Pariser Teenager Léa und Adrien ist schon die Hinfahrt im Zug eine Tortur, die ihren Höhepunkt erreicht, als sie erfahren, dass das Gut ihres Großvaters ab von jeglicher Zivilisation mitten in der Einöde liegt und dass es dort keinen Handy-Empfang gibt (gut, das Problem wird später gelöst). Für ihren jüngeren, gehörlosen Bruder Théo ist die Zugfahrt wohl eher der Beginn eines großen Abenteuers. Und für ihren Großvater Paul (Jean Reno als grumpy old man) ist der Besuch auch eine höchst unwillkomme Unterbrechung seines geruhsamen Landlebens zwischen Olivenbäumen und funktionierendem Alkoholiker, der sich vor Ewigkeiten so heftig mit seiner Tochter zerstritt, dass er seine Enkelkinder noch nicht gesehen hat.
Dennoch verleben sie einen schönen „Sommer in der Provence“, in dem Léa sich in einen schönen Reiter und Pizzabäcker (mit Nebeneinkommen) verliebt, während ihr Bruder ein Auge auf die ebenfalls etwas ältere Dorfschönheit und Eisverkäuferin wirft. Sie treffen auch, via einer von Adrien gefakten Facebook-Einladung, die alten Freunde von Paul und seiner Frau Irène. Eine Bande echter Rocker. Jedenfalls im Sommer. In den anderen Jahreszeiten gehen sie bürgerlichen Berufen nach. Gemeinsam erinnern sie sich am Lagerfeuer an ihre Jugend, die so um 68 rum war, inclusive einem Besuch des legendären Woodstock-Festivals.
In der Realität hätten die Franzosen damals wohl eher das unbekanntere Isle-of-Wight-Festival besucht, aber diese kleine Ungenauigkeit ändert nichts daran, dass jetzt die 68er alt werden und damit auch neue Themen in das typisch französische „Die Familie verbringt einen Sommer auf dem Land“-Komödie gelangen.
Davon abgesehen ist Rose Boschs „Ein Sommer in der Provence“ die diesjährige Ausgabe dieses Genres, in dem die Familie einen Urlaub auf dem Land macht, die Teenager sich verlieben, die Generationen sich etwas streiten und versöhnen und es viele kleine Episoden für jeden Geschmack gibt. So ist „Ein Sommer in der Provence“ ein luftiger Ensemblefilm, der keinen Protagonisten und keine eindeutige Erzählperspektive hat. Diese Positionslosigkeit im Erzählerischen kann man dem Film vorwerfen, oder sich einfach von den Schönheiten der Landschaft verzaubern lassen.
Nachdem seine Freunde in einem Hotelzimmer ermordet wurden, geht Benjamin (Tom Schilling) zur Europol-Cybercrime-Polizistin Hanne Lindberg (Trine Dyrholm), um ihr alles über die von ihm mitgegründete und polizeilich europaweit gesuchte Hackergruppe CLAY (Clowns laughing @ You) zu erzählen. Gemeinsam machten er und seine Kumpels Max (Elyas M’Barek), Stephan (Wotan Wilke Möhring) und Paul (Antoine Monot, Jr.) etliche Anonymus-Aktionen, die meistens mit einem Einbruch oder mindestens einem Hausfriedensbruch und Benjamins überragenden Computerkenntnissen durchgeführt wurden, gerieten in Kontakt mit der Russian Cyber-Mafia und in den Fokus der Polizei, die sie unerbittlich als Großverbrecher verfolgte.
Das klingt jetzt, nach Wikileaks und den NSA-Enthüllungen von Edward Snowden, wie ein schlecht ausgedachter Scherz und genauso unglaubwürdig wirkt dann auch der gesamte Thriller „Who am I – Kein System ist sicher“ mit seinen eindimensionalen, sich unlogisch verhaltenden Charakteren, die wir immer durch Benjamins Augen sehen. Denn fast der gesamte Film besteht aus Benjamins Geständnis.
Für mich hörte sich Benjamins Geschichte allerdings von der ersten bis zur letzten Minute wie eine schlecht ausgedachte Kolportage aus Schlagzeilen und pubertärer Phantasie an, die eine erfahrene Polizistin niemals glauben würde. Das ist allerdings die Voraussetzung dafür, dass sie später Benjamin hilft und die doppelte Schlusspointe funktioniert. Wobei die erste Pointe Benjamins oft vollkommen unglaubwürdige Geschichte erklärt und die zweite ein netter Abschluss eines vermurksten Films über Hacker, Cybercrime, Lug und Trug ist.
Besser man sieht sich noch einmal „Inside Wikileaks – Die fünfte Gewalt“ an. Da gibt es auch atmosphärische Berlin-Bilder und einen glaubwürdigeren Einblick in das Hacker-Leben.