Neu im Kino/Filmkritik: Wenn der „Imaginary“ Freund ein böser Teddybär ist

März 14, 2024

Der neueste Streich aus dem Haus Blumhouse ist ein weiterer Horrorfilm, der, dank seines geringen Budgets, sein Geld einspielen und der konstant unter seinen Möglichkeiten bleibt. Dabei sieht die Traumwelt, das Niemals-Jemals, als blaugefärbtes Escher-Labyrinth mit unnatürlichen Bewohnern gut aus und ist, jenseits von Raum, Zeit und Logik, gut für einige überraschende Momente und Bilder. Diese sind vor allem im letzten Drittel des Films. In den ersten Minuten des Films gibt es auch einige Bilder aus dem Niemals-Jemals, die furchteinflößender sind, als alles, was in den folgenden neunzig Minuten passiert.

Zusammen mit ihrem neuen Ehemann, dem tourenden Musiker Max, und den beiden Stieftöchtern, der sechzehhnjährigen Taylor und ihrer jüngeren Schwester Alice zieht die Illustratorin und Kinderbuchautorin Jessica in ihr altes Vorstadt-Elternhaus. Während Jessica für ihr neues Buch Spinnenwesen zeichnet, versucht sie die Vorbehalte, die Taylor und Alice gegen sie haben, zu überwinden. Sie will eine gute Mutter für Max‘ Kinder sein.

Im Keller entdeckt Alice hinter einem Schrank und einer Tür, die einen in schönster Horrorfilm-Tradition anschreit „Nicht öffnen!“, einen Teddy. Sie nennt ihn Chauncey und macht ihn zu ihrem ständigen Begleiter. Der Teddy ist, wie der Titel „Imaginary“ andeutet, ein Imaginärer Freund. Das scheint es bei Kindern öfter zu geben. Auch wenn ich und die Kollegen, mit denen ich mich nach der Pressevorführung über den Film unterhielt, früher keinen Imaginären Freund hatten und niemand Kinder kannte, die einen solchen Imaginären Freund haben oder hatten.

Jedenfalls hat Alice jetzt so einen imaginären Freund, der zunehmend besitzergreifend, bedrohlich und gefährlich wird. Für Alice ist er ein realer Feind, den sie für einen Freund hält. Jessica versucht das Schlimmste zu verhindern – und jetzt kommt einer dieser abgeschmackten Sätze, der das Niveau des Films ziemlich genau beschreibt – um Alice zu retten, muss Jessica sich ihren Ängsten und ihrer Vergangenheit stellen. Denn Chauncey war auch ihr Imaginärer Freund/Feind.

Imaginary“ ist auch für den geneigten, jeden Schund akzeptierenden Horrorfilmfan Graubrot. Eine dämonische Puppe und aus der Vergangenheit zurückkehrende böse Geister sind nichts neues im Genre und die meisten Filme mit besessenen Puppen, die in den letzten Jahren im Kino liefen, waren nicht besonders gut. Das gilt auch für „Imaginary“. Die Story recycled vertraute Figuren und Handlungselemente aus älteren Filmen. Die Handlung beschränkt sich budgetschonend weitgehend auf einen Schauplatz und eine Niemals-Jemals-Fantasiewelt, die aus im Studio errichteten alptraumhaften Wänden und Türen besteht. Der Cast besteht aus einer vierköpfigen Familie und einige kurzen Gastauftritten. Die Größe des Casts gibt dem Horrorfilmfan dann auch schon einen Hinweis auf die Zahl der Toten. Es werden nicht viele sein, die einen schrecklichen Horrorfilmtod erleiden könnten.

Immerhin ist „Imaginary“, dank des Verzichts auf eine wackelige Wackelkamera, professionell gefilmt.

Imaginary (Imaginary, USA 2024)

Regie: Jeff Wadlow

Drehbuch: Greg Erb, Jason Oremland, Jeff Wadlow

mit DeWanda Wise, Tom Payne, Taegen Burns, Pyper Braun, Veronica Falcon, Betty Buckley

Länge: 105 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „Imaginary“

Metacritic über „Imaginary“

Rotten Tomatoes über „Imaginary“

Wikipedia über „Imaginary“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Jeff Wadlows Mark-Millar-Verfilmung „Kick-Ass 2“ (Kick-Ass 2, USA 2013)


Neu im Kino/Filmkritik: Ein „Bloodshot“ für Vin Diesel

März 5, 2020

Im Presseheft steht, in „Bloodshot“ spiele Vin Diesel erstmals einen Superhelden. Das ist höchstens halb richtig. Einerseits weil Ray Garrison ein mittels Nanotechnologie optimierter Soldat ist und das klingt dann doch sehr nach Technikanwendung, andererseits weil der von ihm gespielte Hyper-James-Bond-Verschnitt xXx Xander Cage und der Einzelkämpfer Riddick, der in der Nacht sehen kann, schon ziemliche unkaputtbare Superhelden waren. Auch Kaulder in „The Last Witch Hunter“ (keine Lücke im Filmwissen, die geschlossen werden muss) war ziemlich superheldisch. Und Dom Toretto wird in den „Fast & Furious“-Filmen zunehmend zu einem unbesiegbarem Autofahrer. An der Kinokasse ist nur die „Fast & Furious“-Serie durchgehend erfolgreich.

Genau wie alle diese Filme soll „Bloodshot“ der Beginn eines neuen Franchise für Vin Diesel sein. Die Vorlage für den Actionthriller ist eine 1992 von Kevin VanHook, Don Perlin und Bob Layton begonnene Comicreihe über einen mittels Nanotechnologie zum unbesiegbaren Superhelden mutierten Soldaten, der herausfinden will, wer er wirklich ist. Denn sein Gedächtnis und damit auch seine Erinnerungen wurden und werden manipuliert.

Im Film wird erzählt, wie der Soldat Garrison von Martin Axe (Toby Kebbell) getötet wird. Davor ermordete der Psychopath Axe bereits Garrisons über alles geliebte Frau.

Kurz darauf erwacht Garrison in den oberen Stockwerken eines Wolkenkratzers in einem leicht futuristischem Labor der für das Militär forschenden Firma Rising Spirit Technologies (RST). RST-Chef Dr. Emil Harting (Guy Pearce) erklärt ihm, er sei jetzt mittels Nanotechnologie optimiert und praktisch unbesiegbar. Jedenfalls wenn es um Schuss- und Stichwunden geht. Mit Betäubungsmitteln kann er allerdings schnell außer Gefecht gesetzt werden. Oder man schaltet einfach, wie bei einem Computer, sein Gehirn ab. Dieses Feature verrät Harting Garrison selbstverständlich nicht.

Als Garrison näheres über die Umstände seines Todes erfährt, ist er nur von einem Gedanken besessen: er will sich an Axe rächen.

Das klingt doch nach einer guten Prämisse für ein ordentliches zweistündiges Actionspektakel. Dummerweise tötet Garrison Axe bereits nach einigen Minuten und wir erfahren, dass Harting das Gedächtnis von Garrison manipuliert. Ab jetzt ist die Story ein einziger Kladderadatsch von chaotisch motivierten Figuren, erzählerischen Lücken, Unlogik (zum Beispiel: Warum tut der Bösewicht das, was er tut, bei Garrison so und nicht anders? oder Warum helfen Garrison irgendwann bestimmte Figuren?) und billig inszenierter Action im schlecht kopierten wackeligen Jason-Bourne-Stil.

Schon lange vor dem Abspann sieht „Bloodshot“ wie ein weiteres geplantes Franchise aus, das dead on arrival ist.

Dabei hätte die Figur Bloodshot und die Idee, dass jemand das Gedächtnis des Protagonisten für seine Zwecke manipuliert, durchaus das Potential für einen zum Nachdenken anregenden Blockbuster. Man denke nur an Christopher Nolans „Inception“. Regiedebütant David S. F. Wilson kommt noch nicht einmal in die Nähe von Nolans Film.

Bloodshot (Bloodshot, USA 2020)

Regie: David S. F. Wilson

Drehbuch: Jeff Wadlow, Eric Heisserer (nach einer Geschichte von Jeff Wadlow)

LV: Comicfigur von Kevin VanHook, Don Perlin und Bob Layton

mit Vin Diesel, Eiza González, Sam Heughan, Toby Kebbell, Guy Pearce, Jóhannes Haukur Jóhannesson

Länge: 110 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Deutsche Facebook-Seite zum Film

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „Bloodshot“

Metacritic über „Bloodshot“

Rotten Tomatoes über „Bloodshot“

Wikipedia über „Bloodshot“ 


Neu im Kino/Filmkritik/Buchkritik: „Kick-Ass 2“ kickt in Jeff Wadlows Actionkracher und Mark Millars Comics ass

August 16, 2013

Wer mit „Kick-Ass“, der grandiosen und sehr respektlosen Liebeserklärung an die Superhelden, nichts anfangen konnte, sollte um „Kick-Ass 2“ einen großen Bogen machen. Denn der Film und der ihm zugrunde liegende Comic „Kick-Ass 2“ von Autor Mark Millar und Zeichner John S. Romita, Jr., ergänzt um etliche Szenen aus „Hit-Girl“ (die im Comic eine Elfjährige, im Film eine Fünfzehnjährige, ist) ist brutal, oft vulgär, zynisch, schwarzhumorig und nie wirklich jugendfrei. Deshalb ist „Kick-Ass 2“ auch „frei ab 18 Jahre“ und er hat sich diese Freigabe ehrlich verdient.

Nach dem Ende von „Kick-Ass“ ist Frank D’Amico (Mark Strong) tot. Kick-Ass (Aaron Taylor-Johnson), ein Möchtegern-Superheld mit dem Talent, sich verprügeln zu lassen, und Hit-Girl (Chloë Grace Moretz), ein Mädchen, das lässig ganze Legionen böser Jungs verprügelt und tötet, töteten den Mafia-Boss D’Amico und seine Männer. Dabei starb Hit-Girls Vater Big Daddy (Nicholas Cage in einem seiner besten Leinwandauftritte der vergangenen Jahre).

Hit-Girl Mindy McCready lebt jetzt bei Detective Marcus Williams (Morris Chestnut), der mit ihrem Vater befreundet war, und besucht die Schule. Eine für sie fremde Welt. Denn anstatt ihrer Bestimmung folgend, Verbrecher zu vermöbeln, muss sie jetzt Soap-Operas gucken und sich für Justin Bieber begeistern.

Aber die meiste Zeit schwänzt sie die Schule (Keine Panik. Sie hat den Schulcomputer gehackt und ist deshalb auf dem Papier immer anwesend.) und bildet Kick-Ass Dave Lizewski aus. Denn Daves Ambitionen sind größer als seine kämpferischen Fähigkeiten.

Als Marcus herausbekommt, dass Mindy nicht zur Schule geht, muss sie ihm versprechen, zur Schule zu gehen. Weil Big-Daddy sie erzogen hat, gegebene Versprechen zu halten, hält sie sich auch daran.

Dave, der schon immer davon träumte, zu einem Team von Superhelden zu gehören, schließt sich Colonel Stars and Stripes (Jim Carrey) an. Der zum Gläubigen konvertierte Gangster hat die Gruppe „Justice Forever“ gegründet. Gemeinsam gehen sie mit ziemlich drastischen Methoden gegen Gangster vor. Meistens patrouillieren sie allerdings, wie eine Bürgerwehr in kindischen Verkleidungen, durch die Straßen, geben Autogramme und helfen in der Suppenküche aus.

Währenddessen will Chris D’Amico (Christopher Mintz-Plasse), der Sohn von Frank D’Amico und der in „Kick-Ass“ Red Mist war, seinen Vater rächen. Nach dem Tod seiner Mutter entdeckt er eine Ledermontur in ihrem Nachlass, zieht sie an und nennt sich jetzt „The Motherfucker“. Weil seine verbrecherischen Fähigkeiten proportional zu seinen Ambitionen sind, kauft er sich eine Bande von Schlägern ein, die ihm bei seiner Mission helfen sollen. Seine beste Waffe ist „Mother Russia“, wie er eine muskelbepackte Ex-KGB-Agentin nennt und deren Spitznamen man nicht mit „Mütterchen Russland“ übersetzen sollte. Sie ist die böse Schwester, die Ivan Drago (Dolph Lundgren) vor dem Frühstück vermöbelt und dann – vielleicht – verspeist.

Der große Spaß an „Kick-Ass 2“, in dem er auch um das Erwachsen-Werden geht, ist, dass Mark Millar, John Romita, Jr. und Jeff Wadlow jedes Superhelden-Klischee nehmen und es vom Kopf auf die Füße stellen, einem Realitätscheck unterziehen, die Superheldenmythologie kräftig entstauben und dann doch wieder – irgendwie – bestätigen. Aber halt auf eine zynisch-schwarzhumorige, pathosfreie Art.

Zur Vorlage oder Die gezeichneten Abenteuer von Kick-Ass und Hit-Girl

Der Film folgt ziemlich genau, bis auf das Finale, der Comicvorlage „Kick-Ass 2“, ergänzt um große Teile aus „Hit-Girl“, wobei im Film Hit-Girl älter als in den Vorlagen ist, weil die Hauptdarstellerin älter wurde. Die Namen einiger Charaktere wurden geändert. So wurde aus Chris Genovese Chris D’Amico. Naja, eine alte Hollywood-Weisheit sagt: „You can always change the name.“

Und der gesamte Film spielt mit Insider-Gags, Zeichen und Insignien, die das Herz des Fans erfreuen, ohne die Geschichte zu stören oder allzu besserwisserisch rüberzukommen. So hängt Daves Vater in einer Szene ein Plakat auf, während er ihm etwas von Verantwortung und den Unterschieden zwischen Comics und dem echten Leben erzählt. Auf dem Plakat ist das Cover von Mark Millar/Leinil Yus „Superior“ abgebildet. In diesem Comic möchte der an MS erkrankte Simon gerne ein Superheld sein. Ormon erfüllt ihm diesen Wunsch. Aber nach einer Woche hätte er gerne seine Seele, sonst wird Superior wieder der kranke Junge. Millar erzählt seine Version von der Verführbarkeit des Einzelnen in seinem typischen Stil – und gleichzeitig liefert er eine Liebeserklärung an Superman, der Simon für Superior als Vorbild diente.

Mark Millar und Leinil Yu widmeten „Superior“ Christopher Reeve und Richard Donner.

Die Comics sind genauso lesenswert wie „Kick-Ass 2“ sehenswert ist. Jedenfalls wenn man auf diese Art von Humor steht.

Kick-Ass 2 - Hauptplakat

Kick-Ass 2 (Kick-Ass 2, USA 2013

Regie: Jeff Wadlow

Drehbuch: Jeff Wadlow

LV: Mark Millar/John S. Romita Jr.: Kick-Ass 2, 2010/2012 (Kick-Ass 2)

mit Aaron Taylor-Johnson, Chloë Grace Moretz, Morris Chestnut, Christopher Mintz-Plasse, Jim Carrey, Yancy Butler, John Leguizamo, Clark Duke, Augustus Prew, Lyndsy Fonseca, Donald Faison, Lindy Booth, Robert Emms, Monica Dolan, Steven Mackintosh, Olga Kurkulina, Daniel Kaluuya, Tom Wu, Andy Nyman, Iain Glen

Länge: 103 Minuten

FSK: ab 18 Jahre

Die direkte Vorlage für den Film und damit zusammenhängende Werke von Mark Millar

Millar - Kick-Ass 2 - Band 1

Mark Millar/John Romita, Jr.: Kick-Ass 2 (Band 1)

(übersetzt von Bernd Kronsbein)

Panini, 2012

108 Seiten

12,95 Euro

Originalausgabe

Kick-Ass 2 – Issue 1 – 4

Icon Comics, Dezember 2010 – November 2011

Millar - Kick-Ass 2 - Band 2

Mark Millar/John Romita, Jr.: Kick-Ass 2 (Band 2)

(übersetzt von Bernd Kronsbein)

Panini, 2012

100 Seiten

12,95 Euro

Originalausgabe

Kick-Ass 2 – Issue 5 – 7

Icon Comics, Januar – Mai 2012

Millar - Kick-Ass 2 - Gesamtausgabe

Die beiden „Kick-Ass 2“-Einzelbände erschienen auch Sammelband.

Millar - Hit-GirlMillar - Hit-Girl - Limitiertes Hardcover

Mark Millar/John Romita, Jr.: Hit-Girl – Kick-Ass 2: Die Vorgeschichte

(übersetzt von Bernd Kronsbein)

Panini, 2013

124 Seiten

14,95 Euro

Originalausgabe

Hit-Girl, Issue 1 – 5

Icon Comics, August 2012 – April 2013

Millar - Superior 2

Mark Millar/Leinil Yu: Superior – Band 2

(übersetzt von Bernd Kronsbein)

Panini, 2012

100 Seiten

12,95 Euro

Originalausgabe

Superior, Issue 5 – 7

Icon Comics, Dezember 2011 – März 2012

Hinweise

Amerikanische Homepage zum Film

Deutsche Homepage zum Film

Film-Zeit über „Kick-Ass 2“

Metacritic über „Kick-Ass 2“

Rotten Tomatoes über „Kick-Ass 2“

Wikipedia über „Kick-Ass 2“ (deutsch, englisch)

Homepage von Mark Millar

Meine Besprechung von Mark Millar/Steve McNivens „Nemesis“ (Nemesis, 2010/2011)

Meine Besprechung von Mark Millar/Grant Morrisons “Vampirella: Heiliger Krieg (Master Series 1)”

Die Charakterposter

Kick-Ass 2 - Kick-Ass

Kick-Ass 2 - Hit-Girl

Kick-Ass 2 - Motherfucker

Kick-Ass 2 - Colonel Stars and Stripes

Ein brandneues Interview mit Jeff Wadlow und Christopher Mintz-Plasse