Neu im Kino/Filmkritik: „The Fantastic Four: First Steps“ im MCU

Juli 24, 2025

Sechziger Jahre auf Erde 828 (die sich in einigen Teilen von unserer Erde unterscheidet): die Fantastic Four beschützen die Menschen vor bösen Wesen. Sie sind eine All-American-Familie, die als erste einen Flug in den Weltraum unternahmen. Dort wurden ihre Körper kosmischer Strahlung ausgesetzt. Ihre Moleküle veränderten sich. Seitdem verfügen sie über individuelle Superkräfte.

Die Fantastic Four sind ‚Mr. Fantastic‘ Reed Richards (Pedro Pascal), seine Frau ‚Die Unsichtbare‘ Sue Storm (Vanessa Kirby) (also sie kann sich unsichtbar machen), ihr Bruder ‚Die menschliche Fackel‘ Johnny Storm (Joseph Quinn) und ihr Freund ‚Das Ding‘ Ben Grimm (Ebon Moss-Bachrach). In ihrer Zentrale leben sie zusammen, forschen und treffen sich zum gemeinsamen Abendessen. Sie genießen ihre Berühmtheit, freuen sich auf die Geburt eines Babys und klönen in ihrer Vierer-WG munter vor sich hin. Es ist ein perfektes Leben bis aus dem Weltall der ‚Silver Surfer‘ Shalla-Bal (Julia Garner) – eine silberne Frau auf einem silbernem Surfbrett (Comicleser kennen sie eher als Mann) – auftaucht und sie darüber informiert, dass der Weltraumgott Galactus (Ralph Ineson) demnächst die Erde verspeisen werde. Die Fantastic Four wollen das verhindern – und das ist dann auch so ziemlich die Story von „The Fantastic Four: First Steps“, dem 37. Film aus dem Marvel Cinematic Universe (MCU) und dem ersten richtigen, spielfilmlangen Auftritt dieser Heldentruppe im MCU. Matt Shakmans Film ist der Auftakt der sogenannten „Phase 6“, die auch den Abschluss der hoffnungslos verkorksten „ Multiverse Saga“ bildet. Diese wird nächstes Jahr im Juli mit „Spider-Man: Brand New Day“ und im Dezember mit „Avengers: Doomsday“ fortgesetzt. Dann sind die Fantastic Four auch wieder dabei wenn das Universum vor dem Untergang gerettet wird.

First Steps“ ist ein überwältigend durchschnittlicher Film. Er ist zu gut für einen Verriss, aber auch viel zu schlecht für eine euphorische Kritik.

Auf der Plus-Seite steht eindeutig die liebevolle Neu-Erschaffung der sechziger Jahre durch die Linse damaliger Filme, Serien und Science-Fiction-Geschichten, in denen munter Zukunftsvisionen eines immer automatischeren Hauses, hilfsbereiten Robotern, fliegenden Autos und Kurztrips ins Weltall ersonnen wurden. Während die USA und die Sowjetunion sich in der Realität gerade einen Wettlauf um die Eroberung des Weltalls lieferten, fantasierten Autoren sich als utopische Begleitmelodie Besuche fremder Welten und Treffen mit Wesen von anderen Planeten zusammen.

Die von Josh Friedman, Eric Pearson, Jeff Kaplan und Ian Springer ersonnene Geschichte erschöpft sich zuerst in banalen Kabbeleien am Esstisch, die sich nicht wahnsinnig von ähnlich gelagerten TV-Serien unterscheiden und einer sehr gradlinig auf die finale Schlacht mit dem austauschbaren ‚Bösewicht der Woche‘ hinauslaufende Geschichte. Sie hat weniger Wendepunkte als eine Folge einer altmodischen Science-Fiction-Serie. Immerhin sind die Effekte besser und die Kämpfe länger. Viel länger.

Das alles versprüht ein wohliges Retro-Gefühl. Es weckt Erinnerungen an einfachere Zeiten, als der Weltraum noch das unbekannte Ziel der Träume war und ein gut gezielter Kinnhaken jedes Problem löste. Die Guten waren gut. Die Bösen böse. Zwischentöne gab es nicht und die als Vorbild dienende christlich-weiße Kernfamilie war noch intakt.

Aber die damaligen Storymodelle und die damals herrschende Weltanschauung sind veraltet. Vor allem wenn sie den Geist damaliger Comics (ihren ersten Auftritt hatten die Fantastic Four im November 1961) und TV-Serien ohne Brüche, ironische Doppelkodierungen oder Weiterentwicklungen einfach wiederbelebt wird. Shakmans „The Fantastic Four: First Steps“ wirkt durchgehend wie ein in den frühen sechziger Jahre entstandener Film, bei dem nur die Spezialeffekte und die Schauspieler verraten, dass der letztendlich museale Film erst heute gedreht wurde.

Nach „Cut Bank: Kleine Morde unter Nachbarn“ (2014) ist „The Fantastic Four: First Steps“ der zweite Spielfilm von Matt Shakman. Seit 2002 inszenierte er teils mehrere Episoden für TV- und Streamingserien, wie „Dr. House“, „Psych“, „Fargo“, „It’s always sunny in Philadelphia“, „Game of Thrones“, „The Boys“ und „WandaVision“.

P. S.: Wie gewohnt gibt es im und nach dem Abspann jeweils eine Szene. Die erste ist ein in Fankreisen schon lange bekannter Hinweis auf kommende Ereignisse, die zweite ein Gag.

The Fantastic Four: First Steps (The Fantastic Four: First Steps, USA 2025)

Regie: Matt Shakman

Drehbuch: Josh Friedman, Eric Pearson, Jeff Kaplan, Ian Springer (nach einer Geschichte von Eric Pearson, Jeff Kaplan, Ian Springer und Kat Wood)

LV: Figuren von Stan Lee und Jack Kirby

mit Pedro Pascal, Vanessa Kirby, Joseph Quinn, Ebon Moss-Bachrach, Ralph Ineson, Julia Garner, Paul Walter Hauser, Natasha Lyonne, Sarah Niles, Mark Gatiss

Länge: 115 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „The Fantastic Four: First Steps“

Metacritic über „The Fantastic Four: First Steps“

Rotten Tomatoes über „The Fantastic Four: First Steps“

Wikipedia über „The Fantastic Four: First Steps“ (deutsch, englisch)


Neu im Kino/Filmkritik: Über Alex Garland und Ray Mendozas Kriegsfilm „Warfare“

April 17, 2025

Für das Navy-SEAL-Team war der Einsatz am 19. November 2006 im Irak in Ramadi nur ein Routineeinsatz. Sie sollten in der Nacht in der Stadt ein Haus finden und von dort das Gelände beobachten.

Alex Garland und Ray Mendoza, einer der Soldaten, der bei dem Einsatz dabei war, schildern diesen Einsatz von den Sekunden bevor die Einheit das von ahnungslosen Irakern bewohnte Wohnhaus, das ihr Stützpunkt werden soll, besetzen und dem Moment, in dem die Soldaten das zerstörte Haus verlassen.

Der schief laufende Einsatz – die Einheit wird von Einheimischen entdeckt, angegriffen und belagert und muss Hilfe anfordern – wird von Garland und Mendoza chronologisch und minutiös geschildert. Dabei bleiben sie, bis auf einige Drohnen-Aufnahmen von dem Gebiet, immer in dem Wohnhaus und den wenigen Metern zwischen Haus und Straße.

Der aus dieser Begrenzung auf ein Ereignis, einen kurzen Zeitraum und einen Ort entstandene Kriegsfilm „Warfare“ überzeugt vor allem als formale und technische Übung. Und als Actionfilm.

Garland führt in „Warfare“ die Entkernung einer durchaus politischen Geschichte von ihren politischen Implikationen und Einrahmungen, die schon bei seinem vorherigen Film „Civil War“ hochproblematisch war, weiter fort. In „Civil War“ erzählte er von einem Krieg, in dem US-Amerikaner gegen US-Amerikaner kämpfen. Warum sie gegeneinander kämpfen, was die einzelnen Gruppen erreichen wollen und wie es zu dem Bürgerkrieg kam, ist egal. Es geht nur um eine Gruppe A die gegen eine Gruppe B kämpft. In „Warfare“ geht es nur noch um einen kleinen Einsatz. Über das Ziel des Einsatzes werden wir am Filmanfang in wenigen Worten informiert: die Navy SEALs sollen einen Spähposten errichten. Welche Bedeutung er innerhalb des Krieges hat, erfahren wir nicht. Über den Irak-Krieg erfahren wir in dem Film noch weniger. Ohne den Ortshinweis am Filmanfang wüssten wir noch nicht einmal, wo der Film spielt. Und wenn Alex Garland Ray Mendoza nicht am Set von „Civil War“ kennen gelernt und dieser nicht von diesem Einsatz erzählt hätte, hätte der Film genausogut an irgendeinem anderen Ort in irgendeinem anderen Krieg spielen können. Denn „Warfare“ interessiert sich nicht für den Kontext, in dem das Gefecht stattfand. Es ist auch kein Gefecht, das für den damaligen Krieg und die Planung künftiger Einsätze eine Bedeutung hatte.

Über die Soldaten, die um ihr Überleben kämpfen und sterben, erfahren wir nichts. Entsprechend egal ist uns ihr Leid und ihr Tod. Schließlich haben sie sich freiwillig verpflichtet. Anders ist das bei den Hausbewohnern und den beiden irakischen Übersetzern, die zum SEAL-Team gehören. Sie bleiben allerdings Randfiguren. Kanonenfutter, an das die US-Soldaten und der Film keine Gedanken verschwenden.

Warfare“ ist genau der Actionfilm, den Garland und Mendoza machen wollten. Und damit eine gerade wegen seiner Beschränkung auf einen in jeder Beziehung unwichtigen Einsatz todlangweilige technische Übung im luftleeren Raum ohne irgendeinen Erkenntnisgewinn.

Am Ende dieses verfilmten Einsatzberichts bleibt nur die Bestätigung der schon vorher vorhandenen Meinung. Kriegsgegner sehen sich in ihrer Meinung bestätigt, dass Krieg schlimm und sinnlos ist. Soldaten sehen die Dokumentation eines Einsatzes, der ihre Tapferkeit im Kampf gegen einen unsichtbaren, überlegenen, sie aus dem Hinterhalt angreifenden Feind feiert. Andere Romane und Filme über den Krieg, wie Erich Maria Remarques „Im Westen nichts Neues“ (1929) oder Stanley Kubricks „Full Metal Jacket“ (1987), um nur zwei Klassiker zu nennen, waren da vor Jahrzehnten schon weiter.

Warfare (Warfare, USA/Großbritannien 2025)

Regie: Alex Garland, Ray Mendoza

Drehbuch: Alex Garland, Ray Mendoza

mit D’Pharaoh Woon-A-Tai, Charles Melton, Joseph Quinn, Cosmo Jarvis, Will Poulter, Evan Holtzman, Finn Bennett, Noah Centineo, Henrique Zaga, Taylor John Smith, Kit Connor, Michael Gandolfini, Adain Bradley

Länge: 95 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Moviepilot über „Warfare“

Metacritic über „Warfare“

Rotten Tomatoes über „Warfare“

Wikipedia über „Warfare“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Alex Garlands „Ex Machina“ (Ex Machina, USA/Großbritannien 2014)

Meine Besprechung von Alex Garlands Jeff-VanderMeer-Verfilmung „Auslöschung“ (Annihilation, USA 2018)

Meine Besprechung von Alex Garlands „Men – Was dich sucht, wird dich finden“ (Men, Großbritannien 2022)

Meine Besprechung von Alex Garlands „Civil War“ (Civil War, USA 2024)


Neu im Kino/Filmkritik: „Gladiator II“ – Kloppen und Sterben im Kolosseum

November 13, 2024

Dieses Mal gibt es Haie und Seeschlachten im Kolosseum, das vorher natürlich geflutet wurde. Als große Attraktion für das Publikum gab es während des Römischen Imperiums solche nachgestellten Seeschlachten. Die Haie entspringen der Fantasie der Macher von „Gladiator II“, der auf den ersten Blick überflüssigen Fortsetzung von „Gladiator“. Denn „Gladiator“ ist ein Monumentalfilm mit einem perfektem Ende. Da muss es keine Fortsetzung geben.

Russell Crowe ist wieder dabei. In Rückblenden aus dem ersten „Gladiator“-Film. Connie Nielsen ist ebenfalls wieder dabei. In echt. Sie spielt wieder die Kaisertochter Lucilla. Nach den damaligen Ereignissen, die mit dem Tod von Maximus Decimus Meridius (Crowe) und Commodus (Joaquin Phoenix) endeten, schickte sie ihren Sohn Lucius in die Fremde und brach jeden Kontakt zu ihm ab.

Jetzt, knapp zwanzig Jahre später, im Jahr 200 A. D., lebt Lucius Verus (Paul Mescal) in Nordafrika in Numidien. Er ist ein begnadeter Kämpfer und glücklich verheirateter Bauer. Er und seine Frau, ebenfalls eine begnadete Kämpferin und Bogenschützin, kämpfen mit hren Landsleute gegen das römische Heer, das ihre Heimat Numidien zu einer römischen Provinz machen will. Bei einer für beide Seiten verlustreichen Schlacht gegen die von General Marcus Acacius (Pedro Pascal) angeführten römischen Truppen stirbt sie. Lucius wird gefangen genommen und nach Rom verschifft. Dort trifft er den mit Gladiatorenkämpfen Geld verdienenden Geschäftsmann Macrinus (Denzel Washington), der am Hof aufsteigen will, und er muss im Kolosseum um sein Überleben kämpfen. Denn er will sich an General Marcus, der mit Lucilla verheiratet ist, rächen. Das Publikum verliebt sich schnell in den tapferen Gladiator. Gleichzeitig gerät er, ein wenig und vor allem als Spielball, in die Machtkämpfe zwischen den verschiedenen um die Herrschaft in Rom kämpfenden Männern und Fraktionen.

Gladiator II“, der jetzt, 25 Jahre nach „Gladiator“, im Kino anläuft, erzählt eigentlich die aus dem an der Kinokasse, bei Preisverleihungen, unter anderem den Oscar als bester Film des Jahres, und der Kritik enorm erfolgreichen Monumentalfilm bekannte Geschichte noch einmal. Einige neue Namen und eher minimal veränderte Handlungselemente ändern daran nichts. „Gladiator II“ ist einfach nochmal „Gladiator“. Nur nicht so gut.

Während in „Gladiator“ der Konflikt zwischen Maximus und Commodus im Mittelpunkt steht, ist das in „Gladiator II“ nicht so klar. „Gladiator“ erzählt eine Rachegeschichte, eine Geschichte von Verrat und gegensätzlichen Vorstellungen über die Zukunft des römischen Imperiums. Verkörpert wird dieser Konflikt durch die beiden Hauptfiguren, die mal Freunde waren und zu Feinden wurden, nachdem Commodus seinen Vater ermordet, um an die Macht zu gelangen. Als Maximus ihm danach nicht helfen will, sondern sich gegen ihn stellt, lässt er dessen Familie ermorden und gibt den Befehl, Maximus zu ermorden. Maximus überlebt und begibt sich nach Rom, um dort Commodus zu ermorden. Das ist eine einfache Geschichte, die gradlinig mit Schauwerten präsentiert wird.

In „Gladiator II“ sind schon die Motive der beiden Gegner schwächer. General Marcus Acacius ist ein Feldherr, der einfach eine Schlacht gewinnen will. Der Tod von Lucius‘ Frau ist dabei einer der vielen Tote, die es in einer Schlacht gibt. Ein persönliches Motiv ist nicht erkennbar. Auch später, in Rom, hat Marcus kein Interesse daran, Lucius zu töten. Unnötig verklompliziert wird die Beziehung zwischen Marcus und Lucius, weil Marcus mit Lucius‘ Mutter Lucilla verheiratet ist.

Der mit den beiden Hauptfiguren verknüpfte Kampf um das künftige Schicksal des römischen Imperiums, also von wem es wie regiert werden soll, entfällt ebenfalls. Beide Hauptpersonen interessieren sich nicht dafür. Der eine will seine Frau rächen. Der andere will eigentlich in den wohlverdienten Ruhestand gehen. Für Politik und Macht interessieren sie sich nicht.

Macrinus (Denzel Washington) interessiert sich dafür. Er ist eine Mischung aus Unternehmer und politischem Profiteur. Er will in die Herrschaftsriege aufsteigen. Eine besondere Mission oder eine Vorstellung, was sich unter seiner Herrschaft ändern soll, hat er nicht. Er ist einfach nur ein Profiteur, der die Macht um ihrer selbst will.

Seine Gegner sind die Kaisergeschwister Caracalla und Geta. Sie sind verwöhnte, psychotische, leicht beeinflussbare reiche Kinder. Besonders angsteinflößend sind sie nicht. Wie sie, nachdem am Ende von „Gladiator“ die Zeichen für eine bessere Zukunft gesetzt waren, an die Macht kamen, wird nicht erklärt und bleibt rätselhaft. Denn nichts qualifiziert sie für das Amt, das sie auch nicht ausfüllen möchten. Fred Hechinger und Joseph Quinn sorgen im ihrem Overacting eher für einen schrägen Camp-Humor in dem ernsten Film.

In diesen Momenten erzählt „Gladiator II“, neben der Rachegeschichte, auch eine Polit-Intrige, ohne sich für den politischen noch für den intriganten Teil zu interessieren. Eine detaillierte Auseinandersetzung mit den Mechanismen der Macht würde vom Spektakel im Kolosseum ablenken. Aber vielleicht erzählt Scott das ja in epischer Breite in der schon jetzt angedeuteten möglichen und deutlich längeren Fassung des zweieinhalbstündigen Films.

In der Langfassung wird dann vielleicht auch erkennbar, ob Scott möchte, dass die Filmgeschichte als Metapher für die aktuelle Situation in den USA gelesen werden soll und wie sie gelesen werden soll. Im Moment kann sie nämlich mühelos in jede politische Richtung interpretiert werden. „Gladiator II“ ist kein Monumentalfilm mit einer politischen Agenda oder einem klar gekennzeichnetem Konflikt verschiedener Vorstellungen von Gesellschaft und dem richtigen Leben. Das war früher, als es in Monumentalfilmen um den Kampf gegen das Christentum oder um Sklavenaufstände ging, anders. In „Gladiator II“ geht es um nichts.

Weitere Probleme von „Gladiator II“ sind schon in den ersten Minuten offensichltich. Der Monumentalfilm beginnt mit einer epischen, CGI-gesättigten Schlacht, bei der brennende Kugeln und Pfeile locker Festungsmauern und Rüstungen durchschlagen und Schiffe schwuppdiwupp zum Sinken bringen. Während der Schlacht fällt Lucius ins Wasser und taucht erst lange nach dem Ende der Schlacht wieder auf. Eigentlich müsste er ertrunken sein. Realismus und Wahrscheinlichkeit werden schon in diesen Minuten zugunsten vermeitlicher Schauwerte geopfert.

Etwas später muss Lucius in der Kampfarena gegen Fantasy-Monsterpaviane auf Speed kämpfen. In diesem Moment qualifiziert „Gladiator II“ sich endgültig zum todernsten Fantasy-Film mit teilweise erstaunlich schlechten und unglaubwürdigen CGI-Effekten.

Als Spektakel erreicht der Sandalenfilm mühsam seine Ziellinie. Als ernstzunehmender Film hat er sich schon in den ersten Filmminuten Richtung Trash und freudlos-züchtiger Anything-can-go-Fantasy verabschiedet. Bei Ridley Scotts neuem Film ist nur beeindruckend, wie wenig beeindruckend der Film ist. Dabei war schon „Gladiator“ nicht wirklich gut, aber immerhin über die gesamte Laufzeit unterhaltsam.

Gladiator II (Gladiator II, USA 2024)

Regie: Ridley Scott

Drehbuch: David Scarpa (nach einer Geschichte von Peter Craig und David Scarpa, nach Charakteren von David Franzoni)

mit Paul Mescal, Pedro Pascal, Joseph Quinn, Fred Hechinger, Lior Raz, Derek Jacobi, Connie Nielsen, Denzel Washington

Länge: 148 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „Gladiator II“

Metacritic über „Gladiator II“

Rotten Tomatoes über „Gladiator II“

Wikipedia über „Gladiator II“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Ridley Scotts „Thelma & Louise“ (Thelma & Louise, USA 1991)

Meine Besprechung von Ridley Scotts “Prometheus” (Prometheus, USA 2012)

Meine Besprechung von Ridley Scotts “Exodus – Götter und Könige (Exodus – Gods and Kings, USA 2014)

Meine Besprechung von Ridley Scotts „Der Marsianer – Rettet Mark Watney“ (The Martian, USA 2015)

Meine Besprechung von Ridley Scotts „Alien: Covenant“ (Alien: Covenant, USA 2017)

Meine Besprechung von Ridley Scotts „Alles Geld der Welt“ (All the Money in the World, USA 2017)

Meine Besprechung von Ridley Scotts „The Last Duel“ (The Last Duel, USA 2021)

Meine Besprechung von Ridley Scotts „House of Gucci“ (House of Gucci, USA 2021)

Meine Besprechung von Ridley Scotts „Napoleon“ (Napoleon, USA 2023)


Neu im Kino/Filmkritik: „A quiet Place: Tag Eins“ in New York, der Stadt, die niemals schläft und die niemals still ist

Juni 27, 2024

2018 war John Krasinskis Science-Fiction-Film „A quiet Place“ ein Überraschungserfolg. Er erzählte von einer Familie, die nördlich von New York auf einer einsam gelegenen Farm lebt. Seit über einem Jahr schweigen sie, weil Alien-Monster die Erde angegriffen haben und sich auf alles stürzen, was Geräusche verursacht.

Diese Idee ist faszinierend und gut für etliche Suspense-Szenen. Aber sie ist auch, wenn man darüber nachdenkt, vollkommen idiotisch.

Nachdem der Film mit einem Budget von 17 Millionen US-Dollar über 340 Millionen US-Dollar einspielte, war eine Fortsetzung unvermeidlich. Die kam 2020 bzw. 2021 – wegen der Coronavirus-Pandemie verschob sich der geplante Starttermin – und sie spielte gut 300 Millionen US-Dollar ein. In dem Science-Fiction-Film gibt es eine Rückblende auf den ersten Tag der Alien-Invation in der Kleinstadt Millbrook. Gleichzeitig und hauptsächlich erzählt Krasinski die Geschichte des ersten Films weiter. Für nächstes Jahr ist der dritte und (bis jetzt) abschließende Teil angekündigt.

Dazwischen läuft jetzt „A quiet Place: Tag Eins“ an. In ihm erzählt „Pig“-Regisseur Michael Sarnoski, der auch das Drehbuch schrieb, eine Geschichte vom Anfang der Alien-Invasion.

Die konstant schlechtgelaunte Dichterin Samira (Lupita Nyong’o) hat Krebs im Endstadium. Einen Partner oder eine Familie scheint sie nicht zu haben. Jedenfalls spielen sie in dem Film keine Rolle. An einem sonnigen Tag macht sie zusammen mit anderen, ebenfalls in dem Hospiz lebenden Krebspatienten einen Ausflug nach Manhattan. In Chinatown besuchen sie in einem Theater die Nachmittagsvorstellung eines Puppenspielers. Danach wollen sie noch Pizza essen gehen. Dieses Vorhaben wird von dem Angriff der Aliens sabotiert. Die Wesen stürzen sich auf alles, was Geräusche verursacht und schwuppdiwupp ist New York eine fast menschenleere Stadt. Die letzten Überlebenden sollen zum Hafen gehen und von dort mit einem Schiff evakuiert werden. Anscheinend sind die Monster extrem wasserscheu.

Mit ihrer Katze Frodo geht Samira in die andere Richtung. Sie will nach Harlem und in ihrer Stammpizzeria noch einmal Pizza essen. Auf ihrem Weg trifft sie einige Menschen, wie Henri (Djimon Hounsou, der auch in „A quiet Place 2“ dabei ist). Der aus Großbritannien kommende Jura-Studenten Eric (Joseph Quinn) wird dabei ihr treuester Begleiter. Nachdem er aus einer überfluteten Subwaystation auftaucht und keine Ahnung hat, was passiert ist und wie er sich verhalten soll, ist Samira die erste Person, die er trifft. Er folgt ihr wie ein streunender Hund, der endlich eine Person gefunden hat, der er vertrauen kann.

A quiet Place: Tag Eins“ ist ein zwiespältiger Film. Die Prämisse – Monster stürzen sich auf alles, was Geräusche verursacht – ist inzwischen etabliert. Jetzt können in dieser Welt weitere Geschichten erzählt werden. Mal stehen diese, mal jene Menschen im Mittelpunkt der Geschichte. Einige Figuren überleben, andere nicht. Und das kann auch auf die Hauptfigur zutreffen. Sie wird ja nicht unbedingt für den nächsten Film gebraucht. Die Geschichte kann hier oder da spielen. Schließlich wurde die gesamte Welt angegriffen und so können überall „A quiet Place“-Geschichten spielen. Und die Geschichten können zu jedem Zeitpunkt nach der Invasion spielen. Dieses Konzept kann zu langlebigen Reihen führen.

Comicfans erinnern sich vielleicht an Garth Ennis‘ „Crossed“. Ennis schrieb eine Geschichte über eine Gruppe Menschen in einer Welt nach einer Zombieapokalypse. Danach erzählten andere Autoren weitere, in dieser Welt spielende, großartige Geschichten. Ennis einzige Bedingung war, dass die von ihm erfundenen menschlichen Figuren nicht wieder auftauchten.

Ähnlich ist es in dem von James DeMonaco erfundenem „The Purge“-Franchise. Nachdem die Prämisse etabliert war – in einer Nacht sind alle Straftaten erlaubt -, erzählten die Macher Geschichte aus verschiedenen „Purge“-Nächten. Dabei sparten sie nie mit ätzender Zeitkritik. In jedem „The Purge“-Film wurden andere Aspekte aus dieser Welt angesprochen und die Geschichte der Purge entwickelte sich weiter.

Dagegen ist „Tag Eins“, obwohl es sich erst um den dritten Film im „A quiet Place“-Franchise handelt, schon erstaunlich repetitiv. Gezeigt wird weniger eine Fortentwicklung dieser sehr, sehr leisen Welt, sondern eine Wiederholung des Bekannten und des damit verbundenen immergleichen Spannungsaufbaus. Zuerst ist alles still. Dann gibt es ein Geräusch. Die Monster tauchen auf. Die Menschen flüchten. Meistens sterben sie, seltener können sie entkommen.

In „Tag Eins“ erzählt Michael Sarnoski mit einer anderen Hauptfigur und an einem anderen Ort einfach noch einmal die bekannte Geschichte. Das ist in den zahlreichen Suspense-Szenen spannend. Der Handlungsort, das menschenleere New York, sieht gruselig aus. Die Hauptstory – Samira will eine Pizza – wird ohne Abschweifungen erzählt. Dass sie auf ihrem Weg zur Pizzeria einigen Menschen hilft, stört nicht weiter.

Gleichzeitig werden die Schwächen des Konzepts immer offensichtlicher. Es gibt keinen Spielraum für Variationen, weil es nur um die Spannung geht, wann es ein Geräush gibt, das zu einem Alienangriff führt. Also verstößt man immer wieder nonchalant gegen die aufgestellten Regeln. So reagieren die Monster mehrmals auf leisere Geräusche, die im Lärm unhörbar sind oder sie reagieren auf laute Geräusche nicht, aber Sekunden später auf ein viel leiseres Geräusch. Mal haben sie panische Angst vor Wasser, mal nicht. Die Monster sind hier nur noch die immer wieder plötzlich zuschlagende Bedrohung. Mehr erfahren wir nicht über sie. Über die Menschen erfahren wir auch nicht mehr. Ihre Funktion für die Handlung besteht weitestgehend darin, Monsterfutter zu sein.

Wenn man die Prämisse akzeptiert und nicht über Logiklöcher nachdenkt, wird man im Kino spannende, ziemlich stille hundert Minuten mit sehr schweigsamen Menschen erleben.

A quiet Place: Tag Eins (A quiet Place: Day One, USA 2024)

Regie: Michael Sarnoski

Drehbuch: Michael Sarnoski (nach einer Geschichte von John Krasinski und Michael Sarnoski, basierend auf von Bryan Woods und Scott Beck erfundenen Figuren)

mit Lupita Nyong’o, Joseph Quinn, Alex Wolff, Djimon Hounsou

Länge: 99 Minuten

FSK: ab 16 jahre

Hinweise

Moviepilot über „A quiet Place: Tag Eins“

Metacritic über „A quiet Place: Tag Eins“

Rotten Tomatoes über „A quiet Place: Tag Eins“

Wikipedia über „A quiet Place: Tag Eins“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von John Krasinskis „A quiet Place“ (A quiet Place, USA 2018)

Meine Besprechung von John Krasinskis „A quiet Place 2″ (A Quiet Place: Part II, USA 2021)