2004 versteckt Jeffrey Manchester (Channing Tatum) sich nach seinem Ausbruch aus dem Gefängnis in der großen Filiale einer bekannten Spielwarenkette. Der verheiratete ehemalige Army Ranger und mehrfache Vater war 2000 zu 45 Jahren Haft verurteilt worden . Er hatte über vierzig Überfälle auf Fastfood-Restaurants begangen. Normalerweise indem er sich in der Nacht über das Dach Zugang zu dem Geschäft verschaffte und das Geschäft ausraubte nachdem die Frühschicht kam.
Jetzt will er in dem „Toys „R“ Us“-Geschäft abwarten, bis die Polizei ihn nicht mehr sucht. Die Zeit verbringt er mit dem Ausprobieren des Spielzeugs, dem Essen der vorhandenen Snacks und dem Beobachten des Personals. Dabei verliebt er sich in Leigh Wainscott (Kirsten Dunst). Sie ist eine gläubige alleinerziehende Mutter. Nachdem er ihr einige aus dem Geschäft für einen Basar geklaute Geschenke bringt, lädt sie ihn zu einem Treffen in der Kirche ein. Sie beginnen sich öfter zu treffen. Dabei weiß Jeffrey, dass er das nicht tun sollte.
Die auf den ersten Blick etwas unglaubwürdige Geschichte beruht auf der wahren Geschichte von Jeffrey Allen Manchester. Derek Cianfrance inszenierte sie als sympathische Verbrecherschnurre und Liebesgeschichte. Solange man nicht zu genau über Jeffreys Taten nachdenkt, ist „Der Hochstapler – Roofman“ ein kurzweiliges Vergnügen.
Der Hochstapler – Roofman (Roofman, USA 2025)
Regie: Derek Cianfrance
Drehbuch: Derek Cianfrance, Kirt Gunn
mit Channing Tatum, Kirsten Dunst, Peter Dinklage, Ben Mendelsohn, LaKeith Stanfield, Juno Temple, Melonie Diaz, Uzo Aduba, Lily Collias
Wer jung und naiv und mit der freudigen Erwartung, die Stars Jennifer Lawrence und Robert Pattinson als Liebespaar beim Geschlechtsverkehr zu sehen, ins Kino geht, wird wahrscheinlich schreiend den Saal verlassen. Sicher: Lawrence und Pattinson spielen ein junges Paar, das aus der Großstadt in ein etwas abgelegen liegendes, heruntergekommenes Haus zieht. Sie renovieren das Haus. Sie haben Sex und bekommen ein Baby. Nach der Geburt verändert sich ihre Beziehung weiter.
Allerdings ist „Die my love“ keine heimelige RomCom mit glücklichen Menschen in einer perfekten Welt, sondern ein Film von Lynne Ramsay. Zu den vorherigen Filmen der in Glasgow geborenen, nicht besonders produktiven Regisseurin gehören „Rat Catcher“ (1999), „Morvern Callar“ (2002), „We need to talk about Kevin“ (2011; ihr bekanntestes und zugänglichstes Werk) und „A beautiful day“ (2017; der Titel kann nur und muss strikt ironisch verstanden werden). Keiner dieser wenig erklärenden, viel zeigenden und sich auf die Intelligenz des Publikums verlassenden Feelbad-Filme war ein Kassenhit. Jeder Film kam bei der Kritik gut an. Zuletzt spielten Stars wie Tilda Swinton, John C. Reilly und Joaquin Phoenix in ihren Filmen mit. Dieses Mal übernahmen Lawrence und Pattison die Hauptrollen. Die Stars aus „Die Tribute von Panem – The Hunger Games“ und Harry Potter bewiesen in den Jahren seit ihrem Durchbruch eine große Sympathie für abseitige Stoffe. „Die my love“ reiht sich hier nahtlos ein. Sissy Spacek und Nick Nolte übernahmen Nebenrollen.
Nach einem fröhlichen Einzug verändert die nicht schreibende Schriftstellerin Grace (Jennifer Lawrence) sich während der Schwangerschaft und nach der Geburt zunehmend. Sie ist offensichtlich von der Situation überfordert und kann immer weniger Wahn und Wirklichkeit unterscheiden. Sie flieht zunehmend in so etwas wie eine postnatale Depression. Auch ihr immer öfter, teils mehrere Tage abwesender Lebensgefährte Jackson (Robert Pattinson) verändert sich.
Dieser eskalierende Wahnsinn in dem Frau, zuerst schwanger, später Mutter, sich immer fremder in ihrem Haus fühlt und der Abstand zu ihrem sich seltsam verhaltenden Mann immer größer wird, erinnert an Darren Aaronofskys surreales Drama „Mother!“ (2017), ebenfalls mit Jennifer Lawrence in der Hauptrolle. „Die my love“ kann als ungehemmte, assoziativ und in Andeutungen erzählte Variante des Alptraums einer jungen Mutter nach der Geburt ihres Kindes gesehen werden. Aber, wie Aaronofsky, lässt Ramsay verschiedene Interpretationen zu.
Für die Fans von Lynne Ramsay ist „Die my love“, nachdem ihr vorheriger Film, der brutale Noir „A beautiful day“ enttäuschte, definitiv einen Blick wert.
Ein Wissenschaftler mit Gewissenkonflikten bittet Lisbeth Salander, die Super-Hackerin mit edler Gesinnung und Problemen im zwischenmenschlichen Umgang, die von ihm geschriene Software Firefall zu stehlen. Mit ihr können alle Nuklearwaffen gesteuert werden.
Weil noch etliche Menschen mit weniger edler Gesinnung das Programm haben wollen, ist für reichlich Action gesorgt.
Da hat Lisbeths Journalisten-Freund Mikael Blomkvist kaum Zeit zum Kaffee trinken.
Verfilmung von David Lagercrantz‘ Fortsetzung der Romane von Stieg Larsson. Die Romanstory wurde zugunsten des Thrillerplots verbessert. Der Rest ist Nordic-Noir as usual. Und man muss die Romane von Larsson und die vielen Verfilmungen nicht kennen. .
Bei den „Pirates of the Caribbean“ hat es sehr gut funktioniert: aus einer Vergnügungspark-Attraktion wurde ein Film gemacht, der zum Kassenhit wurde. Disney zählte die Einnahmen, freute sich und produzierte mehrere Fortsetzungen.
Bei der „Haunted Mansion“ könnte es – so jedenfalls das Gedankenspiel der Produzenten – auch funktionieren. Ein Film über ein Haus voller Geister. Er gibt wohlige Gänsehaut bei Kindern und Erwachsenen. Erstere freuen sich über die furchterregenden Geister und die Gags. Letztere freuen sich über die Anspielungen. Schließlich ist die Villa bewohnt von Geistern und Horror-Gestalten, die seit Jahrzehnten durch Filme, Comics und Bücher zu einem Teil des popkulturellen Gedächtnisses wurden.
Die Geschichte ist in ihren Grundzügen schnell gefunden. Sie muss eigentlich nur die Story der Vergnügungspark-Attraktion leicht variieren. Dort betreten die Besucher, seitdem 1969 in Disneyland die erste Haunted Mansion eröffnet wurde, das Spukhaus. Sie begegnen etlichen Geistern, lassen sich erschrecken, bekommen eine Gänsehaut und verlassen dann das Haus.
Im Film betreten einige Menschen die titelgebende „Geistervilla“. Schnell treffen sie auf die Geister, die das Haus bewohnen. Ben (LaKeith Stanfield) ist ein ehemaliger Astrophysiker, der immer noch in Trauer über den Tod seiner Frau ist und jetzt, wenn er ansprechbar ist, sein Geld als schlecht gelaunter Touristenführer verdient. Er erzählt ihnen von den in New Orleans lebenden Geistern. Selbst glaubt er nicht an Geister. Neben ihm sind Gabbie (Rosario Dawson) und ihr neunjähriger Sohn Travis (Chase W. Dillon), die Mieter der Geistervilla, der Geistliche Father Kent (Owen Wilson), Professor Bruce Davis (Danny DeVito), der die Geschichte der Geister von New Orleans erforscht, und das Medium Harriet (Tiffany Haddish) in der Geistervilla. Sie alle werden, nachdem sie die Villa betreten haben, von den Geistern in ihr festgehalten. Später kommt noch Madame Leota (Jamie Lee Curtis) dazu. Sie wird in einer Glaskugel gefangen gehalten.
Aus diesem Setting machen Regisseur Justin Simien und Drehbuchautorin Katie Dippold eine erschreckend belang- und humorlose CGI-Schlacht in meist dunklen und sehr dunklen Räumen. Simien inszenierte den in Deutschland nicht veröffentlichten Ensemblefilm „Dear White People“ und die bei uns auf DVD veröffentlichte Horrorkomödie „Bad Hair“.
Dippold schrieb die Drehbücher für die von Paul Feig inszenierten Komödien „Taffe Mädelds“ (The Heat) und „Ghostbusters“. Im Gegensatz zu den unzähligen gehässigen Kommentaren der fanatischen Fans der ursprünglichen Ghostbusters-Filme, die zu dem Zeitpunkt den Film noch nicht gesehen hatten, fand ich die 2016 entstandene Version mit weiblichen Geisterjägern durchaus unterhaltsam.
Das kann über „Geistervilla“ nicht gesagt werden. In der Villa sind zwar viele Geister, aber einen bleibenden Eindruck hinterlässt kein Geist. Die Geisterjäger sind eine moralisch bestenfalls zweifelhafte Truppe uncharmanter Gestalten. Einige von ihnen sind Betrüger; was kein Problem wäre, wenn es irgendwelche Gründe gäbe, ihnen die Daumen zu drücken. Auch von ihnen bleibt niemand länger im Gedächtnis. Die beiden Mieter der Villa, die alleinstehende Mutter und ihr Sohn, haben bestenfalls eine Nebenrolle. Dabei hätte, wenn ein jüngeres Publikum angesprochen werden soll, Travis durchaus die Rolle des Protagonisten übernehmen können.
Bevor man diese „Geistervilla“ besucht, sieht man sich besser noch einmal Tim Burtons „Beetlejuice“ oder Rob Lettermans R.-L.-Stine-‚Verfilmung‘ „Gänsehaut“ an. Das sind, auch für Kinder, die viel, viel besseren Horrorkömodien mit eindrucksvollen Geistern und Menschen, treffsicherem Humor und gelungenen filmischen Anspielungen.
Geistervilla(Haunted Mansion, USA 2023)
Regie: Justin Simien
Drehbuch: Katie Dippold
mit LaKeith Stanfield, Tiffany Haddish, Owen Wilson, Danny DeVito, Rosario Dawson, Chase W. Dillon, Dan Levy, Jamie Lee Curtis, Jared Leto, Hasan Minhaj, Marilu Henner
Knives out – Mord ist Familiensache (Knives out, USA 2019)
Regie: Rian Johnson
Drehbuch: Rian Johnson
Privatdetektiv Benoit Blanc soll herausfinden, wer den vermögenden Krimiautor Harlan Thrombey an seinem 85. Geburtstag ermordete. Blanc vermutet, dass der Mörder ein Familienmitglied ist.
TV-Premiere. Gelungenes, sehr unterhaltsames, witziges und stilbewusstes Update des klassischen Rätselkrimis.
Inzwischen ist der zweite Benoit-Blanc-Fall, „Glass Onion: A Knives Out Mystery“, abgedreht. Wieder inszeniert von Rian Johnson, wieder mit Daniel Craig als Benoit Blanc, wieder mit einigen bekannten Schauspielern als Verdächtige. Ob und wie lange Netflix den Film im Kino zeigt, ist unklar.
mit Daniel Craig, Chris Evans, Jamie Lee Curtis, Toni Collette, Don Johnson, Michael Shannon, Ana de Armas, Katherine Langford, LaKeith Stanfield, Jaeden Martell, Christopher Plummer, Riki Lindhome, Edi Patterson, Frank Oz, K Callan, Noah Segan, M. Emmet Walsh
mit Daniel Kaluuya, Allison Williams, Catherine Keener, Bradley Whitford, Caleb Landry Jones, Marcus Henderson, Betty Gabriel, Lakeith Stanfield, Stephen Root, Lil Rel Howery,
Über viele Jahre, eigentlich schon Jahrzehnte, gab es traditionelle Rätselkrimis nur noch in Büchern und im Fernsehen. Erst mit der Kenneth Branaghs starbesetzter Agatha-Christie-Verfilmung „Mord im Orientexpress“ kehrte das locked-room-mystery wieder ins Kino zurück. Der Krimi war ein Kassenhit. Inzwischen dreht er, wieder mit vielen Stars, seine nächste Agatha-Christie-Verfilmung „Tod auf dem Nil“.
Dazwischen hat jetzt Rian Johnson sein locked-room-mystery geschmuggelt. Ohne eine literarische Vorlage, nach seinem Drehbuch, mit vielen Verweisen auf die literarischen und filmischen Vorbilder und mit vielen bekannten Schauspielern. Daniel Craig spielt den brillanten Privatermittler Benoit Blanc. Die Verdächtigen werden von Jamie Lee Curtis, Don Johnson, Chris Evans, Toni Collette, Michael Shannon und Ana de Armas gespielt. Und das Opfer von Christopher Plummer. Er spielt den renommierten Krimiautor Harlan Thrombey, der gerade, pünktlich zu seinem 85. Geburtstag, sein Testament geändert hat. Seine Familie, die aus unterschiedlichen Gründen auf das Geld spekulierte, ist entsetzt. Schließlich hat er sie mit seinem Vermögen schon seit Jahren durchgefüttert und sie haben das Erbe bereits fest für ihren Lebensstil eingeplant.
In der Nacht stirbt Harlan Thrombey in seinem Zimmer. Die Spuren, vor allem die Blutspuren, die Schnittwunde an seinem Hals und die in seiner Hand liegende Tatwaffe sprechen für einen Suizid. Auch wenn vollkommen rätselhaft ist, warum der durchaus rüstige Krimiautor sich umgebracht haben könnte.
Bevor die Polizei den Fall abschließen kann, mischt sich Benoit Blanc ein. Der Privatermittler hat einen Brief erhalten. In dem Brief steht, Harlan Thrombey wurde ermordet.
Blanc überprüft, nachdem die Polizei das schon getan hat, noch einmal die Alibis und Motive der Familienmitglieder und des Personals, wozu vor allem Harlan Thrombeys hispanische Pflegerin Marta (Ana de Armas) gehört. Sie ist die letzte Person, die den Ermordeten lebend sah. Für ihre Unschuld spricht, neben ihrem guten Wesen (für gestandene Rätselkrimifans kein stichhaltiger Grund), dass sie, immer wenn sie lügt, sich übergeben muss. Das passiert ihr, bis der Mörder überführt ist, öfter.
Schnell findet Blanc in den Aussagen der Menschen, die in der Tatnacht im Haus waren, Widersprüche und Merkwürdigkeiten. Das stiftet ihn zu weiteren Fragen und Ermittlungen bei den gar nicht ehrbaren Mitgliedern der Thrombey-Sippe an.
„Knives out – Mord ist Familiensache“ setzt sich als liebevoll-ironische Auseinandersetzung mit dem traditionellem Rätselkrimi etwas unglücklich zwischen die Stühle. Für eine Komödie ist der Film zu ernst. Für einen ernsten Krimi ist er dann wieder zu unernst. Und das Rätsel ist, was vielleicht auch daran liegt, dass ich den Täter schon vor dem Filmstart erriet, zu leicht zu durchschauen.
Dafür sind die Schauspieler gut aufgelegt. Sie dürfen einen typisch britischen Clan von Neureichen, Aasgeiern und Erbschleichern verkörpern, die alle von dem Geld des Familienpatriarchen profitieren. Auch Thrombeys Anwesen erinnert an die altehrwürdigen britischen Landhäuser, in denen schon Hercule Poirot Mörder suchte. Weil die Geschichte in den USA in der Gegenwart spielt, gibt es dann einige Anspielungen auf die dortigen Lebensverhältnisse und auch einige moderne, für die Handlung letztendlich unerhebliche Gegenstände und Fahrzeuge.
So ist „Knives out“ ein vergnüglicher und stilbewusster Rätselkrimi, der allerdings lange nicht so gut ist, wie die euphorischen angloamerikanischen Kritiken vermuten lassen.
Knives out – Mord ist Familiensache (Knives out, USA 2019)
Regie: Rian Johnson
Drehbuch: Rian Johnson
mit Daniel Craig, Chris Evans, Jamie Lee Curtis, Toni Collette, Don Johnson, Michael Shannon, Ana de Armas, Katherine Langford, LaKeith Stanfield, Jaeden Martell, Christopher Plummer, Riki Lindhome, Edi Patterson, Frank Oz, K Callan, Noah Segan, M. Emmet Walsh
Lisbeth Salander ist zurück im Kino und obwohl einiges neu ist, bewegt sich auch vieles in „Verschwörung“ auf vertrautem Terrain.
Doch beginnen wir mit den Änderungen. Nachdem die drei posthum erschienenen „Millennium“-Romane „Verblendung“ (2005), „Verdammnis“ (2006) und „Vergebung“ (2007) von Stieg Larsson weltweit unglaublich erfolgreich waren, wurden sie verfilmt. Zunächst in einer gekoppelten Kino- und TV-Auswertung (in längeren Fassungen) von Niels Arden Oplev und Daniel Alfredson mit Noomi Rapace als Lisbeth Salander und Michael Nyqvist als Mikael Blomkvist. David Fincher verfilmte 2011 „Verblendung“ noch einmal. Mit Rooney Mara als Lisbeth Salander und Daniel Craig als Mikael Blomkvist. Seine Version ist etwas polierter, aber sonst unterscheidet sie sich kaum von der schwedischen Originalversion. Die damals geplante und, seien wir ehrlich, überflüssigen Verfilmungen von „Verdammnis“ und „Vergebung“ in einer US-Version wurden so lange auf die lange Bank geschoben, dass inzwischen die Erbstreitigkeiten um Stieg Larssons Vermögen so weit beigelegt wurden, dass David Lagercrantz den Auftrag erhielt, weitere „Millennium“-Romane zu schreiben. 2015 erschien, weltweit beachtet, „Verschwörung“. In dem ziemlich missratenen Thriller (meine Besprechung) fällte er eine sehr gute Entscheidung. Er verlegte, ohne die Hauptcharaktere merklich altern zu lassen, die Handlung in die Gegenwart.
Und Hollywood entschloss sich, die noch ausstehenden Larsson-Verfilmung zu überspringen und gleich mit „Verschwörung“ weiterzumachen. Mit einem neuen Team vor und hinter der Kamera. Claire Foy spielt jetzt Lisbeth Salander und Sverrir Gudnason Mikael Blomkvist. Das ist eine sehr unglückliche Besetzungsentscheidung, weil Gudnason zu jung für die Rolle des altgedienten Investigativjournalisten ist. Und Foy in diesem Moment zu alt für Salander ist. Sie sind nicht mehr das seltsame Gespann von altgedientem Profi und junger Hackerin, sondern eher Bruder und Schwester.
Dass auch die „Millennium“-Herausgeberin Erika Berger mit Vicky Krieps eine massive Verjüngungskur erfuhr, ist da folgerichtig. Sie ist in „Verschwörung“ noch mehr eine Nebenfigur als Mikael Blomkvist. Und auch er ist in diesem Film nur eine Nebenfigur.
Eine kluge Entscheidung ist allerdings, den sechshundertseitigen Roman deutlich zu straffen und sich auf den Thrillerplot zu konzentrieren, der auch thrillen soll. Außerdem – und das dürfte die beste Entscheidung der Macher gewesen sein – konzentriert sich der Thriller auf Lisbeth Salander. „Verschwörung“ erzählt ihre Geschichte. Und die ihrer Schwester.
Dabei beginnt alles mit einem kleinen Auftrag. Salander soll für Frans Balder (Stephen Merchant) das von ihm geschriebene Programm Firefall beschaffen. Mit dem Programm kann man alle Atomraketen kontrollieren. Ein solches Programm ist der Traum jedes James-Bond-Schurken. Es sollte daher nicht in die falschen Hände fallen.
Salander kann das Programm aus dem NSA-Server stehlen. Dummerweise wird sie dabei entdeckt (Okay, sie stellte sich bei ihrem Diebstahl auch ziemlich dämlich an).
Jetzt wollen der NSA-Agent Ed Needham (Lakeith Stanfield), ein Ex-Navy-Seal, der schwedische Geheimdienst und eine Verbrecherbande, die von Salanders tot geglaubter Schwester Camilla (Sylvia Hoeks) angeführt wird, die Datei haben.
Fede Alvarez, der sich mit den Horrorfilmen „Evil Dead“ (ein respektables Remake eines Klassikers) und „Don’t breathe“ einen guten Ruf erarbeitete, inszenierte mit „Verschwörung“ eine Nordic Noir, der sich in keiner Sekunde vor den anderen, von der Kritik oft hochgelobten Nordic Noirs unterscheidet. Dazu gehört auch die teilweise krachende, jede Glaubwürdigkeit strapazierende Unlogik.
Die im Gegensatz zum Roman vollständig in sich abgeschlossene Filmgeschichte spielt in einem Stockholm, das weniger wie das reale Stockholm, sondern wie eine sauber abgewrackte Science-Fiction-Metropole aussieht, in der auch der Teufelsberg, eine Berliner Sehenswürdigkeit, problemlos als Teil Stockholms akzeptiert wird. Aus den unterschiedlichen Drehorten (es wurde auch in Hamburg gedreht) entsteht eine in sich geschlossene Noir-Dystopie mit dunkler Farbpalette und einem aus halb Europa stammendem Schauspielerensemble.
Am Ende ist „Verschwörung“ ein guter Nordic Noir, den man sich ansehen kann, ohne vorher die Romane oder die anderen Filme gesehen zu haben. Mit einer coolen Actionheldin, die vor allem das tut, was Actionheldinnen halt so tun.
Verschwörung (The Girl in the Spider’s Web: A New Dragon Tattoo Story, USA 2018)
Regie: Fede Alvarez
Drehbuch: Fede Alvarez, Jay Basu, Steven Knight
LV: David Lagercrantz: Det some ine dödar oss, 2015 (Verschwörung)
mit Claire Foy, Sverrir Gudnason, Sylvia Hoeks, Lakeith Stanfield, Claes Bang, Stephen Merchant, Christopher Convery, Vicky Krieps, Cameron Britton, Synnøve Macody Lund,
Mikael Persbrandt
Länge: 116 Minuten
FSK: ab 16 Jahre
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Die Vorlage im Filmcover
David Lagercrantz: Verschwörung
(Filmausgabe)
(übersetzt von Ursel Allenstein)
Heyne, 2018
608 Seiten
22,99 Euro (gebundene Ausgabe)
9,99 Euro (Taschenbuch)
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Gebundene Ausgabe
Heyne, 2015
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Originaltitel
Det some ine dödar oss
Norstedts, Stockholm, 2015
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Der fünfte Roman mit Lisbeth Salander
David Lagercrantz: Verfolgung
(übersetzt von Ursel Allenstein)
Heyne, 2017
480 Seiten
22,99 Euro (gebundene Ausgabe)
9,99 Euro (Taschenbuch, erscheint am 10. Dezember 2018)
Viele Blumhouse-Filme sind Mist. Billig produzierte Found-Footage-Horrorfilme, die finanziell einträglich sind. Aber dann gibt es – und deshalb lohnt sich immer ein Blick auf eine Blumhouse-Produktion – diese Perlen, in denen das geringe Budget die Chance für Experimente ist. In diesem Fall auch für eine ätzende Gesellschaftskritik, die keine Rücksicht auf irgendwelche Befindlichkeiten und kommerziellen Erwägungen machen muss. Bei den „The Purge“-Filmen gelang das. Und jetzt bei „Get out“, dem Debütfilm von Jordan Peele. In den USA ist er vor allem als Komiker bekannt.
Chris Washington (Daniel Kaluuya), ein aufstrebender New Yorker Fotograf, fährt mit seiner neuen Freundin Rose Armitage (Allison Williams), einer Krankenschwester, für ein Wochenende zu ihren Eltern. Sie leben im Wald in einem einsam gelegenem, noblen Familiensitz im Norden des Staates New York.
Auf dem Weg zu ihren Eltern betont Rose, eine Weiße, die Liberalität ihrer Eltern. Er ist ein Schwarzer – und schon von der ersten Minute an zeichnet der Afroamerikaner Jordan Peele ein düsteres Bild der Vereinigten Staaten von Amerika als eine zutiefst gespaltene Gesellschaft zwischen mehr oder weniger offen unterdrückten Schwarzen und Weißen, die sich als Herrenmenschen sehen und auch so agieren. Andere Ethnien gibt es in „Get Out“ nicht; was natürlich zur bedrückenden Atmosphäre und der klaren Zeichnung des Konflikts beiträgt.
Auf dem abgelegenem Wohnsitz der Armitages wird Chris freundlich von Roses Eltern empfangen. Aber sie sind eine Spur zu freundlich. Ihre beiden Hausangestellten, natürlich Schwarze, verhalten sich auch seltsam. So als stünden sie immer etwas neben sich und als ob sie noch – mental – in der Zeit vor dem Bürgerkrieg lebten.
Und mehr soll nicht verraten werden. Außer dass Chris besser spätestens nach dem ersten Gespräch mit dem ach so liberalen, pensionierten Chirurgen Dean Armitage (Bradley Whitford) und seiner ebenso liberalen Frau Missy (Catherine Keener), einer Psychiaterin, abgereist wäre. Denn ihre Liberalität, Weltgewandtheit und Freundlichkeit ist keine gewöhnliche Bigotterie, sondern die Fassade für etwas viel schlimmeres.
Peele verpackt seine ätzende Analyse der gegenwärtigen USA und ihrer Rassenverhältnisse in einen packenden Horrorthriller voller überraschender Wendungen und zunächst verborgener Bedeutungsebenen und Interpretationsmöglichkeiten. Dabei bleibt er immer erkennbar nah an der Wirklichkeit und er behandelt sein Thema Rassismus äußerst facettenreich.
In den USA wird „Get out“ seit seiner Premiere auf dem Sundance Film Festival von der Kritik nahezu einhellig abgefeiert und an der Kinokasse ist er ebenfalls ein Hit.
Daher: Reingehen in „Get out“.
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Und jetzt der Trailer, der – jedenfalls wenn man den Film kennt – viel von dem Film verrät. Daher: ansehen auf eigene Gefahr:
Get out (Get out, USA 2017)
Regie: Jordan Peele
Drehbuch: Jordan Peele
mit Daniel Kaluuya, Allison Williams, Catherine Keener, Bradley Whitford, Caleb Landry Jones, Marcus Henderson, Betty Gabriel, Lakeith Stanfield, Stephen Root, Lil Rel Howery