Neu im Kino/Filmkritik: Ian McKellen ist „The Critic“

März 13, 2025

Jimmy Erskine ist 1934 in London der seit Ewigkeiten etablierte, von sich selbst und seiner Wichtigkeit hemmungslos überzeugte Großkritiker des „Daily Chronicle“. Mit seinen Kritiken entscheidet er über Karrieren. Er vernichtet Theaterstücke, Schauspieler und Regisseure mit pointierten Gemeinheiten. Oder lobt sie in den Himmel. Er hat ein sorgenfreies Leben mit täglichen ausufernden Gelagen mit seinen ähnlich boshaften Freunden.

Nach dem Tod des Chefs der Zeitung übernimmt sein Sohn David Brooke den „Daily Chronicle“. Brooke möchte den doch schon betagten Kritiker rauswerfen. Er passt nicht zu dem Bild, das Brooke vom Chronicle hat.

Aber Erskine wehrt sich gegen den angekündigten Rauswurf. Und wie es sich für eine schwarze britische Komödie gehört, gibt es neben verbalen Gemeinheiten auch einige Intrigen und Tote.

Aber wenn der von Sir Ian McKellen lustvoll gespielte Kritiker nicht gerade One-Liner sagt, plätschert die von Anand Tucker inszenierte Komödie „The Critic“ weitgehend spannungsfrei vor sich hin.

The Critic (The Critic, Großbritannien 2023)

Regie: Anand Tucker

Drehbuch: Patrick Marber

LV: Anthony Quinn: Curtain Call, 2015

mit Ian McKellen, Gemma Arterton, Mark Strong, Ben Barnes, Alfred Enoch, Romola Garai, Lesley Manville

Länge: 101 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Moviepilot über „The Critic“

Metacritic über „The Critic“

Rotten Tomatoes über „The Critic“

Wikipedia über „The Critic“

Meine Besprechung von Anand Tuckers David-Peace-Verfilmung „1983“ (Red Riding: In the Year of Our Lord 1983, Großbritannien 2009) (ach, die Miniserie könnte mal wieder im Fernsehen gezeigt werden)


Neu im Kino/Filmkritik: Das Amy-Winehouse-Biopic „Back to Black“

April 11, 2024

Ihre erste CD „Frank“ veröffentlicht die am 14. September 1983 London geborene Amy Winehouse 2003. Der große weltweite Erfolg kommt 2006 mit ihrer zweiten und letzten CD „Back to Black“. 2008 erhält die Retrosoul-Sängerin bei den Grammy Awards rekordverdächtige fünf Preise. 2007 heiratet sie Blake Fielder-Civil. 2009 erfolgt die Scheidung. Er macht sie drogenabhängig. Die Beziehung ist von Gewalt und Drogen und öffentlicher Aufmerksamkeit geprägt. Winehouse ist, mit ihrem unberechenbarem Verhalten, ihrer Drogensucht und psychischer Probleme, ein wandelndes Katastrophengebiet. Die Boulevardpresse belagert sie. Am 23. Juli 2011 stirbt sie an einer Alkoholvergiftung. Amy Winehouse wurde 27 Jahre alt.

Ihr kurzes Leben bietet, abseits der ausgetretenen Biopic-Pfade, in denen einfach ihre Lebensstationen und Skandale chronologisch abgehandelt werden, viele Anknüpfungspunkte für einen aufregenden Film.

Back to Black“ ist es nicht. Es ist bestenfalls eine mit Amy-Winehouse-Songs garnierte Liebesgeschichte unter Drogenabhängigen. Die biographischen Stationen aus Amy Winehouses Leben werden so kryptisch, elliptisch und bezuglos abgehandelt, dass man danach den Wikipedia-Artikel liest, um zu erfahren, was man gerade gesehen hat. Da springt der Film von Konzerten in Bars vor kleinem Publikum zu Arena-Konzerten. Da beschließt Amy Winehouse in der einen Minute, sich in eine Drogentherapie zu begeben. Es folgen ein Bild eines ländlich gelegenen Nobelsanatoriums und schon ist die Therapie beendet. Währenddessen wird ausführlich und in langen Szenen die erste Begegnung von Winehouse und Blake Fielder-Civil, deren Ausprobieren verschiedenster Drogen und ihre vor allem für sie sehr ungute Beziehung zelebriert. Dazwischen tritt der immer zuverlässige Eddie Marsan als ihr Vater Mitch Winehouse auf. Er versucht ihr selbstlos und uneigennützig zu helfen.

Drehbuchautor Matt Greenhalgh („Control“ [über „Joy Division“-Frontman Ian Curtis], „Nowhere Boy“ [über den jungen John Lennon]) und Regisseurin Sam Taylor-Johnson („Nowhere Boy“, Razzie-Liebling „Fifty Shades of Grey“) erzählen Amy Winehouses Lebensgeschichte oberflächlich und alle möglichen Tiefen und interessanten Aspekte vermeidend. Das Ergebnis ist eine Junkie-Liebesgeschichte, in der wir wenig über Amy Winehouse erfahren und das wie die harmlose Spielfilmversion von Asif Kapadias mit dem Dokumentarfilm-Oscar ausgezeichnetem Porträt „Amy“ (GB 2015) wirkt. Sein Film ist zwar auch nur gefälliges, auf Analysen und historische Einordnungen verzichtendes Doku-Handwerk für den Amy-Winehouse-Fan, aber immerhin wird die problematische Beziehung zu ihrem Vater Mitch Winehouse und zu Blake Fielder-Civil tiefgehender thematisiert und es gibt eine Idee, warum Amy Winehouse so jung starb. Insofern ist Kapadias Dokumentarfilm der bessere Einstieg in ihr Leben.

Back to Black“ ist dagegen nur ein Biopic für den Amy-Winehouse-Fan, der sich freut, ihre Songs im Kino zu hören.

Vor wenigen Wochen lief Reinaldo Marcus Greens „Bob Marley: One Love“ (Bob Marley: One Love, USA 2024) an. Er konzentriert sich in seinem ebenfalls eher misslungenem Biopic (das immerhin die Musik von Bob Marley hat) auf einen kurzen Ausschnitt aus dem Leben des 1981 verstorbenen Reggae-Musiker. Im direkten Vergleich ist Greens Musiker-Biopic das bessere Musiker-Biopic. Er hat immerhin eine Idee davon, was er erzählen möchte.

Back to Black (Back to Black, Großbritannien 2024)

Regie: Sam Taylor-Johnson

Drehbuch: Matt Greenhalgh

Filmmusik: Nick Cave, Warren Ellis

mit Marisa Abela, Jack O’Connell, Eddie Marsan, Lesley Manville, Juliet Cowan, Sam Buchanan

Länge: 123 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Moviepilot über „Back to Black“

Metacritic über „Back to Black“

Rotten Tomatoes über „Back to Black“

Wikipedia über „Back to Black“ (deutsch, englisch) und Amy Winehouse (deutsch, englisch)

AllMusik über Amy Winehouse

Meine Besprechung von Asif Kapadias „Amy“ (Amy, Großbritannien 2015)


Neu im Kino/Filmkritik: Taschentücher raus! „Mrs. Harris und ein Kleid von Dior“

November 10, 2022

1957 putzt Ada Harris in London die Wohnungen mehrerer vermögender Familien. Sie ist schon etwas älter und wird von ihren Kunden als zuverlässige, sich im Hintergrund haltende Putzfrau geschätzt. Als sie bei einem ihrer Kunden ein Kleid sieht, gefällt es ihr. Sie hat keine Ahnung, dass es von Christian Dior ist und sie ist schockiert, als sie den Preis erfährt. Er ist für sie unbezahlbar hoch.

Trotzdem, oder gerade deswegen, will sie sich ein Kleid von Dior kaufen. Sie ist eine Frau aus der Arbeiterklasse, deren Mann als im Krieg verschollen gilt. Bis jetzt bestand ihr Leben nur aus Arbeit. Sie hat sich nie etwas gegönnt. Also stellt sie einen Sparplan auf. Nachdem sie mit einigen hilfreichen Händen und etwas Glück, das nötige Geld hat, fliegt sie nach Paris.

Dort gestaltet sich der Kauf als schwieriger als geplant. Sie hatte geplant, von London nach Paris zu fliegen, ein Dior-Kleid zu kaufen und sofort zurückzufliegen. Aber weil Dior alles nach Maß schneidert, muss sie warten, bis ihr Kleid fertig ist. Bis es so weit ist, begegnet sie der Direktorin des Hauses Dior, einigen Angestellten und einem Marquis. Mit ihrer herzensguten, praktischen und vernünftigen Art beginnt sie deren Leben zu verändern.

Mrs. Harris und ein Kleid von Dior“ basiert auf dem mehrfach verfilmtem Roman „Ein Kleid von Dior“ von Paul Gallico. Eine Verfilmung ist von 1982 mit Inge Meysel, die damals die Mutter der Nation war. Der Film kam gut an und sie spielte in fünf weiteren Filmen Ada Harris.

Jetzt verfilmte Anthony Fabian Gallicos Buch als starbesetztes kitschiges Märchen. Lesley Manville spielt Mrs. Harris. Isabelle Huppert, Jason Isaacs und Lambert Wilson sind ebenfalls dabei. Paris und das Haus Dior werden schön in Szene gesetzt. Die Geschichte folgt den bekannten Regeln. Der Humor ist von der harmlosen Art. Allerdings ist das Feelgood-Märchen mit zwei Stunden zu lang geraten. Hier hätte eigentlich jede Szene gekürzt werden können.

Insgesamt ist „Mrs. Harris und ein Kleid von Dior“ einer dieser die Wirklichkeit durch ein Fantasiegebilde verklärenden Filme. Früher waren das in Deutschland die Heimatfilme, heute können wir „Das Traumschiff“ oder irgendeinen Sonntagabend-ZDF-“Herzkino“-Film nehmen. Und genau für diese „Herzkino“-Fans ist Fabians Märchen gemacht.

Damit könnte ich die Sache bewenden lassen, wenn mir im Film nicht etwas aufgefallen wäre, das hoffentlich keinen Trend markiert. Wie gesagt zeichnen diese Feelgood-Filme kein Bild der Realität und das erwartet auch niemand. Unangenehme Themen, wie Rassismus, Gewalt gegen Frauen, Ausländerhass und Armut werden konsequent ignoriert. Es geht um Wunscherfüllung und jeder, der sich so einen Film ansieht, weiß das.

Allerdings wurden in den letzten Jahren etliche, teils auf historischen Begebenheiten basierende Filmen gedreht, die ein anderes Bild der Vergangenheit zeigten. Sie zeigen, im Rahmen von beispielsweise konventionellen Liebesfilmen, dass es in der Vergangenheit unglückliche Ehen (z. B. „Am Strand“), Armut und Ausgrenzung zwischen Angehörigen unterschiedlicher Glaubensgemeinschaften (evangelisch/katholisch) und Staaten, teils sogar Stadtviertel, gab (z. B. „Brooklyn“). Diese Filme erweiterten und korrigierten unseren Blick auf die Vergangenheit. Salopp gesagt, sagten sie uns, dass es beispielsweise Rassismus, Homosexualität und Abtreibungen schon immer gab. Sie vermittelten uns ein neues, reichhaltigeres und differenzierteres Bild unserer Vergangenheit.

Mrs. Harris und ein Kleid von Dior“ geht einen anderen Weg. Der Film sagt uns, dass es das alles nicht gab. Er verkündet dagegen, dass wir, in diesem Fall weiße Engländer, schon immer tolerant und aufgeschlossen waren und niemanden diskriminierten. So ist Mrs. Harris‘ beste Freundin eine afrikanisch-karibische Frau. Im Pub haben sie freundschaftlichen Umgang mit einem Iren. Dort läuft Chuck Berrys „Johnny B. Goode“ (das zum Zeitpunkt der Filmgeschichte noch nicht veröffentlicht war). Ein toller Song, aber dass damals in einem Pub Rock’n’Roll lief, erscheint arg unglaubwürdig. Denn damals und auch noch viele Jahre später wurde diese Jugendmusik von den Eltern, dem typischen Pub-Publikum, gehasst und vehement abgelehnt. Falls damals in einem Pub überhaupt Musik lief, liefen dort wahrscheinlich von Doris Day, Connie Francis und Frank Sinatra gesungene Schlager. In Paris besucht Ada Harris eine Modenschau, in der zwei der vier Models PoC (People of Color) sind. Und ein Marquis lädt sie zum Abendessen ein. Während des Essens in einem noblen Restaurant gibt es eine Tanzshow, die eine Mischung aus Moulin-Rouge- und Chippendales-Show ist. Die auf den ersten Blick altjüngferliche Ada Harris ist entzückt. Durchgehend werden Dinge in den Film aufgenommen, die in den damals entstandenen Schmonzetten ignoriert wurden.

In „Mrs. Harris und ein Kleid von Dior“ werden sie so in den Film aufgenommen, dass der Eindruck entsteht, dass es schon immer so war. London und Paris werden als Städte gezeigt, in der es keinen Rassismus und keine Ausgrenzung, sondern nur eine große tolerante multikulturelle Gemeinschaft gibt.

Dabei waren in Großbritannien bis weit in die sechziger Jahre (und wahrscheinlich später immer noch) Schilder à la „No Irish, no blacks, no dogs“ weit verbreitet.

Mrs. Harris und ein Kleid von Dior (Mrs. Harris goes to Paris, Frankreich/Großbritannien/Ungarn 2022)

Regie: Anthony Fabian

Drehbuch: Carroll Cartwright, Anthony Fabian, Keith Thompson, Olivia Hetreed

LV: Paul Gallico: Flowers for Mrs Harris, 1957 (US-Titel: Mrs Harris goes to Paris, 1958; auch Mrs. ‚Arris Goes to Paris) (Ein Kleid von Dior)

mit Lesley Manville, Isabelle Huppert, Jason Isaacs, Lambert Wilson, Alba Baptista, Lucas Bravo, Ellen Thomas

Länge: 116 Minuten

FSK: ab 0 Jahre

Hinweise

Moviepilot über „Mrs. Harris und ein Kleid von Dior“

Metacritic über „Mrs. Harris und ein Kleid von Dior“

Rotten Tomatoes über „Mrs. Harris und ein Kleid von Dior“

Wikipedia über „Mrs. Harris und ein Kleid von Dior“ (deutsch, englisch)


TV-Tipp für den 17. Oktober: Der seidene Faden

Oktober 16, 2021

Arte, 20.15

Der seidene Faden (Phantom Thread, Großbritannien 2017)

Regie: Paul Thomas Anderson

Drehbuch: Paul Thomas Anderson

London, 1955: Edelschneider Reynolds Woodcock ist der Star der Modewelt. Jeder erträgt klaglos seine Marotten. Als er sich in die Kellnerin Alma verliebt und diese nicht daran denkt, seine Wünsche bedingungslos zu erfüllen, beginnt ein Machtkampf im Haus Woodock.

TV-Premiere. In jeder Beziehung sehr gelungenes Drama, das rückblickend betrachtet auch ein äußerst gelungener Noir-Krimi mit Anklängen an Alfred Hitchcocks Daphne-du-Maurier-Verfilmung „Rebecca“ ist.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

Anschließend, um 22.20 Uhr, zeigt Arte die fünfzigminütige brandneue Doku „Daniel Day-Lewis – Der Weg zum weltbesten Schauspieler“, der sich mit „Der seidene Faden“ in den Ruhestand verabschiedete.

mit Daniel Day-Lewis, Vicky Krieps, Lesley Manville, Brian Gleeson, Sue Clark, Harriet Sansom Harris, Lujza Richter

Wiederholung: Dienstag, 19. Oktober, 13.50 Uhr

Hinweise

Moviepilot über „Der seidene Faden“

Metacritic über „Der seidene Faden“

Rotten Tomatoes über „Der seidene Faden“

Wikipedia über „Der seidene Faden“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Paul Thomas Andersons „Inherent Vice – Natürliche Mängel“ (Inherent Vice, USA 2015)

Meine Besprechung von Paul Thomas Andersons „Der seidene Faden“ (Phantom Thread, Großbritannien 2017)


Neu im Kino/Filmkritik: „Maleficent: Mächte der Finsternis“ kehren zurück

Oktober 17, 2019

Vor fünf Jahren erzählte „Maleficent – Die dunkle Fee“ die Geschichte von Dornröschen aus der Sicht der bösen Fee, die eigentlich eine gute Fee ist. Dem bestenfalls zwiespältigen Disney-Fantasy-Film gelang es nie, seine Geschichte schlüssig zu erzählen. Am guten Einspielergebnis von weltweit über 750 Millionen US-Dollar änderte das nichts und schnell wurde eine Fortsetzung angekündigt.

Mit „Maleficent: Mächte der Finsternis“ ist es jetzt soweit. Die Geschichte spielt einige Jahre nach den Ereignissen des ersten Films.

Aurora (Elle Fanning) lebt glücklich in ihrem Reich der Moore in trauter Harmonie mit den dort lebenden magischen Kreaturen, Tieren und Pflanzen. Ihre ‚Mutter‘ Maleficent (Angelina Jolie) schaut ab und zu vorbei. Als ihre große Liebe, der schöne Prinz Philipp (Harris Dickinson), ihr einen Heiratsantrag macht, der auch zu einer friedlichen Vereinigung des Reich der Moore und dem Menschen-Königreich Ulstead führen würde, steht der Besuch bei den zukünftigen Schwiegereltern, König John (Robert Lindsay) und Königin Ingrith (Michelle Pfeiffer), auf der Tagesordnung. Vor allem Königin Ingrith besteht darauf, dass die Fee Maleficent dabei ist.

Schweren Herzens und weil Aurora sie darum bittet, kommt sie mit und läuft in eine Falle von Königin Ingrith, die die Feen abgrundtief hasst und vernichten will. Aber Maleficent kann entkommen.

Maleficent: Mächte der Finsternis“ ist ein weiterer Disney-Live-Action-Film, in dem außer den Schauspielern, eigentlich alles am Computer entstand. Auch die Schauspieler wurden teilweise ebenfalls exzessiv digital bearbeitet. Angelina Jolie sieht, wieder einmal, als absolut makellose Maleficent wie eine Trickfigur aus.

Der erzählerische Fortschritt gegenüber dem ersten Film ist enorm. Die Geschichte ist banal. So weiß jeder, spätestens wenn Königin Ingrith auf dem Besuch von Maleficent besteht, was bis zum Abspann passieren wird. Aber im Gegensatz zum ersten Film sind die Motive und Motivationen der einzelnen Figuren nachvollziehbar und stimmig. Ebenso klar ist der Konflikt zwischen den Menschen und den Feen gezeichnet und die damit verbundene Frage, wie er gelöst werden soll. Im Endeffekt stehen sich eine friedliche und eine nicht-friedliche Lösung gegenüber.

Beim Sehen erstaunte mich, auch wenn nur die bekannten Genretopoi abgehandelt werden, wie einfach die Filmgeschichte tagespolitisch interpretiert werden kann. Dann wäre Königin Ingrith Donald Trump (wobei sie viel intelligenter, intriganter und besser aussehend ist), ihr die meiste Zeit in einem tiefen Schlaf liegender Mann die willenlose republikanische Partei, Maleficent und die Feen die fälschlich für alles Böse verantwortlichen Mexikaner und die Kinder Philipp und Aurora Romeo und Julia, die an einen Frieden zwischen Menschen- und Feenwelt glauben. Am Ende steht dann eine versöhnliche Botschaft über das Zusammenleben. Denn selbstverständlich gewinnt nicht die böse, Hass und Zwietracht säende Menschenkönigin, sondern die auf Liebe, Vertrauen und friedliches Zusammenleben setzende Aurora.

Kinder – und für sie ist der Film trotz seiner für mich unverständlichen Ab-12-Jahre-Freigabe – werden diese realpolitischen Implikationen nicht bemerken, sondern eine herzige Liebesgeschichte mit Humor und vielen fabelhaften Wesen in einer bunten Mittelalter-Fantasywelt sehen und hoffen, dass die Prinzessin den Prinzen bekommt.

Ein wirklich guter Film ist „Maleficent: Mächte der Finsternis“ nicht. Dazu ist die Geschichte zu vorhersehbar und mit zwei Stunden arg langsam erzählt. Aber Maleficents zweites Kinoabenteuer ist deutlich gelungener als „Maleficent – Die dunkle Fee“.

Maleficent: Mächte der Finsternis (Maleficent: Mistress of Evil, USA 2019)

Regie: Joachim Rønning

Drehbuch: Micah Fitzerman-Blue, Noah Harpster, Linda Woolverton (nach einer Geschichte von Linda Woolverton)

mit Angelina Jolie, Elle Fanning, Harris Dickinson, Michelle Pfeiffer, Sam Riley, Chiwetel Ejiofor, Ed Skrein, Robert Lindsay, David Gyasi, Jenn Murray, Juno Temple, Lesley Manville, Imelda Staunton

Länge: 119 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

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Moviepilot über „Maleficent – Die dunkle Fee“

Metacritic über „Maleficent – Die dunkle Fee“

Rotten Tomatoes über „Maleficent – Die dunkle Fee“

Wikipedia über „Maleficent – Die dunkle Fee“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Robert Strombergs „Maleficent – Die dunkle Fee“ (Maleficent, USA 2014)

Meine Besprechung von Joachim Rønnings „


Neu im Kino/Filmkritik: „Der seidene Faden“ der Liebe zwischen Daniel Day-Lewis und Vicky Krieps, beobachtet von Lesley Manville

Februar 5, 2018

Das ist also der Film, mit dem Daniel Day-Lewis seine Schauspielerkarriere beenden will. Sagt in Interviews der am 29. April 1957 in London geborene, inzwischen zum irischen Staatsbürger gewordene hochgelobte Schauspieler. Er vertieft sich oft für Ewigkeiten in seine Rollen. Er war schon immer sehr wählerisch. Er legte deshalb immer wieder lange Pausen zwischen den Filmen ein, in denen er sich aus dem Filmgeschäft zurückzog. Entsprechend schmal ist seine Filmographie. Die IMDB listet gerade einmal dreißig Filmauftritte auf. Sie ist allerdings auch ungewöhnlich hochkarätig. Zu seinen Filmen gehören „Mein wunderbarer Waschsalon“, „Zimmer mit Aussicht“, „Mein linker Fuß“, „Der letzte Mohikaner“, „Im Namen des Vaters“, „Gangs of New York“ und „Lincoln“. Mit Paul Thomas Anderson, dem Regisseur von „Der seidene Faden“, arbetete er bereits 2007 in „There will be Blood“ zusammen. Für sein Porträt eines skrupellosen Öl-Magnaten erhielt er seinen zweiten Oscar als bester Hauptdarsteller.

Er erhielt insgesamt drei Oscars und gewann weitere 140 Filmpreise, unter anderem zwei Golden Globes und vier Baftas.

Wenn die diesjährigen Preisverleihungen abgeschlossen sind, dürfte Day-Lewis, der selbstverständlich für „Der seidene Faden“ das Schneiderhandwerk erlernte, für sein Porträt des Modemachers Reynolds Woodcock einige weitere Trophäen erhalten haben.

Woodcock ist im London der fünfziger Jahre ein Schneider für die High Society. Er und seine Schwester Cyril (Lesley Manville) leben in einem für die Londoner Couturier-Szene typischen kleinem Modehaus in Mayfair. Es ist gleichzeitig Wohn- und Arbeitshaus und Produktionsstätte. Sie leben dort in einem von der Welt abgeschotteten Welt. Sie führt die Geschäfte, organisiert das tägliche Leben und achtet darauf, dass ihr Bruder die von ihm gewünschten Bedingungen für seine Kreativität hat. Sie achtet darauf, dass alle seine Regeln penibel eingehalten und seine Schrullen klaglos toleriert werden. So verlangt er beim Frühstück absolute Ruhe. Nur so kann er sich auf seinen Tag einstimmen und kreativ sein. Für Fremde ist das tägliche gemeinsame Frühstück eine Tortur, die in einem Mikrokosmos die Welt des „House of Woodcock“ zeigt.

Als Woodcock einen Wochenendauflug in ihr Landhaus Owlpen Manor unternimmt, trifft er in einem Fischerdorf in einem Restaurant die junge, etwas unbeholfene Kellnerin Alma (Vicky Krieps). Er ist von ihr fasziniert, lädt sie für den Abend ein, verführt sie (was angesichts seiner gesellschaftlichen Stellung leicht ist) und erwählt sie zu seiner neuen Muse.

Sie zieht bei ihm ein und muss als erstes die vielen Hausregeln lernen, wozu unter anderem die schon erwähnte absolute Stille beim gemeinsamen Frühstück gehört; – und wahrscheinlich wurde noch nie so ausdauernd und nervig ein Brötchen mit Butter bestrichen, bis auch der letzten Zuschauer im Saal verstanden hat, dass diese Art des Brötchenstreichens der Horror ist. Jedenfalls für einen Feingeist wie Woodcock, der in einer Zeit lebte, als Kreative wegen ihres Künstlertums jede Marotte und Neurose ausleben durften, weil sie nur so kreativ sein konnten.

Alma ist allerdings nicht bereit, sich klaglos den Hausregeln unterzuordnen.

Der seidene Faden“ ist eine Gothic Romance, die immer wieder an Alfred Hitchcocks Daphne-du-Maurier-Verfilmung „Rebecca“, die Urmutter aller Gothic Romances, erinnert. Schließlich ist Alma im Woodcock-Haus quasi gefangen und den Launen des Hausherrn und seiner strengen Schwester gnadenlos ausgesetzt. Jedenfalls bis Woodcock genug von ihr hat und sich seine nächste Muse sucht. Nur dass dieses Mal die Muse das nicht akzeptieren möchte. Sie kämpft um ihren Platz an Woodcocks Seite und um ihre Eigenständigkeit. Und wer will kann diesen Kampf auch als den Kampf der weitgehend unbekannten Luxemburgerin Vicky Krieps („Der junge Karl Marx“, „Colonia Dignidad“, „A most wanted Man“) gegen Daniel Day-Lewis interpretieren. In jedem Fall behauptet sie sich erfolgreich gegen den älteren Mann, der, das muss auch gesagt werden, in einer Welt voller Frauen lebt, die ihn bewundern, seine Kreationen wollen, aber auch über ihn bestimmen. Ob das seine Schneiderinnen sind, die in einer hierarchisch fein abgestuften Klassengesellschaft im House of Woodcock arbeiten, oder seine vermögenden Kundinnen oder seine verstorbene Mutter oder seine Schwester, die als Haushälterin alles so organisiert, dass er für seine Kundinnen seine beste Leistung erbringen kann.

Paul Thomas Anderson erzählt diese letztendlich sehr verquere, dunkle Liebesgeschichte mit grandiosen Schauspielern, der sich bewusst in den Vordergrund spielenden Musik von „Radiohead“-Musiker und Anderson Hauskomponist Jonny Greenwood, einer prächtigen Ausstattung und einem sehr präzisen Blick auf kleinste Details. Die zahlreichen Anspielungen, erzählerischen Verschränkungen und Doppeldeutigkeiten machen „Der seidene Faden“ zu einem sehr komplexen und bezugreichen Werk. Allerdings erzählt Anderson seine Geschichte sehr langsam. Am Ende dauert der Film über hundertdreißig Minuten, aus denen man mindestens dreißig Minuten hätte herausschneiden können.

Der seidene Faden (Phantom Thread, Großbritannien 2017)

Regie: Paul Thomas Anderson

Drehbuch: Paul Thomas Anderson

mit Daniel Day-Lewis, Vicky Krieps, Lesley Manville, Brian Gleeson, Sue Clark, Harriet Sansom Harris, Lujza Richter

Länge: 131 Minuten

FSK: ab 6 Jahre

Hinweise

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Moviepilot über „Der seidene Faden“

Metacritic über „Der seidene Faden“

Rotten Tomatoes über „Der seidene Faden“

Wikipedia über „Der seidene Faden“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Paul Thomas Andersons „Inherent Vice – Natürliche Mängel“ (Inherent Vice, USA 2015)

Zwei Gespräche mit Paul Thomas Anderson über den Film

Zwei Gespräche mit Vicky Krieps über den Film


Neu im Kino/Filmkritik: Für Mike Leigh ist „Mr. Turner – Meister des Lichts“

November 7, 2014

Das nächste Biopic. Dieses Mal über einen Maler, dessen Gemälde heute immer noch bekannt sind: William Turner. Und Mike Leigh, der sonst für sein Gegenwartskino, seine Arbeiterdramen, bekannt ist, inszeniert diesen historischen Stoff abseits der normalen Biopic-Pfade, in denen das Leben des Protagonisten ein illustrierter Wikipedia-Artikel ist. Leighs „Mr. Turner – Meister des Lichts“ ist eher ein Filmessay. Eine chronologische Aneinanderreihung von Impressionen aus dem Leben des Malers, dem wir zum ersten Mal 1826 am Ende einer Reise nach Belgien begegnen. In dem Moment war der 1775 geborene Turner bereits ein bekannter Künstler.
In den folgenden gut hundertfünfzig Minuten erzählt Mike Leigh Turners Leben bis zu seinem Tod 1851.
Aber im Gegensatz zu anderen Biopics bemüht Mike Leigh sich nicht, uns William Turner nahe zu bringen. Er ist ein grunzendes Scheusal, das zwischen zwei Pinselstrichen seine Haushälterin vergewaltigt. Er ist gehässig. Er benimmt sich wie ein kleines Kind, aber er hat auch eine sensible Seite, die sich in seinen Gemälden, seiner normalen Beziehung zu Sophia Booth, einer Vermieterin in Margate, bei der er sich 1829 unter falschem Namen einmietete und für die er bis zu seinem Tod Mr. Mallord blieb, und seiner Beziehung zu seinem 1829 verstorbenem Vater, der auch der Manager und Diener seines Sohnes war, zeigt. Außerdem war Turner ein großer Künstler, der in seinen Bildern auch die Auswirkungen der Französischen Revolution und der Industrialisierung auf die Gesellschaft und das Individuum reflektierte. Mike Leigh reflektiert diese gesellschaftlichen Veränderungen und Unsicherheiten auch in seinem Film. Genau wie Turners Bilder immer abstrakter wurden, löst Leighs Film immer mehr die Gewissheiten eines Gewissheiten verkündenden Biopics auf. Je länger der Film ist, desto unschärfer wird William Turner, der sein Handeln nie erklärte.
Timothy Spall, zuletzt die RomCom „Wie in alten Zeiten“ und Wormtail in den Harry-Potter-Filmen, ist ein bekannter Leigh-Darsteller, der für sein Porträt des Malers in Cannes als bester Darsteller ausgezeichnet wurde. Er spielt diesen komplizierten Charakter eindrücklich in seiner Zerrissenheit und Maßlosigkeit. Auch die anderen Schauspieler sind toll, ebenso die Ausstattung und die Kamera. Leighs langjähriger Kameramann Dick Pope erhielt, ebenfalls in Cannes, den Vulcain Prize for the Technical Artist für seine Übertragung der Turner-Gemälde auf die große Leinwand.
Weil Leigh allerdings konsequent undramatisch Episoden aus einem viertel Jahrhundert aneinanderreiht, ohne dass sich die Jahre in den Gesichtern der Schauspieler spiegeln, und er kaum Hintergrundinformationen liefert, richtet sich „Mr. Turner“ nur an Turner-Fans, die die Bilder und Episoden einsortieren können.
Alle anderen sind, je nach Stimmungslage, dann von dem ruhigen Fluss der Erzählung fasziniert oder gelangweilt. Ich war gelangweilt, weil ich nichts über den Porträtierten erfuhr, auch der durch die Französische Revolution und die Industrialisierung forcierte Wandel nicht angesprochen wird und die einzelnen Episoden aus Turners Leben einfach nur Anekdoten sind, die nie eine eigenes Narrativ entfalten. Am Ende des Films wusste ich nicht mehr über William Turner als vorher – und das ist kein gutes Zeichen.

Mr Turner - Plakat

Mr. Turner – Meister des Lichts (Mr. Turner, Großbritannien 2014)
Regie: Mike Leigh
Drehbuch: Mike Leigh
mit Timothy Spall, Dorothy Atkinson, Marion Bailey, Ruth Sheen, Lesley Manville, Martin Savage, Paul Jesson, Patrick Godfrey, Leo Bill
Länge: 150 Minuten
FSK: ab 6 Jahre

Hinweise
Englische Facebook-Seite zum Film
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Film-Zeit über „Mr. Turner“
Moviepilot über „Mr. Turner“
Metacritic über „Mr. Turner“
Rotten Tomatoes über „Mr. Turner“
Wikipedia über „Mr. Turner“ (deutsch, englisch)

Das Q&A zum Film beim NYFF zum Film in großer Runde

DP/30 unterhält sich mit Mike Leigh über den Film und den ganzen Rest


DVD-Kritik: „Fleming“ – mehr Bond-Metafilm als Biopic

November 5, 2014

Manchmal muss man dem Geheimhaltungsbedürfnis des Militärs wirklich dankbar sein. Es ist schon lange bekannt, dass James-Bond-Erfinder Ian Fleming im Zweiten Weltkrieg persönlicher Assistent von Konteradmiral John H. Godrey, dem Chef des Marinegeheimdienstes, war, er gegen die Deutschen kämpfte und später in seinen James-Bond-Romanen auch Erlebnisse aus dieser Zeit verarbeitete. Aber was er genau tat und wie er in welche Missionen involviert war, wissen wir nicht. Als Schriftsteller musste er sich nicht um Fakten kümmern und die Bond-Romane spielen auch nicht während des Zweiten Weltkriegs, sondern danach und so kann man der Behauptung der Serienmacher, dass die Bond-Romane auf seinen damaligen Erlebnissen basieren glauben. Oder auch nicht. Jedenfalls ist es eine gute Story, die sich nicht sonderlich um die Fakten kümmern muss und bislang wurden Flemings Kriegserlebnisse filmisch und literarisch kaum ausgeschlachtet.
Jetzt, nach zwei ziemlich vergessenen TV-Filmen aus den späten Achtzigern, die anscheinend auch grottenschlecht waren, gibt es einen weiteren Versuch, Flemings Erlebnisse während des Krieges als die Blaupause für seine James-Bond-Romane und Filme, die ja seit Ewigkeiten nur noch sehr lose auf den Romanen und Kurzgeschichten von Fleming basieren, zu nehmen.
In der dreistündigen TV-Miniserie „Fleming – Der Mann, der Bond wurde“ erzählen die Macher die Geschichte von Flemings Jahren beim Militär.
Dabei besteht ein großer Teil des Spaßes beim Ansehen der vier Episoden am Enträtseln der filmischen und literarischen Vorbilder. Denn die TV-Miniserie ist ein James-Bond-Film im Kleinstformat mit Admiral John Godfrey als M, Second Officer Monday als Miss Moneypeney (Tendenz: die aktuelle Ausgabe, die auch mal im Feld arbeitet) und Ian Fleming als James Bond, der zu seinem Missvergnügen an dem Schreibtisch verbannt wird und der zahlreiche Sex-Affären hat. Diese Affären und seine sexuellen Vorlieben nehmen dann auch die meiste Erzählzeit ein, während die Missionen eher kurz gestreift werden, was auch daran liegt, dass Fleming viele unorthodoxe Ideen hatte (die er teilweise direkt aus Spionageromanen klaute), aber nicht im Feld arbeiten durfte, weil er, wie wir in einigen Übungen sehen können, einfach kein Soldat war. Ein kaltblütiger Killer war er auch nicht. Wenn er in der vierten Episode, die während der letzten Kriegstage spielt, doch nach Deutschland darf und hinter die feindlichen Linien gelangt, macht er nicht unbedingt die beste Figur. Aber er erzählt nachher, wie auch Admiral Godrey meint, eine verdammt gute Geschichte, für die es leider keine Beweise gibt.
Obwohl „Fleming“ eine aus vier Episoden bestehende Miniserie ist, spannen die Macher keinen großen erzählerischen Bogen. Sie erzählen strickt im 45-Minuten-Format, immer in einem anderen Kriegsjahr, von Affären und Geheimdienstaktionen, die, so sollen wir glauben fast unverändert in die James-Bond-Geschichten, in denen James Bond alles richtig macht, was Ian Fleming falsch macht, eingeflossen sind. Die Tricks sind mau, aber die Ausstattung – es wurde hauptsächlich in Innenräumen gedreht – gefällt, weil es etwas vom Charme eines Vierziger-Jahre-Films verspürt. Und Ian-Fleming-Schauspieler Dominic Cooper macht auch keine schlechte Figur als spionagebegeisterter Frauenheld und Spieler.

Fleming - DVD-Cover 4

Fleming – Der Mann, der Bond wurde (Großbritannien 2014)
Regie: Mat Whitecross
Drehbuch: John Brownlow, Don MacPherson
mit Dominic Cooper, Lara Pulver, Samuel West, Anna Chancellor, Rupert Evans, Lesley Manville, Pip Torrens, Camilla Rutherford
auch bekannt als „Mein Name ist Fleming, Ian Fleming“ (TV-Titel)

DVD
Polyband
Bild: 1,78:1 (16:9)
Ton Deutsch, Englisch (Dolby Digital 2.0)
Untertitel: Englisch
Bonusmaterial: –
Länge: 180 Minuten (4 x 45 Minuten)
FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

BBC America über „Fleming“

Rotten Tomatoes über „Fleming“

Metacritic über „Fleming“

Wikipedia über „Fleming“

Homepage von Ian Fleming

Meine Besprechung von Sebastian Faulks’ James-Bond-Roman „Der Tod ist nur der Anfang“ (Devil may care, 2008)

Meine Besprechung von Jeffery Deavers James-Bond-Roman “Carte Blanche” (Carte Blanche, 2011)

Meine Besprechung von William Boyds James-Bond-Roman “Solo” (Solo, 2013)

Meine Besprechung von Ian Flemings ersten drei James-Bond-Romanen “Casino Royale”, “Leben und sterben lassen” und “Moonraker”

Meine Besprechung des James-Bond-Films „Skyfall“ (Skyfall, GB/USA 2012)

James Bond in der Kriminalakte

Ian Fleming in der Kriminalakte

 


Neu im Kino/Filmkritik: Die Märchenverfilmung „Maleficent – Die dunkle Fee“ und Dornröschen

Juni 2, 2014

Wahrscheinlich wird den meisten der Name Maleficent oder die deutsche Version davon, Malefiz, nichts sagen. Mir sagte er jedenfalls nichts. Aber als ich das Märchen zuletzt las, war ich noch deutlich jünger und den Disney-Zeichentrickfilm „Dornröschen“ von 1959 habe ich, glaube ich, nie gesehen. Malefiz ist nämlich die böse Fee, die in dem Film Dornröschen verflucht.
Für die jetzt im Kino gestartete, von Disney produzierte Neuverfilmung des Märchens „Maleficent – Die dunkle Fee“ wurde von dem bekannten Märchen, das es in mehreren Versionen gibt, dann auch nur der Fluch übernommen: An ihrem sechzehnten Geburtstag soll die Prinzessin in einen hundertjährigen Schlaf verfallen. Der Rest der Geschichte konzentriert sich auf Maleficent und das könnte durchaus interessant sein. Als erstes sollte man allerdings alle Erinnerungen an das Märchen tilgen. Denn Robert Stromberg, der Produktionsdesigner von „Avatar“, „Alice im Wunderland“ und „Die fantastische Welt von Oz“, erzählt in seinem Regiedebüt nicht eine Spiegelversion der bekannten Geschichte, sondern eine vollkommen andere Geschichte, die mit dem Märchen nur noch den Fluch, in einer deutlich abgemilderten Form, gemeinsam hat.
In dem Film ist Maleficent eine junge, lebenslustige Fee, die sich in den Menschen Stefan verliebt. Um an die Macht zu kommen, verrät er sie und schneidet ihr die Feenflügel ab. Ohne Flügel wird Maleficent zu einer hasserfüllten Frau, die auf dem Fest zu Ehren der gerade geborenen Tochter von König Stefan auftaucht und das Baby verflucht. An ihrem sechzehnten Geburtstag soll Aurora in einen hundertjährigen Schlaf verfallen; – was für eine hasserfüllte Frau, die von einem Mann um ihr Lebensglück gebracht wurde, doch ein ziemlich moderater Fluch ist.
Der König beauftragt drei Feen, seine Tochter an einem einsamen Ort groß zu ziehen und sie bis nach ihrem sechzehnten Geburtstag zu beschützen.
Maleficent beobachtet das Kind beim Älter werden, beschützt es auch (es wäre ja schade, wenn das Balg frühzeitig sterben würde) und sie freunden sich an, was dann dazu führt, dass Maleficent spätestens im finalen Akt des Films gar nicht mehr böse ist, aber immer noch einen sehr dunklen Kleidungsstil hat.
Ein großes Problem bei „Maleficent – Die dunkle Fee“ ist, dass die böse Fee zugleich böse und gut sein soll. Eigentlich ist sie als Bösewicht überhaupt nicht böse, sondern die gute Schwiegermutter mit einem leicht abseitigem Humor und Kleidungsstil.
Das Problem, dass die Macher einen guten Bösewicht haben wollen, zeigt sich schon im zweiten Akt, wenn Maleficent, nachdem sie ihren Fluch ausgesprochen hat, die Prinzessin beobachtet und abwartet. Sechzehn Jahre! Anstatt irgendetwas zu unternehmen, um ihren Rachedurst möglichst schnell, möglichst lange und möglichst gemein zu stillen. Zum Beispiel indem sie Aurora entführt, ihr Schmerzen zufügt oder – was eigentlich das naheliegendste wäre – sich direkt an ihrem Peiniger zu rächt. Das wäre psychologisch glaubwürdig, wäre aber auch ein vollkommen anderer Film. Die Macher wollten aber, im Kern die Geschichte von Maleficent und Aurora und die Vorgeschichte erzählen, ohne wirkliche Konsequenzen aus ihrer Prämisse zu ziehen.
Das führt dazu, dass die einzelnen Teile eher unverbunden nebeneinander stehen. Die Liebesgeschichte und der Verrat von Stefan, die zu dem von Maleficent ausgesprochenem Fluch führen, haben nichts mit den Folgen des Fluchs zu tun. Denn die danach erzählte Mutter-Tochter-Geschichte hat nichts mit mit der Liebesgeschichte zu tun. Und wenn es dann im dritten Akt zur Konfrontation zwischen ihr und Stefan kommt, wirkt das wieder wie aus einem anderen Film. Einem Actionfilm, bei dem es kein Problem gibt, das nicht mit einer ordentlichen Schlägerei und Gebäudevernichtung erledigt werden kann. Nur: warum hat Maleficent das nicht vorher getan? Und warum hat sie sich über Jahre von ihrem eigentlichem Ziel, der Rache an dem Mann, der sie um ihr Leben betrogen hat, abhalten lassen? Und warum rächt sie sich nicht auf eine intelligentere Art? Zum Beispiel, indem sie ihn verflucht?
Dass König Stefan in der Zwischenzeit wahnsinnig wurde und von Paranoia und Angst zerfressen ist, hat ebenfalls keinen Einfluss auf die Filmgeschichte. Dabei läge hier eine weitere potentielle Geschichte, die auch mit seinem Verrat an Maleficent zusammenhängt. Doch die Macher wollten eine Geschichte mit Maleficent und Aurora erzählen, in der auch irgendwann, weil in Märchen immer ein Prinz auftaucht, ein Prinz auftaucht, der aber letztendlich nur durch das Bild reitet.
Ein weiteres Problem ist, dass der Film als Märchenfilm für Kinder erstaunlich düster geraten ist. Da hilft es auch nicht, dass für die deutsche Ab-6-Jahre-Freigabe einige Sekunden aus dem Film herausgeschnitten wurden. Die Bilder aus dem dunklen Wald, der Kampf zwischen Stefans Welt der Menschen und der magischen Welt von Maleficent und der Schlusskampf sind sehr düster geraten.
Und „Maleficent“ wirkt immer wie ein Animationsfilm, in den sich zufällig einige Schauspieler hinein verirrten. Angelina Jolie, die nach einer vierjährigen Leinwandabstinenz als Schauspielerin (der 2010er Film „The Tourist“ war ihr letzter Film), die dunkle Fee spielt, hat ein absolut makellos-künstliches Gesicht, in dem dann auch keine Gefühlsregung erkennbar ist. Die anderen Schauspieler dürfen zwar ab und an die Stirn runzeln, aber gegen die Bilder aus dem Computer haben sie keine Chance.
Und so ist „Maleficent – Die dunkle Fee“ dann kein märchenhafter Märchenfilm, sondern ein CGI-Exzess, der gerade das märchenhafte vermissen lässt.

Maleficent - Plakat

Maleficent – Die dunkle Fee (Maleficent, USA 2014)
Regie: Robert Stromberg
Drehbuch: Linda Woolverton
mit Angelina Jolie, Sharlto Copley, Elle Fanning, Sam Riley, Imelda Staunton, Juno Temple, Lesley Manville, Janet McTeer (Erzählerin in der Originalversion)
Länge: 96 Minuten
FSK: ab 6 Jahre

Hinweise
Amerikanische Homepage zum Film
Deutsche Homepage zum Film
Film-Zeit über „Maleficent – Die dunkle Fee“
Moviepilot über „Maleficent – Die dunkle Fee“
Metacritic über „Maleficent – Die dunkle Fee“
Rotten Tomatoes über „Maleficent – Die dunkle Fee“
Wikipedia über „Maleficent – Die dunkle Fee“ (deutsch, englisch)