TV-Tipp für den 26. Mai: Spencer

Mai 25, 2024

ARD, 00.05

Spencer (Spencer, Deutschland/Großbritannien 2021)

Regie: Pablo Larraín

Drehbuch: Steven Knight

Prinzessin Diana besucht zu Weihnachten 1991, als ihre Ehe mit Charles bereits kriselt, den königlichen Landsitz in Norfolk, trifft die gesamte Königsfamilie und leidet unter dem routiniert gnadenlos durchgezogenem Protokoll.

TV-Premiere zu einer induskutablen Uhrzeit. Gandioses und grandios durchgeknalltes Biopic, das sich wenig für Fakten und noch weniger für Edelkitsch-Seligkeit interessiert, sondern das Leben am Hof als Horrorfilm, Unterabteilung Psychohorror, zeigt.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Kristen Stewart, Timothy Spall, Sally Hawkins, Kack Farthing, Sean Harris, Stella Gonet, Jack Nielen, Freddie Spry, Jack Farthing, Sean Harris, Stella Gonet, Richard Sammel, Elizabeth Berrington, Lore Stefanek, Amy Manson

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Filmportal über „Spencer“

Moviepilot über „Spencer“

Metacritic über „Spencer“

Rotten Tomatoes über „Spencer“

Wikipedia über „Spencer“ (deutsch, englisch)

History vs. Hollywood konstatiert einen weitgehenden Sieg der künstlerischen Freiheit

Meine Besprechung von Pablo Larrains „El Club“ (El Club, Chile 2015)

Meine Besprechung von Pablo Larraíns „Jackie: Die First Lady“ (Jackie, USA 2016)

Meine Besprechung von Pablo Larrains „Neruda“ (Neruda, Chile/Argentinien/Frankreich/Spanien 2016)

Meine Besprechung von Pablo Larrins „Spencer“ (Spencer, Deutschland/Großbritannien 2021)


Neu im Kino/Filmkritik: „Kleine schmutzige Briefe“, vorgelesen von gottesfürchtigen Damen

März 28, 2024

Es ist schon der 19. Brief voller Profanitäten, Vulgaritäten und Beleidigungen, den die gottesfürchtige Edith Swan (Olivia Colman) erhält. Sie lebt in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts in der kleinen südostenglischen Küstenstadt Littlehampton bei ihren strengen Eltern. Die Polizei hat keine Ahnung, von wem die Briefe sind.

Edith verdächtigt ihre aus Irland kommende Nachbarin Rose Gooding (Jessie Buckley). Sie ist das Gegenteil von Edith und wenn sie, garniert mit einigen Schimpfworten, behauptet, dass sie keine Briefe mit Schimpfworten schreibe, sondern es ihr direkt ins Gesicht sagen würde, dann hört sich das sehr glaubwürdig an.

Während die Feindschaft zwischen den beiden Nachbarinnen immer größer wird, beginnt die junge Polizistin Glady Moss (Anjana Vasan) zu ermitteln. Sie tut das vor allem in ihrer Freizeit und ohne die Erlaubnis ihrer Vorgesetzten. Denn als erste Polizeibeamtin in der Polizeistation und in Sussex wird sie von ihren Kollegin ständig als Kuriosität geduldet, die höchstens Hilfstätigkeiten ausüben kann. Entsprechend verächtlich reagieren sie auf Gladys Hinweis, dass die Handschriften des unbekannten Briefschreibers und von Rose verschieden sind.

Genervt von der Ignoranz ihrer Kollegen und Vorgesetzten verbündet Gladys sich mit einigen Frauen aus dem Dorf, die ebenfalls nicht an die Schuld von Rose glauben. Gemeinsam suchen sie den Briefschreiber. Und wer den in puncto Story arg irreführenden Trailer nicht gesehen hat, dürfte mit seinem Verdacht richtig liegen.

Denn für den anfangs angedeuteten Rätselplot interessieren sich Drehbuchautor Jonny Sweet und Regisseurin Thea Sharrock kaum. Ihr Film „Kleine schmutzige Briefe“ ist eine auf einer wahren Geschichte basierende britische Komödie, die von ihrem spielfreudigem Ensemble und dem Witz lebt, dass scheinbar ehrbare und gottesfürchtige Frauen obszöne Worte sagen und sich diebisch darüber freuen.

Davon abgesehen plätschert die Geschichte teils arg vorhersehbar und durchgehend erstaunlich harmlos vor sich hin zwischen leicht klamaukiger Komödie, Sittengemälde, luschtigem Krimi und Gerichtsposse. Aufgrund der Hauptdarstellerinnen und der damit verbundenen Geschichte, in der Männer Nebenfiguren sind, läuft das altbekannte Komödienprogramm dieses Mal feministisch konnotiert ab. Das ist nie furchtbar schlecht – eine Olivia Colman, die schmutzige Briefe vorliest, ist schon die halbe Miete -, aber auch nie so gut, wie es hätte sein können.

Kleine schmutzige Briefe (Wicked little Letters, Großbritannien 2023)

Regie: Thea Sharrock

Drehbuch: Jonny Sweet

mit Olivia Colman, Jessie Buckley, Anjana Vasan, Timothy Spall, Joanna Scanlan, Hugh Skinner, Malachi Kirby, Gemma Jones, Lolly Adefope, Eileen Atkins, Alisha Weir

Länge: 101 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

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Rotten Tomatoes über „Kleine schmutzige Briefe“

Wikipedia über „Kleine schmutzige Briefe“ (deutsch, englisch)

History vs. Hollywood listet die Flunkereien auf


TV-Tipp für den 4. April: Verleugnung

April 3, 2023

HR, 23.55

Verleugnung (Denial, USA/Großbritannien 2016)

Regie: Mick Jackson

Drehbuch: David Hare

LV: Deborah E. Lipstadt: History on Trial: My Day in Court with a Holocaust Denier, 2005

Damit hat die Historikerin Deborah E. Lipstadt nicht gerechnet, als sie in ihrem neuesten Buch den Holocaust-Leugner David Irving scharf angreift. 1996 reicht Irving beim höchsten englischen Zivilgericht eine Verleumdungsklage gegen sie ein. Jetzt muss sie vor Gericht beweisen, dass es den Holocaust wirklich gab.

Eine sehr gute, sehr ehrenwerte und in jeder Sekunde honorige, aber auch etwas bieder geratene Geschichtsstunde.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Rachel Weisz, Timothy Spall, Tom Wilkinson, Andrew Scott, Jack Lowden, Caren Pistorius, Alex Jennings, Harriet Walter

Hinweise

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „Verleugnung“

Metacritic über „Verleugnung“

Rotten Tomatoes über „Verleugnung“

Wikipedia über „Verleugnung“ (deutsch, englisch)

Wer gerade Zeit hat: die Dokumentation des Prozesses

Meine Besprechung von Mick Jackson „Verleugnung“ (Denial, USA/Großbritannien 2016)


Neu im Kino/Filmkritik: „Der Engländer, der in den Bus stieg und bis ans Ende der Welt fuhr“ und dort…

August 11, 2022

Mit dem 9-Euro-Ticket (Bitte unbedingt verlängern! Auch wenn ich es kaum benutze, schätze ich die Möglichkeit es benutzen zu können.); – also mit dem 9-Euro-Ticket probieren wir hier in Deutschland gerade etwas aus, wofür Tom Harper sehr alt werden musste: nämlich das fast kostenlose Reisen mit Nahverkehrsverbindungen. Der Pensionär hat einen Seniorenpass, mit dem er kostenlos Nahverkehrsbusse benutzen kann. Mit diesem Pass will der inzwischen Neunzigjährige, nach dem Tod von seiner Frau Mary, von John o‘ Groats, dem nördlichsten Punkt Schottlands, nach Land’s End, dem südlichsten Punkt Englands, fahren.

Es ist eine Reise, die der Senior 1952 Jahren mit seiner Frau in umgekehrter Richtung unternommen hat. Damals fuhren sie mit diesen Bussen von Land’s End nach John o‘ Groats. Jetzt unternimmt Tom diese Reise in umgekehrter Richtung. Er besucht dabei die Orte, die er auf der Hinfahrt mit seiner Frau besucht hat. Es ist eine Erinnerungsreise. Deshalb und nicht weil er zu wenig Geld für eine Zugfahrkarte hat, fährt Tom Bus. Denn allein die Verpflegungs- und Übernachtungskosten kosten ihn mehr als eine Zugfahrkarte. Es ist außerdem seine letzte Reise.

Diese verläuft, mit einigen Abweichungen von der streng geplanten Route, in dem erwartbaren Fahrplan.

Es gibt zwei Punkte, die eindeutig für den Film sprechen, eine ärgerliche Ankunft am Filmende und einige verpasste Chancen, die aus „Der Engländer, der in den Bus stieg und bis ans Ende der Welt fuhr“ mehr als einen guten Feelgood-Film gemacht hätten.

Für Gilles MacKinnons Roadmovie sprechen eindeutig die fotogenen Landschaftsaufnahmen und Timothy Spall, der den meist grummeligen und abweisenden Tom spielt. Spall ist zwar erst Mitte sechzig, aber er sah schon immer alt aus und hier, mit etwas Make-up, Mimik und Körperhaltung sieht er wirklich wie ein alter Mann aus, der dickköpfig seine letzte Mission erfüllt und sich dabei von nichts länger als nötig ablenken lässt. Deshalb sind seine Begegnungen, bis auf eine Übernachtung bei einer Familie, auch alle kurz und oberflächlich. So entsteht bei Toms Reise durch Großbritannien kein Bild des Landes und seiner Brüche (wie in „Easy Rider“ für die USA), sondern es bleibt bei einer Aneinderreihung von Postkartenbildern und Toms Erinnerungen an sein Leben mit Mary, die immer wieder eingestreut werden. Hier verpassen MacKinnon und Drehbuchautor Joe Ainsworth die auf der Hand liegende Chance einer Post-Brexit-Bestandsaufnahme des Landes, seiner Verwerfungen, Unterschiede und Gemeinsamkeiten. „Der Engländer, der in den Bus stieg und bis ans Ende der Welt fuhr“ hätte uns etwas über das heutige Großbritannien verraten können. Es bleibt dann bei einer sentimentalen Reise vom einen Ende des Landes zum anderen Ende des Landes.

Schon während des Films fällt auf, dass auffallend oft Handy-Aufnahmen von Tom gemacht werden. Im Film werden sie nicht weiter erwähnt. Im Abspann werden sie gezeigt und durch den Hashtag #BusHero wird angedeutet, dass Toms Reise im Internet von einer zunehmenden Zahl Menschen wohlwollend verfolgt wurde. Das führt zu dem ärgerlichen Ende. Als Tom in Land’s End ankommt, wird er von einer Menschenmasse wie der wiedergeborene Heiland begrüßt. Warum sie seine Reise verfolgt haben, wird nicht erklärt. Warum sie von ihm irgendeinen klugen Satz erwarten, wird noch weniger erklärt.Tom will – zu recht – mit diesen Menschen nichts zu tun haben. Wie schon Brian (in „Das Leben des Brian“) flüchtet er vor ihnen.

So ist „Der Engländer, der in den Bus stieg und bis ans Ende der Welt fuhr“ ein unter seinen Möglichkeiten bleibendes Feelgood-Movie mit einem gewohnt grandiosen Timothy Spall.

P. S.: Der Film basiert auf keiner wahren Geschichte, sondern auf einer Gedankenspielerei von Drehbuchautor Joe Ainsworth. Bei einem Familientreffen überlegten sie, wohin sie mit einem Seniorenpass reisen könnten. So ein Pass ist zwar für Strecken in der näheren Umgebung gedacht, aber mit etwas Zeit und Planung sind auch weitere Strecken möglich.

Der Engländer, der in den Bus stieg und bis ans Ende der Welt fuhr (The last bus, Großbritannien 2021)

Regie: Gillies MacKinnon

Drehbuch: Joe Ainsworth

mit Timothy Spall, Phyllis Logan, Natalie Mitson, Ben Ewing, Patricia Panther, JS Duffy, Saskia Ashdown, Scott Campbell, Anne Kidd, Aila Gavin, Matt Costello

Länge: 92 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

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Neu im Kino/Filmkritik: Lady Diana „Spencer“ goes nuts

Januar 14, 2022

Für historische Faktentreue interessiert Pablo Larraín sich in seinem neuen Film nicht sonderlich. Das macht er schon mit einem entsprechendem Hinweis am Filmanfang deutlich. Außerdem ist die Königsfamilie notorisch verschwiegen, wenn es um Dinge geht, die hinter den Schloßmauern stattfinden. Halt, wie man so sagt: Nichts genaues weiß man nicht.

Deshalb konnte und musste Larraín sich bei der Schilderung der Weihnachtstage 1991 in Norfolk im Sandringham House künstlerische Freiheiten nehmen.

Es war das letzte Weihnachten, das Charles und Diana gemeinsam und im Kreis der königlichen Familie verbrachten. In dem Moment wusste Diana schon, dass ihr Mann eine Affäre mit Camilla Parker Bowles hatte. Aber sie überlegte noch, wie sie damit umgehen sollte.

Diesen Prozess zeigt Larraín in seinem Film, der sich wenig für die Konventionen eines Biopics und überhaupt nicht für die Befindlichkeiten der Fans des britischen Königshauses und der Lady-Diana-Fans interessiert. Er fantasiert, nach einem Drehbuch von Steven Knight, fröhlich vor sich hin und schildert die Horrortage aus Dianas Perspektive.

Daher zeigt er in jedem Bild, wie sehr Diana mit ihrer Rolle als Frau von Prinz Charles, dem Thronfolger, fremdelt. Sie lehnt die Rolle der Ehefrau ab. Sie lehnt die starren Rituale der Königsfamilie ab. Sie lehnt auch die damit verbundenen Verpflichtungen ab. Es sind Regeln, die ein Weihnachtsfest im engsten Familienkreis zu einem monatelang vorbereiteten, militärischen Kommandounternehmen machen. Das beginnt mit der Inbesitznahme des menschenleeren Anwesens durch das Militär und das Personal. Im Stechschritt werden in Metallkisten Tonnen erlesenster Lebensmittel ins Sandringham House getragen. Die Uhrzeiten der Mahlzeiten sind auf die Sekunde festgelegt. Die Kleidung ebenso. Für jede Mahlzeit muss Diana ein anderes Kostüm tragen. Und darüber, dass jede Falte akkurat sitzt, wacht das Personal. Die beim Essen von einem Streicherensemble gespielte Musik zerrt an den Nerven.

Die Königsfamilie erscheint vollkommen unnahbar. Prinz Charles, der damals noch ihr Mann ist, wirkt wie ein superfieser Bösewicht. Die Königin ist genauso unnahbar. Es ist eine Familie, die einem Horrorkabinett oder einem Alptraum entsprungen sein könnte.

Für Diana, die vollkommen desorientiert durch das Haus und die Landschaft stolpert, sind diese Tage ein Alptraum.

Dadurch wird Diana, großartig gespielt von Kristen Stewart, allerdings nicht zur Sympathieträgerin. Denn Larraín bemüht sich erfolgreich, das Gefühl der Fremdheit, das Diana gegenüber der Königsfamilie hat, auf das Verhältnis des Publikums zu Diana zu übertragen. Er unternimmt alles, um eine möglichst große Distanz zwischen ihr und dem Publikum schaffen. Sie ist nicht das Opfer einer kontrollversessenen Königsfamilie, sondern selbst eine höchst psychotische Person, die ständig kurz vor einem Nervenzusammenbruch steht.

Spencer“ ist ein Film in dem und bei dem sich niemand wohlfühlt. Daher ist das Ende, wenn sie mit ihren Kindern William und Harry aus dem Horrorhaus und von der Horrorfamilie flüchtet, so übertrieben fröhlich inszeniert, dass jeder, auch wenn er nicht wüsste, wie Dianas Geschichte weitergeht, die Falscheit und Verlogenheit dieses Happy Ends erkennt.

Pablo Larraín inszenierte seine Mär von Selbstfindung und Befreiung wie einen Horrorfilm. Damit ist „Spencer“ für Diana-Hasser sicherlich geeigneter als für Diana-Fans. Und Faktenhuber werden verzweifeln.

Dennoch, oder gerade deswegen: ein großartiger Film!

Spencer (Spencer, Deutschland/Großbritannien 2021)

Regie: Pablo Larraín

Drehbuch: Steven Knight

mit Kristen Stewart, Timothy Spall, Sally Hawkins, Kack Farthing, Sean Harris, Stella Gonet, Jack Nielen, Freddie Spry, Jack Farthing, Sean Harris, Stella Gonet, Richard Sammel, Elizabeth Berrington, Lore Stefanek, Amy Manson

Länge: 117 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

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Metacritic über „Spencer“

Rotten Tomatoes über „Spencer“

Wikipedia über „Spencer“ (deutsch, englisch)

History vs. Hollywood konstatiert einen weitgehenden Sieg der künstlerischen Freiheit

Meine Besprechung von Pablo Larrains „El Club“ (El Club, Chile 2015)

Meine Besprechung von Pablo Larraíns „Jackie: Die First Lady“ (Jackie, USA 2016)

Meine Besprechung von Pablo Larrains „Neruda“ (Neruda, Chile/Argentinien/Frankreich/Spanien 2016)


TV-Tipp für den 6. November: Verleugnung

November 5, 2020

MDR, 00.15

Verleugnung (Denial, USA/Großbritannien 2016)

Regie: Mick Jackson

Drehbuch: David Hare

LV: Deborah E. Lipstadt: History on Trial: My Day in Court with a Holocaust Denier, 2005

Damit hat die Historikerin Deborah E. Lipstadt nicht gerechnet, als sie in ihrem neuesten Buch den Holocaust-Leugner David Irving scharf angreift. 1996 reicht Irving beim höchsten englischen Zivilgericht eine Verleumdungsklage gegen sie ein. Jetzt muss sie vor Gericht beweisen, dass es den Holocaust wirklich gab.

Eine sehr gute, sehr ehrenwerte und in jeder Sekunde honorige, aber auch etwas bieder geratene Geschichtsstunde.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Rachel Weisz, Timothy Spall, Tom Wilkinson, Andrew Scott, Jack Lowden, Caren Pistorius, Alex Jennings, Harriet Walter

Hinweise

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Wer gerade Zeit hat: die Dokumentation des Prozesses

Meine Besprechung von Mick Jackson „Verleugnung“ (Denial, USA/Großbritannien 2016)


TV-Tipp für den 25. Januar: Verleugnung

Januar 24, 2020

RBB, 23.30

Verleugnung (Denial, USA/Großbritannien 2016)

Regie: Mick Jackson

Drehbuch: David Hare

LV: Deborah E. Lipstadt: History on Trial: My Day in Court with a Holocaust Denier, 2005

Damit hat die Historikerin Deborah E. Lipstadt nicht gerechnet, als sie in ihrem neuesten Buch den Holocaust-Leugner David Irving scharf angreift. 1996 reicht Irving beim höchsten englischen Zivilgericht eine Verleumdungsklage gegen sie ein. Jetzt muss sie vor Gericht beweisen, dass es den Holocaust wirklich gab.

Eine sehr gute, sehr ehrenwerte und in jeder Sekunde honorige, aber auch etwas bieder geratene Geschichtsstunde.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Rachel Weisz, Timothy Spall, Tom Wilkinson, Andrew Scott, Jack Lowden, Caren Pistorius, Alex Jennings, Harriet Walter

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Metacritic über „Verleugnung“

Rotten Tomatoes über „Verleugnung“

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Wer gerade Zeit hat: die Dokumentation des Prozesses

Meine Besprechung von Mick Jackson „Verleugnung“ (Denial, USA/Großbritannien 2016)


TV-Tipp für den 10. September: Verleugnung

September 9, 2019

ARD, 22.45

Verleugnung (Denial, USA/Großbritannien 2016)

Regie: Mick Jackson

Drehbuch: David Hare

LV: Deborah E. Lipstadt: History on Trial: My Day in Court with a Holocaust Denier, 2005

Damit hat die Historikerin Deborah E. Lipstadt nicht gerechnet, als sie in ihrem neuesten Buch den Holocaust-Leugner David Irving scharf angreift. 1996 reicht Irving beim höchsten englischen Zivilgericht eine Verleumdungsklage gegen sie ein. Jetzt muss sie vor Gericht beweisen, dass es den Holocaust wirklich gab.

Eine sehr gute, sehr ehrenwerte und in jeder Sekunde honorige, aber auch etwas bieder geratene Geschichtsstunde.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung der heutigen TV-Premiere, die einen besseren Sendeplatz verdient hat.

mit Rachel Weisz, Timothy Spall, Tom Wilkinson, Andrew Scott, Jack Lowden, Caren Pistorius, Alex Jennings, Harriet Walter

Wiederholung: Mittwoch, 11. September, 02.20 Uhr (Taggenau!)

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Rotten Tomatoes über „Verleugnung“

Wikipedia über „Verleugnung“ (deutsch, englisch)

Wer gerade Zeit hat: die Dokumentation des Prozesses

Meine Besprechung von Mick Jackson „Verleugnung“ (Denial, USA/Großbritannien 2016)


Neu im Kino/Filmkritik: Gut, dass wir „The Party“ aus sicherer Distanz beobachten können

Juli 30, 2017

Der Film beginnt mit einer leicht derangiert aussehenden Kristin Scott Thomas, die als Janet eine Pistole, auf ihren Gegenüber, auf die Kamera, in das Publikum richtet.

Dann springt Sally Potter in ihrem neuesten Film „The Party“ über eine Stunde zurück zum Beginn der titelgebenden Party. Janet hat ihre engsten Freunde eingeladen. Ihre Ernennung zur Gesundheitsministerin im Schattenkabinett soll gefeiert werden. Schattenministerin klingt pompös, ist aber letztendlich vergleichbar mit einem Sprecheramt bei einer Bundestagspartei, nur dass die Briten hier noch expliziter sagen, dass diese Person der künftige Minister sein soll. Weil es in England normalerweise keine Koalitionsregierungen gibt, kann das auch einfacher gesagt werden.

Jedenfalls kommen Janets Freunde zu der kleinen Feier und sie sind ein kleiner Querschnitt durch das gebildete linksliberale Milieu. Nur Tom (Cillian Murphy, derzeit als Flieger, der nicht zurück nach Dünkirchen will, in „Dunkirk“ im Kino) als auf äußere Werte bedachter Banker passt nicht so richtig in die Feiergemeinschaft. Der archetypische Kapitalist ist auch nur deshalb zur Feier eingeladen, weil seine Freundin eine Mitarbeiterin von Janet ist, die sie sehr schätzt und die etwas später kommen wird.

Tom ist dann auch, wegen verschiedener Probleme, die halbe Zeit auf der Toilette um Drogen zu konsumieren oder mit der Pistole, die er benutzten will, herumzuspielen.

Währenddessen, beginnend mit einem Geständnis von Janets Mann Bill (Timothy Spall), einem Literaturprofessor, der seine wissenschaftliche Karriere zugunsten der Karriere seiner Frau zurückstellte, plättert, je mehr unangenehme Wahrheiten ausgesprochen werden, bei allen die bürgerliche Fassade schnell ab. Eingeübte Sarkasmen entfalten eine neue Qualität und beruhigende Worte helfen nicht weiter.

Sally Potters tiefschwarze SW-Komödie „The Party“ ist großartiges Schauspielerkino mit großartigen Schauspielern – Kristin Scott Thomas, Timothy Spall, Patrica Clarkson, Bruno Ganz, Cherry Jones, Emily Mortimer und Cillian Murphy -, das auf begrenztem Raum – alles ereignet sich im Haus und Garten der Gastgeberin – in Echtzeit spielt und wunderschön scharfzüngige Dialoge hat.

Das ist ein großer Spaß; wie – um ein aktuelles Beispiel zu nennen – Roman Polanskis Yasmina-Reza-Verfilmung „Der Gott des Gemetzels“. Nur dass bei Sally Potter alte Freunde und ihre Partner (mal lesbisch, mal nicht) sich treffen und die Konflikte zwischen ihnen nichts mit einem ordinären Klassenkampf, sondern mehr mit einer, zugegeben perversen, Screwball-Comedy zu tun haben.

The Party (The Party, Großbritannien 2017)

Regie: Sally Potter

Drehbuch: Sally Potter

mit Patricia Clarkson, Bruno Ganz, Cherry Jones, Emily Mortimer, Cillian Murphy, Kristin Scott Thomas, Timothy Spall

Länge: 71 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

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Moviepilot über „The Party“

Metacritic über „The Party“

Rotten Tomatoes über „The Party“

Wikipedia über „The Party“ (deutsch, englisch)

Berlinale über „The Party“

Homepage von Sally Potter

SP-ARK – The Sally Potter Archive

Wer ist Sally Potter? (2009)


Neu im Kino/Filmkritik: „Verleugnung“ – Als Holocaust-Leugner David Irving dagegen klagte, ein Holocaust-Leugner genannt zu werden

April 15, 2017

Damit hat Deborah E. Lipstadt, heute Dorot Professorin für Moderne Jüdische Zeitgeschichte und Holocaust-Studien an der Emory Universität in Atlanta, nicht gerechnet, als sie 1993 in ihrem neuesten Buch „ Denying the Holocaust“ (Betrifft: Leugnen des Holocaust) David Irving als Holocaust-Leugner scharf angriff. Schon damals war Irving, dessen erste Werke in den sechziger Jahren durchaus positiv aufgenommen wurden, höflich formuliert, umstritten. Seit den achtziger Jahren suchte er sein Publikum hauptsächlich in geschichtsrevisionistischen bis rechtsextremen Kreisen. Von 1993 bis 2013 bestand in Deutschland für Irving ein Einreiseverbot.

Nachdem Lipstads „Denying the Holocaust“ in England erschien, reichte er am 5. September 1996 am High Court of Justice, dem höchsten englischen Zivilgericht, eine Verleumdungsklage gegen sie und ihren britischen Verlag Penguin Books ein. Und weil im englischen Recht die angeklagte Partei beweisen muss, dass ihre Behauptung stimmt, müssen jetzt Lipstadt und ihre Verteidiger beweisen, dass Irvings Klage haltlos ist. Also dass es den Holocaust wirklich gab und dass sie den Holocaustleugner Irving nicht verleumdete.

Der Prozess war, an 32 Verhandlungstagen, zwischen dem 11. Januar und dem 11. April 2000 und, ich verrate jetzt hier wirklich kein großes Geheimnis, er endete mit einem grandiosen Freispruch für Lipstadt und ihren Verlag.

In seiner 333-seitigen Urteilsbegründung stellte Richter Charles Gray unter anderem über Irving fest: „Er ist ein rechtsextremer Pro-Nazi, Polemiker, Antisemit und Rassist, der sich mit Rechtsextremisten zusammentut, um den Neonazismus zu fördern.“

2002, nachdem eine Revision des Urteils abgewiesen wurde und Irving die Gerichtskosten hätte tragen müssen, meldete er Konkurs an. Als Sachbuchautor war er nach diesem Urteil ebenfalls ruiniert.

In seinem Film „Verleugnung“ zeichnet Mick Jackson („Bodyguard“), nach einem Drehbuch des renommierten Dramatikers David Hare, die Geschichte von Irvings Klage gegen Lipstadt bis zur Urteilsverkündung als spannendes Justizdrama nach, das sich auf seine wahre Geschichte,die in ihr wohnende Spannung und Dramatik, das pointierte Drehbuch und die grandiosen Schauspieler verlässt. Rachel Weisz spielt Lipstadt, die plötzlich in einem ihr in jeder Beziehung fremden Gerichtsverfahren gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse und ihre wissenschaftlich fundierten Meinungen verteidigen lassen muss. Denn es gehört zur Verteidigungsstrategie, sie und Holocaust-Opfer nicht in den Zeugenstand zu rufen. Tom Wilkinson und Andrew Scott ihre beiden schlauen Hauptverteidiger. Und Timothy Spall spielt David Irving, den Bösewicht des Films. Bei diesen schauspielerischen Hochkarätern muss Mick Jackson nur noch die Kamera aufstellen und sie beobachten.

Der so entstandene Film ist dann eine sehr gute, sehr ehrenwerte und in jeder Sekunde honorige, aber auch etwas bieder geratene Geschichtsstunde. Auch bei dem Besuch von Lipstadt mit ihren Verteidigern in Auschwitz-Birkenau behält Jackson eine wohltuende Distanz, die auf platte Dramatisierungen oder Visualisierungen verzichtet. Im Film wird nur das gezeigt, was jeder Besucher der Gedenkstätte bei seinem Besuch sehen kann.

Verleugnung“ ist ein guter und wichtiger Film, der hoffentlich nicht nur von den Menschen gesehen wird, die sowieso schon überzeugt sind. Denn er ist genau diese Art Film.

Verleugnung (Denial, USA/Großbritannien 2016)

Regie: Mick Jackson

Drehbuch: David Hare

LV: Deborah E. Lipstadt: History on Trial: My Day in Court with a Holocaust Denier, 2005

mit Rachel Weisz, Timothy Spall, Tom Wilkinson, Andrew Scott, Jack Lowden, Caren Pistorius, Alex Jennings, Harriet Walter

Länge: 111 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

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Wer gerade Zeit hat: die Dokumentation des Prozesses


Neu im Kino/Filmkritik: „Alice im Wunderland: Hinter den Spiegeln“ gibt es viele alte Bekannte

Mai 27, 2016

Vor sechs Jahren war Tim Burtons Version von Lewis Carrolls „Alice im Wunderland“ an der Kinokasse so unglaublich erfolgreich, dass eine Fortsetzung nur eine Frage der Zeit war. Außerdem hatte Carroll mit „Through the Looking-Glass“ quasi eine Fortsetzung geschrieben, von der man den Titel verwenden konnte. Denn, so Produzentin Suzanne Todd: „’Alice hinter den Spiegeln‘ ist im Grunde eine Ansammlung beliebiger und bizarrer Episoden aus Carrolls Leben, die eigentlich in keinem Zusammenhang zueinander stehen. Linda Woolverton hatte eine völlig neue Geschichte geschrieben, die von dem Buch inspiriert war und all den Figuren folgt, die wir im ersten Film liebgewonnen haben. Wir erleben, was mit ihnen seit dem ersten Film passiert ist. Und wir folgen ihnen in ihre Vergangenheit und erfahren noch mehr über sie. Alle waren begeistert.“

Trotzdem dauerte es sechs Jahre, bis mit „Alice im Wunderland: Hinter den Spiegeln“ die Fortsetzung fertig war. Linda Woolverton schrieb wieder das Drehbuch, in dem sie die Geschichte von Alice weitererzählt. Die Regie übernahm James Bobin („Muppets most wanted“). Etliche Schauspieler, die bei „Alice im Wunderland“ mitspielten, sind wieder dabei und der poppig-künstliche Zuckerschock-Stil wurde beibehalten.

Am Ende von „Alice im Wunderland“ brach Alice Kingsleigh (Mia Wasikowska) als Seefahrerin in Richtung China auf.

Am Anfang von „Alice im Wunderland: Hinter den Spiegeln“ kann sie, drei Jahre später, mit einem waghalsigen Manöver in sturmumtoster See einigen Piraten entkommen. Zurück in England erfährt Alice, dass ihre Mutter kurz davor steht, die Reederei zu verkaufen. An den Schnösel Hamish Ascot, der sie schon vor Jahren nicht heiraten wollte, und eine Gruppe alter Männer, die sich Frauen nur als Hausfrauen vorstellen können.

Alice tritt durch einen Spiegel ins Unterland, das sie in den vergangenen Jahren nicht besuchte. Erschrocken sieht sie, was sich aller veränderte. Vor allem der Verrückte Hutmacher Tarrant Hightopp (Johnny Depp) ist nicht mehr er selbst. Er ist, nachdem er eine Spur von seinen verstorbenen Eltern entdeckte, todunglücklich. Er bittet Alice um Hilfe. Aber wie sollen Tode wieder ins Leben zurückkehren?

Trotzdem versucht Alice ihren Freund zu retten und während ihrer Rettungsmission erfahren wir auch viel über das Wunderland und seine Bewohner in früheren Jahren. Insofern ist „Alice im Wunderland: Hinter den Spiegeln“ ein Sequel und ein Prequel, wobei gerade dieser Teil der alleruninteressanteste ist. Denn wollen wir wirklich wissen, wie und warum Mirana, die Weiße Königin (Anne Hathaway), und Iracebeth, die Rote Königin (Helena Bonham Carter) sich zerstritten und Iracebeth so böse wurde? Hat sie uns nicht gerade wegen ihrer nicht erklärten Bösartigkeit im ersten Film so gut gefallen? Und wollen wir wirklich alles über die Eltern und Kindheit vom Verrückten Hutmacher erfahren? Nicht wirklich.

Auch Alices Rettungsmission im Unterland, die natürlich von Ereignissen in der realen Welt inspiriert ist und auch zwischen Gegenwart und Vergangenheit etwas hin und her springt, und es um den Besitz der Chronosphäre, die von der Zeit (Sacha Baron Cohen) beherrscht und gepflegt wird, wird eher lustlos präsentiert. Mit einer gehören Portion Unglaubwürdigkeit. Denn die taffe Seefahrerin soll jetzt, immerhin spiegeln ihre Abenteuer im Unterland ihre aktuellen Probleme in der realen Welt, an sich zweifeln und sich ernsthaft überlegen, ob sie nicht doch zum Heimchen am Herd wird.

Da helfen dann auch nicht mehr die Auftritte der alten Bekannten aus dem ersten Film und die bunten, hauptsächlich aus dem Computer generierten Bilder. Wobei jetzt das Zusammenspiel von Schauspielern und CGI-Figuren besser funktioniert als im ersten Teil.

Eine riesige Enttäuschung ist dagegen die erschreckend beliebig vor sich hin plätschernde Musik von Danny Elfman; – wobei: zur Lektüre von Carrolls Alice-Geschichten könnte sie eine gute Geräuschkulisse sein.

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Alice im Wunderland: Hinter den Spiegeln (Alice through the looking glass, USA 2016

Regie: James Bobin

Drehbuch: Linda Woolverton

LV: Lewis Carroll: Through the Looking-Glass, 1871 (Alice hinter den Spiegeln)

mit Johnny Depp, Mia Wasikowska, Helena Bonham Carter, Anne Hathaway, Sacha Baron Cohen, Rhys Ifans, Matt Lucas, Lindsay Duncan, Leo Bill, Geraldine James, Andrew Scott, Richard Armitage, Ed Speleers, Alan Rickman (Stimme), Timothy Spall (Stimme), Paul Whitehouse (Stimme), Stephen Fry (Stimme), Barbara Windsor (Stimme), Michael Sheen (Stimme)

Länge: 113 Minuten

FSK: ab 6 Jahre

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Wikipedia über „Alice im Wunderland: Hinter den Spiegeln“ (deutsch, englisch)


Neu im Kino/Filmkritik: Für Mike Leigh ist „Mr. Turner – Meister des Lichts“

November 7, 2014

Das nächste Biopic. Dieses Mal über einen Maler, dessen Gemälde heute immer noch bekannt sind: William Turner. Und Mike Leigh, der sonst für sein Gegenwartskino, seine Arbeiterdramen, bekannt ist, inszeniert diesen historischen Stoff abseits der normalen Biopic-Pfade, in denen das Leben des Protagonisten ein illustrierter Wikipedia-Artikel ist. Leighs „Mr. Turner – Meister des Lichts“ ist eher ein Filmessay. Eine chronologische Aneinanderreihung von Impressionen aus dem Leben des Malers, dem wir zum ersten Mal 1826 am Ende einer Reise nach Belgien begegnen. In dem Moment war der 1775 geborene Turner bereits ein bekannter Künstler.
In den folgenden gut hundertfünfzig Minuten erzählt Mike Leigh Turners Leben bis zu seinem Tod 1851.
Aber im Gegensatz zu anderen Biopics bemüht Mike Leigh sich nicht, uns William Turner nahe zu bringen. Er ist ein grunzendes Scheusal, das zwischen zwei Pinselstrichen seine Haushälterin vergewaltigt. Er ist gehässig. Er benimmt sich wie ein kleines Kind, aber er hat auch eine sensible Seite, die sich in seinen Gemälden, seiner normalen Beziehung zu Sophia Booth, einer Vermieterin in Margate, bei der er sich 1829 unter falschem Namen einmietete und für die er bis zu seinem Tod Mr. Mallord blieb, und seiner Beziehung zu seinem 1829 verstorbenem Vater, der auch der Manager und Diener seines Sohnes war, zeigt. Außerdem war Turner ein großer Künstler, der in seinen Bildern auch die Auswirkungen der Französischen Revolution und der Industrialisierung auf die Gesellschaft und das Individuum reflektierte. Mike Leigh reflektiert diese gesellschaftlichen Veränderungen und Unsicherheiten auch in seinem Film. Genau wie Turners Bilder immer abstrakter wurden, löst Leighs Film immer mehr die Gewissheiten eines Gewissheiten verkündenden Biopics auf. Je länger der Film ist, desto unschärfer wird William Turner, der sein Handeln nie erklärte.
Timothy Spall, zuletzt die RomCom „Wie in alten Zeiten“ und Wormtail in den Harry-Potter-Filmen, ist ein bekannter Leigh-Darsteller, der für sein Porträt des Malers in Cannes als bester Darsteller ausgezeichnet wurde. Er spielt diesen komplizierten Charakter eindrücklich in seiner Zerrissenheit und Maßlosigkeit. Auch die anderen Schauspieler sind toll, ebenso die Ausstattung und die Kamera. Leighs langjähriger Kameramann Dick Pope erhielt, ebenfalls in Cannes, den Vulcain Prize for the Technical Artist für seine Übertragung der Turner-Gemälde auf die große Leinwand.
Weil Leigh allerdings konsequent undramatisch Episoden aus einem viertel Jahrhundert aneinanderreiht, ohne dass sich die Jahre in den Gesichtern der Schauspieler spiegeln, und er kaum Hintergrundinformationen liefert, richtet sich „Mr. Turner“ nur an Turner-Fans, die die Bilder und Episoden einsortieren können.
Alle anderen sind, je nach Stimmungslage, dann von dem ruhigen Fluss der Erzählung fasziniert oder gelangweilt. Ich war gelangweilt, weil ich nichts über den Porträtierten erfuhr, auch der durch die Französische Revolution und die Industrialisierung forcierte Wandel nicht angesprochen wird und die einzelnen Episoden aus Turners Leben einfach nur Anekdoten sind, die nie eine eigenes Narrativ entfalten. Am Ende des Films wusste ich nicht mehr über William Turner als vorher – und das ist kein gutes Zeichen.

Mr Turner - Plakat

Mr. Turner – Meister des Lichts (Mr. Turner, Großbritannien 2014)
Regie: Mike Leigh
Drehbuch: Mike Leigh
mit Timothy Spall, Dorothy Atkinson, Marion Bailey, Ruth Sheen, Lesley Manville, Martin Savage, Paul Jesson, Patrick Godfrey, Leo Bill
Länge: 150 Minuten
FSK: ab 6 Jahre

Hinweise
Englische Facebook-Seite zum Film
Deutsche Homepage zum Film
Film-Zeit über „Mr. Turner“
Moviepilot über „Mr. Turner“
Metacritic über „Mr. Turner“
Rotten Tomatoes über „Mr. Turner“
Wikipedia über „Mr. Turner“ (deutsch, englisch)

Das Q&A zum Film beim NYFF zum Film in großer Runde

DP/30 unterhält sich mit Mike Leigh über den Film und den ganzen Rest


Neu im Kino/Filmkritik: Pierce Brosnan und Emma Thompson tun es „Wie in alten Zeiten“

Oktober 19, 2014

Die Scheidung von Richard (Pierce Brosnan) und Kate (Emma Thompson) liegt schon acht Jahre zurück und, abgesehen von kleinen Sticheleien, verstehen sie sich gut. Außerdem haben sie zwei Kinder,zu denen sie eine gute Beziehung haben und die inzwischen, studienbedingt, flügge sind.
Richard hat jetzt seine Firma verkauft und er sieht entspannt seinem Ruhestand entgegen, bis er erfährt, dass der Käufer seiner Firma eine Heuschrecke ist. Sein Vermögen, das seiner Angestellten und auch Kates Altersvorsorge sind weg.
In Paris wollen sie mit diesem betrügerischem Finanzmanager Vincent Kruger (Laurent Lafitte) ein ernstes Wort reden und an seine edlen Gefühle und Versprechen, die er beim Firmenkauf abgab, appellieren. Selbstverständlich haben sie keinen Erfolg, aber nachdem sie erfahren, dass Kruger demnächst in Cannes heiratet und seiner Künftigen eine wertvolle Halskette als Hochzeitsgeschenk umhängen will, beschließen sie, zusammen mit ihren Uralt-Freunden Jerry (Timothy Spall, demnächst „Mr. Turner“) und Pen (Celia Imrie), die Kette zu klauen.
Dafür müssen sie nur auf die Hochzeitsfeier in einem Schloss, das natürlich bestens gesichert ist, gelangen. Auf der einen Seite gibt es Wachleute mit Fingerabdruck-Scannern, auf der anderen Seite eine wirklich atemberaubende Klippe.
„Wie in alten Zeiten“ von Joel Hopkins („Liebe auf den zweiten Blick“) ist eine Romantic Comedy für die Generation 50+, in der das Klauen der Kette nur das Wiedervereinigungsprogramm für Richard und Kate ist. Denn selbstverständlich erwachen während des Abenteuers ihre alten Gefühle füreinander wieder.
Der Diebstahl ist allerdings erstaunlich schlampig vorbereitet und ohne unglaublich viele glückliche Umstände, hätten Richard, Kate, Jerry und Pen noch nicht einmal die Hochzeitsgesellschaft beehren können. Dabei hat Jerry zum Erstaunen seiner Frau, die ihn bislang nur als Biedermann kannte, sehr interessante und sehr halbseidene Freunde, die er aus seiner ihr unbekannten Zeit bei der Fremdenlegion und der Marine kennt. Da war er wohl so eine Art James Bond. In dem Film gibt es auch einige Anspielungen auf den Geheimagenten Ihrer Majestät, der für die in „Wie in alten Zeiten“ geplante Aktion allerdings ein schlechter Ratgeber ist. Besser hätte Richard sich vorher einige Folgen „Remington Steele“ angesehen. Dann hätte er keinen Plan ersonnen, der nur dank absurder Zufälle funktioniert, sondern er hätte einen perfekten Plan, der an der Realität scheitert.
Hopkins‘ Film ist, dank der gut aufgelegten Schauspieler, die man immer wieder gerne sieht, eine nette Caper-Komödie, die natürlich den Klassikern des Genres Tribut zollt und deutlich besser als „Gambit – Der Masterplan“ ist.

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Wie in alten Zeiten (The Love Punch, Frankreich/USA 2013)
Regie: Joel Hopkins
Drehbuch: Joel Hopkins
mit Pierce Brosnan, Emma Thompson, Timothy Spall, Celia Imrie, Louise Bourgoin, Laurent Lafitte
Länge: 95 Minuten
FSK: ab 0 Jahre

Hinweise
Englische Facebook-Seite zum Film
Deutsche Facebook-Seite zum Film

Deutsche Homepage zum Film
Film-Zeit über „Wie in alten Zeiten“
Moviepilot über „Wie in alten Zeiten“
Metacritic über „Wie in alten Zeiten“
Rotten Tomatoes über „Wie in alten Zeiten“
Wikipedia über „Wie in alten Zeiten“


TV-Tipp für den 10. Juni: The Damned United – Der ewige Gegner

Juni 10, 2014

Pro7 Maxx, 20.15
The Damned United – Der ewige Gegner (Großbritannien/USA 2009, Regie: Tom Hooper)
Drehbuch: Peter Morgan
LV: David Peace: The Damned United, 2006 (Damned United)
Ein grandioser Fußball-Film. Auch für Nicht-Fußballfans. Was nicht verwundert, denn das Drehbuch ist von Peter Morgan, der auch die Bücher für „Rush“ und „Frost/Nixon“ und „Die Queen“ schrieb. Regie führte Tom Hooper, der danach „The King’s Speech“, für den er den Regie-Oscar erhielt, inszenierte.
„The Damned United“ ist vor allem ein mitreisendes Porträt von Brian Clough, einem großmäuligem Fußballtrainer, der 1974 für 44 Tage Trainer des erfolgreichen Erstligavereins Leeds United war und der sich überhaupt nicht mit der Mannschaft und dem Vorstand verstand. In Rückblenden erfahren wir, wie Clough zusammen mit Peter Taylor aus einem gegen den Abstieg in die dritte Liga kämpfendem Provinzclub Derby County innerhalb weniger Jahre einen Erstligaclub machte, der den Titel gewann, und wie er dabei seine Feindschaft zu dem Leeds-United-Trainer pflegte.
mit Michael Sheen, Colm Meaney, Timothy Spall, Stephen Graham, Joseph Dempsie, Brian McCardie, Jim Broadbent, Henry Goodman

Der Roman erschien als Taschenbuch bei Heyne Hardcore

Peace - Damned United - 4

David Peace: Damned United
(übersetzt von Thomas Lötz)
Heyne, 2011
512 Seiten
9,99 Euro

Außerdem erschien vor einigen Tagen David Peaces Chronik des Bergarbeiterstreiks von 1984 und wie die Thatcher-Regierung mit allen, auch illegalen Mitteln gegen die Streikenden kämpfte.

Peace - GB84 - 4

David Peace: GB84
(übersetzt von Peter Torberg)
Liebeskind, 2014
544 Seiten
24,80 Euro

Originalausgabe
GB84
Faber and Faber, 2004

Hinweise

Rotten Tomatoes über „The Damned United“

Wikipedia über „The Damned United“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von David Peaces „1974“ (Nineteen Seventy-Four, 1999)

Meine Besprechung von David Peaces „1977“ (Nineteen Seventy-Seven, 2000)

Meine Besprechung von David Peaces „1980“ (Nineteen Eighty, 2001)

Meine Besprechung von David Peaces „1983“ (Nineteen Eighty-Three, 2002)

Meine Besprechung von David Peaces „Tokio im Jahr Null“ (Tokyo Year Zero, 2007)

Meine Besprechung von David Peaces „Tokio, besetzte Stadt“ (Occupied City, 2009)

Meine Besprechung der „Red Riding Trilogy“ (der Verfilmung der entsprechenden Bücher)

David Peace in der Kriminalakte