Neu im Kino/Filmkritik: Steven Soderbergh öffnet seine „Black Bag – Doppeltes Spiel“ für die Agenten

Mai 14, 2025

Um Geheimagenten und ihre Spiele geht es in Steven Soderberghs neuem Film „Black Bag – Doppeltes Spiel“.

Der britische Geheimagent George Woodhouse (Michael Fassbender, bieder mit Michael-Caine/Harry-Palmer-Brille) soll innerhalb einer Woche einen Verräter in den eigenen Reihen finden, der das streng geheime und gefährliche Schadprogramms „Severus“ gestohlen hat. Pikant wird der Auftrag, weil auch seine Frau Kathryn St. Jean (Cate Blanchett) zu dem Kreis der Verdächtigen gehört und er sie möglicherweise töten muss. Als sein Chef ihn fragt, ob er ein Problem damit habe, verneint Woodhouse. Ob er lügt, wissen wir nach schlanken neunzig Minuten Filmzeit.

Woodhouse kennt auch die anderen vier Verdächtigen. Teils sind er und St. Jean mit ihnen befreundet. Er lädt sie zu einem ersten Abendessen bei ihnen ein.

Die Gäste sind Freddie Smalls (Tom Burke), ein ehemaliges hoffnungsvolles Nachwuchstalent mit chaotischem Privatleben, die junge, sexuellen Abenteuern gegenüber sehr aufgeschlossene Kollegin Clarissa Dubose (Marisa Abela), Dr. Zoe Vaughan (Naomie Harris), die Psychiaterin der Belegschaft, die Kraft ihrer Arbeit alle Geheimnisse kennen sollte, und ihr Liebhaber Colonel James Stokes (Regé-Jean Page). Nicht bei dem Abendessen, aber natürlich auch potentiell verdächtig, ist ihr Vorgesetzter Arthur Stieglitz (Pierce Brosnan).

Und schon beginnt das Spiel, in dem jeder jeden betrügt, jeder mindestens fünf Backup-Pläne hat und munter so viele falsche Spuren ausgelegt werden, dass selbst der geneigte Zuschauer sich irgendwann fragt, ob wenigstens der Drehbuchautor – in diesem Fall Blockbuster-Profi David Koepp („Jurassic Park“, „Mission: Impossible“, „Spider-Man“) – den Überblick behalten hat. Das ist in anderen Agententhriller, wie John le Carrés mehrfach verfilmten Agentenroman „Dame, König, As, Spion“, ähnlich schwierig nachzuverfolgen, und führt, kompetent gemacht, zu zwei gelungenen Kinostunden. Wenn es schlecht gemacht ist, ist der Film ein verwirrender, schnell vergessener Langweiler.

Die Möglichkeit, dass „Black Bag – Doppeltes Spiel“ ein Langweiler wird, ist denkbar gering, weil Langweiler sich nicht im Portfolio von David Koepp und Steven Soderbergh befinden. Einige Fehlschlage, erinnert sei an die letzten beiden „Indiana Jones“-Film für die Koepp die Bücher schrieb (einmal allein, einmal mit anderen Autoren), und missglückte Experimente und überflüssige Filme, wie Soderberghs letzten „Magic Mike“-Film, schon.

Black Bag“ ist jetzt, nach „Kimi“ und „Presence“, in schneller Folge die dritte Zusammenarbeit von Koepp und Soderbergh.

David Koepp schrieb eine verschachtelte Geschichte, in der es nicht auf Schauwerte und Action, sondern auf die Dialoge und das Spiel der Schauspieler ankommt. Die erste Inspiration für „Black Bag“ hatte Koepp in den neunziger Jahren bei seinen Recherchen für „Mission: Impossible“. Als er mit Spionen über ihre Arbeit sprach, erfuhr er auch, wie schwierig für sie ein normales Leben ist: „All der Spionagekram war für sich genommen schon sehr cool. Noch dazu habe ich aber mehr über die Menschen erfahren, als ich je erwartet hätte. Eine Frau hat mir zum Beispiel erzählt, dass ihre Arbeit es ihr unmöglich macht, eine Beziehung zu führen. Eine Zeile im Film geht auf meine Gespräche mit ihr zurück: ‚Wenn man bei allem lügt – wie soll man dann bei irgendetwas die Wahrheit sagen?‘ Denken Sie mal darüber nach. Wenn man zum Beispiel eine heimliche Affäre beginnen möchte, dann könnte das gar nicht einfacher sein. Man sagt ganz einfach: ‚Ich bin jetzt mal für drei Tage weg. Du darfst mich aber nicht fragen, wo ich hingehe, du hast nämlich keine Befugnis dazu.‘“

Ausgehend von Koepps damals gewecktem Interesse an dem Privatleben der Agenten, nehmen die Beziehungen und damit verbundene Beziehungsprobleme einen großen Raum in der Geschichte ein. Ihr Privatleben, Sex und Beziehungen machen sie potentiell erpressbar. Weil sie nur mit ihren Kollegen über ihre Arbeit sprechen können, sind im Geheimdienst Beziehungen zu Kollegen erwünscht, die natürlich wiederum ausgenutzt werden können. Das trifft auf alle Dinnergäste und die beiden Einlader zu.

Soderbergh inszeniert Koepps Geschichte als elegantes Schauspielerkino mit Starbesetzung. Auf den Humor früherer Filme, wie zuletzt in dem Noir-Gangsterkrimi „No Sudden Move“ (mit dem auch für diesen Film passendem Plakat-Untertitel „Vertrauen ist eine Falle“) oder seine zunehmend spaßigen Ocean’s-Filme, vierzichtet er hier. „Black Bag“ ist ein intellektuelles Spiel mir reduziert spielenden Schauspielern, unterkühlt inszeniert in, für mein Gefühl, durchgängig zu dunklen Bildern.

Black Bag – Doppeltes Spiel (Black Bag, USA 2025)

Regie: Steven Soderbergh

Drehbuch: David Koepp

mit Michael Fassbender, Cate Blanchett, Tom Burke, Marisa Abela, Regé-Jean Page, Naomie Harris, Kae Alexander, Ambika Mod, Gustaf Skarsgard, Pierce Brosnan

Länge: 94 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Moviepilot über „Black Bag“

Metacritic über „Black Bag“

Rotten Tomatoes über „Black Bag“

Wikipedia über „Black Bag“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Steven Soderberghs “Girlfriend Experience – Aus dem Leben eines Luxus-Callgirls” (The Girlfriend Experience, USA 2009)

Meine Besprechung von Steven Soderberghs „Contagion“ (Contagion, USA 2011)

Meine Besprechung von Steven Soderberghs „Haywire” (Haywire, USA 2011)

Meine Besprechung von Steven Soderberghs “Magic Mike” (Magic Mike, USA 2012)

Meine Besprechung von Steven Soderberghs „Side Effects – Tödliche Nebenwirkungen“ (Side Effects, USA 2013)

Meine Besprechung von Steven Soderberghs “Liberace – Zu viel des Guten ist wundervoll (Behind the Candelabra, USA 2013)

Meine Besprechung von Steven Soderberghs „Logan Lucky“ (Logan Lucky, USA 2017) und der DVD

Meine Besprechung von Steven Soderberghs „Unsane: Ausgeliefert“ (Unsane, USA 2018)

Meine Besprechung von Steven Soderberghs „No sudden move“ (No sudden move, USA 2021)

Meine Besprechung von Steven Soderberghs „Magic Mike: The Last Dance“ (Magic Mike’s Last Dance, USA 2023)

Steven Soderbergh in der Kriminalakte

Meine Besprechung von David Koepps „Mortdecai – Der Teilzeitgauner“ (Mortdecai, USA 2015)

Meine Besprechung von David Koepps „Cold Storage – Es tötet“ (Cold Storage, 2019)


Neu im Kino/Filmkritik: Das Amy-Winehouse-Biopic „Back to Black“

April 11, 2024

Ihre erste CD „Frank“ veröffentlicht die am 14. September 1983 London geborene Amy Winehouse 2003. Der große weltweite Erfolg kommt 2006 mit ihrer zweiten und letzten CD „Back to Black“. 2008 erhält die Retrosoul-Sängerin bei den Grammy Awards rekordverdächtige fünf Preise. 2007 heiratet sie Blake Fielder-Civil. 2009 erfolgt die Scheidung. Er macht sie drogenabhängig. Die Beziehung ist von Gewalt und Drogen und öffentlicher Aufmerksamkeit geprägt. Winehouse ist, mit ihrem unberechenbarem Verhalten, ihrer Drogensucht und psychischer Probleme, ein wandelndes Katastrophengebiet. Die Boulevardpresse belagert sie. Am 23. Juli 2011 stirbt sie an einer Alkoholvergiftung. Amy Winehouse wurde 27 Jahre alt.

Ihr kurzes Leben bietet, abseits der ausgetretenen Biopic-Pfade, in denen einfach ihre Lebensstationen und Skandale chronologisch abgehandelt werden, viele Anknüpfungspunkte für einen aufregenden Film.

Back to Black“ ist es nicht. Es ist bestenfalls eine mit Amy-Winehouse-Songs garnierte Liebesgeschichte unter Drogenabhängigen. Die biographischen Stationen aus Amy Winehouses Leben werden so kryptisch, elliptisch und bezuglos abgehandelt, dass man danach den Wikipedia-Artikel liest, um zu erfahren, was man gerade gesehen hat. Da springt der Film von Konzerten in Bars vor kleinem Publikum zu Arena-Konzerten. Da beschließt Amy Winehouse in der einen Minute, sich in eine Drogentherapie zu begeben. Es folgen ein Bild eines ländlich gelegenen Nobelsanatoriums und schon ist die Therapie beendet. Währenddessen wird ausführlich und in langen Szenen die erste Begegnung von Winehouse und Blake Fielder-Civil, deren Ausprobieren verschiedenster Drogen und ihre vor allem für sie sehr ungute Beziehung zelebriert. Dazwischen tritt der immer zuverlässige Eddie Marsan als ihr Vater Mitch Winehouse auf. Er versucht ihr selbstlos und uneigennützig zu helfen.

Drehbuchautor Matt Greenhalgh („Control“ [über „Joy Division“-Frontman Ian Curtis], „Nowhere Boy“ [über den jungen John Lennon]) und Regisseurin Sam Taylor-Johnson („Nowhere Boy“, Razzie-Liebling „Fifty Shades of Grey“) erzählen Amy Winehouses Lebensgeschichte oberflächlich und alle möglichen Tiefen und interessanten Aspekte vermeidend. Das Ergebnis ist eine Junkie-Liebesgeschichte, in der wir wenig über Amy Winehouse erfahren und das wie die harmlose Spielfilmversion von Asif Kapadias mit dem Dokumentarfilm-Oscar ausgezeichnetem Porträt „Amy“ (GB 2015) wirkt. Sein Film ist zwar auch nur gefälliges, auf Analysen und historische Einordnungen verzichtendes Doku-Handwerk für den Amy-Winehouse-Fan, aber immerhin wird die problematische Beziehung zu ihrem Vater Mitch Winehouse und zu Blake Fielder-Civil tiefgehender thematisiert und es gibt eine Idee, warum Amy Winehouse so jung starb. Insofern ist Kapadias Dokumentarfilm der bessere Einstieg in ihr Leben.

Back to Black“ ist dagegen nur ein Biopic für den Amy-Winehouse-Fan, der sich freut, ihre Songs im Kino zu hören.

Vor wenigen Wochen lief Reinaldo Marcus Greens „Bob Marley: One Love“ (Bob Marley: One Love, USA 2024) an. Er konzentriert sich in seinem ebenfalls eher misslungenem Biopic (das immerhin die Musik von Bob Marley hat) auf einen kurzen Ausschnitt aus dem Leben des 1981 verstorbenen Reggae-Musiker. Im direkten Vergleich ist Greens Musiker-Biopic das bessere Musiker-Biopic. Er hat immerhin eine Idee davon, was er erzählen möchte.

Back to Black (Back to Black, Großbritannien 2024)

Regie: Sam Taylor-Johnson

Drehbuch: Matt Greenhalgh

Filmmusik: Nick Cave, Warren Ellis

mit Marisa Abela, Jack O’Connell, Eddie Marsan, Lesley Manville, Juliet Cowan, Sam Buchanan

Länge: 123 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Moviepilot über „Back to Black“

Metacritic über „Back to Black“

Rotten Tomatoes über „Back to Black“

Wikipedia über „Back to Black“ (deutsch, englisch) und Amy Winehouse (deutsch, englisch)

AllMusik über Amy Winehouse

Meine Besprechung von Asif Kapadias „Amy“ (Amy, Großbritannien 2015)