Neu im Kino/Filmkritik: Jetzt sorgt „Der Nachname“ für Zoff in der Familie

Oktober 21, 2022

Vor vier Jahren zofften sich in „Der Vorname“ Thomas Böttcher (Florian David Fitz), seine Frau Anna Wittmann (Janina Uhse), Stephan Berger (Christoph Maria Herbst), seine Frau Elisabeth Berger-Böttcher (Caroline Peters), ihr Adoptivbruder René König (Justus von Dohnányi) und ihre Mutter Dorothea Böttcher (Iris Berben). Denn bei einem Abendessen sagte Thomas, dass sie ihren Sohn Adolf nennen werden. Literaturprofessor Stephan Berger fand den Namen wegen Adolf Hitler unerträglich und schon fetzten sie sich an einem langen Abend. Die Vorlage für diesen Familienstreit war ein französisches Boulevardstück. Für diese Verfilmung wurde es auf deutsche Befindlichkeiten umgeschrieben. Die von Sönke Wortmann inszenierte vergnügliche Komödie war mit 1,2 Millionen Zuschauern ein Erfolg in den Kinos.

Eine Fortsetzung war daher fast unvermeidlich. Claudius Pläging schrieb wieder das Drehbuch. Sönke Wortmann übernahm wieder die Regie. Und die Schauspieler des „Vornamens“ sind bei „Der Nachname“ auch alle dabei.

Dieses Mal lädt die Mutter ihre Kinder und ihre Partner nach Lanzarote in ihr Feriendomizil ein. Dort verkündet Dorothea ihnen, dass sie wieder geheiratet hat. Für ihre Kinder bedeutet diese Nachricht mindestens eine doppelte Katastrophe. Denn sie hat den Nachnamen ihres Mannes angenommen. König. Und ihr Mann ist ihr Adoptivsohn René König. Der wird wunderschön verwahrlost und tiefenentspannt von Justus von Dohnányi gespielt.

Die Prämisse für die ganze Aufregung ist ziemlich weit hergeholt. Während das Konfliktpotential eines falsch gewählten Vornamens allseits bekannt und nachvollziehbar ist, ist das bei einem Nachnamen weniger offensichtlich, um nicht zu sagen, nicht vorhanden.

Trotzdem finden Dorotheas Kinder es schlimmer, dass ihre Mutter den Namen ihres neuen Mannes angenommen hat (wie sie es schon bei ihrem vorherigen Mann tat), als dass sie dadurch vielleicht durch die Hintertür enterbt werden. Das wäre immerhin ein handfestes ökonomisches Motiv. Denn René ist jetzt nicht nur ihr Sohn, sondern auch ihr Mann und, so planen Dorothea und René es, der Vater ihrer künftigen Kinder.

Daneben werden noch flugs einige Familiengeheimnisse enttarnt, etwas schmutziger Wäsche gewaschen, über Seitensprünge sinniert und über finanzielle Probleme gesprochen. Thomas und Stephan könnten eine Finanzspritze gut gebrauchen. Nichts davon ist dringlich in diesem Themenhopping unter südlicher Sonne. Es wird auch nichts konsequent zu Ende erzählt. Entsprechend mau fallen die Pointen über verschlossene Zimmer, außereheliche Affären und Keksdosen aus. Und am Ende haben sich alle ganz lieb.

„Der Nachname“ ist eine leidlich amüsante Angelegenheit, die krampfhaft eine schon im ersten Film auserzählte Geschichte weitererzählt.

Der Nachname (Deutschland 2022)

Regie: Sönke Wortmann

Drehbuch: Claudius Pläging

mit Iris Berben, Christoph Maria Herbst, Florian David Fitz, Caroline Peters, Justus von Dohnányi, Janina Uhse, Elena Sancho Pereg

Länge: 87 Minuten

FSK: ab 0 Jahre

Hinweise

Filmportal über „Der Nachname“

Moviepilot über „Der Nachname“

Wikipedia über „Der Nachname“

Meine Besprechung von Sönke Wortmanns „Frau Müller muss weg“ (Deutschland 2014)

Meine Besprechung von Sönke Wortmanns „Der Vorname“ (Deutschland 2018)

Meine Besprechung von Sönke Wortmanns „Eingeschlossene Gesellschaft“ (Deutschland 2022)


Neu im Kino/Filmkritik: Über eine im Lehrerzimmer „Eingeschlossene Gesellschaft“

April 14, 2022

Freitagnachmittag, kurz vor Feierabend, in einem Gymnasium irgendwo in Deutschland: die Schüler haben die Schule bereits verlassen. Im Lehrerzimmer warten einige Lehrer gelangweilt auf das Wochenende. Da klopft jemand an die Tür. Es ist Manfred Prohaska (Thorsten Merten). Der Vater hat ein dringendes Anliegen. Die Abi-Zulassung seines Sohnes Fabian ist gefährdet. Ein Punkt fehlt ihm. Dieser entscheidende Punkt wurde ihm bei einer Latein-Hausarbeit verwehrt. Und damit könnte der Lateinlehrer ihm den Punkt geben. Wenn er nicht so ein verknöcherter, seine Macht auskostende Regelfanatiker wäre, der unter keinen Umständen seine Bewertungen mit anderen diskutieren möchte.

Also verlangt Prohaska von den zufällig anwesenden Lehrern, dass sie jetzt sofort über Fabians Abi-Zulassung sprechen – und Fabian am Ende ihrer Besprechung den nötigen Punkt geben.

Das ist die knallige Prämisse von Sönke Wortmanns neuestem Film „Eingeschlossene Gesellschaft“. Zuletzt verfilmte er fürs Kino französische Erfolgskomödien und erfolgreiche Theaterstücke („Contra“, „Der Vorname“, „Frau Müller muss weg!“). Dieses Mal ist es ein Hörspiel von Jan Weiler („Maria, ihm schmeckt’s nicht“, „Das Pubertier“). Und wieder sitzen die Pointen, wenn der ultrakonservative „Ich habe alles in meinem Buch notiert“-Lateinlehrer Klaus Engelhardt (Justus von Dohnányi), die Schüler ebenfalls abgrundtief verachtende ältliche Jungfer Heidi Lohmann (Anke Engelke), der zu seinen Schülern äußerst joviale Womanizer-Sportlehrer Peter Mertens (Florian David Fitz), der sich überall anbiedernde Schüleranwalt Holger Arndt (Thomas Loible), der nerdige Chemielehrer Bernd Vogel (Torben Kessler) und die genderbewusste Referendarin Sara Schuster (Nilam Farooq) sich im Lehrerzimmer angiften, übereinander herfallen, dabei kleine und große Geheimnisse und Peinlichkeiten enthüllen, um sich selbst kreisen und sich dabei selbstverständlich nicht für das von Prohaska aufgeworfene Problem interessieren. Bis kurz vor dem Ablauf von Prohaskas Ultimatum reden sie nicht über Fabians Note.

Das gesamte Kollegium besteht halt aus Trotteln, die, zu unserem Vergnügen, nichts auf die Reihe bekommen und alle ihre kleinen Geheimnisse haben, von enttäuschter Liebe über Pornokonsum und Denunziation bis hin zur Unterschlagung. Diese sechs Lehrer sind Klischeefiguren. Die Schauspieler übertreiben und füllen diese Klischees lustvoll aus. Das sorgt, im Stil einer Boulevard-Komödie, für Situationskomik, verbale Gemeinheiten und etliche Lacher.

Aber der ganze leichtgewichtige und kurzweilige Spaß kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Prohaska ein Erpresser und Geiselnehmer ist, der sein Ziel so nicht erreichen kann.

Eingeschlossene Gesellschaft (Deutschland 2022)

Regie: Sönke Wortmann

Drehbuch: Jan Weiler (nach seinem Hörspiel)

mit Florian David Fitz, Anke Engelke, Justus von Dohnányi, Nilam Farooq, Thomas Loibl, Torben Kessler, Thorsten Merten, Nick Julius Schuck, Carl Benzschawel, Claudia Hübbecher, Jürgen Sarkiss, Serkan Kaya, Ronald Kukulies

Länge: 101 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Filmportal über „Eingeschlossene Gesellschaft“

Moviepilot über „Eingeschlossene Gesellschaft“

Meine Besprechung von Sönke Wortmanns „Frau Müller muss weg“ (Deutschland 2014)

Meine Besprechung von Sönke Wortmanns „Der Vorname“ (Deutschland 2018)


Neu im Kino/Filmkritik: „Der Vorname“ sorgt für Ärger

Oktober 20, 2018

Wie soll euer Kind denn heißen?

Diese scheinbar harmlose Frage sorgt in der Komödie „Der Vorname“ für viel Ärger. Denn Thomas Böttcher, ein Immobilienmakler, antwortet auf die von seinem Schwager gestellte Frage: „Adolf.“

Und weil Stephan Berger, der Fragesteller, ein richtiger Bildungsbürger ist, ein Literaturprofessor, der Kraft seines Berufs immer Recht hat, erklärt er Böttcher in seinem schönsten Dozententonfall sofort, warum Adolf kein guter Name für ein Kind ist.

Böttcher antwortet und sofort sind Böttcher und Berger in einen Streit über den Namen verwickelt. Die anderen Gäste mischen sich ein und schnell geht es nicht nur um den Vornamen des Ungeborenen.

Nur Bergers Ehefrau, eine Gymnasiallehrerin, hält sich ziemlich aus der hitzigen Diskussion heraus. Sie ist vor allem mit dem Kochen und Servieren des Abendessens beschäftigt.

Die Vorlage für Sönke Wortmanns neuen Film „Der Vorname“ ist ein bereits 2012 als „Der Vorname“ (Le Prénom) von Alexandre de La Patellière und Matthieu Delaporte verfilmtes Boulevardstück. Ihr Theaterstück hatte 2010 in Paris seine Premiere.

Wortmann passte für seine Verfilmung das Stück an die deutsche Wirklichkeit an. Denn die feinen Unterschiede der Bourgeoisie sind in Deutschland, auch nach dem Genuss des Gesamtwerks von Claude Chabrol, ziemlich unbekannt. Für die Befindlichkeiten und feinen Unterschiede des deutschen Bildungsbürgertums gilt das nicht.

Für die Zuschauer ist die Schlacht der Argumente während eines Abendessens unter Verwandten und Freunden ein kurzweiliges boulevardeskes Fest. Die Schauspieler – Christoph Maria Herbst, Florian David Fitz, Caroline Peters, Justus von Dohnányi und Janina Uhse – sind gut aufgelegt. Die Pointen kommen schnell. Die Trefferquote ist hoch. Die Dialoge sind deutlich spritziger und pointierter, als man es im deutschen Film gewohnt ist. Ein Vergnügen.

Und: Augen auf bei der Namenswahl!

Der Vorname (Deutschland 2018)

Regie: Sönke Wortmann

Drehbuch: Claudius Pläging, Alexander Dydyna (Drehbuchbearbeitung) (basierend auf „Le Prénom“ von Alexandre de La Patellière und Matthieu Delaporte)

mit Christoph Maria Herbst, Florian David Fitz, Caroline Peters, Justus von Dohnányi, Janina Uhse, Iris Berben (körperlich abwesend beim Abendessen)

Länge: 91 Minuten

FSK: ab 6 Jahre

Hinweise

Deutsche Facebook-Seite zum Film

Filmportal über „Der Vorname“

Moviepilot über „Der Vorname“

Wikipedia über „Der Vorname“

Meine Besprechung von Sönke Wortmanns „Frau Müller muss weg“ (Deutschland 2014)


TV-Tipp für den 19. November: Der bewegte Mann

November 19, 2015

https://www.youtube.com/watch?v=mj-UpwErzQo

Eins Festival, 20.15/23.35
Der bewegte Mann (Deutschland 1994, Regie: Sönke Wortmann)
Drehbuch: Sönke Wortmann
LV: Ralf König: Der bewegte Mann, 1987; Pretty Baby, 1988
Nachdem Doro ihren Freund Axel wieder einmal mit einer anderen Frau erwischt, wirft sie den ständig untreuen Frauenhelden aus der gemeinsamen Wohnung. Notgedrungen zieht er in eine schwule Wohngemeinschaft ein.
Komödienkinohit, der Ralf Königs grandiose Bildergeschichten mainstreamtauglich verflachte.
Mit Til Schweiger, Katja Riemann, Joachim Król, Rufus Beck, Armin Rohde, Martina Gedeck, Kai Wiesinger, Christof Wackernagel, Heinrich Schafmeister, Leonard Lansink (ach, waren die damals alle noch jung)
Hinweise
Filmportal über „Der bewegte Mann“
Wikipedia über „Der bewegte Mann“ und Ralf König
Homepage von Ralf König
Meine Besprechung von Sönke Wortmanns „Frau Müller muss weg“ (Deutschland 2014)


Neu im Kino/Filmkritik: „Frau Müller muss weg“ – darüber muss nicht diskutiert werden

Januar 15, 2015

Ein Elternabend ist es nicht, sondern ein Elternnachmittag an einem Samstag in einer verlassenen Grundschule und es sind auch nicht alle Eltern da, sondern nur eine kleine Abordnung, die ein klares Ziel hat: „Frau Müller muss weg“. Denn die Empfehlungen für den Schulwechsel stehen an. Alle Eltern möchten ihre Kinder auf das Gymnasium schicken, aber die Leistungen ihrer Kinder verschlechterten sich in den vergangenen Monaten rapide und Schuld daran ist natürlich die Klassenlehrerin, die jetzt halt in einem Gespräch überzeugt werden soll, die Klasse freiwillig aufzugeben. Die Sprecherin der Eltern ist die in einem Ministerium arbeitende Karrierefrau Jessica Höfel (Anke Engelke). Im Businesskostüm und kalt wie eine Klapperschlange. Verluste sind ihr, solange sie ihr Ziel erreicht, egal. Deshalb kandidierte sie auch als Elternsprecherin und selbstverständlich wird sie bei diesem Treffen das Reden übernehmen.
Begleitet wird sie von einigen Eltern, die vor allem ein schweigender Chor sein sollen. Es sind Wolf Heider (Justus von Dohnány), ein arbeitsloser Ossi, der seine Tochter ständig überwacht, die alleinerziehende Katja Grabowski (Alwara Höfels), deren Sohn Klassenbester ist, und das aus dem Westen kommende Ehepaar Patrick (Ken Duken) und Marina Jeskow (Mina Tander), deren hochbegabter und sehr sensibler Sohn früher in einer Waldorf-Schule war und viel Aufmerksamkeit benötige.
Aber Frau Müller (Gabriela Maria Schmeide) ist nicht bereit, so einfach ihre Klasse aufzugeben und sie teilt gegenüber den Eltern aus. Vollkommen überzeugt von ihrem pädagogischen Konzept und ihren Leistungen nennt sie die Probleme der Kinder beim Namen und verlässt wutentbrannt über den Wunsch der Eltern das Klassenzimmer.
Leicht konsterniert bleiben diese zurück. Immerhin hat Frau Müller ihre Tasche vergessen. Sie wird also wieder zurückkommen. Nach einigen Minuten beschließen sie, in der Schule nach ihr zu suchen. Während der Suche erfahren wir dann auch mehr über die Eltern.
„Frau Müller muss weg“ basiert auf dem Theaterstück von Lutz Hübner, das 2010 in Dresden seine erfolgreiche Premiere hatte und auch dort spielt, obwohl es überall in Deutschland spielen könnte. Zusammen mit Sarah Nemitz (mit der bereits mehrere Stücke schrieb) und Oliver Ziegenbalg („Russendisko“) adaptierte er es für die Verfilmung. „Der bewegte Mann“ Sönke Wortmann inszenierte den Film, nachdem er das Stück bereits in Berlin im GRIPS-Theater inszenierte.
Der Film selbst, auch weil er keine Eins-zu-Eins-Abfilmung des Stückes ist, fühlt sich trotzdem nie wie ein routiniert abgefilmtes Theaterstück an. Die Schauspieler sind gut, die Dialoge sind glaubwürdig und kein Charakter, auch wenn wir ihre Motive gut verstehen, ist einem sympathisch. Eigentlich sind alle, die Eltern und die Lehrerin, mehr oder weniger unsympathisch, aber genau deshalb sind sie glaubwürdig. Denn wir verstehen ihre Sorgen und Wünsche, aber rundum identifizieren können wir uns nicht mit der selbstgerechten Lehrerin, an deren Panzer jede Kritik abprallt. Oder den Eltern, die zwar immer nur das beste für ihre Kinder wollen, dabei aber nur den Maßstab „was gut für mein Kind ist, ist gut“ kennen und diesen Maßstab ausschließlich aus ihrer Perspektive und für ihr Kind anlegen. Deshalb benötigen sie die Empfehlung für das Gymnasium. Ob das gut für das Kind ist, ist den Eltern egal.
Und so betrachtet ist dann auch Katja ein zwiespältiger Charakter. Weil ihr Sohn der Klassenbeste ist, wird er sowieso auf das Gymnasium gehen. Entsprechend leicht kann man da mit den schwächeren Eltern solidarisch sein und gleichzeitig Verständnis für die Lehrerin haben. Außerdem hat sie, während die anderen anwesenden Mütter und Väter verheiratet sind, eine Beziehung zu einem verheirateten Mann.
Wortmanns Kammerspiel „Frau Müller muss weg“ ist die gelungene Filmadaption eines erfolgreichen Theaterstücks, die vor allem als sanfter Denkanstoß funktioniert. Das ist viel mehr, als man über andere deutsche Filme sagen kann.

Frau Müller muss weg - Plakat

Frau Müller muss weg (Deutschland 2014)
Regie: Sönke Wortmann
Drehbuch: Lutz Hübner, Sarah Nemitz, Oliver Ziegenbalg
LV: Lutz Hübner: Frau Müller muss weg, 2010 (Theaterstück)
mit Cabriela Maria Schmeide, Justus von Dohnány, Anke Engelke, Ken Duken, Mina Tander, Alwara Höfels, Rainer Galke, Jürgen Maurer, Dagmar Sachse
Länge: 88 Minuten
FSK: ab 6 Jahre

Hinweise
Homepage zum Film
Filmportal über „Frau Müller muss weg“
Film-Zeit über „Frau Müller muss weg“
Moviepilot über „Frau Müller muss weg“