Neu im Kino/Filmkritik: „Anchorman – Die Legende kehrt zurück“ und revolutioniert das Nachrichtenfernsehen zum Boulevard

Januar 30, 2014

Damit hat niemand gerechnet. Ron Burgundy ist zurück. Einige dürften ihn noch von seinem ersten Spielfilmauftritt „Anchorman – Die Legende von Ron Burgundy“ kennen. Da war er der Nachrichtensprecher eines Lokalsenders in San Diego und der ungekrönte König der Stadt, bis die junge Reporterin Veronica Corningstone kam, die nicht nur Ambitionen auf seinen Sprecherposten hatte, sondern ihm auch intellektuell haushoch überlegen war. Der tumbe Macho Burgundy und seine ebenso dummen Mitarbeiter kämpften mit allen Mitteln gegen sie, aber letztendlich konnten sie den Fortschritt nicht aufhalten und am Ende hatten sie sogar gelernt, dass auch Frauen Nachrichtensprecherinnen und echte Journalistinnen sein können. Außerdem verliebten Burgundy und Corningstone sich ineinander. Mit dem Filmende der liebevollen und kurzweiligen, aber auch sehr nachlässig erzählten Siebziger-Jahre-Gagparade war die Geschichte von Burgundy, Corningstone und dem „Action-4-News-Team“ zu Ende erzählt. Fortsetzung überflüssig.

Nun, irgendwie doch nicht. In den USA scheint der von Will Ferrell gespielte Charakter sehr beliebt zu sein. Also wurde nach einem Jahrzehnt die alte Bande wieder zusammengerufen, etliche Stars absolvieren einen Kurzauftritt und eine weitere Ron-Burgundy-Geschichte wird erzählt. Wir haben jetzt 1980. Burgundy und seine Frau Veronica Corningstone sind in New York und präsentieren gemeinsam eine Nachrichtensendung, bis Burgundy wegen erwiesener Unfähigkeit gefeuert wird und seine Frau aufsteigt. Mitten in seiner Depri-Phase (wir erinnern uns an den ersten „Anchorman“-Film) erhält er ein Angebot, das er nicht absagen kann: Kench Allenby (ein Klon aus Ted Turner, Rupert Murdoch und viel Richard Branson) baut den neuen Fernsehsender GNN auf, der 24 Stunden Nachrichten ausstrahlen soll. Eine bescheuerte Idee, findet jeder, aber Burgundy und seine alte Gang, das „Action-4-News-Team“, sind dabei und zielsicher steuert er die No-Gos an, die sich als zukunftsweisend entpuppen sollen. Bei ihm gibt es keine Berichte über Politik und wichtige Ereignisse, sondern substanzloses Geplauder über die schönen und alltäglichen Seiten des amerikanischen Alltags oder eine mehrstündige Live-Schaltung zu einer Autoverfolgungsjagd oder sie probieren vor laufender Kamera die angesagte Droge Crack aus. Kurz: Dinge, die keine Nachrichten sind, werden als Nachrichten verkauft und Burgundy erfindet das heutige Fernsehen.

Genau in diesem Moment wird „Anchorman 2“ zu einem Film, der immer wieder an seiner eigenen Haltungslosigkeit scheitert. Im ersten Film wurde auch erzählt, wie Frauen in eine Macho-Bastion einbrechen und am Ende hat Burgundy (und seine Freunde) gelernt, dass auch Frauen in ihrem Beruf ihre Berechtigung haben. Der Macho, das hirnlose Alpha-Männchen, wird zu einem besseren Mann – und wir konnten, mit den Schauspielern, über die damalige Zeit lachen. Das war ein schöner, nostalgischer Trip, der auch durchaus gelungen damalige Filme parodierte.

In „Anchorman 2“ erfindet eben dieser Trottel das heutige Nachrichtenfernsehen, in dem Boulevard-Meldungen und Pseudo-Nachrichten wichtiger sind als Aufklärung und klassischer Journalismus – und wir sollen es gut finden. Während „Anchorman“ noch eine durchaus fortschrittliche Botschaft hatte, ist „Anchorman 2“ durch und durch konservativ bis reaktionär. Denn wir sollen, im Gegensatz zum ersten „Anchorman“, einen Haufen Idioten bewundern und ihre Leistungen für das Nachrichtenwesen gut finden. Sogar Veronica Corningstone, die immer eine echte Journalistin werden wollte, ergibt sich dem Charme der Nicht-Nachrichten. Sie verrät alles, wofür sie bisher stand und was ihr wichtig war, während aus dem Trottel Burgundy der unumstrittene Held und Prophet wird, der niemals kritisch hinterfragt wird. Von Demontage, wie im ersten „Anchorman“-Film, wollen wir überhaupt nicht reden. Genau dieser – von den Machern vielleicht nicht beabsichtigte – Subtext vermieste mir den ganzen Film.

Da helfen dann auch nicht mehr die hübsch geschmacklosen Klamotten, etliche gelungen Gags (aber es gibt auch misslungene Gags und Leerlauf) und Reminiszensen an den ersten Film, der auch in erster Linie als Gagparade funktionierte.

Anchorman 2 - Teaser

Anchorman – Die Legende kehrt zurück (Anchorman 2: The Legend continues, USA 2013)

Regie: Adam McKay

Drehbuch: Adam McKay, Will Ferrell

mit Will Ferrell, Steve Carell, Paul Rudd, David Koechner, Christina Applegate, Meagan Good, James Marsden, Josh Lawson, Kristen Wiig, Dylan Baker, Judah Nelson, Greg Kinnear, Harrison Ford, Sacha Baron Cohen, Marion Cotillard, Will Smith, Kirsten Dunst, Jim Carrey, Steve Coulter, Tina Fey, Liam Neeson, John C. Reilly, Vince Vaughn, Kanye West (das meiste sind Cameos und sicher hab ich einige vergessen)

Länge: 119 Minuten

FSK: ?

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Film-Zeit über „Anchorman – Die Legende kehrt zurück“

Moviepilot über „Anchorman – Die Legende kehrt zurück“

Metacritic über „Anchorman – Die Legende kehrt zurück“

Rotten Tomatoes über „Anchorman – Die Legende kehrt zurück“

Wikipedia über „Anchorman – Die Legende kehrt zurück“ (deutsch, englisch)


Neu im Kino/Filmkritik: Die Science-Fiction-Bruchlandung „After Earth“

Juni 6, 2013

 

Derzeit hat „After Earth“ bei Rotten Tomatoes einen desaströsen Frischegrad von 12 Prozent. Dabei ist der Film nicht so schlecht. Als Teenager hätte mir die Reise von Kitai Raige, dem jugendlichen Helden, vielleicht sogar ziemlich gut gefallen.

Aber meine Teenagerjahre liegen schon einige Zeit zurück – und da fällt mir die arg biedere, um nicht zu sagen proto-faschistoide Übermenschenideologie, die dumpf autoritär-militaristische Struktur der Gesellschaft und der Familie Raige und das gesamte Plotting, das locker aus einem Fünfziger-Jahre-Science-Fiction-Film stammen kann, doch schon sehr unangenehm und, je länger ich darüber nachdenke, immer unangenehmer auf. In den USA wird „After Earth“, das neueste Werk von Vater Will Smith und Sohn Jaden Smith vor allem mit der „Scientology“-Lehre, die ja von dem Fünfziger-Jahre-Science-Fiction-Autor L. Ron Hubbard erfunden wurde, verglichen. In Szene gesetzt wurde das Werk von „The Sixth Sense“ M. Night Shyamalan, nach einer Geschichte des Produzenten Will Smith, der ein neues Vater-Sohn-Projekt suchte und die ursprüngliche Idee, in der in der Gegenwart Vater und Sohn sich gemeinsam durch Alaska schlagen, klingt gut. Aber dann verlegte er die Geschichte in die Zukunft und aus einem kleinen Film wurde ein 130 Millionen Dollar teures Projekt.

Dabei ist die in einem Jahrtausend spielende Filmgeschichte, eine banale Heldenreise, zwar doof, aber okay und in den richtigen Händen kann daraus ein großartiges Werk werden. Es ist die mitgelieferte Ideologie und die entworfene Welt, die wie ein liebloses Patchwork aus Fünfziger-Jahre-Science-Fiction-Filmen wirkt. Mit einer eigens entworfenen Mythologie, die in einer dreihundertseitigen Bibel niedergeschrieben wurde, in der alles steht, was wir nie über die „After Earth“-Welt wissen wollten, sollte wohl die Grundlage für ein künftiges „Krieg der Sterne“-Universum gelegt werden. Im Film wird sie in den ersten Minuten von „After Earth“ ziemlich lustlos in ein, zwei Minuten abgehandelt und dann vergessen. Im Presseheft erfährt man zwar mehr über diese Welt, aber zum Verständnis des Films ist nichts von diesem pompösen Weltenentwurf nötig und wenn man diese Zukunft mit unserer Gegenwart vergleicht, ist die „After Earth“-Welt merkwürdig inkonsistent. Denn während die „After Earth“-Menschen in Raumschiffen durch die Galaxie fliegen können, sind sie aus ungeklärten Gründen nicht in der Lage Planeten, auf denen es keine menschenvernichtenswütigen Monster gibt, zu besiedeln. In den Räumen herrscht ein altrömischer Retro-Schick. Die Medizin ist auf dem Stand von ungefähr 1950 stehen geblieben, wie wir an dem amputierten Bein eines Soldaten sehen können, und als Waffe gegen die Monster wird ein Schwert mit zwei Klingen verwandt, das schon vor einigen Jahrhunderten bei den Samurais gute Dienste leistete und hier etwas aufgepeppt wurde. Schusswaffen scheint es in dieser Welt nicht zu geben. Auch nicht für Soldaten…

Noch schlimmer als diese anachronistische Zukunftswelt (wenn „After Earth“ um die Jahrhundertwende spielen würde, könnte man es Steampunk nennen) ist die Ideologie, die einem aufgetischt und nicht einmal hinterfragt wird: „Fear is not real. It is a product of thoughts you create. Do not misunderstand me. Danger is very real. But fear is a choice.“

Yep. Zeige keine Gefühle, dann kannst du alles besiegen – und nur jemand, der keine Angst kennt, ist ein wahrer Mensch. Vergiss das ganze Gedöns von Menschlichkeit, Humanismus und Mitgefühl.

Das ist schon ein schwerer ideologischer Brocken, der humorlos in pathosgetränkten Bildern präsentiert wird; vor allem wenn Kitai sich mal wieder hinkniet und Kraft für seine Aufgabe sammelt. Kitai muss sich in „After Earth“ oft hinknien. Denn sein Vater Cypher (Will Smith), ein legendärer, legendär unbesiegbarer Kämpfer und General der United Ranger Corps, hat ihn auf einem Flug zu einem Trainingsplaneten mitgenommen. Auf dem Flug geraten sie in einen Meteoritenschwarm und müssen auf der seit tausend Jahren unbewohnten Erde (obwohl es auch irgendein Dschungelplanet in einer weit, weit entfernten Galaxie sein könnte), mit einer veritablen Bruchlandung, die das gesamte Raumschiff schrottet, notlanden. Inzwischen zählt der Planet, nach dem Ranger-Handbuch, zu den besonders gefährlichen Planeten, auf denen jedes Lebewesen Menschen umbringen will.

Bei der Notlandung sterben alle Passagiere, bis auf Kitai und den schwerverletzten Cypher. Weil das Notrufsignal nur von Hand ausgelöst werden kann (anscheinend haben sich automatische Notrufsignale, wie es sie inzwischen auch in normalen PKWs gibt, nicht bewährt), muss Kitai zum hundert Kilometer entfernten Heck des Schiffs gehen. Dort gibt es einen zweiten Notrufsender.

Weil vielleicht der im Heck des Raumschiffs transportierte Ursa, eine von bösen Aliens geschaffene Kreatur, die wie eine Mischung aus Dinosaurier und „Alien“-Monster aussieht, entkommen ist und der einfach alles frisst, was Angst hat, ist die Wanderung für Kitai besonders gefährlich.

Auf dem Weg zum Raumschiffheck erlebt er einige Abenteuer, die wir so schon in etlichen Dschungelfilmen gesehen haben. Denn der Junge begegnet verschiedenen, meist riesigen, Tieren, die allerdings oft merkwürdig desinteressiert an ihm sind. Kitai, der unbedingt ein großer Krieger werden will, befolgt während der Wanderung, wie es sich für eine guten Soldaten und guten Sohn gehört, brav die Anweisungen seines Vaters, der mit ihm über Funk verbunden ist.

Deshalb ist für Kitai diese mehrtägige Wanderung, die er ohne den Hauch eines Zweifels besteht, nur die Vollendung seiner Ausbildung als künftiges Mitglied der Elitesoldaten, die ihre Befehle und den Millitär-Ethos nicht hinterfragen.

Und damit verschenkt „After Earth“ jegliches Konflitkpotential und haut einem seine Botschaft „Besiege deine Angst“, monoton monothematisch wie das neue Evangelium um die Ohren. Für einen Kinderfilm mag das noch okay sein (obwohl auch Kinder gute Filme verdienen), für einen Erwachsenenfilm ist das dann arg wenig. Und „After Earth“ ist ja kein ausgewiesener Kinderfilm, aber er ist schön fotografiert, angenehm altmodisch ohne sich wild durch den Raum wackelnde Kameras aufgenommen und er hat kein Shyamalan-Ende.

After Earth - Plakat

After Earth (After Earth, USA 2013)

Regie: M. Night Shyamalan

Drehbuch: Gary Whitta, M. Night Shyamalan (nach einer Geschichte von Will Smith)

mit Jaden Smith, Will Smith, Sophie Okonedo, Zoe Isabella Kravitz, Glenn Morshower

Länge: 100 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Amerikanische Homepage zum Film

Deutsche Homepage zum Film

Film-Zeit über „After Earth“

Metacritic über „After Earth“

Rotten Tomatoes über „After Earth“

Wikipedia über „After Earth“ (deutsch, englisch)