Das erstaunliche Leben des Walter Mitty (The Secret Life of Walter Mitty, USA 2013)
Regie: Ben Stiller
Drehbuch: Steven Conrad
LV: James Thurber: The Secret Life of Walter Mitty, 1939 (Walter Mittys Geheimleben, Kurzgeschichte, Erstveröffentlichung in „The New Yorker“)
Walter Mitty arbeitet im Fotoarchiv des „Life Magazine“ und in seiner Fantasie erlebt er die tollsten Abenteuer. Sein Leben ändert sich, als auf dem Titelbild der letzten Ausgabe des Magazins ein von dem wagemutigem Fotografen Sean O’Connell gemachtes Bild erscheinen soll. Denn dummerweise findet Mitty das Negativ nicht. Also macht er sich auf den Weg. Er sucht O’Connell und erlebt dabei die erstaunlichsten Abenteuer.
Charlie Heller (Rami Malek) arbeitet bei der CIA und er ist das komplette Gegenteil von so taffen Agenten wie James Bond (okay, Brite), Jason Bourne (okay, entlassen) und Ethan Hunt (hm, nie so richtig beim CIA angestellt), sondern ein Dechiffrierexperte. Er sitzt in der CIA-Zentrale im Keller, starrt Computerbildschirme an, entschlüsselt Dokumente und versucht aus Informationskrümeln ein Bild zu erstellen, das dann die Grundlage für die Einsätze von den im Feld arbeitenden Agenten ist. Privat ist er ein introvertierter Tüftler, der auch beim Zusammenschrauben eines alten Flugzeugs eine Krawatte trägt, die er nicht beschmutzt. Er ist glücklich verheiratet. Sarah ist die Liebe seines Lebens.
Als sie in London während einer Tagung bei einem Attentat erschossen wird und seine Vorgesetzten ihn mit höflichen Floskeln abspeisen, beginnt er die Mörder seiner Frau auf eigene Faust zu verfolgen. Dabei verfügt er, wie ein kurzzeitiger Ausbildungsversuch bei dem CIA-Ausbilder Henderson (Laurence Fishburne) zeigt, über keinerlei Fähigkeiten, die ein Spezialagent benötigt. So trifft er mit einer Pistole sein Ziel, wenn er unmittelbar vor ihm steht. Halbwegs.
Aber Heller ist schlau. Er ist nicht der Jäger, der seiner Beute hinterherläuft, sondern er stellt ihr Fallen und lässt sie in diese hineinlaufen.
„The Amateur“ ist die zweite Verfilmung von Robert Littells im Original 1981 erschienenem Agententhriller. Die erste Verfilmung war 1981 von Charles Jarrott mit John Savage als Charlie Heller. Sie ist inzwischen weitgehend vergessen.
Eine zweite Verfilmung war in Hollywood seit Jahren im Gespräch. Schließlich ist die Geschichte von dem schlauen Normalbürger auf Rachemission ein guter Filmstoff. 2006 sollte Hugh Jackman die Hauptrolle übernehmen. Jetzt spielt Rami Malek die Hauptrolle.
James Hawes übernahm die Regie. Zu seinen früheren Arbeiten gehören die Pilotfolge von „DCI Banks“ und Episoden für „Black Mirror“, „Snowpiercer“ und „Slow Horses“.
Das Drehbuch ist von Ken Nolan und Gary Spinelli und etlichen weiteren nicht genannten Autoren, wie Evan Katz (er war 2006 mit dem Schreiben des Drehbuchs beauftragt), Scott Z. Burns, Scott Frank, Robert Littell und Patrick Ness. Wie groß ihr Einfluss auf das jetzt verfilmte Drehbuch ist, ist unklar, aber klar ist, dass „The Amateur“ lange in der Entwicklungshölle feststeckte.
Nolan, der auch das Drehbuch für die auf Robert Littells gleichnamigem Roman basierende TV-Miniserie „The Company“ (über die CIA während des Kalten Krieges) schrieb und der aktuell an mindestens einer weiteren Robert-Littell-Verfilmung arbeitet, und Spinelli (u. a. „Barry Seal – Only in America“) verlegten die im Kalten Krieg spielende Rachegeschichte in die Gegenwart. Hawes verfilmte sie als durch Europa globetrottenden, angenehm altmodischen Agenten- und Rachethriller mit arg vorhersehbarer Geschichte. Letztendlich arbeitet Heller einfach die Liste der Täter ab.
Die Terroristen, die für den Tod von Hellers Frau verantwortlich sind, sind keine ideologisch überzeugten Täter, sondern von einem unbekanntem und unbekannt bleibendem Auftraggeber angeheuerte skrupellose Söldner, die ihre Dienste meistbietend verkaufen. Während ihr Motiv Geld ist, sind die Motive der Auftraggeber unklar. Entsprechend politikfrei ist der gesamte Film.
Nach Sarahs Tod geht es um Trauer, Rache und, vor allem, wie ein schlauer Mann Bösewichter tötet. Nach seiner ersten Tat wollen sie ihn töten. Das macht für ihn in der Theorie die Jagd gefährlicher. Seine Vorgesetzten wollen ihn von weiteren Morden abhalten. Während die Bösewichter nur dazu da sind, von Heller umgebracht zu werden, sind seine Vorgesetzten, weil wir mehr über ihre Motive erfahren, etwas weniger eindimensional.
Action gibt es wenig. Schließlich ist Heller kein Nahkämpfer. Der Anti-James-Bond lockt seine Gegner in Fallen und bringt sie anderweitig um. Teils spektakulär und mit hohem Sachschaden, aber ohne Unschuldige zu verletzen.
Das ist dann, wie die Romanvorlage, näher an John le Carré als an Ian Fleming.
The Amateur (The Amateur, USA 2025)
Regie: James Hawes
Drehbuch: Ken Nolan, Gary Spinelli
LV: Robert Littell: The Amateur, 1981 (Sein oder Nichtsein…)
mit Rami Malek, Laurence Fishburne, Rachel Brosnahan, Caitríona Balfe, Jon Bernthal, Michael Stuhlbarg, Holt McCallany, Julianne Nicholson, Adrian Martinez, Danny Sapani
Wenn R. M. Renfield doch nur wüsste, wie er sich aus seiner aktuellen Beziehung befreien könnte, würde er es wahrscheinlich gerne tun. Doch bis dahin besucht er eine Selbsthilfegruppe und baut sich am verständnisvollem Zuspruch der anderen Gruppenmitglieder moralisch auf. Dass sie ihm nicht helfen können und ihn falsch verstehen, ignoriert er. Denn er ist nicht in irgendeiner toxischen Beziehung mit irgendeinem Narzissten, sondern er ist der servile Diener von Graf Dracula und Graf Dracula ist, nun, kein normaler Chef. Auch die Arbeiten, die Renfield für Dracula erledigt, sind nicht normal. Denn er muss im Moment Blut, das der Vampir Dracula zum Überleben braucht, besorgen.
Auf einem seiner Streifzüge durch das nächtliche New Orleans trifft Renfield auf Rebecca. Sie ist eine resolute Verkehrspolizistin, die sich ständig verbal mit ihrem Chef anlegt und eine äußerst skrupellose, brutale, die Stadt beherrschende Gangsterbande zur Strecke bringen will. Deshalb wollen die von ihr gejagten Lobos sie umbringen. Als Renfield einen Anschlag der Gangster auf Rebecca beobachtet, greift er ein und verhindert den Plan der Lobos. Dabei verliebt er sich in die Polizistin. Plötzlich glaubt er, er könne sich mit ihrer Hilfe aus seiner Beziehung zu Dracula befreien. Bis dahin will er zunächst die Blutbeschaffung für seinen Herrn ändern, indem er einfach Mitglieder der Lobo-Familie als Blutlieferanten nimmt.
Und schon wird New Orleans zu einem blutigen Spielfeld.
„Renfield“, inszeniert von Chris McKay, nach einem Drehbuch von Ryan Ridley und einer Idee von „The Walking Dead“-Erfinder Robert Kirkman richtet sich primär an gestandene Horrorfilmfans, die ihren Dracula kennen, nichts gegen Humor haben und eine ordentliche Portion Splatter wollen. Dieser wird in diesem Fall leider mit zu viel schlechter CGI präsentiert.
Die dürfen sich über viele mehr oder weniger offensichtliche Anspielungen auf ältere Interpretationen von Bram Stokers Roman freuen. Vor allem Tod Brownings 1931er „Dracula“ stand Pate. Der Anfang von „Renfield“ ist ohne Brownings Film überhaupt nicht denktbar. In ihrem Spiel zitieren Nicolas Cage als Dracula und Nicholas Hoult als Renfield lustvoll ältere Versionen von Dracula und Renfield.
Awkwafina, als dritte im Bunde, ist die toughe, humorbefreite Polizistin der Dirty-Harry/Axel-Foley-Schule. Ständig ist die wortgewaltige Verkehrspolizistin im verbalen Kleinkrieg mit ihrem Chef. Und irgendwann auch im Krieg mit den Lobos, die anscheinend die gesamte Polizei von New Orleans geschmiert haben.
Die in großen Schritten in Richtung Slapstick gehenden Splatter- und Actionszenen sind hoffnungslos übertrieben und deshalb, vor allem wenn Menschen sterben, immer gut für einen Lacher.
McKays Horrorkomödie ist allerdings nie so gut, wie sie gerne wäre und sein könnte. Aber für den Horrorfan, der sich gerne in deutlich erkennbaren Zitate suhlt, sich über das Erkennen versteckterer Anspielungen freut, Klischeefiguren und Klischeedialoge als ironische Doppeldekodierung interpretiert und nicht allzu genau über den arg luftigen Plot nachdenkt, ist „Renfield“ ein kurzweiliger und blutiger Spaß, der vor allem von dem Paar Nicolas Cage/Nicholas Hoult lebt.
Renfield(Renfield, USA 2023)
Regie: Chris McKay
Drehbuch: Ryan Ridley (nach einer Idee von Robert Kirkman)
mit Nicholas Hoult, Nicolas Cage, Awkwafina, Shohreh Aghdashloo, Ben Schwartz, Adrian Martinez, Brandon Scott Jones
Sat.1, 20.15 Das erstaunliche Leben des Walter Mitty (The Secret Life of Walter Mitty, USA 2013)
Regie: Ben Stiller
Drehbuch: Steven Conrad
LV: James Thurber: The Secret Life of Walter Mitty, 1939 (Walter Mittys Geheimleben, Kurzgeschichte, Erstveröffentlichung in „The New Yorker“)
Walter Mitty arbeitet im Fotoarchiv des „Life Magazine“ und in seiner Fantasie erlebt er die tollsten Abenteuer. Sein Leben ändert sich, als auf dem Titelbild der letzten Ausgabe des Magazins ein von dem wagemutigem Fotografen Sean O’Connell gemachtes Bild erscheinen soll. Denn dummerweise findet Mitty das Negativ nicht. Also macht er sich auf den Weg. Er sucht O’Connell und erlebt dabei die erstaunlichsten Abenteuer. Wunderschöne, gelungen zwischen Fantasie und Realität wechselnde Komödie über Träume und ihre Erfüllung. Von James Thurbers klassischer Kurzgeschichte wurde nur die Grundidee übernommen.
mit Ben Stiller, Kirsten Wiig, Sean Penn, Shirley MacLaine, Adam Scott, Kathryn Hahn, Patton Oswalt, Adrian Martinez Wiederholung: Donnerstag, 1. Februar, 00.35 Uhr (Taggenau!)
Pro7, 20.15 Das erstaunliche Leben des Walter Mitty (The Secret Life of Walter Mitty, USA 2013)
Regie: Ben Stiller
Drehbuch: Steven Conrad
LV: James Thurber: The Secret Life of Walter Mitty, 1939 (Walter Mittys Geheimleben, Kurzgeschichte, Erstveröffentlichung in „The New Yorker“)
Walter Mitty arbeitet im Fotoarchiv des „Life Magazine“ und in seiner Fantasie erlebt er die tollsten Abenteuer. Sein Leben ändert sich, als auf dem Titelbild der letzten Ausgabe des Magazins ein von dem wagemutigem Fotografen Sean O’Connell gemachtes Bild erscheinen soll. Denn dummerweise findet Mitty das Negativ nicht. Also macht er sich auf den Weg. Er sucht O’Connell und erlebt dabei die erstaunlichsten Abenteuer. Wunderschöne, gelungen zwischen Fantasie und Realität wechselnde Komödie über Träume und ihre Erfüllung. Von James Thurbers klassischer Kurzgeschichte wurde nur die Grundidee übernommen.
mit Ben Stiller, Kirsten Wiig, Sean Penn, Shirley MacLaine, Adam Scott, Kathryn Hahn, Patton Oswalt, Adrian Martinez Wiederholung: Montag, 18. Januar, 08.50 Uhr
Mediensatire und Mediengroteske heißt es in einigen Kritiken über Ben Stillers gelungenen neuen Film „Das erstaunliche Leben des Walter Mitty“ und nichts könnte falscher sein. Jedenfalls nach meinem Verständnis von Satire und Groteske. Ich denke dann an Filme wie „Network“, „Schtonk!“ oder auch Stillers Hollywood-Satire „Tropic Thunder“. Nein, „Das erstaunliche Leben des Walter Mitty“ ist ein feinfühliges, durchaus humoristisches Drama, fast schon ein Frank-Capra-Film, aber ohne eine eindeutige Antwort oder platte Botschaft am Ende. Im Gegenteil: gerade weil das Ende dem vorherigen Film so schön und elegant widerspricht, beschäftigt man sich auch nach dem warmherzigem Film weiter mit der Frage, was der Sinn des Lebens ist und ob wirklich das Bild von Fotograf O’Connell die Quintessenz von „Life“ (und damit auch des Lebens) abbildet.
Aber davor musste Walter Mitty seine Wohlfühlzone verlassen und sich auf eine Schnitzeljagd um die Welt begeben.
Walter Mitty, erfunden von James Thurber in einer kurzen, klassischen Kurzgeschichte, die eigentlich nur eine Situation beschreibt und für den Film, der bis auf den Charakter nichts mehr mit der Geschichte zu tun hat, aber deren Stimmung genau trifft, ist Fotoarchivar beim legendären „Life“-Magazin, das für seine Bildreportagen bekannt war (die Druckausgabe wurde 2007 eingestellt; danach gab es eine elektronische Ausgabe). Er ist Single, hat keine Ahnung, welche spannenden Erlebnisse er auf seiner Dating-Seite eintragen soll, heimlich verliebt in seine Arbeitskollegin Cheryl Melhoff (Kristen Wiig) von der Buchhaltung und ein unverbesserlicher Tagträumer. In seinen Träumen lebt er das Leben, das er sonst nur auf Bildern sieht, und er verwandelt sich auch, immerhin leben wir im 21. Jahrhundert, in einen Superhelden, der für seine Mission halb New York zerstört. Und er ist stolz darauf, dass er in all den Jahren nie ein Negativ verschlampt hat.
Deshalb ist es für ihn ein Schock, der sein gesamtes bisheriges Leben in Frage stellt, als er erfährt, dass das von Sean O’Connell (Sean Penn), einem Fotograf, der sich an die gefährlichsten und entlegensten Orte der Welt begibt, kein Handy hat und auch sonst chronisch nicht erreichbar ist, als spektakuläres Bild angekündigte Negativ Nummer 25 nicht da ist. Das Negativ fehlt! Aber gerade dieses Bild will sein neuer Chef, ein rechtes Arschloch, das nur eingestellt wurde, um das „Life“-Magazin zu liquidieren, als Titelbild der letzten Ausgabe des Magazins haben.
Walter Mitty, der nie seine gewohnten Pfade in New York verlässt, man kann sogar die Subway nach ihm stellen, macht sich auf den Weg. Er muss O’Connell finden und mit ihm über das Bild reden.
Dabei erlebt (?) Walter Mitty mehr Abenteuer, als er sich in den vergangenen Jahren zusammenfantasierte.
Mit dem optimistischen Drama „Das erstaunliche Leben des Walter Mitty“ beginnt das Kinojahr verheißungsvoll. Immerhin hat Ben Stiller, mit beeindruckenden Bilder von Walter Mittys Reisen um den halben Globus, einem schicken Fünfziger-/Sechziger-Jahre-Retro-Design (Billy Wilders „Das Apartment“ wird von Stiller als Einfluss genannt) und guten Schauspielern eine zeitlose Geschichte neu interpretiert und dabei jongliert er so elegant zwischen Fantasie und Realität und mit den Plot-Points, wie eine gute Jazzband, die einen Standard in ihren Improvisationen zu ihrem Stück macht und sich auch Zeit für Um- und Abwege nimmt, mit fast schon kindischer Freude die Stile wechselt, Anspielungen und Hommagen unterbringt, und dabei immer wieder, bis zur letzten Note, eine überraschende Wendung parat hat. Wie das Larger-than-Life-Leben, das Walter Mitty jetzt leben muss.
Das erstaunliche Leben des Walter Mitty (The Secret Life of Walter Mitty, USA 2013)