2018 war John Krasinskis Science-Fiction-Film „A quiet Place“ ein Überraschungserfolg. Er erzählte von einer Familie, die nördlich von New York auf einer einsam gelegenen Farm lebt. Seit über einem Jahr schweigen sie, weil Alien-Monster die Erde angegriffen haben und sich auf alles stürzen, was Geräusche verursacht.
Diese Idee ist faszinierend und gut für etliche Suspense-Szenen. Aber sie ist auch, wenn man darüber nachdenkt, vollkommen idiotisch.
Nachdem der Film mit einem Budget von 17 Millionen US-Dollar über 340 Millionen US-Dollar einspielte, war eine Fortsetzung unvermeidlich. Die kam 2020 bzw. 2021 – wegen der Coronavirus-Pandemie verschob sich der geplante Starttermin – und sie spielte gut 300 Millionen US-Dollar ein. In dem Science-Fiction-Film gibt es eine Rückblende auf den ersten Tag der Alien-Invation in der Kleinstadt Millbrook. Gleichzeitig und hauptsächlich erzählt Krasinski die Geschichte des ersten Films weiter. Für nächstes Jahr ist der dritte und (bis jetzt) abschließende Teil angekündigt.
Dazwischen läuft jetzt „A quiet Place: Tag Eins“ an. In ihm erzählt „Pig“-Regisseur Michael Sarnoski, der auch das Drehbuch schrieb, eine Geschichte vom Anfang der Alien-Invasion.
Die konstant schlechtgelaunte Dichterin Samira (Lupita Nyong’o) hat Krebs im Endstadium. Einen Partner oder eine Familie scheint sie nicht zu haben. Jedenfalls spielen sie in dem Film keine Rolle. An einem sonnigen Tag macht sie zusammen mit anderen, ebenfalls in dem Hospiz lebenden Krebspatienten einen Ausflug nach Manhattan. In Chinatown besuchen sie in einem Theater die Nachmittagsvorstellung eines Puppenspielers. Danach wollen sie noch Pizza essen gehen. Dieses Vorhaben wird von dem Angriff der Aliens sabotiert. Die Wesen stürzen sich auf alles, was Geräusche verursacht und schwuppdiwupp ist New York eine fast menschenleere Stadt. Die letzten Überlebenden sollen zum Hafen gehen und von dort mit einem Schiff evakuiert werden. Anscheinend sind die Monster extrem wasserscheu.
Mit ihrer Katze Frodo geht Samira in die andere Richtung. Sie will nach Harlem und in ihrer Stammpizzeria noch einmal Pizza essen. Auf ihrem Weg trifft sie einige Menschen, wie Henri (Djimon Hounsou, der auch in „A quiet Place 2“ dabei ist). Der aus Großbritannien kommende Jura-Studenten Eric (Joseph Quinn) wird dabei ihr treuester Begleiter. Nachdem er aus einer überfluteten Subwaystation auftaucht und keine Ahnung hat, was passiert ist und wie er sich verhalten soll, ist Samira die erste Person, die er trifft. Er folgt ihr wie ein streunender Hund, der endlich eine Person gefunden hat, der er vertrauen kann.
„A quiet Place: Tag Eins“ ist ein zwiespältiger Film. Die Prämisse – Monster stürzen sich auf alles, was Geräusche verursacht – ist inzwischen etabliert. Jetzt können in dieser Welt weitere Geschichten erzählt werden. Mal stehen diese, mal jene Menschen im Mittelpunkt der Geschichte. Einige Figuren überleben, andere nicht. Und das kann auch auf die Hauptfigur zutreffen. Sie wird ja nicht unbedingt für den nächsten Film gebraucht. Die Geschichte kann hier oder da spielen. Schließlich wurde die gesamte Welt angegriffen und so können überall „A quiet Place“-Geschichten spielen. Und die Geschichten können zu jedem Zeitpunkt nach der Invasion spielen. Dieses Konzept kann zu langlebigen Reihen führen.
Comicfans erinnern sich vielleicht an Garth Ennis‘ „Crossed“. Ennis schrieb eine Geschichte über eine Gruppe Menschen in einer Welt nach einer Zombieapokalypse. Danach erzählten andere Autoren weitere, in dieser Welt spielende, großartige Geschichten. Ennis einzige Bedingung war, dass die von ihm erfundenen menschlichen Figuren nicht wieder auftauchten.
Ähnlich ist es in dem von James DeMonaco erfundenem „The Purge“-Franchise. Nachdem die Prämisse etabliert war – in einer Nacht sind alle Straftaten erlaubt -, erzählten die Macher Geschichte aus verschiedenen „Purge“-Nächten. Dabei sparten sie nie mit ätzender Zeitkritik. In jedem „The Purge“-Film wurden andere Aspekte aus dieser Welt angesprochen und die Geschichte der Purge entwickelte sich weiter.
Dagegen ist „Tag Eins“, obwohl es sich erst um den dritten Film im „A quiet Place“-Franchise handelt, schon erstaunlich repetitiv. Gezeigt wird weniger eine Fortentwicklung dieser sehr, sehr leisen Welt, sondern eine Wiederholung des Bekannten und des damit verbundenen immergleichen Spannungsaufbaus. Zuerst ist alles still. Dann gibt es ein Geräusch. Die Monster tauchen auf. Die Menschen flüchten. Meistens sterben sie, seltener können sie entkommen.
In „Tag Eins“ erzählt Michael Sarnoski mit einer anderen Hauptfigur und an einem anderen Ort einfach noch einmal die bekannte Geschichte. Das ist in den zahlreichen Suspense-Szenen spannend. Der Handlungsort, das menschenleere New York, sieht gruselig aus. Die Hauptstory – Samira will eine Pizza – wird ohne Abschweifungen erzählt. Dass sie auf ihrem Weg zur Pizzeria einigen Menschen hilft, stört nicht weiter.
Gleichzeitig werden die Schwächen des Konzepts immer offensichtlicher. Es gibt keinen Spielraum für Variationen, weil es nur um die Spannung geht, wann es ein Geräush gibt, das zu einem Alienangriff führt. Also verstößt man immer wieder nonchalant gegen die aufgestellten Regeln. So reagieren die Monster mehrmals auf leisere Geräusche, die im Lärm unhörbar sind oder sie reagieren auf laute Geräusche nicht, aber Sekunden später auf ein viel leiseres Geräusch. Mal haben sie panische Angst vor Wasser, mal nicht. Die Monster sind hier nur noch die immer wieder plötzlich zuschlagende Bedrohung. Mehr erfahren wir nicht über sie. Über die Menschen erfahren wir auch nicht mehr. Ihre Funktion für die Handlung besteht weitestgehend darin, Monsterfutter zu sein.
Wenn man die Prämisse akzeptiert und nicht über Logiklöcher nachdenkt, wird man im Kino spannende, ziemlich stille hundert Minuten mit sehr schweigsamen Menschen erleben.

A quiet Place: Tag Eins (A quiet Place: Day One, USA 2024)
Regie: Michael Sarnoski
Drehbuch: Michael Sarnoski (nach einer Geschichte von John Krasinski und Michael Sarnoski, basierend auf von Bryan Woods und Scott Beck erfundenen Figuren)
mit Lupita Nyong’o, Joseph Quinn, Alex Wolff, Djimon Hounsou
Länge: 99 Minuten
FSK: ab 16 jahre
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Hinweise
Moviepilot über „A quiet Place: Tag Eins“
Metacritic über „A quiet Place: Tag Eins“
Rotten Tomatoes über „A quiet Place: Tag Eins“
Wikipedia über „A quiet Place: Tag Eins“ (deutsch, englisch)
Meine Besprechung von John Krasinskis „A quiet Place“ (A quiet Place, USA 2018)
Meine Besprechung von John Krasinskis „A quiet Place 2″ (A Quiet Place: Part II, USA 2021)
Veröffentlicht von AxelB 




