Neu im Kino/Filmkritik: Einige Beobachtungen zu neueren Biopics, anlässlich des Leonora-Carrington-Biopics „Leonora im Morgenlicht“

Juli 17, 2025

Leonora im Morgenlicht“ reiht sich ein in eine Reihe neuerer ‚Biopics‘, die alle einige ärgerliche Gemeinsamkeiten haben und weil ich gleich auf diese Gemeinsamkeiten eingehe, bin ich vielleicht etwas ungerecht gegenüber „Leonora im Morgenlicht“.

Vor einigen Jahren war es ein beliebter Vorwurf gegen Biopics, dass sie nur ein verfilmter Wikipedia-Artikel seien. Brav und chronologisch wurde das Leben des Porträtierten von der Wiege bis zur Bahre nachgezeichnet. Das Ergebnis war meistens ziemlich langweilig. Deutlich gelungener waren Biopics, die sich, wie „Selma“, auf einen Aspekt oder einen wichtigen Moment im Leben des Porträtierten konzentrieren.

Jetzt gibt es zwei neue Trends. Der eine und sehr begrüßenswerte Trend ist, dass es auch Biopics über vergessene Personen gibt. Meistens handelt es sich dabei um Frauen, deren Leistungen bislang nicht wirklich gewürdigt wurden oder deren Leistungen in Vergessenheit gerieten. Diese Biographien können einen vollkommen neuen Blick auf die Geschichte eröffnen.

Der andere Trend ist, dass in dem Film ein mehr oder weniger langer Abschnitt im Leben des Porträtierten gezeigt wird, in dem er noch nicht bekannt war. Seine spätere Berühmheit ist in dem Moment noch nicht einmal ein spinnerter Traum. So schildert „Saint-Exupéry“ Antoine de Saint-Exupérys Suche nach seinem besten Freund, der bei einem eigentlich unmögliche Flug über die Anden spurlos verschwindet. Das ist eine spannende Geschichte, die als Abenteuerfilm mit anderen Namen genausogut funktionieren würde. Schließlich spielt die Geschichte Jahre bevor Saint-Exupery „Der kleine Prinz“ schrieb.

Oder „Niki de Saint Phalle“ und eben jetzt „Leonora im Morgenlicht“. Beide Künstlerbiopics enden vor ihrem Durchbruch und noch bevor sie ihre bekanntesten Werke schufen. In beiden Biopics wird das Werk der Künstlerin nicht gezeigt und es wird auch nichts über ihre künstlerische Vision gesagt. Ihre Ideen und ihr Werk bleiben eine Leerstelle. Im Abspann wird dann in wenigen Worten darauf hingewiesen, dass XYZ später eine wichtige Künstlerin wurde.

Beide Male, schließlich sind Niki de Saint Phalle und Leonora Carrington keine unbekannten Künstlerinnen, sollte es sicher zu einer Neubetrachtung ihres Lebens und ihrer Leistungen kommen. Beide Male scheitert der Film. Nicht grandios, sondern erbärmlich.

Diese Ignoranz gegenüber ihrem Werk wiederholt dann, mit einer kleinen Änderung, nur altbekannte Vorurteile über das künstlerische Schaffen von Frauen.

Früher – und dafür müssen wir gar nicht so weit in die Vergangenheit zurückblicken – wurde, so die allgemein akzeptierte Erzählung, große Kunst von Männern gemacht. Frauen waren bestenfalls ihre Musen. Wenn sie sich dann doch künstlerisch betätigten, schufen sie bestenfalls Werke minderer Qualität, die von einem Kunstkritiker getrost ignoriert werden konnten. Und Frauen waren hysterisch, frigide, wahnsinnig, verrückt und immer kurz vor einer Einweisung in ein Irrenhaus. Sie waren schön anzusehendes Beiwerk.

Dieses Bild reflektiert die gesellschaftlichen Verhältnisse, in denen Frauen nur als Teil des Mannes existieren durften. Über die Qualität der Arbeiten der Künstlerinnen sagt es nichts aus.

In den neueren Filmen soll es eine Neubetrachtung geben. Die porträtierte Frau soll vom Objekt zum Subjekt werden. Ihre Leistungen sollen anerkannt werden. Das ist die lobenswerte Absicht. In den jüngst entstandenen Biopics werden dann die alten Muster einfach wiederholt.

Früher war die Frau hysterisch und wurde in eine psychiatrische Klinik eingewiesen und nach dem damaligen Stand der Wissenschaft behandelt. Mit ihren Werken musste man sich nicht beschäftigen, weil sie nicht zurechnungsfähig war.

Heute ist, wie „Niki de Saint Phalle“ und „Leonora im Morgenlicht“ zeigen, die Frau hysterisch und wird in eine psychiatrische Klinik eingewiesen. Ihre Werke, die wir nicht sehen, sind, so behauptet der Film, gut, weil sie in einer Klinik war und eine Frau ist.

Früher waren ihre Werke schlecht, weil sie eine Verrückte war; heute sind ihre Werke gut, weil sie eine Verrückte war. Über ihre Werke wird damals und heute nicht geredet. Heute ist diese Missachtung des Werkes der Künstlerin allerdings schmerzhafter als früher. Denn jetzt wollen die Regisseurinnen (in diesem Fall sind es fast ausschließlich Frauen) die Leistungen einer Geschlechtsgenossin feiern. Und sie tun es dann nicht.

Immer wieder – Margarethe von Trottas desaströses Drama „Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste“ oder Charlène Faviers „Oxana“ (das Biopic über die Femen-Gründerin/Künstlerin Oxana Schatschko läuft nächste Woche an) müssen hier ebenfalls erwähnt werden – wird die porträtierte Frau auf das Hysterische und ihr Aussehen reduziert.

Neben der Missachtung des Werkes der Surrealistin Leonora Carrington (1917 – 2011), das inzwischenn zu Höchstpreisen verkauft wird, hat das von Thor Klein und Lena Vurma geschriebene und inszenierte Biopic „Leonora im Morgenlicht“ mit weiteren Problemen zu kämpfen. Sie erzählen Leonora Carringtons Leben sehr elliptisch. Ein Zusammenhang zwischen den einzelnen Szenen und warum diese Episoden für Carringtons Leben und Werk wichtig sind, ist kaum bis überhaupt nicht erkennbar. Die lahmen Dialoge erschöpfen sich in nebulösen Andeutungen. So wird mehrmals gesagt, sie habe schlimmes erlebt, aber es wird niemals deutlich gesagt, welche schlimmen Erlebnisse genau gemeint sind. Hintergrundgeräusche, auch bei einer Künstlerparty in einer Pariser Wohnung, sind fast nie zu hören. Das verleiht dem gesamten Film eine unnatürlich-künstliche Atmosphäre. Dass Dialoge oft ohne Schnitt aufgenommen wurden, ist nicht schlecht. Aber die gewählten Blickwinkel und was im Bild fokussiert wurde, irritieren immer wieder. Dazu kommen eine vollkommen unvermittelt kommende Sexszene von Carrington mit ihrem Liebhaber Max Ernst und, kurz darauf, eine ebenso unvermittelte und überflüssige Nacktszene von ihr auf dem Dach eines Bauernhofs. Beide Male darf die sich erfolgreich um maximale Ausdruckslosigkeit bemühende Carrington-Darstellerin Olivia Vinall ihren wohlproportionierten Körper zeigen. Beide Male ist es vollkommen unwichtig für die zwischen 1938 und den frühen fünfziger Jahren, zwischen Paris, Südfrankreich, Spanien (mit einem Klinikaufenthalt) und an verschiedenen Orten in Mexiko spielende Filmgeschichte.

Leonora im Morgenlicht“ ist kein verfilmter Wikipedia-Artikel. Aber es ist eine gute Idee, vor oder nach dem Film den Wikipedia-Artikel über Leonora Carrington zu lesen. Dann werden einige Episoden verständlicher, man begreift ihre künstlerische Leistung und erfährt, dass sie nicht nur eine Malerin war. Danach kann man weiterklicken zu den Texten über den Surrealismus.

Leonora im Morgenlicht (Deutschland/Mexiko/Großbritannien/Rumänien 2025)

Regie: Thor Klein, Lena Vurma

Drehbuch: Thor Klein, Lena Vurma

LV: Elena Poniatowska: Leonora, 2011 (Frau des Windes)

mit Olivia Vinall, Alexander Scheer, István Téglás, Ryan Gage, Cassandra Ciangherotti, Luis Gerardo Méndez, Wren Stembridge

Länge: 103 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

internationaler Titel: Leonora in the morning light

Hinweise

Homepage zum Film

Filmportal über „Leonora im Morgenlicht“

Moviepilot über „Leonora im Morgenlicht“

Rotten Tomatoes über „Leonora im Morgenlicht“

Wikipedia über Leonora Carrington (deutsch, englisch)

Außerdem: Arte präsentiert die Doku „Leonora Carrington – Fantastische Surrealistin“ (USA 2017, Regie: Teresa Griffiths):

Leonora Carrington lebte und arbeitete im Paris der Surrealisten an der Seite von Künstlern wie Max Ernst, André Breton und Pablo Picasso – und starb dennoch als weitgehend Unbekannte in Mexiko-Stadt. Die Dokumentation folgt dem bemerkenswerten Lebensweg der Künstlerin entlang ihres ungewöhnlichen und bewegenden Werks, das in jüngster Zeit Millionen-Dollar-Preise erzielt.

Ihre Bilder sind voller märchenhafter Figuren, tierischen Mischwesen und mystischen Szenen – die britisch-mexikanische Künstlerin Leonora Carrington schuf in ihrem umfangreichen Werk eine traumhaft-poetische Gegenwelt.

Carrington war eine weibliche Ikone des Surrealismus und mischte mit ihrer Extravaganz und ihrem provokanten Stil die männlich dominierte Künstlerbewegung im Paris der 1930er Jahre auf. 1937 zog sie mit ihrem Geliebten, dem deutschen Maler Max Ernst, nach Saint-Martin-d’Ardèche, doch der Zweite Weltkrieg sowie eine schwere Nervenkrise brachte das Paar auseinander und zwang Leonora Carrington zur Emigration.

1942 verließ Carrington Europa in Richtung New York, ein Jahr später zog sie nach Mexiko-Stadt, wo sie den ungarischen Fotojournalisten Chiki Weisz heiratete und ihr künstlerisches Schaffen und ihre fantasievollen Ausdrucksformen weitertrieb. Bis ins hohe Alter hinein arbeitete sie rastlos an zahlreichen Skulpturen, Zeichnungen und Gemälden, die in den großen Museen der Welt zu sehen sind. Nebenbei schrieb sie Erzählungen, Romane und Theaterstücke von hoher dichterischer Kompetenz.

In einer reichen Mischung aus animierten Gemälden, kunstvoll gestalteten Tableaus, Archivmaterialien, Zitaten aus ihren literarischen Texten und Interviews mit Experten, Weggefährten und Familienmitgliedern erkundet die Dokumentation das Leben und Werk einer der wichtigsten Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts, deren poetischer Wagemut bis heute Zeichen setzt.

Die BBC-Koproduktion wurde 2018 als „Best Arts Documentary“ mit dem renommierten John Grierson Award ausgezeichnet.

(Arte über die Doku)


TV-Tipp für den 11. Juni: Tschick

Juni 10, 2025

Guter Film, falsche Uhrzeit

NDR, 00.15

Tschick (Deutschland 2016)

Regie: Fatih Akin

Drehbuch: Lars Hubrich, Hark Bohm (Koautor)

LV: Wolfgang Herrndorf: Tschick, 2010

In den Sommerferien langweilt sich der 14-jährige Maik in Berlin-Marzahn allein im elterlichen Haus. Da schlägt ihm sein neuer Klassenkamerad Tschick, ein russischer Spätaussiedler, vor, gemeinsam im geklauten Lada in die Walachai zu fahren. Doch zuerst geht die reichlich planlose Fahrt durch die benachbarten Bundesländer.

Gelungene Verfilmung eines Bestsellers.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Tristan Göbel, Anan Batbileg, Mercedes Müller, Anja Schneider, Uwe Bohm, Udo Samel, Claudia Geisler-Bading, Alexander Scheer, Marc Hosemann, Friederike Kempter

Die Vorlage

zum Filmstart erschien der Roman mit einem neuen Cover und einem Anhang zum Film. Auf 18 Seiten gibt es Bilder, Statements von Fatih Akin und Michael Töteberg schreibt über Wolfgang Herrndorf im Kino.

Wolfgang Herrndorf: Tschick

rororo, 2016

272 Seiten

9,99 Euro

Das Drehbuch

selten, sehr selten wird auch das Drehbuch veröffentlicht. In diesem Fall sogar mit einem kurzen, aber informativen Interview mit Fatih Akin

Lars Hubrich: Tschick – Das Drehbuch

Rowohlt E-Book, 2016

60 Seiten (Verlagsangabe, mein E-Book-Reader sagt 112 Seiten und den Rest regelt das individuelle Größenbedürfnis)

2,99 Euro

Hinweise

Filmportal über „Tschick“

Moviepilot über „Tschick“

Wikipedia über „Tschick“

Perlentaucher über Wolfgang Herrndorf und „Tschick“

Meine Besprechung von Fatih Akins „Müll im Garten Eden“ (Deutschland 2012)

Meine Besprechung von Fatih Akins „The Cut“ (Deutschland/Frankreich 2014)

Meine Besprechung von Fatih Akins „Tschick“ (Deutschland 2016)

Meine Besprechung von Fatih Akins „Aus dem Nichts“ (Deutschland 2017)

Meine Besprechung von Fatih Akins „Rheingold“ (Deutschland 2022)


TV-Tipp für den 27. Mai: Enfant Terrible

Mai 26, 2025

Mitternachtskino ist für Weicheier. Nachmitternachtskino erfordert einen echten

WDR, 01.15

Enfant terrible (Deutschland 2020)

Regie: Oskar Roehler

Drehbuch: Klaus Richter, Oskar Roehler

Oskar Roehlers Annäherung an Rainer Werner Fassbinder ist natürlich kein 08/15-Biopic, sondern „als sperrige Hommage ein wuchtiges Werk“ (Lexikon des internationalen Films). Sehenswert

mit Oliver Masucci, Harry Prinz, Katja Riemann, Alexander Scheer, Eva Mattes, Erdal Yıldız, Désirée Nick, Lucas Gregorowicz, Sunnyi Melles, André Hennicke, Ralf Richter, Götz Otto, Antoine Monot Jr., Isolde Barth, Christian Berkel

Hinweise

Filmportal über „Enfant terrible“

Moviepilot über „Enfant terrible“

Rotten Tomatoes über „Enfant terrible“

Wikipedia über „Enfant terrible“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Oskar Roehlers „Tod den Hippies – Es lebe der Punk!“ (Deutschland 2015)

Meine Besprechung von Oskar Roehlers „HERRliche Zeiten“ (Deutschland 2018)

Meine Besprechung von Oskar Roehlers „Bad Director“ (Deuschland 2023)

Rainer-Werner-Fassbinder-Foundation

Meine Besprechung von Annekatrin Hendels Doku „Fassbinder“ (Deutschland 2015)

Meine Besprechung von Werner C. Barg/Michael Tötebergs (Hrsg.) „Rainer Werner Fassbinder Transmedial“ (2020)

Rainer Werner Fassbinder in der Kriminalakte


Neu im Kino/Filmkritik: „Köln 75“: Vera Brandes organisiert ein Konzert, Keith Jarrett konzertiert solo

März 12, 2025

Von mindestens zwei Seiten, nämlich der der Organisatorin und der des Künstlers, nähert Ido Fluk sich in seinem Film „Köln 75“ einem Konzert, das später als Doppel-LP veröffentlicht wurde.

Die siebzehnjährige Vera Brandes (Mala Emde) lebt in den siebziger Jahren in Köln und geht aufs Gymnasium. Ihr Vater ist Zahnarzt und ein Tyrann. Sie ist musikverrückt. Aber sie liebt nicht die Rock- und Popmusik, die Gleichaltrige hören, sondern Jazz. Neben der Schule organisiert sie Konzerte. Als sie in Berlin bei den Jazztagen Keith Jarrett erlebt, ist sie begeistert. Sie will eines seiner Solo-Konzerte in Köln präsentieren. Diese vollkommen frei improvisierten Konzerte spielt Jarrett seit 1972. Seit 1971 veröffentlicht Manfred Eicher, der Gründer des legendären Jazzlabels ECM, bis heute fast alle Aufnahmen von Jarrett in teils umfangreichen Boxsets, die ganze Konzerte und Reihen dokumentieren. Jarretts erste ECM-LP war die 1971 aufgenommene, 1972 veröffentlichte Solo-Piano-LP „Facing You“, die gleichzeitig Jarretts erste Solo-LP war.

Und damit wären wir, wenn wir den Film als klassische LP betrachten, bei der ersten und zweiten Seite von Ido Fluks „Köln 75“. Der süffige Musikfilm beginnt während des fünfzigsten Geburtstag von Vera Brandes. Immer wieder meldet sich der fiktive Jazzkritiker Michael Watts (Michael Chernus) zu Wort. Er vermittelt kurzweilig Hintergrundwissen über verpatzte Anfänge bei Aufnahmen und die Musikgeschichte.

Als während der Geburtstagsfeier die Ansprache von Vera Brandes‘ Vater (Ulrich Tukur) in einem Eklat endet, erinnert Brandes sich an ihre Anfänge als Konzertveranstalterin. Diese Erinnerungen bilden den ersten Teil des Films. Als Sechzehnjährige organisiert sie eine Tour für den Jazzsaxophonisten Ronnie Scott. Weitere von ihr organisierte Konzerte mit anderen Künstlern folgen.

Der zweite Teil des Films konzentriert sich dann auf Keith Jarrett (John Magaro). Er gibt in Lausanne ein Solokonzert. Zusammen mit Manfred Eicher (Alexander Scheer) als Fahrer und Watts, der Jarrett interviewen möchte, fahren sie in einer klapprigen Kiste nach Köln. In diesem Teil geht es um die künstlerischen Vorstellungen und Marotten von Jarrett. Eicher toleriert Jarretts Eigenheiten, weil er den Pianisten für ein Jahrhundertgenie hält, dessen musikalisches Geschenk an die Menschheit alles andere aufwiegt.

Im dritten Teil, bzw. der dritten LP-Seite, treffen dann Vera Brandes und Keith Jarrett aufeinander. Sie hat das Konzert am 24. Januar 1975 in der Kölner Oper organisiert und sich dafür mit 10.000 DM, was damals sehr viel Geld war, verschuldet. Am Nachmittag stellt sie in der menschenleeren Kölner Oper erschrocken fest, dass auf der Bühne der falsche Flügel steht und Jarrett sich weigert, auf ihm zu spielen. Zusammen mit ihren treuen Freunden, dicken Telefonbüchern, geduldigen Klavierstimmern und viel Lauferei versucht sie das geplante Konzert zu retten. Und auch wenn wir wissen, wie die Geschichte endet, fiebern wir mit.

Ido Fluk („The Ticket“) erzählt in seinem neuen Film „Köln 75“ mitreißend eine Hintergrundgeschichte, die interessant ist, bislang aber auch Jazzfans nicht so wahnsinnig interessierte. Normalerweise ist bei einzelnen Konzerten und sogar bei Festivals nichts über die teils chaotische Organisation des Konzertes bekannt. Schließlich steht das Geschehen auf der Bühne, – die Künstler und ihre Konzerte -, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.

Etwas seltsam ist, dass in einem Film, in dem es um Jazz, Keith Jarrett und das „Köln Concert“ geht, sehr wenig Jazz und überhaupt nichts von Keith Jarrett und dem „Köln Concert“ zu hören ist. Sie durften die Musik nicht verwenden. Fluk sagt dazu: „Die Wirkung dieser Musik würde sich in einem Film niemals entfalten können. Man könnte bestenfalls einen kleinen Ausschnitt wiedergeben. Und der würde nichts aussagen. Es ist das ganze Werk oder nichts. Das Köln-Konzert ist kein Popsong. Es ist ein langes, ambitioniertes, auch forderndes Stück Jazzmusik, das man am besten in Ruhe in Gänze anhört. Ich vermute, selbst Keith Jarrett würde mir zustimmen. Es ist eher so, dass man sich den Film ansieht und deshalb Lust bekommt, sich das Konzert zuhause anzuhören. Man geht heim und legt die Platte auf. Unabhängig vom Film. Denn in ‚Köln 75‘ geht es nicht um das Konzert. Es geht um Vera Brandes.“

Und Vera Brandes ist nicht einfach nur ein Mädchen, das einmal ein Konzert organisierte und später Hausfrau wurde. Wer zu den wenigen Menschen gehört, die sich bei Schallplatten und CDs auch für das Kleingedruckte interessieren, und wer zu den noch weniger Menschen gehört, die sich dafür interessieren, wer Tourneen und Konzerte organisiert, las öfter den Namen Vera Brandes. Sie organisierte Konzerte von Oregon, Pork Pie, Dave Liebman und Gary Burton; alles legendäre Jazzmusiker und Jazzgruppen. Sie gründete die Labels CMP, VeraBra und Intuition und veröffentlichte über 350 Alben, unter anderem von Nucleus, Charlie Mariano, Theo Jörgensmann, Mikis Theodorakis, Barbara Thompson, Andreas Vollenweider und den Lounge Lizards.

Der am 8. Mai 1945 in Allentown, Pennsylvania (USA), geborene Keith Jarrett ist heute einer der bekanntesten und wichtigsten Jazzpianisten. Sein „Köln Concert“, von Eicher 1975 als Doppel-LP in der normal-spartanischen ECM-Ausstattung veröffentlicht, wurde zum Bestseller. Es ist die meistverkaufte Jazz-Soloplatte, die meistverkaufte Klavier-Soloplatte und Jarretts meistverkaufte und bekannteste Veröffentlichung. Es ist die Jazz-Platte, die auch Nicht-Jazzfans in ihrem Plattenschrank stehen haben.

Die Hintergründe des Konzerts waren lange unbekannt. Später wurde einiges darüber geschrieben, aber im Mittelpunkt der Rezeption der Aufnahme steht immer noch die Aufnahme und nicht die Umstände der Aufnahme. In Ido Fluks Film „Köln 75“ erfahren wir jetzt mehr über diese Umstände.

Fluks kurzweiliger und sehr stimmiger Rückblick in die Bundesrepublik Deutschland Mitte der siebziger Jahre ist eine Liebeserklärung an den Jazz als Musik und als Lebenshaltung und den jugendlichen Aufbruchsgeist, der ohne helfende Hände in mittleren Katastrophen enden kann. Denn ohne ihre Freunde und andere Helfer hätte Vera Brandes, die treibende Kraft bei der Organisation und der Werbung für das Konzert in der ausverkauften Oper, das Konzert nicht veranstalten können.

Und ohne Martin Wieland gäbe es keine Aufnahme von dem Konzert.

Köln 75 (Deutschland/Belgien/Polen 2025)

Regie: Ido Fluk

Drehbuch: Ido Fluk

mit Mala Emde, John Magaro, Michael Chernus, Shirin Eissa, Enno Trebs, Leo Meier, Leon Blohm, Ulrich Tukur, Jördis Triebel, Susanne Wolff, Daniel Betts, Alexander Scheer

Länge: 112 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Kinostart: 13. März 2025

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Filmportal über „Köln 75“

Moviepilot über „Köln 75“

Rotten Tomatoes über „Köln 75“

Wikipedia über „Köln 75“ (deutsch, englisch), „The Köln Concert“ (deutsch, englisch), Keith Jarrett (deutsch, englisch) und Vera Brandes (deutsch, englisch)

Berlinale über „Köln 75“

AllMusic über Keith Jarrett

ECM über Keith Jarrett

Rick Beato unterhält sich mit Keith Jarrett (2023)

Ein kleiner Ausschnitt aus einem 2016 aufgenommenem Solokonzert von Keith Jarrett


Neu im Kino/Filmkritik: Lieber Andreas… „In Liebe, eure Hilde“

Oktober 19, 2024

Beginnen wir gleich, um die Größe des Scheiterns zu Illustrieren, mit dem größten Problem des Films: es wird keine einzige Jahreszahl eingeblendet. Auch andere Orientierungsmarken für eine schnelle zeitliche Einordnung sind bestenfalls rudimentär vorhanden. Wer mit dem Namen Coppi nichts verbindet, könnte problemlos vermuten, dass der Film in der DDR oder irgendeiner anderen wahren oder erfundenen Diktatur spielt.

Das tut er nicht. Er spielt während der Nazi-Diktatur. Und die Hauptpersonen in Andreas Dresens neuem Film, wieder nach einem Drehbuch von Laila Stieler, gehören zur „Roten Kapelle“.

Die „Rote Kapelle“ war die größte und ist immer noch die unbekannteste Widerstandsgruppe gegen die Nazi-Diktatur. Sie war nämlich als loses Netzwerk organisiert und existierte, weil die Nazis einfach Ereignisse und Menschen zu dieser Gruppe zusammenfassten. Heute sind ungefähr vierhundert Mitglieder der Gruppe namentlich bekannt. Die meisten Mitglieder lebten in Berlin. Der gemeinsame Nenner war, wie der Name nahelegt, dass die Mitglieder irgendwie kommunistisch waren und sie während des Zweiten Weltkriegs Spionage für die Sowjetunion betrieben.

Sie verteilten Flugblätter, halfen Juden und Oppositionellen, dokumentierten Verbrechen der Nazis, schrieben aufklärerische Briefe an Soldaten, die an der Ostfront kämpften, und sie versuchten, zur Übermittlung strategisch wichtiger Nachrichten, ein stabil funktionierendes Funknetz in die Sowjetunion aufzubauen.

Im Gegensatz zu anderen Widerstandskämpfern, wie die Gruppe um Graf von Stauffenberg, die Geschwister Scholl oder der Einzeltäter Georg Elser, die heute allgemein bekannt sind, arbeiteten die Mitglieder der „Roten Kapelle“ im Verborgenen.

Nach dem Krieg wurde die „Rote Kapelle“ in der Bundesrepublik und der DDR unterschiedlich beurteilt. In der DDR wurden sie als Helden verehrt. Im Westen ignoriert. Erst in den letzten Jahren zeichnete sich eine Veränderung der Wahrnahme ab.

Dresens „In Liebe, eure Hilde“ kann dazu sicher weiter beitragen.

Er erzählt nicht historisierend, sondern gegenwärtig und den Freiheitsdrang der jungen Protagonisten ernst nehmend und zeigend.

Allerdings sind sie, wobei der Film sich auf Hilde Coppi konzentriert, die meiste Zeit im Gefängnis. Abgesehen von einigen Rückblenden erzählt Dresen nur von Hilde Coppis Zeit im Gefängnis zwischen ihrer Verhaftung am 12. September 1942 und ihrem Tod am 5. August 1943. Am 27. November 1942 kam im Frauengefängnis Barnimstraße Berlin ihr Sohn Hans Coppi junior zur Welt.

Dresen schildert, wie sie im Gefängnis lebt und überlebt, ohne ihre Freunde zu verraten. Denn zusammen mit ihrem Mann Hans und ihren Freunden kämpfen sie gegen die Regierung. Über den Sinn und Unsinn ihrer Aktionen diskutieren sie im Film nicht. Diese Entscheidung haben sie bereits vorher getroffen. Jetzt überkleben sie Nazi-Plakate mit eigenen Botschaften, drucken und verteilen Flugblätter, für die Hilde Coppin während ihrer Arbeit als Sachbearbeiterin bei der Reichsversicherungsanstalt das Papier besorgt. Sie transportiert auch ein Funkgerät durch Berlin in die Tegeler Kleingartenkolonie „Am Waldessaum“, in der sie seit 1941 mit ihrem Mann lebte.

Währenddessen bringt Hans sich das Funken bei. Danach senden sie, ohne zu wissen, ob jemand sie hört, Nachrichten in Richtung Osten.

Neben ihrer Untergrundtätigkeit sind sie einfach junge Leute, die Leben wollen und im See baden. Der 1916 geborene Hans und die 1909 geborene Hilde, die sich erstmals 1940 trafen und im Juni 1941 heirateten, sind auch ein Liebespaar.

Diese Rückblenden schildert Andreas Dresen dann mit einem Nouvelle-Vague-Feeling und ohne zeittypische Insignien, wie schwarz-weiß-rote Nazi-Fahnen, Hakenkreuze und marschierenden Soldaten. Das, die Sprache und ein lässiger Umgang mit der Ausstattung (so gibt Dresen im Presseheft unumwunden zu, dass auch bei H&M eingekauft wurde) machen die Liebesgeschichte zeitlos. Die Bedrohung wird aus ihrem Verhalten spürbar.

In den im Gefängnis spielenden Szenen zeigt er dann, wie die gefangenen Frauen um ihre Würde kämpfen und wie die stille Hilde Coppi nie ihren Optimismus verliert. Obwohl sie keine Chance hat, das Gefängnis lebendig zu verlassen.

In Liebe, eure Hilde“ ist mehr ein Liebesfilm über Liebe unter widrigen Umständen als ein Film über tapfere Widerstandskämpfer, die vom Drehbuch genötigt werden, in langen Monologen ihre Motivation zu erklären. Das ist kein Nachteil, sondern erfrischend anders.

Nein, eigentlich ist der größte Nachteil des Films nur ein Nachteil für Menschen, die sich an der Kinokasse spontan für den Film entscheiden, weil ihnen das Plakat und der Titel gefallen. Wer die Namen Hans und Hilde Coppi kennt, wer schon einmal etwas von der „Roten Kapelle“ gehört hat (auch wenn die Fremdbezeichnung „Rote Kapelle“ im Film nicht genannt wird), den wird das Fehlen von Jahreszahlen nicht stören. Er weiß, dass die Geschichte während des Zweiten Weltkriegs spielt.

In Liebe, eure Hilde (Deutschland 2024)

Regie: Andreas Dresen

Drehbuch: Laila Stieler

mit Liv Lisa Fries, Johannes Hegemann, Lisa Wagner, Alexander Scheer, Emma Bading, Sina Martens, Lisa Hrdina, Florian Lukas

Länge: 125 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Homepage zum Film

Filmportal über „In Liebe, eure Hilde“

Moviepilot über „In Liebe, eure Hilde“

Rotten Tomatoes über „In Liebe, eure Hilde“

Wikipedia über „In Liebe, eure Hilde“ (deutsch, englisch)

Berlinale über „In Liebe, eure Hilde“

Meine Besprechung von Andreas Dresens „Als wir träumten“ (Deutschland/Frankreich 2015)

Meine Besprechung von Andreas Dresens James-Krüss-Verfilmung „Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen“ (Deutschland 2017)

Meine Besprechung von Andres Dresens „Gundermann“ (Deutschland 2018)

Meine Besprechung von Andreas Dresens „Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush“ (Deutschland/Frankreich 2022)

Meine Besprechung von Carl-Ludwig Rettingers „Die Rote Kapelle“ (Deutschland/Belgien/Israel 2020)


TV-Tipp für den 11. September: Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush

September 11, 2024

Arte, 20.15

Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush (Deutschland/Frankreich 2022)

Regie: Andreas Dresen

Drehbuch: Laila Stieler

Wenige Wochen nach dem Anschlag auf das World Trade Center am 11. September 2001 wird in Pakistan der neunzehnjährige Murat Kurnat verhaftet und nach Guantanamo gebracht. Die Presse nennt ihn „Bremer Taliban“.

Seine Mutter Rabiye Kurnaz will ihren Jungen aus der Gefangenschaft befreien. Zusammen mit dem Menschenrechtsanwalt Bernhard Docke setzt sie Himmel und Hölle in Bewegung.

TV-Premiere. Sehr gelungenes, unterhaltsames, nah an den Fakten entlang erzähltes Drama, mit einer ordentlichen Portion Humor.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

Anschließend, um 22.10 Uhr, zeigt Arte die brandneue knapp einstündige Doku „Andreas Dresen – Ein Leben für den Film“.

Am 17. Oktober, startet der neue, selbstverständlich ebenfalls sehenswerte Film von Andreas Dresen und Laila Stieler. „In Liebe, eure Hilde“ erzählt von Hilde Coppi und der „Roten Kapelle“, einem immer noch wenig bekanntem Widerstandsnetzwerk gegen die Nazi-Diktatur.

mit Meltem Kaptan, Alexander Scheer, Charly Hübner, Nazmi Kirik, Sevda Polat, Abdullah Emre Öztürk

Wiederholung: Sonntag, 15. September, 01.30 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

Homepage zum Film

Filmportal über „Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush“

Moviepilot über „Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush“

Rotten Tomatoes über „Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush“

Wikipedia über „Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush“

Meine Besprechung von Andreas Dresens „Als wir träumten“ (Deutschland/Frankreich 2015)

Meine Besprechung von Andreas Dresens James-Krüss-Verfilmung „Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen“ (Deutschland 2017)

Meine Besprechung von Andres Dresens „Gundermann“ (Deutschland 2018)

Meine Besprechung von Andreas Dresens „Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush“ (Deutschland/Frankreich 2022)


TV-Tipp für den 3. September: Enfant Terrible

September 2, 2024

BR, 23.30

Enfant terrible (Deutschland 2020)

Regie: Oskar Roehler

Drehbuch: Klaus Richter, Oskar Roehler

Oskar Roehlers Annäherung an Rainer Werner Fassbinder ist natürlich kein 08/15-Biopic, sondern „als sperrige Hommage ein wuchtiges Werk“ (Lexikon des internationalen Films). Sehenswert

mit Oliver Masucci, Harry Prinz, Katja Riemann, Alexander Scheer, Eva Mattes, Erdal Yıldız, Désirée Nick, Lucas Gregorowicz, Sunnyi Melles, André Hennicke, Ralf Richter, Götz Otto, Antoine Monot Jr., Isolde Barth, Christian Berkel

Hinweise

Filmportal über „Enfant terrible“

Moviepilot über „Enfant terrible“

Rotten Tomatoes über „Enfant terrible“

Wikipedia über „Enfant terrible“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Oskar Roehlers „Tod den Hippies – Es lebe der Punk!“ (Deutschland 2015)

Meine Besprechung von Oskar Roehlers „HERRliche Zeiten“ (Deutschland 2018)

Meine Besprechung von Oskar Roehlers „Bad Director“ (Deuschland 2023)

Rainer-Werner-Fassbinder-Foundation

Meine Besprechung von Annekatrin Hendels Doku „Fassbinder“ (Deutschland 2015)

Meine Besprechung von Werner C. Barg/Michael Tötebergs (Hrsg.) „Rainer Werner Fassbinder Transmedial“ (2020)

Rainer Werner Fassbinder in der Kriminalakte


TV-Tipp für den 12. Dezember: Tschick

Dezember 11, 2023

HR, 00.00

Tschick (Deutschland 2016)

Regie: Fatih Akin

Drehbuch: Lars Hubrich, Hark Bohm (Koautor)

LV: Wolfgang Herrndorf: Tschick, 2010

In den Sommerferien langweilt sich der 14-jährige Maik in Berlin-Marzahn allein im elterlichen Haus. Da schlägt ihm sein neuer Klassenkamerad Tschick, ein russischer Spätaussiedler, vor, gemeinsam im geklauten Lada in die Walachai zu fahren. Doch zuerst geht die reichlich planlose Fahrt durch die benachbarten Bundesländer.

Gelungene Verfilmung eines Bestsellers.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Tristan Göbel, Anan Batbileg, Mercedes Müller, Anja Schneider, Uwe Bohm, Udo Samel, Claudia Geisler-Bading, Alexander Scheer, Marc Hosemann, Friederike Kempter

Die Vorlage

zum Filmstart erschien der Roman mit einem neuen Cover und einem Anhang zum Film. Auf 18 Seiten gibt es Bilder, Statements von Fatih Akin und Michael Töteberg schreibt über Wolfgang Herrndorf im Kino.

Wolfgang Herrndorf: Tschick

rororo, 2016

272 Seiten

9,99 Euro

Das Drehbuch

selten, sehr selten wird auch das Drehbuch veröffentlicht. In diesem Fall sogar mit einem kurzen, aber informativen Interview mit Fatih Akin

Lars Hubrich: Tschick – Das Drehbuch

Rowohlt E-Book

60 Seiten (Verlagsangabe, mein E-Book-Reader sagt 112 Seiten und den Rest regelt das individuelle Größenbedürfnis)

2,99 Euro

Hinweise

Homepage zum Film

Filmportal über „Tschick“

Moviepilot über „Tschick“

Wikipedia über „Tschick“

Perlentaucher über Wolfgang Herrndorf und „Tschick“

Meine Besprechung von Fatih Akins „Müll im Garten Eden“ (Deutschland 2012)

Meine Besprechung von Fatih Akins „The Cut“ (Deutschland/Frankreich 2014)

Meine Besprechung von Fatih Akins „Tschick“ (Deutschland 2016)

Meine Besprechung von Fatih Akins „Aus dem Nichts“ (Deutschland 2017)

Meine Besprechung von Fatih Akins „Rheingold“ (Deutschland 2022)


TV-Tipp für den 7. September: Tschick

September 6, 2023

BR, 22.45

Tschick (Deutschland 2016)

Regie: Fatih Akin

Drehbuch: Lars Hubrich, Hark Bohm (Koautor)

LV: Wolfgang Herrndorf: Tschick, 2010

In den Sommerferien langweilt sich der 14-jährige Maik in Berlin-Marzahn allein im elterlichen Haus. Da schlägt ihm sein neuer Klassenkamerad Tschick, ein russischer Spätaussiedler, vor, gemeinsam im geklauten Lada in die Walachai zu fahren. Doch zuerst geht die reichlich planlose Fahrt durch die benachbarten Bundesländer.

Gelungene Verfilmung eines Bestsellers.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Tristan Göbel, Anan Batbileg, Mercedes Müller, Anja Schneider, Uwe Bohm, Udo Samel, Claudia Geisler-Bading, Alexander Scheer, Marc Hosemann, Friederike Kempter

Die Vorlage

zum Filmstart erschien der Roman mit einem neuen Cover und einem Anhang zum Film. Auf 18 Seiten gibt es Bilder, Statements von Fatih Akin und Michael Töteberg schreibt über Wolfgang Herrndorf im Kino.

Wolfgang Herrndorf: Tschick

rororo, 2016

272 Seiten

9,99 Euro

Das Drehbuch

selten, sehr selten wird auch das Drehbuch veröffentlicht. In diesem Fall sogar mit einem kurzen, aber informativen Interview mit Fatih Akin

Lars Hubrich: Tschick – Das Drehbuch

Rowohlt E-Book

60 Seiten (Verlagsangabe, mein E-Book-Reader sagt 112 Seiten und den Rest regelt das individuelle Größenbedürfnis)

2,99 Euro

Hinweise

Homepage zum Film

Filmportal über „Tschick“

Moviepilot über „Tschick“

Wikipedia über „Tschick“

Perlentaucher über Wolfgang Herrndorf und „Tschick“

Meine Besprechung von Fatih Akins „Müll im Garten Eden“ (Deutschland 2012)

Meine Besprechung von Fatih Akins „The Cut“ (Deutschland/Frankreich 2014)

Meine Besprechung von Fatih Akins „Tschick“ (Deutschland 2016)

Meine Besprechung von Fatih Akins „Aus dem Nichts“ (Deutschland 2017)

Meine Besprechung von Fatih Akins „Rheingold“ (Deutschland 2022)


TV-Tipp für den 12. Oktober: Enfant terrible

Oktober 11, 2022

Arte, 22.35

Enfant terrible (Deutschland 2020)

Regie: Oskar Roehler

Drehbuch: Klaus Richter, Oskar Roehler

TV-Premiere. Oskar Roehlers Annäherung an Rainer Werner Fassbinder ist natürlich kein 08/15-Biopic, sondern „als sperrige Hommage ein wuchtiges Werk“ (Lexikon des internationalen Films)

mit Oliver Masucci, Harry Prinz, Katja Riemann, Alexander Scheer, Eva Mattes, Erdal Yıldız, Désirée Nick, Lucas Gregorowicz, Sunnyi Melles, André Hennicke, Ralf Richter, Götz Otto, Antoine Monot, Jr., Isolde Barth, Christian Berkel

Hinweise

Filmportal über „Enfant terrible“

Moviepilot über „Enfant terrible“

Rotten Tomatoes über „Enfant terrible“

Wikipedia über „Enfant terrible“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Oskar Roehlers „Tod den Hippies – Es lebe der Punk!“ (Deutschland 2015)

Meine Besprechung von Oskar Roehlers „HERRliche Zeiten“ (Deutschland 2018)

Rainer-Werner-Fassbinder-Foundation

Meine Besprechung von Annekatrin Hendels Doku „Fassbinder“ (Deutschland 2015)

Meine Besprechung von Werner C. Barg/Michael Tötebergs (Hrsg.) „Rainer Werner Fassbinder Transmedial“ (2020)

Rainer Werner Fassbinder in der Kriminalakte


TV-Tipp für den 22. August: Der Nachtmahr

August 21, 2022

NDR, 23.50

Der Nachtmahr (Deutschland 2015)

Regie: AKIZ (aka Achim Bornhak)

Drehbuch: AKIZ

Auf einer Techno-Party entdeckt die partysüchtige siebzehnjährige Berlinerin Tina im Gebüsch ein missgestaltetes Wesen, das aus einem Alptraum kommen könnte. Dieser Nachtmahr wird ihr ständiger, nur für sie sichtbarer Begleiter und er bringt ihr Leben durcheinander.

TV-Premiere. Eigenständiger deutscher Horrorfilm und Coming-of-Age-Film, gedreht ohne Fördergelder und TV-Sender mit einem Mini-Budget. So konnte AKIZ den Film schnell und ohne Kompromisse drehen. Und das Ergebnis ist ein in jedem Fall sehenswerter und ziemlich einzigartiger Trip.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Carolyn Genzkow, Wilson Gonzalez Ochsenknecht, Sina Tkotsch, Alexander Scheer, Kim Gordon

Hinweise

Filmportal über „Der Nachtmahr“

Moviepilot über „Der Nachtmahr“

Rotten Tomatoes über „Der Nachtmahr“

Wikipedia über Achim Bornhak und über „Der Nachtmahr“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von AKIZ‘ „Der Nachtmahr“ (Deutschland 2015)


Neu im Kino/Filmkritik: „Leander Haußmanns Stasikomödie“ oder Die Geschichte eines Stasiagenten unter Künstlern im Prenzlauer Berg

Mai 20, 2022

Leander Haußmanns Stasikomödie“ nennt Leander Haußmann seinen neuen Film und er erklärt den Titel so: er habe mit der Nennung seines Namens im Titel darauf hinweisen wollen, dass es sich hier um seine ganz persönliche Sicht der DDR handele. Außerdem ist die „Stasikomödie“ (bleiben wir ab jetzt bei dem kurzen Titel) der Abschluss seiner DDR-Trilogie. Die ersten Filme waren „Sonnenallee“ (1999) und „NVA“ (2004). Beide Male war Thomas Brussig sein Co-Autor. Der ist dieses Mal nicht dabei.

In Haußmanns neuem Film steht Ludger Fuchs im Mittelpunkt. Ludger hat jetzt, auf Drängen seiner Familie, im Stasi-Unterlagenarchiv seine Stasiakte angefordert und erhalten. Zusammen mit seiner Familie und einigen Gästen blättert der inzwischen gefeierte Schriftsteller durch die dicke Akte und erinnert sich – etwas unzuverlässig, wie das mit Erinnerungen halt so ist – an seine Jugend als er in den Achtzigern von der Stasi angeworben wurde. Entscheidend war dafür sein Verhalten an einer Ampel in Ostberlin. Er blieb an der roten Ampel stehen, obwohl kein Auto und kein anderer Mensch zu sehen war. Stattdessen wartete er geduldig, ein Buch lesend, bis die Ampel vielleicht irgendwann umspringt. Sogar als eine Katze von einem Straßenreinigungsfahrzeug überfahren werden könnte, zögert er.

Führungsoffizier Siemens, der ihn heimlich beobachtet und die Ampel steuert, ist begeistert: einen obrigkeitshörigeren und regeltreueren Menschen wird er wohl nirgendwo finden. Er wird auch bei Feindkontakt von diesem nicht korrumpiert werden. Und diese Fähigkeit ist bei dem Auftrag, den er erhält, wichtig.

Ludger soll, mit anderen ebenfalls jungen Stasi-Agenten, die im Prenzlauer Berg wohnende Künstler-Bohème ausspionieren. Das ist, weil sie und ihre Vorgesetzten etwas vertrottelt sind und regelmäßig mit der Tücke des Objekts kämpfen müssen, leichter befohlen als getan.

Noch schwieriger wird Ludgers Auftrag, als er sich in eine Künstlerin verliebt und ihm das lockere, alle DDR-Regeln ignorierende Leben der Künstler und Freigeister gefällt.

Leander Haußmann inszenierte seine Komödie mit vielen bekannten Schauspielern, die schon in Haußmanns vorherigen Filmen mitspielten. Gemeinsam pfügen sie, mit spürbarer Lust am Aufspüren absurder und komischer Momente, durch diesen Teil der DDR-Geschichte. Dabei bevorzugt Haußmann, wenn er die Wahl zwischen Komödie und Klamauk hat, immer den Klamauk, gerne mit einer ordentlichen Portion Slapstick. Von Satire will man in diesem Zusammenhang nicht mehr sprechen.

In diesem Rahmen ist die „Stasikomödie“ witzig.

Leander Haußmanns Stasikomödie (Deutschland 2022)

Regie: Leander Haußmann

Drehbuch: Leander Haußmann

mit David Kross, Jörg Schüttauf, Antonia Bill, Margarita Broich, Deleila Piasko, Matthias Mosbach, Henry Hübchen, Eric Spiering, Uwe Dag Berllin, Bernd Stegemann, Detlev Buck, Alexander Scheer, Tom Schilling

Länge: 116 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

alternativer Titel: Stasikomödie (halt die Kurzfassung)

Hinweise

Homepage zum Film

Filmportal über „Stasikomödie“

Moviepilot über „Stasikomödie“

Wikipedia über „Stasikomödie“


Neu im Kino/Filmkritik: „Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush“ weil ihr Sohn Murat in Guantanamo ist

April 29, 2022

Im Oktober 2001, also wenige Wochen nach dem 11. September 2001 und den die Welt erschütternden terroristischen Anschlägen von al-Qaida auf das World Trade Center und andere US-Gebäude, fliegt der neunzehnjährige Murat Kurnat von Frankfurt am Main nach Pakistan. Dort wird er verhaftet und kurz darauf nach Guantanamo gebracht. Er soll ein islamistischer Terrorist sein. Die Presse nennt ihn, nachdem sie von seiner Verhaftung erfährt, den ‚Bremer Taliban‘.

In Bremen erfährt seine Mutter Rabiye Kurnaz davon. Sie will ihren Sohn zurückhaben und beginnt dafür Himmel und Hölle in Bewegung zu setzen. Ihr Helfer wird der Menschenrechtsanwalt Bernhard Docke. Beide sind ein filmreifes Paar: hier die übergewichtige hochemotionale türkische Mutter, die mit ihren Gefühlen, Ansprüchen und auch ihrem übergriffigen Umsorgen alle erdrückt, dort der unterernährte, nordisch spröde, gebildete Schlacks, sympathisch links-alternativ und kundig in Rechtsfragen.

Sie beginnen einen jahrelangen Kampf um Murats Entlassung. Ihre Gegner sind die deutsche, türkische und amerikanische Regierung und der Sicherheitsapparat, der in jedem Muslim einen Terroristen vermutet. Vor allem wenn er in die Hochburg der Terroristen fliegt.

Andreas Dresen und seine Stammautorin Laila Stieler verfilmten jetzt diese Geschichte als ein Feelgood-Justizdrama. Das liegt an den beiden gegensätzlichen Hauptfiguren, die von Alexander Scheer und Meltem Kaptan nah an den realen Vorbildern gespielt werden. Scheer ist als wandlungsfähiger Schauspieler bekannt. So spielte er in Dresens „Gundermann“ den titelgebenden DDR-Liedermacher. Kaptan ist vor allem als Comedienne bekannt, die hier ihr Kinodebüt gibt. Auf der Berlinale wurde sie für diese Rolle als beste Darstellerin ausgezeichnet. Ihr Zusammenspiel und ihre Einzelauftritte sind immer gut für einen Lacher. Zum Beispiel wenn Rabiye als Autofahrerin mal wieder fröhlich alle Verkehrsregeln missachtet.

Der Fall selbst wird akkurat aufgedröselt. Die großen Skandale und damaligen Diskussionen über den Rechtsstaat und seine Grenzen im Kampf gegen den Terrorismus werden angesprochen, aber nicht vertieft. Dazu gehört auch der perfide Versuch, Murat Kurnaz seine Aufenthaltsgenehmigung zu entziehen, weil er sich (in Guantanamo sitzend) nicht bei der Ausländerbehörde meldete. Die juristische Grundlage dafür lieferte Hans-Georg Maaßen, der damals Referatsleiter im Bundesinnenministerium war. Sein Name wird im Film nicht erwähnt. Dass Murat Kurnaz in Guantanamo gefoltert wird, wird im Film zwar erwähnt, aber das ist da nur Hörensagen. Kurnaz selbst schrieb über seine Haft in Guantanamo 2007 das Buch „Fünf Jahre meines Lebens“. Stefan Schaller verfilmte es 2013 gelungen als „5 Jahre Leben“.

Dresen und Stieler entschieden sich dafür, Rabiye Kurnaz in den Mittelpunkt zu stellen und all die politischen und juristischen Dimensionen des Falles herunterzukochen zu einem Hollywood-Drama, in dem eine Mutter darum kämpft, ihren Sohn wieder umarmen zu dürfen. Garnieren tun sie es mit einer ordentlichen Portion Humor.

Das führt dazu, dass am Ende alle Rabiye die Daumen drücken können und sich mit ihr freuen dürfen, wenn sie am 24. August 2006 ihren Sohn wieder umarmen und mit ihrer überschwänglichen mütterlichen Liebe wieder bemuttern kann.

Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush (Deutschland/Frankreich 2022)

Regie: Andreas Dresen

Drehbuch: Laila Stieler

mit Meltem Kaptan, Alexander Scheer, Charly Hübner, Nazmi Kirik, Sevda Polat, Abdullah Emre Öztürk

Länge: 118 Minuten

FSK: ab 6 Jahre

Hinweise

Homepage zum Film

Filmportal über „Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush“

Moviepilot über „Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush“

Rotten Tomatoes über „Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush“

Wikipedia über „Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush“

Meine Besprechung von Andreas Dresens „Als wir träumten“ (Deutschland/Frankreich 2015)

Meine Besprechung von Andreas Dresens James-Krüss-Verfilmung „Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen“ (Deutschland 2017)

Meine Besprechung von Andres Dresens „Gundermann“ (Deutschland 2018)


TV-Tipp für den 23. September: Gundermann

September 22, 2020

Arte, 20.15

Gundermann (Deutschland 2018)

Regie: Andreas Dresen

Drehbuch: Laila Stieler

TV-Premiere. Andreas Dresens breit abgefeiertes Biopic über Gerhard Gundermann, Tagebau-Baggerfahrer in der Lausitz und von seinen Fans verehrter DDR-Musikerstar.

Im Gegensatz zur allgemeinen Euphorie fand ich den Film letztendlich ärgerlich.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Alexander Scheer, Anna Unterberger, Axel Prahl, Thorsten Merten, Eva Weißenborn, Benjamin Kramme, Kathrin Angerer, Milan Peschel, Bjarne Mädel, Peter Sodann, Alexander Schubert, Horst Rehberg

Das Buch zum Film

Andreas Leusink (Herausgeber): Gundermann – Von jedem Tag will ich was haben, was ich nicht vergesse…

Ch. Links Verlag, 2018

184 Seiten

20 Euro

Hinweise

Homepage zum Film

Filmportal über „Gundermann“

Moviepilot über „Gundermann“

Wikipedia über „Gundermann“ und Gerhard Gundermann

Meine Besprechung von Andreas Dresens „Als wir träumten“ (Deutschland/Frankreich 2015)

Meine Besprechung von Andreas Dresens James-Krüss-Verfilmung „Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen“ (Deutschland 2017)

Meine Besprechung von Andres Dresens „Gundermann“ (Deutschland 2018)


TV-Tipp für den 1. August: Tschick

August 1, 2019

BR, 22.45

Tschick (Deutschland 2016)

Regie: Fatih Akin

Drehbuch: Lars Hubrich, Hark Bohm (Koautor)

LV: Wolfgang Herrndorf: Tschick, 2010

In den Sommerferien langweilt sich der 14-jährige Maik in Berlin-Marzahn allein im elterlichen Haus. Da schlägt ihm sein neuer Klassenkamerad Tschick, ein russischer Spätaussiedler, vor, gemeinsam im geklauten Lada in die Walachai zu fahren. Doch zuerst geht die reichlich planlose Fahrt durch die benachbarten Bundesländer.

Gelungene Verfilmung eines Bestsellers.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Tristan Göbel, Anan Batbileg, Mercedes Müller, Anja Schneider, Uwe Bohm, Udo Samel, Claudia Geisler-Bading, Alexander Scheer, Marc Hosemann, Friederike Kempter

Die Vorlage

zum Filmstart erschien der Roman mit einem neuen Cover und einem Anhang zum Film. Auf 18 Seiten gibt es Bilder, Statements von Fatih Akin und Michael Töteberg schreibt über Wolfgang Herrndorf im Kino.

herrndorf-tschick-movie-tie-in-4

Wolfgang Herrndorf: Tschick

rororo, 2016

272 Seiten

9,99 Euro

Das Drehbuch

selten, sehr selten wird auch das Drehbuch veröffentlicht. In diesem Fall sogar mit einem kurzen, aber informativen Interview mit Fatih Akin

hubrich-tschick-drehbuch-4

Lars Hubrich: Tschick – Das Drehbuch

Rowohlt E-Book

60 Seiten (Verlagsangabe, mein E-Book-Reader sagt 112 Seiten und den Rest regelt das individuelle Größenbedürfnis)

2,99 Euro

Hinweise

Homepage zum Film

Filmportal über „Tschick“

Moviepilot über „Tschick“

Wikipedia über „Tschick“

Perlentaucher über Wolfgang Herrndorf und „Tschick“

Meine Besprechung von Fatih Akins „Müll im Garten Eden“ (Deutschland 2012)

Meine Besprechung von Fatih Akins „The Cut“ (Deutschland/Frankreich 2014)

Meine Besprechung von Fatih Akins „Tschick“ (Deutschland 2016)

Meine Besprechung von Fatih Akins „Aus dem Nichts“ (Deutschland 2017)


Neu im Kino/Buch- und Filmkritik: „Gundermann“, ein Sängerknabe aus dem Osten

August 24, 2018

Gundermann“ ist der neue Film von Andreas Dresen und die meisten Kritiken sind, so mein Überblick, überaus positiv. Ich fand den Film, und das kann ich schon jetzt sagen, ärgerlich.

Bevor wir uns mit dem Biopic beschäftigen, muss ich einiges über Gerhard ‚Gundi‘ Gundermann erzählen. Im Osten war er bekannt wie ein bunter Hund. Im Westen nicht. Nicht vor der Wende, was natürlich auch daran lag, dass DDR-Musiker vor einer Westtour eine Ausreisegenehmigung brauchten und diese nicht so einfach bewilligt wurde. Nach der Wende war die große Zeit der Liedermacher vorbei. Grunge und Techno wurden gehört. Aus der ehemaligen DDR, den fünf neuen Ländern, kam in den Neunzigern musikalisch Mittelalter-Metal und „Rammstein“. Sogar Gundermanns Tod am 21. Juni 1998 wurde im Westen ignoriert. Jedenfalls ist mir kein Nachruf bekannt. Auch in den einschlägigen Musikzeitschriften wurde lieber über Grunge, Techno und die Hamburger Schule geschrieben und gesprochen, während die Kneipenboxen zur „Wonderwall“ wurden.

 

Gundermanns Leben in einigen Daten

 

Gerhard Gundermann wurde am 21. Februar 1955 in Weimar geboren. 1967 ziehen seine Eltern mit ihm nach Hoyerswerda. Nach seinem Abitur 1973 studiert er in Löbau an der Offiziershochschule der Landstreitkräfte. Weil er ein Loblied auf einen Vorgesetzten nicht singen will, wird er exmatrikuliert. Danach beginnt er als Hilfsarbeiter im Tagebau Spreetal und wird schließlich Baggerfahrer im Braunkohletagbau. Die Lausitz ist seine Heimat. Über sie, seine Arbeitskollegen und ihr Leben schreibt er Lieder.

Er wird Mitglied im „Singeklub Hoyerswerda“, der damals durch seinen mehrstimmigen Gesang begeistert. Bei ihren Auftritten zeigen sie, dass sie das Musizieren ernster als andere Chöre nehmen. Aus dem Singeklub entsteht die „Brigade Feuerstein“, für die Gundermann die Lieder schreibt, in denen er sein Leben und den Alltag reflektiert. Ohne Mitgesangserlaubnis (Öhm, das gab es im Westen nicht.). Die „Brigade Feuerstein“ präsentiert eine Mischung aus Gesang und Kleinkunst. Sie treten auch mit Musicals auf. Die Gruppe hat in der DDR zahlreiche Auftritte.

Während dieser Zeit, von 1976 bis 1984, ist Gundermann als „Grigori“ Inoffizieller Mitarbeiter (IM) der Stasi. Die Stasi beendet die Zusammenarbeit, weil Gundermann ‚prinzipiell eigenwillig‘ ist. Ebenfalls 1984 wird er, nach mehreren Verwarnungen aus der SED ausgeschlossen. Als Idealist hatte er an die Partei geglaubt und gehofft, durch das Hinweisen auf Probleme die gesellschaftlichen Ziele zu erreichen.

1983 heiratet er, nach jahrelangem Werben, seine Jugendliebe Conny. Sie war damals bereits verheiratet. Sie hat zwei Kinder von ihrem ersten Mann, der ebenfalls mit Gundermann musizierte und später in dessen alte Wohnung zieht.

Musikalisch geht es in diesen Jahren für Gundermann weiter aufwärts. 1989 schreibt er Songs für „Silly“. Er tourt. Er erhält Preise. Er tritt auf und er bleibt weiterhin Baggerfahrer. Er wolle den Kontakt zur arbeitenden Klasse nicht verlieren und seine Unabhängigkeit von der Musikindustrie bewahren.

In der Wendezeit mischt der überzeugte Kommunist sich aktiv politisch ein. Er kandidiert auch für das Aktionsbündnis Vereinigte Linke. Erfolglos.

Nach der Wende tritt er mit der Band „Die Seilschaft“ auf. Im Westen bleibt er unbekannt. Zu seiner IM-Tätigkeit bekennt er sich 1995 während eines Konzerts. Seine Fans verübeln ihm das nicht weiter.

Zwischen seinen Auftritten, seiner Arbeit als Baggerfahrer (die er finanziell nicht mehr hätte ausüben müssen) und seinem Familienleben mit mehreren Kindern, hat er kaum Schlaf. Am 21. Juni 1998 stirbt er im sächsischen Spreetal an einem Gehirnschlag. Er wurde nur 43 Jahre alt.

 

Dresens Film über den Liedermacher

 

Das ist ein Leben, aus dem man ein Biopic machen kann. Man muss nur den Aspekt herausfiltern, der im Mittelpunkt des Films stehen soll. In „Gundermann“ ist es für Regisseur Andreas Dresen und seine langjährige Drehbuchautorin Laila Stieler Gundermanns Stasi-Verstrickung und der Film ist letztendlich eine ärgerliche Stasi-Weißwaschung, die einen immer wieder stutzen lässt und ihren Höhepunkt am Filmende erreicht. Dazu später mehr.

Dresen erzählt seinen Film auf zwei Zeitebenen. Einmal ab Mitte der siebziger Jahre, wenn Gundermann seine Stelle als Baggerfahrer im Braunkohletagebau antritt; einmal ab den frühen neunziger Jahren, wenn er zum ersten Mal mit seiner Stasi-Vergangenheit konfrontiert wird. Dieser Erzählstrang endet mit Gundermanns IM-Bekenntnis auf offener Bühne. Und, ja, seine Fans hatten anscheinend kein Problem damit.

Ein Problem bei dieser Erzählweise ist in diesem Fall, dass Gundermanns Aussehen sich innerhalb der zwanzig Jahre, die im Film erzählt werden, kaum verändert. So ist immer wieder im ersten Moment unklar, wann die Szenen genau spielen. Bei den zahlreichen Konzertausschnitten ist das Problem noch offensichtlicher. Auch weil die Musiker, wie fast alle anderen Charaktere, Staffage bleiben.

Die Musik, neu eingespielt von Hauptdarsteller Alexander Scheer (der im Film wirklich wie Gundermann aussieht) und Mitgliedern von Gisbert zu Knyphausens Band, klingt ‚ostig‘.

Für ein Publikum, das Gerhard Gundermann nicht kennt, wird im Film auch nicht deutlich, wie wichtig und groß er für sein Publikum und die DDR-Musik- und -Kleinkunstszene war. Nur bei einem DDR-Auftritt sehen wir sein Publikum und es ist überschaubar: er klampft in einer matschigen Grube vor seinen Kollegen und sie sind gerührt, wie treffend er sie beschreibt. Bei diesem und auch seinen anderen Auftritten ist unklar, ob es sich um eine lokale Berühmtheit so in Richtung „unser Kollege, der Gitarre spielt“ oder um mehr handelt. Auch weil Gundermann niemals seinen Beruf als Baggerfahrer aufgibt, scheint sich seine Situation nicht zu ändern. Es ist keine Entwicklung von einem Feierabendmusiker zu einem Profimusiker, der mit seiner Arbeit Geld verdient, erkennbar.

Immerhin wird in dem Film deutlich, wie wichtig für Gundermann diese Arbeit ist. Und es gibt verklärende Bilder von der Braunkohlegrube, in der die Kumpels Tag und Nacht schuften, um die Wirtschaft am Laufen zu halten.

Dazwischen wird immer wieder, schon ab dem Filmanfang, Gundermanns Spitzeltätigkeit angesprochen. In dieser Szene spricht ein früherer Freund ihn auf seine Spitzeltätigkeit an. Gundermann behauptet, er könne sich nicht daran erinnern und beginnt, als er allein im Zimmer ist, sofort in der Akte zu blättern. Diese Einführung von Gundermann setzt das Thema des Films und sie macht ihn im gleichen Moment sehr unsympathisch. Denn er ist ein Mensch, der seine Vergangenheit leugnet, verdrängt, herumschnüffelt und nur auf seinen Vorteil bedacht ist. Dass er in der nächsten Szene einen Igel vor dem Tod rettet und liebevoll pflegt, ändert nichts an dem ersten Eindruck.

Im Film kann Gundermann sich ziemlich lange nicht an seine IM-Tätigkeit erinnern. Wir sollen glauben, dass er sich nicht an seine wenige Jahre zurückliegenden zahlreichen Gespräche mit seinem Führungsoffizier und an die Aufträge, die er von ihm bekommen hat, erinnert. Das wirkt nicht besonders glaubwürdig. Vor allem, weil in den frühen Neunzigern in Deutschland ausführlich darüber gesprochen wurde. Und wenn er später beginnt, mit den von ihm bespitzelten Menschen darüber zu reden, entwickeln diese Gespräche sich in ihrer fast immergleichen Dramaturgie zu einem schlechten Running Gag: Gunderman sagt, er habe gespitzelt. Der Gesprächspartner nimmt den Vertrauensbruch achselzuckend hin. Einmal lädt er ihn zum gemeinsamen Schnaps trinken ein, weil er ja auch Gundermann bespitzelt habe. Über den Verrat scheint dagegen niemand irgendwie schockiert zu sein.

Das Filmende steigert den Running Gag zu einem grotesken Höhepunkt: Gundermann tritt mit seiner Band auf. Er bekennt sich zu seiner IM-Vergangenheit. Die Band rockt los und alle, auch die von ihm früher bespitzelten Menschen, jubeln begeistert. Das ist eine klassische Überwältigungsstrategie, die dem Publikum – äußerst plump – eine bestimmte Meinung und Reaktion aufzwingt. Es kann dem vorher gesagten nur noch bedingungslos zugestimmt. Dem Konzert- (es ist eine wahre Szene) und Kinopublikum bleibt nur eine Möglichkeit: den Spitzel für eine coole Socke zu halten und ihm mit dem ersten Rockriff jubilierend die Absolution erteilen.

Dresen zwingt das Publikum emotional, einem Spitzel seine Tätigkeit zu vergeben. Und er lässt durch seine Montage keinen Zweifel daran, dass er das für die einzig richtige Reaktion hält. Schließlich hätte Dresen Gundermanns Stasi-Outing auch anders inszenieren können.

Angesichts der Diskussionen, die es in den Neunzigern über IM-Tätigkeiten und andere Verstrickungen mit der SED gab, angesichts der Diskussionen, die es in Berlin vor der ersten rot-roten Koalition gab (in Gesprächen traf ich damals viele Ostler, die eine Beteiligung der jetzigen Linkspartei vehement ablehnten) und angesichts des sehr schnell zu seiner Entlassung als Staatssekretär führenden Aufschreis, als 2016/2017 Andrej Holms Tätigkeit als Hauptamtlicher Mitarbeiter beim Ministerium für Staatssicherheit (MfS) von Ende September 1989 bis Ende Januar 1990 herauskam, ist Dresens Umgang mit Gundermanns IM-Vergangenheit umso ärgerlicher. Dieses Ende ist in dem Film kein Ausrutscher, sondern es wird schon von der ersten Minute an vorbereitet. Dabei, um es noch einmal klar zu sagen, ist das Problem des Biopics nicht, dass ich für einen Spitzel Sympathie empfinden soll, sondern mit welchen erzählerischen Methoden ich sein Handeln gutheißen soll.

Gundermann (Deutschland 2018)

Regie: Andreas Dresen

Drehbuch: Laila Stieler

mit Alexander Scheer, Anna Unterberger, Axel Prahl, Thorsten Merten, Eva Weißenborn, Benjamin Kramme, Kathrin Angerer, Milan Peschel, Bjarne Mädel, Peter Sodann, Alexander Schubert, Horst Rehberg

Länge: 127 Minuten

FSK: ab 0 Jahre

Das Buch zum Film

Zum Film erschien das von Andreas Leusink herausgegebene Begleitbuch „Gundermann“. Es enthält ausführliche Interviews mit Conny Gundermann (seiner Frau), Hauptdarsteller Alexander Scheer, Drehbuchautorin Laila Stieler, Regisseur Andreas Dresen und den Musikern Tina Powileit, Mario Ferraro (beide „Die Seilschaft“), Sebastian Deufel (Gisbert-zu-Knyphausen-Band) und dem Film-Music-Supervisor Jens Quandt. Gundermann-Musiker Lutz Kerschowski erinnert sich an seine 1977 beginnende sieben Jahre währende Zusammenarbeit mit Gundermann. Ingo ‚Hugo‘ Dietrich erinnert sich an seine Zeit mit Gundermann bei der „Brigade Feuerstein“. Beide Texte geben einen interessanten und persönlichen Einblick in die DDR-Musikszene. Es gibt Texte über Gundermanns Eltern (und seine schwierige Beziehung zu seinem Vater), sein Verhältnis zur SED und über seine Spitzeltätigkeit (mit Originaldokumenten) und viele Bilder. Teils historische, teils aus dem Film. Das Buch ist, wie schon Andreas Leusink in seinem Vorwort schreibt eine Ergänzung zu den vorhandenen Büchern über Gundermann.

Damit ist es vor allem eine gelungene Ergänzung und Vertiefung des Films.

Andreas Leusink (Herausgeber): Gundermann – Von jedem Tag will ich was haben, was ich nicht vergesse…

Ch. Links Verlag, 2018

184 Seiten

20 Euro

Die Buchpräsentation

Am Mittwoch, den 5. September, gibt es im Pfefferberg-Theater (Schönhauser Allee 176, 10119 Berlin) um 20.00 Uhr eine Buchpräsentation. Knut Elstermann (rbb/radio eins) unterhält sich mit Herausgeber Andreas Leusink, Regisseur Andreas Dresen und Drehbuchautorin Laila Stieler über Gundermann, den Film und das Buch.

Die Veranstaltung ist eine Kooperation des Ch. Links Verlags, literatur live berlin, der Thalia Buchhandlung und dem Pfefferberg Theater, präsentiert von radio eins und tip. Tickets kosten im Vorverkauf 12 Euro (plus Gebühren) und an der Abendkasse 13,50 Euro.

Hinweise

Homepage zum Film

Filmportal über „Gundermann“

Moviepilot über „Gundermann“

Wikipedia über „Gundermann“ und Gerhard Gundermann

Meine Besprechung von Andreas Dresens „Als wir träumten“ (Deutschland/Frankreich 2015)

Meine Besprechung von Andreas Dresens James-Krüss-Verfilmung „Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen“ (Deutschland 2017)


TV-Tipp für den 24. Juli: Tschick

Juli 23, 2018

ARD, 22.45

Tschick (Deutschland 2016)

Regie: Fatih Akin

Drehbuch: Lars Hubrich, Hark Bohm (Koautor)

LV: Wolfgang Herrndorf: Tschick, 2010

In den Sommerferien langweilt sich der 14-jährige Maik in Berlin-Marzahn allein im elterlichen Haus. Da schlägt ihm sein neuer Klassenkamerad Tschick, ein russischer Spätaussiedler, vor, gemeinsam im geklauten Lada in die Walachai zu fahren. Doch zuerst geht die reichlich planlose Fahrt durch die benachbarten Bundesländer.

Gelungene Verfilmung eines Bestsellers, das seine TV-Premiere zu einer Uhrzeit erlebt, die für die Zielgruppe reichlich ungeeignet ist. Planlose TV-Planer

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Tristan Göbel, Anan Batbileg, Mercedes Müller, Anja Schneider, Uwe Bohm, Udo Samel, Claudia Geisler-Bading, Alexander Scheer, Marc Hosemann, Friederike Kempter

Wiederholungen

ARD: Mittwoch, 25. Juli, 02.10 Uhr (Taggenau!)

One: Samstag, 28. Juli, 21.45 Uhr (die Uhrzeit verbessert sich)

One: Montag, 30. Juli, 01.15 Uhr (Taggenau!) (die Uhrzeit verschlechtert sich)

Die Vorlage

zum Filmstart erschien der Roman mit einem neuen Cover und einem Anhang zum Film. Auf 18 Seiten gibt es Bilder, Statements von Fatih Akin und Michael Töteberg schreibt über Wolfgang Herrndorf im Kino.

herrndorf-tschick-movie-tie-in-4

Wolfgang Herrndorf: Tschick

rororo, 2016

272 Seiten

9,99 Euro

Das Drehbuch

selten, sehr selten wird auch das Drehbuch veröffentlicht. In diesem Fall sogar mit einem kurzen, aber informativen Interview mit Fatih Akin

hubrich-tschick-drehbuch-4

Lars Hubrich: Tschick – Das Drehbuch

Rowohlt E-Book

60 Seiten (Verlagsangabe, mein E-Book-Reader sagt 112 Seiten und den Rest regelt das individuelle Größenbedürfnis)

2,99 Euro

Hinweise

Homepage zum Film

Filmportal über „Tschick“

Moviepilot über „Tschick“

Wikipedia über „Tschick“

Perlentaucher über Wolfgang Herrndorf und „Tschick“

Meine Besprechung von Fatih Akins „Müll im Garten Eden“ (Deutschland 2012)

Meine Besprechung von Fatih Akins „The Cut“ (Deutschland/Frankreich 2014)

Meine Besprechung von Fatih Akins „Tschick“ (Deutschland 2016)

Meine Besprechung von Fatih Akins „Aus dem Nichts“ (Deutschland 2017)

 

 

 


TV-Tipp für den 11. November: Tod den Hippies!! Es lebe der Punk

November 11, 2017

One, 22.00

Tod den Hippies – Es lebe der Punk! (Deutschland 2015)

Regie: Oskar Roehler

Drehbuch: Oskar Roehler

Robert kommt in den frühen achtziger Jahren aus der Provinz nach Westberlin und lernt das punkige Nachtleben kennen.

Autobiographisch gefärbte Nummernrevue, die vor allem kurzweilig, mehr oder weniger gelungene Anekdoten und Stimmungsbilder aneinanderreiht und all die bekannten Berlin- und Subkulturklischees bestätigt.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Tom Schilling, Wilson Gonzalez Ochsenknecht, Emilia Schüle, Frederick Lau, Hannelore Hoger, Samuel Finzi, Alexander Scheer, Rolf Zacher, Götz Otto, Oliver Korittke, Julian Weigend

alternative Schreibweise „ Tod den Hippies!! Es lebe der Punk!“

Wiederholung: Montag, 13. November, 00.30 Uhr (Taggenau!)

Hinweise
Homepage zum Film
Filmportal über „Tod den Hippies – Es lebe der Punk!“
Film-Zeit über „Tod den Hippies – Es lebe der Punk!“
Moviepilot über „Tod den Hippies – Es lebe der Punk!“
Rotten Tomatoes über „Tod den Hippies – Es lebe der Punk!“ (noch keine Kritiken)
Wikipedia über Oskar Roehlerund den Film
RBB: Interview mit Oskar Roehler über den Film

Meine Besprechung von Oskar Roehlers „Tod den Hippies – Es lebe der Punk!“ (Deutschland 2015)


TV-Tipp für den 22. Februar: Tod den Hippies!! Es lebe der Punk

Februar 22, 2017

Arte, 23.15

Tod den Hippies – Es lebe der Punk! (Deutschland 2015)

Regie: Oskar Roehler

Drehbuch: Oskar Roehler

Robert kommt in den frühen achtziger Jahren aus der Provinz nach Westberlin und lernt das punkige Nachtleben kennen.

Autobiographisch gefärbte Nummernrevue, die vor allem kurzweilig, mehr oder weniger gelungene Anekdoten und Stimmungsbilder aneinanderreiht und all die bekannten Berlin- und Subkulturklischees bestätigt.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Tom Schilling, Wilson Gonzalez Ochsenknecht, Emilia Schüle, Frederick Lau, Hannelore Hoger, Samuel Finzi, Alexander Scheer, Rolf Zacher, Götz Otto, Oliver Korittke, Julian Weigend

alternative Schreibweise „ Tod den Hippies!! Es lebe der Punk!“

Wiederholung: Samstag, 4. März, 01.20 Uhr (Taggenau!)

Hinweise
Homepage zum Film
Filmportal über „Tod den Hippies – Es lebe der Punk!“
Film-Zeit über „Tod den Hippies – Es lebe der Punk!“
Moviepilot über „Tod den Hippies – Es lebe der Punk!“
Rotten Tomatoes über „Tod den Hippies – Es lebe der Punk!“ (noch keine Kritiken)
Wikipedia über Oskar Roehlerund den Film
RBB: Interview mit Oskar Roehler über den Film

Meine Besprechung von Oskar Roehlers „Tod den Hippies – Es lebe der Punk!“ (Deutschland 2015)


DVD-Kritik: „Der Nachtmahr“ – kein gewöhnlicher deutscher Film

November 7, 2016

https://www.youtube.com/watch?v=npjf1egwXgE

Der Film beginnt mit einer Warnung, wie wir sie aus Discotheken kennen. Empfindliche Gemüter könnten von den Licht- und Tonfolgen epileptische Anfälle bekommen. Trotzdem soll „Der Nachtmahr“ laut abgespielt werden, weil nur so die Technoszenen und die Musik, bei der Alec Empire beteiligt war, ihre volle Wirkung entfalten. Die brachial-laute Musik ist ein Teil des Lebens der 17-jährigen Tina, die mit ihren Freundinnen und Schulkameraden gerne auf mehr oder weniger professionellen Techno-Partys und Clubs abhängt. Auf so einer Party sieht sie im Gebüsch ein seltsames, angsteinflößendes, missgestaltetes, aus einem Alptraum kommendes Wesen.

Kurz darauf hört sie bei sich zu Hause aus der Küche schmatzende Geräusche. Sie glaubt, das Wesen, das sie vorher auf der Party sah, zu sehen. Aber niemand anderes sieht ihren Nachtmahr.

Bis zum Schluss hält AKIZ (das Pseudonym von Achim Bornhak, der unter seinem bürgerlichem Namen das Uschi-Obermaier-Biopic „Das wilde Leben“ drehte) in seinem Spielfilm die Balance zwischen Traum und Realität. Wie in einem David-Lynch-Film, vor allem „Mulholland Drive“ und „Lost Highway“, ist unklar, was Realität und was Fantasie ist und jede Szene kann verschieden interpretiert werden, weshalb jeder einen etwas anderen Film sehen wird.

Neben dem David-Lynch-Einfluss sind auch locker Einflüsse und Inspirationen aus dem Deutschen Expressionistischen Stummfilm und der Romantik erkennbar. Denn der Nachtmahr, der Tinas Nähe sucht, ist, je nach Interpretation, auch ein Wesen, das für verdrängte Gefühle, Sexualität, Ängste und das Fremde im Allgemeinen und Besonderen steht. Dann erzählt Tinas zunehmende Akzeptanz des Wesens, das schnell eine E.-T.-Knuddeligkeit entwickelt, auch eine klassische Coming-of-Age-Geschichte. Wobei, und das macht dann wieder einen großen Teil der Faszination von AKIZ‘ Film aus, in der Schwebe bleibt, ob es sich um eine Befreiungsgeschichte oder einen Verfall in den Wahnsinn handelt. Denn ihre besorgten Eltern haben sie zu einem Psychiater geschickt. Der erwägt, sie in die Psychiatrie einzuweisen.

Inszeniert wurde „Der Nachtmahr“ an zwanzig Drehtagen, ohne TV-Beteiligung und Fördergelder, mit einem Minibudget von 80.000 Euro. AKIZ wollte den Film einfach schnell und ohne Kompromisse drehen.

Meistens führt diese Ansage des Regisseurs zu einem Film, bei dem man sich wünscht, es hätte doch Fördergelder gegeben, um die schlimmsten Peinlichkeiten zu verhindern. In diesem Fall ist diese Befürchtung unbegründet. „Der Nachtmahr“ ist teilweise bewusst sprunghaft erzähltes Kino das mit seiner immer erkennbaren künstlerischen Vision und Gestaltungswillen seinen jugendlichen Protagonisten, ihrer Sprache, seinem Soundtrack (neben einigen Songs stammt die Musik von Steffen Kahles und Christoph Blaser) und der unruhigen Handkamera (auf der visuellen Ebene zeigt sich am Deutlichsten das begrenzte Budget) in erster Linie ein junges Publikum anspricht und ernst nimmt. Es ist außerdem eine Genregeschichte, die jugendliche Befindlichkeiten und jugendliche Selbstfindung im Rahmen des Horrorgenres behandelt und sie mit viel schwarzem und absurdem Humor garniert. Weshalb es auch einiges zu Lachen gibt.

Für AKIZ ist „Der Nachtmahr“, der im Ausland erfolgreich läuft und ihm Remake-Anfragen aus Hollywood bescherte, der Anfang seiner dämonischen Trilogie „Geburt, Liebe, Tod“. Die Filme sind nur, was ältere Cineasten jetzt an Eric Rohmer denken lässt, thematisch miteinander verknüpft. Er arbeitet schon am zweiten Teil, der dann auch mit einem höherem Budget gedreht werden soll.

 

Das Bonusmaterial (Nachtrag 5. Dezember 2016): In der limitierten 3-Disc-Special-Edition, die den Film auf DVD und Blu-ray enthält, gibt es auch eine ordentliche Portion informatives Bonusmaterial; neben den üblichen Trailern, einem Teaser, dem Crowdfunding-Video, einem Testclip, einer Bildergalerie, dem Musikvideo „Grey Sedan“ (Wild Style Lion, feat. Kim Gordon) und dem Kurzfilm „Evokation“ von Akiz. Das Kernstück des Bonusmaterials ist das 45-minütige, sehr ehrliche und unprätentiöse Making-of „Der Nachtmahr – und wie er zur Welt kam“ (gedreht von seiner Schwester Riki Bornhak, mit vielen Bildern aus dem Archiv von Achim „Akiz“ Bornhak, seiner Familie und Freunden) und ein 25-minütige Interview mit Akiz, in denen man viel über die Vorgeschichte des Films erfährt.

Außerdem gibt es in der Special-Edition das Drehbuch und ein Booklet mit einem Text von Marcus Stiglegger, der hier zu sehr den Fanboy herauslässt und auf jegliche Analyse oder analytische Einordnung verzichtet.

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Der Nachtmahr (Deutschland 2015)

Regie: AKIZ

Drehbuch: AKIZ

mit Carolyn Genzkow, Wilson Gonzalez Ochsenknecht, Sina Tkotsch, Alexander Scheer, Kim Gordon

 

DVD

Koch Media

Bild: 2.35:1 (16:9)

Don: Deutsch (Dolby Digital 5.1)

Untertitel: Englisch

Bonusmaterial:

DVD/Blu-ray: Interview mit Regisseur Akiz, Kinotrailer, Teaser

Mediabook: Dokumentation „Der Nachtmahr – und wie er in die Welt kam“, Musikvideo „Grey Sedan“ (von Wild Style Lion feat. Kim Gordon), Crowdfunding Video, Nachtmahr Kurzfilm, Testclip, Booklet mit Text von Dr. Marcus Stiglegger

Länge: 89 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Homepage zum Film

Filmportal über „Der Nachtmahr“

Moviepilot über „Der Nachtmahr“

Rotten Tomatoes über „Der Nachtmahr“

Wikipedia über Achim Bornhak

Homepage von AKIZ

Ein langes Gespräch mit AKIZ (Achim Bornhak) auf dem 99Talent-Campus 2016