Der Beginn von Christian Petzolds neuestem Spielfilm „Miroirs No. 3“ ist etwas seltsam und auch arg gekünstelt.
Zusammen mit ihrem Freund fährt die Klavierstudentin Laura (Paula Beer) ins Berliner Umland. Weil sie keine Lust auf ein Wochende mit seinen Freunden hat, streiten sie sich und er will sie zum Bahnhof fahren. Von dort kann sie den nächsten Zug nach Berlin nehmen. Auf einer einsamen Landstraße verunglücken sie. Ihr Freund stirbt. Sie überlebt ohne eine Kratzer, geht zu dem wenige Meter von dem Unfallort stehendem Haus und fragt die ihr bis dahin vollkommen unbekannte Betty (Barbara Auer), ob sie bei ihr einige Tage bleiben kann. Die allein in dem Haus lebende Betty ist einverstanden. In den folgenden Tagen erfährt Laura langsam mehr über Betty, ihren Mann Richard (Matthias Brandt) und ihren Sohn Max (Enno Trebs). Die beiden Männer betreiben in der Nähe eine Autowerkstatt. Sie wohnen dort und sind in offensichtlich illegale Geschäfte verwickelt. Sie alle versuchen, vor allem schweigend, den Verlust ihrer Tochter und Schwester verarbeiten. Anscheinend sah sie wie Laura aus.
In jedem Film gibt es Logiklücken und Auslassungen. Manchmal muss halt einfach etwas geglaubt werden, dass die Geschichte funktioniert. Manchmal gibt es am Ende eine gute Erklärung für bestimmte Lücken. In „Miroirs No. 3“ ist das nicht der Fall. Das beginnt mit dem Autounfall. Es wird nie erklärt, wie es auf der Landstraße dazu kam. Wir sehen nur das davor, wenn der Wagen über die Straße fährt, und das danach, wenn der Wagen, als sei er für ein Gemälde sorgfältig arrangiert worden, auf einem Feld auf der Seite liegt.
Danach wird Laura von Betty aufgenommen und lebt einige Tage mit ihr. Die Polizei, ihre Freunde und auch ihre Eltern glänzen durch Abwesenheit. Es ist, als ob sie über keinerlei Beziehungen verfügt, oder, wie in seinem Film „Yella“, als ob sie bei dem Unfall gestorben ist und sich jetzt in einem Zwischenzustand zwischen Leben und Tod befindet. Dann würde der Film ab dem Unfall in Lauras Kopf spielen.
Das Geheimnis in Bettys Familie wird erst relativ spät in dem enervierend langsam erzählten Film angedeutet. Einerseits ist es ziemlich offensichtlich, andererseits wird es nie wirklich enthüllt. Es ist eine Leerstelle, über die Betty, Richard und Max schweigen und sich stumme Vorwürfe machen. Hier gibt Petzold einfach zu wenig Informationen, um mit den Figuren mitfühlen zu können.
Dazwischen wird viel Musik gehört, Klavier gespielt (wir erinnern uns: Laura studiert Klavier) und Fahrrad gefahren.
Natürlich hat ein Film von Christian Petzold dank der Inszenierung, der vielen bewusst gewählten Anspielungen und Querverweise innerhalb des Films und zu anderen Werken und den in ihren Rollen versinkenden Schauspieler (die wir in diesem Fall alle aus früheren Petzold-Filmen kennen) immer eine gewisse Qualität. Aber dieses Mal dehnt er eine Idee von einem Film auf Spielfilmlänge. Am Ende ist „Miroirs No. 3“ sein schwächster Film.
Vielleicht sollte er mal wieder einen Kriminalfilm drehen.

Miroirs No. 3 (Deutschland 2025)
Regie: Christian Petzold
Drehbuch: Christian Petzold
mit Paula Beer, Barbara Auer, Matthias Brandt, Enno Trebs
Länge: 86 Minuten
FSK: ab 12 Jahre
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Hinweise
Filmportal über „Miroirs No. 3“
Moviepilot über „Miroirs No. 3“
Metacritic über „Miroirs No. 3“
Rotten Tomatoes über „Miroirs No. 3“
Wikipedia über „Miroirs No. 3“ (deutsch, englisch)
Meine Besprechung von Christian Petzolds „Phoenix“ (Deutschland 2014)
Meine Besprechung von Christian Petzolds „Transit“ (Deutschland/Frankreich 2018)
Meine Besprechung von Christian Petzolds „Undine“ (Deutschland/Frankreich 2020) und der DVD
Meine Besprechung von Christian Petzolds „Roter Himmel“ (Deutschland 2023)
Veröffentlicht von AxelB 




