Bei „Ein nasser Hund“ hätte viel schief gehen können. Zuerst einmal handelt es sich um eine Literaturverfilmung. Genaugenommen eine Autobiographie. Damir Lukačević verlegte die Geschichte von der Mitte der neunziger Jahre in die Gegenwart und er erarbeitete in Theaterworkshops mit Jugendlichen das Drehbuch. Gedreht wurde dann vor Ort im Wedding mit Laiendarstellern, die vorher in Workshops improvisierend ihre Rollen erarbeiteten. Damit wurde Arye Sharuz Shalicars Geschichte immer mehr zu ihrer Geschichte, die tief in ihrem Leben und damit in der Gegenwart verwurzelt ist.
Im Film kommt der 16-jährige Soheil (Doguhan Kabadayi) mit seiner Familie aus Göttingen nach Berlin. Sie ziehen in den Wedding, der früher der rote Wedding war und heute immer noch ein besonderes Stadtviertel ist. Dort nehmen die türkischen Jugendlichen den iranischstämmigen Soheil schnell in ihre Gang auf. Schließlich sei er, wie sie, ein Muslem. Das stimmt nicht.
Soheil ist Jude. Allerdings einer, für den die Religion nicht wichtig ist. Aber angesichts des alltäglichen Antisemitismus, verbunden mit jugendlichem Mackertum, verschweigt er es und lässt seine neuen Freunde, vor allem den ihn bedingungslos aufnehmenden Gangleader Husseyn (Mohammad Eliraqui), im Glauben, er sei auch ein Muslim.
Außerdem ist Soheil ein sich in der Szene schnell etablierender Graffiti-Künstler, der, natürlich illegal, im Wedding Wände verschönert.
Mit seinen neuen Freunden entwickelt er sich, zum Entsetzen seiner liebevollen, ein Geschäft führenden Eltern, auch in Richtung eines Problemjugendlichen zwischen Kleinkriminalität, Drogendelikten und Schlägereien. Außerdem verliebt Soheil sich in die in die Parallelklasse gehende Selma (Derya Dilber).
„Ein nasser Hund“ ist eine Ghettogeschichte, die zum Glück auf überflüssige Dramatisierungen verzichtet. Während beispielsweise in Detlev Bucks „Knallhart“ (das, ebenfalls in Berlin spielend, eine ähnliche Geschicht erzählt) alles immer eine Spur zu übertrieben wirkte, wirkt in „Ein nasser Hund“ alles äußerst realistisch. Ein Grund sind sicher die Laienschauspieler, die ihre Rollen lange probten und auch zusammen erarbeiteten. Ein anderer Grund ist Autor und Regisseur Damir Lukačević, dem es vorzüglich gelingt mit eben diesen Laienschauspielern richtig saftiges Kino zu machen, das frei von übermäßigen didaktischen Erklärungen und erhobenen moralischen Zeigefinger einfach gut unterhalten möchte.
Das ist ihm gelungen. „Ein nasser Hund“ überzeugt – in jeder Beziehung. Dabei ist ihm die Atmosphäre, das stimmige Zusammenspiel des jungen Ensembles und die Nachvollziehbarkeit ihrer Motive und Sehnsüchte wichtiger als eine stringend nach Hollywood-Drehbuchschema vorangetriebene Geschichte. „Ein nasser Hund“ ist halt eine Charakter- und Milieustudie, die, falls ich eine Jahresbestenliste mache, sehr gute Chancen auf einen Listenplatz hat.
Ein nasser Hund (Deutschland 2021)
Regie: Damir Lukačević
Drehbuch: Damir Lukačević
LV: Arye Sharuz Shalicar: Ein nasser Hund ist besser als ein trockener Jude, 2010
mit Doguhan Kabadayi, Mohammad Eliraqui, Derya Dilber, Omar Antabli, Samy Abdel-Fattah, Emircan Yildirim, Dorka Gryllus, Christoph Letkowski, Maradona Akkouch, Kida Khodr Ramadan
Es hilft nichts. Die Steuererklärung ist gemacht (irgendwie), der Schreibtisch muss aufgeräumt werden (definitiv) und einige schon lange geplante Besprechungen, die als viel längere Besprechungen geplant waren, werden jetzt in der Kategorie „kurz & schnell“ abgehandelt. Denn nach dem Erwachen der Macht warten die nächsten Besprechungen schon und „Die Maske des Dimitrios“ will enthüllt werden.
Nachdem das Entsetzen über den neuen Zack-Snyder-Film, der Wonder Woman den Kampf zwischen Batman und Superman entscheiden ließ, können wir uns wieder den Bildergeschichten mit, nun, in diesem Fall den beiden Jungs und der gewohnt knapp bekleideten „Göttin des Krieges“ widmen.
Nachdem Brian Azzarello seine „Wonder Woman“-Neuinterpretation abschloss, übernahm Meredith Finch die Autorentätigkeit. Ihr Mann David Finch wurde der Zeichner. In ihrem ersten „Wonder Woman“-Sammelband „Kriegswunden“ geht es um Machtkämpfe in ihrem Amazonenreich, der Paradiesinsel, und um Kämpfe gegen Bedrohungen für die Menschheit. Denn für weniger rückt die Justice League nicht aus.
Gelungen,
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Meredith Finch/David Finch/Goran Sudzuka: Wonder Woman – Göttin des Krieges
(übersetzt von Steve Kups)
Panini Comics, 2016
156 Seiten
16,99 Euro
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Originalausgabe
Wonder Woman: War Torn (# 36 – # 40); Wonder Womand: War-Torn, Final Chapter (Wonder Woman Anual 1)
Scott Snyders grandiose Neuinterpretation von Batman geht mit dem über 250-seitigem „Jahr Null – Die dunkle Stadt“ weiter. Jetzt muss Batman gegen den Riddler kämpfen, der Gotham unter seine Kontrolle bringen will.
Die erste Runde endet für Bruce Wayne desaströs und der Riddler kann sich zum Herrscher über Gotham aufschwingen. Der zweite Teil des Buches zeigt dann ein ganz anderes Gotham, in dem der Riddler über die Stadt herrscht und die Bewohner mit seinen Ratespielen nervt und in den Tod treibt. Trotzdem hofft Batman, dass er ihn doch noch besiegen kann. Wenn er nicht stirbt.
„Jahr Null – Die dunkle Stadt“ ist eine großartige Batman-Geschichte, die natürlich viel besser als dieser Film ist, den wir so gerne aus unserem Gedächtnis streichen würden.
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Scott Snyder/JamesTynion IV/Greg Capllo/Andy Clarke: Batman: Jahr Null – Die dunkle Stadt (Band 5)
(übersetzt von Steve Kups)
Panini Comics, 2016
252 Seiten
19,99 Euro
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Originalausgabe
Zero Year – Dark City, Part 2 – Part 5 (Batman # 25 – # 29, Januar 2014 – Mai 2014)
Zero Year – Savage City, Part 1 – Part 4 (Batman # 30 – 33, Juni 2014 – September 2014)
„Golden Dogs“ von Stephen Desberg (Szenario) und Griffo (Zeichnungen) erzählt die Geschichte einer vierköpfigen Verbrecherbande in London um 1820, die ein recht bunter Haufen sind. Dass eine Prostituierte dabei ist. Geschenkt. Aber dass auch ein Transvestit dabei ist, der sich jeden Abend, bevor er vor Publikum auftritt entscheiden kann, ob sie ein er ist (oder umgekehrt), das ist schon etwas anderes und bei den verschiedenen Raubzügen sehr hilfeich. Im ersten Band „Fanny“ kommt die Truppe zusammen. Im zweiten Band „Orwood“ muss sie, nachdem sie von der Polizei verfolgt werden, getrennte Wege gehen. Und es gibt einen Verräter unter ihnen.
In Frankreich sind bereits zwei die abschließenden beiden Folgebände erschienen.
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Griffo/Desberg: Golden Dogs – Fanny (Band 1)
(übersetzt von Horst Berner)
Panini Comics, 2015
56 Seiten
13,99 Euro
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Originalausgabe
Golden Dogs Volume 01: Fanny
Éditions du Lombard, 2014
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Griffo/Desberg: Golden Dogs – Orwood (Band 2)
(übersetzt von Horst Berner)
Panini Comics, 2016
56 Seiten
13,99 Euro
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Originalausgabe
Golden Dogs Volume 02: Orwood
Éditions du Lombard, 2014
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In „Revival“ erzählt Tim Seeley (Hack/Slash), wie in der Ortschaft Wausau im nördlichen Wisconsin eines Tages die Toten wieder auferstehen. Aber sie sind keine blutrünstigen Zombies, sondern ganz normale Menschen, die sich fast ganz normal verhalten. Im Mittelpunkt der Serie steht daher auch das Zusammenleben von Mensch und Nicht-mehr-Mensch, die sich im vierten und fünften Band, „Flucht nach Wisconsin“ und „Steigende Fluten“, endgültig zu einer nicht enden wollenden Soap entwickelt, in dem die Nebenstränge mehr Zeit einnehmen als die, sofern erkennbar, immer unwichtiger werdende Haupthandlung. Auf ein konkretes Ende, wie zum Beispiel einer Erklärung für die Wiederauferstehungen in Wausau, wird überhaupt nicht mehr hingearbeitet. Dafür werden weitere Rätsel aufgeworfen.
Wer damit leben kann, wird sich über den vierten und fünften Band von „Revival“ freuen. Neueinsteiger sollten dagegen mit dem ersten Band beginnen.
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Tim Seeley/Mike Norton: Revial: Flucht nach Wisconsin (Band 4)
(übersetzt von Frank Neubauer)
Cross Cult, 2015
164 Seiten
18 Euro
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Originalausgabe
Revival, Volume 4: Escape to Wisconsin
Image, 2014
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Tim Seeley/Mike Norton: Revival: Steigende Fluten (Band 5)
À propos Untote: Deadpool darf in „Night of the Living Deadpool“ und „Return of the Living Deadpool“ von Autor Cullen Bunn und den Zeichnern Ramon Rosanas und Nik Virella auch einmal gegen sie kämpfen. Dass der Kampf eines unsterblichen Plappermauls gegen unsterbliche Mäuler nicht in den normalen Zombie-Bahnen verläuft und Deadpool am Ende von „Night of the Living Deadpool“ eine Lösung für die Zombieplage hat, die zu ungeahnten Folgen führt, die er in „Return of the Living Deadpool“ bekämpfen muss, erfreut natürlich das Herz des Deadpool-Fans.
Empfehlenswert!
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Cullen Bunn/Ramon Rosanas: Night of the Living Deadpool
(übersetzt von Michael Strittmatter)
Panini Comics, 2014
116 Seiten
12,99 Euro
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Originalausgabe
Night of the Living Deadpool # 1 – 4
Marvel, März 2014 – Mai 2014
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Cullen Bunn/Nik Virella: Return of the Living Deadpool
Deadpool im Kino (und jetzt auch auf DVD/Blu-ray) wurde von Ryan Reynolds verkörpert, der auch in dem – zu Unrecht – kaum beachteten Spielerdrama „Dirty Trip – Mississippi Grind“ eine Hauptrolle spielt. Seinen Gegenpart spielt Ben Mendelsohn, der in den vergangenen Jahren zum Experten für gestörte Charaktere wurde. Da ist es schön, ihn auch einmal als ganz normalen Mann zu sehen.
Naja, fast. Denn Mendelsohn spielt Gerry, einen notorischen Spieler. In einer Bar lernt er Curtis (Ryan Reynolds) kennen. Einen Drifter und Spieler. Gemeinsam machen sie sich auf den Weg nach New Orleans zu einem Pokerspiel mit einem großen Jackpot.
„Dirty Trip“ von Anna Boden und Ryan Fleck erzählt die Geschichte dieser etwas ziellosen Reise von Gerry und Curtis, die sich zufällig begegnen und am Ende der Reise auch wieder getrennte Wege gehen. Stilistisch und erzählerisch steht ihr Film in der Tradition des New-Hollywood-Kinos, als problematische Charaktere im Mittelpunkt von, nun, Charakterstudien standen, die einen anderen Blick auf die USA warfen.
Sehr sehenswert!
Dirty Trip – Mississippi Grind (Mississippi Grind, USA 2015)
Regie: Anna Boden, Ryan Fleck
Drehbuch: Anna Boden, Ryan Fleck
mit Ben Mendelsohn, Ryan Reynolds, Sienna Miller, James Toback
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DVD
Ascot Elite
Bild: 16:9 (2.38:1)
Ton: Deutsch, Englisch (Dolby Digital 5.1)
Untertitel: Deutsch
Bonusmaterial: Featurettes, Making of, Originaltrailer, Wendecover
Seit einigen Jahren erfreuen sich TV-Serien bei der Kritik einer wachsenden Beliebtheit. Gesehen wurden sie ja schon seit Ewigkeiten und die Fans tauschten sich, je nach Serie, mit großer Liebe zum Detail, über sie aus. Ich sage nur „Raumschiff Enterprise“ und „Akte X“. Dabei gibt es, grob gesagt, Miniserien, die innerhalb einer bestimmten Zeit, eine in sich abgeschlossene Geschichte erzählen; Serien, in denen jede Woche ein neues Problem gelöst wird; und Serien, in denen sich die Geschichte über viele Folgen und Staffeln entwickelt, bis die sinkenden Zuschauerzahlen die Serie beenden. Bei diesen Serien ist man, wenn man nicht von der ersten Folge an dabei ist, ziemlich schnell „Lost“.
Und so eine sich über viele Staffeln erstreckende Geschichte war wohl auch bei „Blochin – Die Lebenden und die Toten“ die Idee gewesen. Also nicht ein „deutsches ‚Lost’“, sondern eine Krimi-Serie mit komplexen Charakteren, überraschenden Wendungen und einer Analyse des Zusammentreffens von Organisierter Kriminalität und Politik in der Hauptstadt. „Eine Kriminal-Symphonie der Großstadt Berlin“ steht auf dem DVD-Cover. Mit Matthias Glasner als Regisseur und Jürgen Vogel in der Hauptrolle hätte es etwas werden können, aber dann ging irgendwo alles schief. Und zwar so schief, dass man fassungslos dieses Komplettdesaster ansieht.
Blochin (Jürgen Vogel), ein Findelkind mit krimineller Vergangenheit und Polizist bei der Mordkommission mit ausgeprägten Milieukontakten, soll den Mord an einem Dealer aufklären. Kurz darauf wird in seiner Anwesenheit ein Undercover-Polizist in einem Szenelokal erschossen und Blochin (nur Blochin, kein Vorname, weil cool) wird als Mörder verdächtigt. Sein Schwager und Vorgesetzter Dominik (Thomas Heinze), normalerweise ‚Lieutenant‘ genannt (weil megacool), hilft ihm indem er einen Zeugen hinterrücks erschießt – und spätestens in diesem Moment fragt man sich, was die Macher, während sie Subplots und uninteressante Nebenstränge halbherzig einführen, geritten hat, den Charakter, der einen echten Konflikt hat, zu einer Nebenfigur zu machen, während der titelgebende Blochin vor allem als Zuschauer alles verfolgt und er während der gesamten Serienlänge keinen einzigen nennenswerten Konflikt hat. Das ändert sich in den letzten Minuten, die unverhohlen auf eine Fortsetzung spekulieren. Das wäre akzeptabel, wenn wenigstens die erste Staffel ein befriedigendes Ende hätte. Aber die Macher hören einfach mitten in der Geschichte auf.
„Blochin“ ist einfach nur Murks ohne irgendeinen Abschluss, das das größte Verbrechen begeht, das eine Serie begehen kann: Zeitverschwendung zu sein.
Wie das uninformative Bonusmaterial.
Blochin – Die Lebenden und die Toten: Staffel 1 (Deutschland 2015)
Einen Abschluss gibt es bei den ARD-Sonntagskrimis immer nach neunzig Minuten. Egal ob es ein „Tatort“ oder ein „Polizeiruf 110“ ist und gerade die aus München kommenden „Polizeirufe“ sind immer einen Blick wert. In der dritten Box mit BR-„Polizeiruf 110“-Box sind
Pech und Schwefel (Regie: Klaus Krämer, Drehbuch: Klaus Krämer, Kaspar von Erffa, Deutschland 2003)
Vater Unser (Regie: Bernd Schadewald, Drehbuch: Christian Jeltsch, Deutschland 2004)
Die Maß ist voll (Regie: Klaus Krämer, Drehbuch: Klaus Krämer, Deutschland 2004)
Der scharlachrote Engel (Regie: Dominik Graf, Drehbuch: Günter Schütter, Deutschland 2005)
Die Prüfung (Regie: Eoin Moore, Drehbuch: Boris Gullotta, Deutschland 2005)
Er sollte tot (Regie: Dominik Graf, Regie: Rolf Basedow, Drehbuch 2006)
enthalten. Das Ermittlerteam bestand damals aus dem einarmigen Kommissar Jürgen Tauber (Edgar Selge) und der konsequent-fröhlich-patent-normalen Kommissarin Jo Obermaier (Michaela May). Ihre Fälle sind durchgehend sehenswert, durchgehend experimentierfreudig und auf einem durchgehend hohem Niveau; was sogar für die schwächeren Fälle gilt.
Dafür sprechen schon die vielen Preise, die diese sechs Fälle erhielten. So gab es für „Der scharlachrote Engel“ und „Er sollte tot“ jeweils einen Grimme-Preis und für „Er sollte tot“ gleich noch einen Sonderpreis für das Drehbuch beim Fernsehfilm-Festival Baden-Baden und für den Deutschen Fernsehpreis war es nominiert. Um nur die Drehbuchpreise zu nennen.
Die erste Staffel von „True Detective“ wurde in den Himmel gelobt. „Meisterwerk“, „TV-Revolution“ und so. Da konnte die zweite Staffel natürlich nur schlechter abschneiden.
Ich bin da etwas zwiegespalten, weil für mich die erste Staffel hoffnungslos überbewertet und arg prätentiös ist. Da waren die Erwartungen an die zweite Staffel von Anfang an nicht so wahnsinnig hoch.
In der zweiten Staffel, die wieder eine in sich abgeschlossene Geschichte mit vollkommen neuen Charakteren erzählt, geht es um Korruption und mehr oder weniger kriminelle Geschäfte in Vinci, einer Kleinstadt in Kalifornien, die eine moderne Version von Dashiell Hammets „Poisonville“ ist.
Frank Semyon (Vince Vaughn) ist ein Ex-Gangster, der mit einem großen Projekt, in das auch die lokale Politik und ausländische Investoren involviert sind, zum respektierten Geschäftsmann werden will. Dieses Ansinnen könnte durch einen bizarren Mordfall gefährdet werden. Denn der Fundort der Leiche führt dazu, dass Motorradpolizist und Ex-Soldat Paul Woodrugh (Taylor Kitsch), Detective Sergeant Ani Bezzerides (Rachel McAdams) vom Ventura County Sheriff’s Office CID (das gerne die ganze korrupte Stadt Vinci ausmisten würde) und der korrupte Detective Ray Velcoro (Colin Farrell) vom Vinci Police Department, zusammenarbeiten müssen. Velcoro fragt sich, ob er in das Team entsandt wurde um den Fall aufzuklären oder die Aufklärung zu verhindern. Der trinkfreudige Polizist könnte mit beidem Leben. Woodrugh und Bezzerides haben auch ihr Päckchen persönliches Leid und Schuld zu tragen.
Die Besetzung mit Stars wie Colin Farrell, Vince Vaughn, Rachel McAdams, Taylor Kitsch und Kelly Reilly in den Hauptrollen und Abigail Spencer, Lolita Davidovich und David Morse in wichtigen Nebenrollen ist nicht schlecht. Regisseur Justin Lin, der einige Episoden der zweiten Staffel inszenierte, zeigt, dass er nicht nur ‚Fast & Furious‘ kann. Und „True Detective“-Erfinder Nic Pizzolatto schrieb wieder das Drehbuch für alle acht einstündigen Episoden.
Aber die über acht Stunden mäandernde Geschichte ist nur eine ziemlich vollständige, reichlich unstrukturierte Ansammlung von allen Klischees über Kalifornien, den Detektiv- und Polizeifilm. Wer will, kann mühelos zu jeder Szene mindestens zwei bessere Filme und Romane nennen. Das wäre, wenn Pizzolatto daraus etwas eigenständiges geschaffen hätte, gar nicht so schlimm. Aber so bleibt immer der Eindruck, dass eine ordnende Hand hier einiges hätte retten können.
So ist „True Detective: Staffel 2“ nur eine, durchaus kurzweilig, auf der Story-Ebene nicht besonders nachvollziehbare Ansammlung der bekannten Kriminalfilmklischees, in der, abgesehen von Vince Vaughn, gerade die anderen Hauptdarsteller erstaunlich blass bleiben.
Besser man sieht sich noch einmal die Klassiker, wie „Die Spur des Falken“, „Tote schlafen fest“, „Chinatown“ oder „L. A. Confidential“ an. Oder neuere Filme wie „Inherent Vice – Natürliche Mängel“ oder, ab Donnerstag im Kino, „The Nice Guys“ an.
True Detective – Die komplette zweite Staffel (True Detective – Season 2, USA 2015)
Regie: Justin Lin, Janus Metz, Jeremy Podeswa, John Crowley, Miguel Sapochnik, Dan Attias
Drehbuch: Nic Pizzolatto, Scott Lasser (Co-Autor)
mit Colin Farrell, Rachel McAdams, Taylor Kitsch, Kelly Reilly, Vince Vaughn, Ritchie Coster, Michael Irby, Abigail Spencer, Lolita Davidovich, Rick Springfield, David Morse
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DVD
Warner Home Video
Bild: 1.78:1 (16:9)
Ton: Deutsch, Englisch (Dolby Digital 5.1)
Untertitel: Deutsch, Englisch für Hörgeschädigte
Bonusmaterial: Making ‚The Vinci Massacre‘, A Look Inside ‚True Detective‘, ‚True Detectiv’s‘ California, Zwei Audiokommentare
Länge: 483 Minuten (8 Episoden à 57 Minuten) (3 DVDs)
Ein wenig zwischen die Stühle fällt die BBC-Serie „The Game“, die als richtig schön altmodischer Spionagethriller in der Tradition von „Dame, König, As, Spion“ John le Carré steht und ein herrlich muffiges Früh-Siebziger-Jahre-Feeling hat.
Es beginnt mit dem Angebot des KGB-Offiziers Arkady Malinov an den britischen Geheimdienst MI5, ihm Informationen über die große russische Geheimdienstoperation „Glass“ zu verraten. Daddy (Brian Cox), der Chef des Dienstes, stellt ein kleines Team zusammen, das mehr über die Operation Glass herausfinden soll. Schnell vermuten sie in ihrem Team einen Maulwurf.
Diese Jagd nach dem Maulwurf wird allerdings über mehrere Folgen zugunsten des ‚Geheimagenten der Woche‘ aufgegeben, was der Serie etwas episodisches verleiht.
Am Ende ist der Maulwurf enttarnt, die Operation Glass verhindert und die Option für eine zweite Staffel vorhanden, die auch längere Zeit im Gespräch war. Inzwischen hat die BBC verkündet, dass es wegen des hohen Budgets keine zweite Staffel gibt.
The Game (The Game, Großbritannien 2014)
Regie: Niall MacCormick, Daniel O’Hara
Drehbuch: Toby Whithouse, Sarah Dollard, Debbie O’Malley
Erfinder: Toby Whithouse
mit Tom Hughes, Jonathan Aris, Victoria Hamilton, Shaun Dooley, Brian Cox, Paul Ritter, Chloe Pirrie, Yevgeni Sitokhin
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DVD
Polyband
Bild: 1,78:1 (16:9)
Ton: Deutsch, Englisch (Dolby Digital 5.1)
Untertitel: Deutsch
Bonusmaterial: Interviews (eigentlich ein zwanzigminütiges Making of), Deleted Scenes
Die dritte Staffel von „Die Brücke – Transit in den Tod“ lief ja schon im ZDF und auf der DVD/Blu-ray ist nur die wieder aus fünf spielfilmlangen Episoden bestehende, gut zehnstündige Serie in der deutschen und der Originalfassung enthalten.
Sie beginnt 13 Monate nach der vorherigen Staffel, die man nicht gesehen haben muss, um den aktuellen Fall (oder besser Fälle) zu verstehen. Saga Norén (Sofia Helin) arbeitet immer noch bei der Kripo Malmö. Ihr Kollege Martin Rohde sitzt im Gefängnis, weil er am Ende der zweiten Staffel einen Mord beging und sie gegen ihn aussagte, weil er gegen das Gesetz verstieß. Saga Norén ist, für alle, die die vorherigen Staffeln nicht kennen, eine fähige Polizistin mit einem ausgeprägten Asperger-Syndrom. Sie ist nicht in der Lage, eine normale Konversation zu führen und sie merkt gar nicht, dass sie andere Menschen mit ihrer Direktheit verletzt. Und Regeln und Gesetze sind Regeln und Gesetze, an die man sich halten muss.
Jetzt soll sie zusammen mit ihrem dänischen Kollegen Henrik Sabroe (Thure Lindhardt) eine bizarre Mordserie aufklären. Es beginnt mit einer Gender-Forscherin und Aktivistin, die auf einer Baustelle als Teil eines Gemäldes des Grauens hergerichtet wurde.
Und wieder stapeln sich die möglichst fotogen inszenierten Leichen, etliche Charaktere werden eingeführt, deren Bedeutung erst viel später ersichtlich wird, fast ebenso viele Charaktere verschwinden mehr oder weniger spurlos aus der Geschichte (falls sie nicht ermordet werden) und dieses Mal gibt es so viele Subplots, dass der eigentlich im Zentrum stehende Kriminalfall dahinter verschwindet.
Zusammengehalten werden die vielen Plots durch ihre thematische Verwandtschaft. Immer geht es um die Folgen des eigenen Handelns und die Verantwortung dafür.
Und natürlich ist Saga Noréns sozial vollkommen inkompatibles Verhalten immer wieder gut für etliche Lacher in diesem unterkühlt erzählten Kriminaldrama, das allerdings immer mehr zu einer leichengesättigten Kolportage wird, in der flugs die aktuellen Schlagzeilen mit gruseligen Morden verziert werden.
Unterhaltsam: ja, schon. Aber auch etwas übertrieben und etwas unlogisch.
Die Brücke: Transit in den Tod – Staffel 3 (Bron, Broen, Dänemark/Schweden/Deutschland 2015)
Regie: Rumle Hammerich, Henrik Georgsson
Drehbuch: Hans Rosenfeldt, Camilla Ahlgren, Erik Ahrnbom, Astrid Øye
mit Sofia Helin, Thure Lindhardt, Rafael Pettersson, Dag Malmberg, Sara Boberg
ZDFneo, 23.15 Nachtschicht: Wir sind alle keine Engel (Deutschland 2014, Regie: Lars Becker)
Drehbuch: Lars Becker
Während der „Ab-in-die-Wüste-Schlussmacherwoche” eines Radiosenders macht Pizza-Bote Mufti via Radio und Moderatorin, die seine Freundin Sharronda über die Trennung informieren soll, mit ihr Schluß. Sharronda flippt aus, überfällt den Blumenladen, in dem sie arbeitete, und das krisenerprobte Team vom Kriminaldauerdienst hat eine neue arbeitsreiche Nacht vor sich.
Denn nachdem die Geiselnahme beendet ist, wird Mufti von einem maskierten Mann auf offener Straße erschossen und Sharrondas Brüder Dexter und Gordon, zwei Schläger mit Nazi-Vergangenheit, haben die Tat gesehen.
Gewohnt kurzweiliger, top besetzter „Nachtschicht“-Krimi mit absurden Situationen und viel Wortwitz. Dieses Mal, wegen des Radiosenders, der eine wichtige Rolle hat, sogar mit vielen bekannten Rocksongs.
mit Armin Rohde, Barbara Auer, Minh-Khai Phan-Thi, Christoph Letkowski, Özgür Karadeniz, Alina Levshin, Katrin Bauerfeind, Clemens Schick, Margarita Broich, Tristan Seith, Edin Hasanovic, Chiara Schoras, Hans Jochen Wagner, Kida Khodr Ramadan Hinweise
ZDFneo, 20.15 Nachtschicht: Wir sind alle keine Engel (Deutschland 2014, Regie: Lars Becker)
Drehbuch: Lars Becker
Während der „Ab-in-die-Wüste-Schlussmacherwoche” eines Radiosenders macht Pizza-Bote Mufti via Radio und Moderatorin, die seine Freundin Sharronda über die Trennung informieren soll, mit ihr Schluß. Sharronda flippt aus, überfällt den Blumenladen, in dem sie arbeitete, und das krisenerprobte Team vom Kriminaldauerdienst hat eine neue arbeitsreiche Nacht vor sich.
Denn nachdem die Geiselnahme beendet ist, wird Mufti von einem maskierten Mann auf offener Straße erschossen und Sharrondas Brüder Dexter und Gordon, zwei Schläger mit Nazi-Vergangenheit, haben die Tat gesehen.
Gewohnt kurzweiliger, top besetzter „Nachtschicht“-Krimi mit absurden Situationen und viel Wortwitz. Dieses Mal, wegen des Radiosenders, der eine wichtige Rolle hat, sogar mit vielen bekannten Rocksongs.
mit Armin Rohde, Barbara Auer, Minh-Khai Phan-Thi, Christoph Letkowski, Özgür Karadeniz, Alina Levshin, Katrin Bauerfeind, Clemens Schick, Margarita Broich, Tristan Seith, Edin Hasanovic, Chiara Schoras, Hans Jochen Wagner, Kida Khodr Ramadan Hinweise
ZDF, 20.15 Nachtschicht: Wir sind alle keine Engel (Deutschland 2014, Regie: Lars Becker)
Drehbuch: Lars Becker
Während der „Ab-in-die-Wüste-Schlussmacherwoche“ eines Radiosenders macht Pizza-Bote Mufti via Radio und Moderatorin, die seine Freundin Sharronda über die Trennung informieren soll, mit ihr Schluß. Sharronda flippt aus, überfällt den Blumenladen, in dem sie arbeitete, und das krisenerprobte Team vom Kriminaldauerdienst hat eine neue arbeitsreiche Nacht vor sich.
Denn nachdem die Geiselnahme beendet ist, wird Mufti von einem maskierten Mann auf offener Straße erschossen und Sharrondas Brüder Dexter und Gordon, zwei Schläger mit Nazi-Vergangenheit, haben die Tat gesehen.
Gewohnt kurzweiliger, top besetzter „Nachtschicht“-Krimi mit absurden Situationen und viel Wortwitz. Dieses Mal, wegen des Radiosenders, der eine wichtige Rolle hat, sogar mit vielen bekannten Rocksongs.
mit Armin Rohde, Barbara Auer, Minh-Khai Phan-Thi, Christoph Letkowski, Özgür Karadeniz, Alina Levshin, Katrin Bauerfeind, Clemens Schick, Margarita Broich, Tristan Seith, Edin Hasanovic, Chiara Schoras, Hans Jochen Wagner, Kida Khodr Ramadan Wiederholung: ZDFneo, Donnerstag, 30. April, 20.15 Uhr
Als „Feuchtgebiete“ von Charlotte Roche vor fünf Jahren erschien, sich wie geschnitten Brot verkaufte und im Feuilleton eifrig diskutiert wurde, interessierte es mich weniger als der sprichwörtlich in China umfallende Sack Reis. Ein Skandalbuch über eine junge Frau, Masturbation und ihrem Verhältnis zu Flüssigkeiten und Ausscheidungen, garniert mit Spekulationen darüber, wie sehr die Ich-Erzählerin im Roman identisch mit der Autorin ist.
Gähn!
2,5 Millionen im deutschsprachigen Raum verkaufte Exemplare später ist jetzt die Verfilmung dieses Frauenbuches im Kino und beim Studieren der Credits fällt die starke männliche Beteiligung auf. Scheint also auch etwas für Männer zu sein. Peter Rommel produzierte. Er produzierte auch „Wolke 9“, „Sommer vorm Balkon“ und „Nachtgestalten“. Gute Filme. Claus Falkenberg und David Wnendt schrieben das Drehbuch. David Wnendt übernahm auch die Regie und, wie schon in seinem überschätzten Debüt „Kriegerin“, steht wieder eine Frau im Mittelpunkt. Vom Buch wurde das grobe Handlungsgerüst übernommen, etliche Szenen wurden stark erweitert oder innerhalb der Geschichte verschoben und es gibt auch viele neue Szenen. Weil in Roches Roman die Erzählerin, die 18-jährige Helen, nach einer missglückten Intimrasur im Krankenhaus liegt und sich wild durch ihr Leben fantasiert und ihre banalen Ansichten über Gott, die Welt, ihre Hämorrhoiden und ihre Muschi assoziativ ausbreitet, ist das nicht schlimm und das Buch und der Film haben ihre Stärken und Schwächen.
Wobei die Schwächen beide Male eindeutig überwiegen. So ist „Feuchtgebiete“ bestenfalls funktional in einem lockeren Plauderton irgendwo zwischen naseweis und nervig geschrieben. Erotisch oder lustvoll ist da nichts. Skandalös auch nicht. Tabubrechend – naja. Und warum dieses langweilige Buch – außer der Banalbegründung „Sex sells“ – ein Bestseller wurde, ist mir schleierhaft.
Aber immerhin ist eine Story – Scheidungskind Helen möchte, dass ihre Eltern wieder zusammenkommen und versucht das mit einem möglichst langen Krankenhausaufenthalt zu erreichen – erkennbar und wenn sie dann am Ende, ziemlich überraschend, mit ihrem Krankenpfleger Robin zusammen zieht, kann sogar ein Entwicklungsroman erkannt werden. Immerhin emanzipierte Helen sich im Krankenhaus, als sie über ihr bisheriges Leben nachdachte, von ihren Eltern. Aber das ist vielleicht auch eine Überinterpretation und Helen will einfach nur etwas Sex haben.
Im Film wird dagegen explizit mit dem Skandal gespielt. David Wnendt geht dabei – der Film ist freigegeben ab 16 Jahre – immer an die Grenzen des auch noch für Jugendliche zeigbaren und er bleibt immer geschmackvoll. Und David Wnendt hat viele Szenen dazu erfunden oder erweitert, die im Buch nur einige Zeilen lang sind. Wir erfahren, unter anderem, mehr über ihre Eltern, die beide vollkommen unfähig sind, Kinder zu erziehen, es gibt einen langen Drogentrip von Helen und ihrer Freundin Corinna, nachdem ihr Dealer eine Dose mit Drogen bei ihnen vergisst, es gibt die längere Version von Helens vulgärer Pizzageschichte und, ganz am Anfang als „Trainspotting“-Hommage, einen Besuch von Helen auf Berlins schmutzigster Toilette.
Aber die Episoden bleiben eine Ansammlung von Szenen, bei denen meistens unklar ist, ob sie wahr oder erfunden oder von Helen in ihrer Fantasie überspitzt wurden. Das schon in der Vorlage rudimentäre Handlungsgerüst wurde noch weiter entkernt. Die Versuche, ihre Eltern zusammenzuführen sind kaum vorhanden und dass sie das unbedingt will, wird im Film nicht erkennbar. Sowieso: warum wollen Scheidungskinder unbedingt, dass ihre Eltern wieder zusammen sind und, obwohl sie sich nicht mehr lieben, auf heile Familie machen? Die Liebesgeschichte zwischen Helen und ihrem Pfleger ist höchstens als Schwärmerei eines Teenagers erahnbar, aber meistens geht es einfach um Helen, die ihren Spaß haben will und daher auch Robin ab und zu etwas neckt. Er scheint sowieso der einzige Pfleger auf dieser ziemlich menschenleeren Station zu sein. So kommt dann das gemeinsame Ende mit ihm vollkommen überraschend. Aber vielleicht fährt er sie, als er sie allein vor dem Krankenhaus im Regen stehen sieht, nur zur nächsten U-Bahn-Station.
Sogar die große Enthüllung am Ende des Films (sie hat als Achtjährige gesehen, wie ihre Mutter sich und ihren jüngeren Bruder vergasen wollte), die in einem konventionell erzähltem Film dazu dienen würde, ihre ach so verkorkste Psyche zu erklären und sie geläutert in eine bessere Zukunft entlassen würde, bleibt folgenlos. Im Buch wird dieses große Familiengeheimnis bereits auf Seite 61 (also am Anfang des zweiten Romanviertels) nebenbei enthüllt.
Zusammengehalten werden diese Episoden von der Erzählerin Helen, die fast während des gesamten Films erzählt, was wir gerade sehen oder auch nicht sehen können, weil sie gerade über – Na, Sie wissen schon – sinniert.
Aber die Szenen und das Voice-Over fügen sich nicht zu einem kohärentem Ganzen zusammen. Im Gegenteil. Sie widersprechen sich ständig gegenseitig. So sollen wir, zum Beispiel, glauben, dass Helen freiwillig bei ihrer Mutter bleibt, die sie sadistisch quält (so lässt sie sie auf den Betonboden fallen oder schneidet ihr im Schlaf die Wimpern ab), von einem Guru zum nächsten läuft und anscheinend als hygieneversessene Hausfrau und zweifache Mutter ziemlich sorgenfrei lebt. Helens Vater, der einerseits ein durchaus liebevoller, vermögender Vater mit unklarem Beruf, aber viel Freizeit und wechselnden Freundinnen ist, ist andererseits grotesk geistesabwesend. So schlägt er die Kofferraumtür seines Autos zu, klemmt dabei Helens Hand ein und reagiert überhaupt nicht auf ihre Schreie. Oder er cremt sie am Strand so nachlässig ein, dass sie danach den Sonnenbrand ihres Lebens hat. Sandburgbauen ist halt wichtiger. Billige Lacher ebenso.
Karikaturen sind diese Eltern, wie eigentlich alle Charaktere in „Feuchtgebiete“, sowieso, wobei man sich darüber unterhalten kann, ob sie Karikaturen aus Helens Sicht oder der Filmemacher sind und so kommen wir zu einem großen Problem des Films, der die Vorlage nicht blind-bieder bebildert: er hat keine erkennbare Haltung zur Geschichte. Er ordnet sein Material beliebig an und weil die einzelnen Erlebnisse und Fantasien von Helen folgenlos bleiben, könnten sie auch in irgendeiner anderen Reihenfolge als assoziativer Bilderbogen erzählt werden.
Das ist dann für einen zweistündigen Film, trotz großartiger Schauspieler und guter Inszenierung, zu wenig.
Feuchtgebiete (Deutschland 2013)
Regie: David Wnendt
Drehbuch: Claus Falkenberg, David Wnendt
LV: Charlotte Roche: Feuchtgebiete, 2008
mit Carla Juri, Christoph Letkowski, Meret Becker, Axel Milberg, Marlen Kruse, Peri Baumeister, Edgar Selge, Harry Baer
Länge: 109 Minuten
FSK: ab 16 Jahre
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Die Vorlage (in der schönen Filmausgabe mit 27 Bildern und einem 22-seitigen Interview mit Charlotte Roche, David Wnendt und Peter Rommel)