Neu im Kino/Filmkritik: Superheld „The Flash“ spielt mit der Zeit

Juni 15, 2023

Du kannst die Vergangenheit nicht verändern.“

Wirklich? Es geht um meine Mutter. Sie darf nicht sterben.“

Zufällig entdeckt „The Flash“ Barry Allen, dessen Superfähigkeit ist, dass er sich wahnsinnig schnell bewegen kann, dass er in der Zeit zurückreisen kann; – wobei hier wohl zurücklaufen das zutreffendere Wort ist. Ihm ist natürlich klar, dass er bei so einer Zeitreise nichts großes verändern darf. Also beispielsweise einen Diktator töten. Aber wenn er eine Kleinigkeit verändert, die dazu führt, dass seine geliebte Mutter nicht ermordet und sein Vater für diese Tat nicht angeklagt wird, dann dürfte das kein Problem sein.

Ist es doch.

Zuerst einmal begegnet er in der Vergangenheit seinem jüngeren Ich, das ein verpeilter, vergnügungssüchtiger Slacker-Student ist. Barry ist dagegen ein überaus ernsthafter, junger Mann, der äußerst intelligent und schüchtern ist. Außerdem hat sein jüngeres Ich noch keine Ahnung von seinen Superheldenfähigkeiten. Er findet sie aber, als er davon erfährt, cool.

Dann gestaltet die geplante Rückreise in die Gegenwart sich als schwieriger als angenommen.

Und dann taucht auch noch General Zod auf. Er ist, wie Fans der DC-Superman-Geschichten und der vorherigen Kinofilme des DC Extended Universe (DCEU) wissen, ein Bösewicht vom Supermans Heimatplaneten Krypton. Er will die Erde vernichten.

Barry will das verhindern. Dafür braucht er die Hilfe seiner aus seiner Welt bekannten Freunde von der Justice League. Sie ist eine Superheldentruppe, zu der unter anderem Batman, Superman, Wonder Woman und Aquaman gehören.

Schon bei „Batman“ Bruce Wayne erlebt er seine erste Überraschung. Dieser Bruce Wayne lebt in einem heruntergekommenen Wayne Manor und er ist ein langhaariger, unrasierter Zausel, der wie Michael Keaton aussieht. Der Batman, den er kennt, sieht aus wie Ben Affleck.

Keaton-Batman erklärt ihm, mit der Hilfe von Spaghetti und Tomatensauce, was Barry mit seiner Zeitreise angerichtet hat. Auch im DC-Multiverse gibt es, wie uns vor einigen Tagen in „Spider-Man: Across the Spider-Verse“ für das Marvel-Multiverse erklärt wurde, viele verschiedene Zeitstränge, die voneinander unabhängig existieren. Dabei gibt es bestimmte Ereignisse, die in jedem Fall eintreffen. Einige Ereignisse können eintreffen. Und einiges kann ganz ganz anders sein. Aber in jedem Fall beeinflussen diese Zeitstränge sich nicht. Und Zeitreisen gibt es auch nicht. Wenn doch, führt das zu einem ziemlichen Chaos.

Nach dieser Erkärung machen sie sich auf die Suche nach Superman – und zum eine gute Stunde dauerndem Endkampf, der in seiner Ödnis nie die Brillanz der ersten Actionszene des Films erreicht. In dieser Szene überzeugt The Flash als gewitzer und improvisationsfreudiger Babretter. Im Finalkampf wird dann nur noch stumpf gegen General Zod gekämpft, während links und rechts, oben und unten gesichtslose Fußsoldaten sterben.

Nein, die Überraschungen bei „The Flash“ liegen nicht in der Hauptstory, sondern in den zahlreichen Auftritten bekannter Schauspieler und Figuren. Denn mit dem Multiverse gibt es jetzt nicht einen oder zwei, sondern unendlich viele Batmans. Bruce Wayne kann also in einem Film nicht nur aussehen wie Ben Affleck und Michael Keaton, sondern auch, nun, anders. Gleiches gilt auch für alle anderen Figuren. Nur General Zod wird, wie in vorherigen DCEU-Filmen, wieder von einem hoffnungslos unterfordertem Michael Shannon gespielt. Und einige Details wurden zwischen den Welten geändert. Zum Beispiel wie Batmans Haus und Höhle aussehen. Das ist dann etwas für die Fans, die munter eine Liste mit erkannten Anspielungen und Zitaten erstellen.

Andy Muschietti, der vorher die überzeugenden Horrorfilme „Mama“ und „Es“ inszenierte, erfüllt in seinem neuen Film klaglos die Anforderungen, die an einen Superheldenfilm gestellt werden. Das tut er gut, aber auch ohne irgendeine Überraschung. Das Ergebnis ist die Spielfilmversion von Malen nach Zahlen.

Deshalb unterscheiden sich die Kritikpunkte an „The Flash“ nicht von den aus fast allen neueren Superheldenfilmen bekannten Kritikpunkten. Das sind ein vergessenswerter Bösewicht, teils angesichts des Budgets atemberaubend schlechte Tricks und eine schlampig erzählte Geschichte. So dauert es in „The Flash“ ewig, bis General Zod auftaucht. Bis dahin zeigt Andy Muschietti uns, wie sehr Barry seine Mutter liebt, wie er sich in eine ehemalige Mitschülerin, die er jetzt als Journalistin wieder trifft, verliebt, wie er mit seinem jüngeren Ich plaudert und wie er mit Batman kämpft. Das ist unterhaltsam, aber auch immer wieder länger als nötig und so ähnlich inzwischen aus vorherigen Superheldenfilmen bekannt. Mit einer Szene am Ende des Abspanns, kommt „The Flash“ dann auf die inzwischen für Superheldenfilme übliche Laufzeit von ungefähr zweieinhalb Stunden.

Das gesagt steht „The Flash“ vor allem als Einzelfilm, der seit Jahren angekündigt und in der Planung war. Er kann auch ohne das Wissen des DCEU gesehen werden. Wobei etwas Wissen über die Figuren hilfreich ist. Aber alles für diesen Film wichtige erklärt Barry seinem jüngeren Ich.

The Flash“ könnte der erste und letzte Solofilm mit Ezra Miller als The Flash sein. Das liegt einerseits an seinem Verhalten in der Öffentlichkeit und damit verbundenen Rechtsstreitigkeiten. Inzwischen hat er gesagt, er habe psychische Probleme gehabt und befinde sich in Behandlung. Andererseits richten James Gunn und Peter Safran, die aktuell die Verantwortung für das DCEU haben, dieses komplett neu aus. Es ist dabei unklar, welchen Stellenwert Ezra Miller und The Flash im Rahmen dieser Neuausrichtung haben werden.

The Flash (The Flash, USA 2023)

Regie: Andy Muschietti

Drehbuch: Christina Hodson (nach einer Filmgeschichte von John Francis Daley, Jonathan Goldstein und Joby Harold, basierend auf DC-Figuren)

mit Ezra Miller, Sasha Calle, Ben Affleck, Michael Keaton, Michael Shannon, Ron Livingston, Antje Traue, Jeremy Irons, Temuera Morrison, Kiersey Clemons, Maribel Verdú

Länge: 144 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Moviepilot über „The Flash“

Metacritic über „The Flash“

Rotten Tomatoes über „The Flash“

Wikipedia über „The Flash“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Andy Muschiettis „Mama“ (Mama, Spanien/Kanada 2012)

Meine Besprechung von Andy Muschiettis Stephen-King-Verfilmung „Es“ (It, USA 2017)

Meine Besprechung von Andy Muschiettis Stephen-King-Verfilmung „Es Kapitel 2“ (It Chapter 2, USA 2019)


Neu im Kino/Filmkritik: Nach dem Tod von Superman muss die „Justice League“ ran

November 16, 2017

Am Anfang von „Justice League“, dem neuen Film aus dem DC Extended Universe, ist Superman immer noch tot. ‚Batman‘ Bruce Wayne und „Wonder Woman“ Diana Prince bekämpfen weiterhin Bösewichter. Insofern läuft alles seinen gewohnten Gang. Seltsam ist nur die auch für Batman-Verhältnisse Häufung seltsamer Bösewichter, die in letzter Zeit vermehrt auftauchen. Wayne glaubt, dass sie die Vorboten einer irgendwo aus dem Weltall kommenden großen Attacke auf die Menschheit sind.

Deshalb will er ein Team talentierter Personen (also Männer) zusammenstellen. Die titelgebende „Justice League“. Am Ende besteht das Team aus Aquaman (der mit den Fischen reden kann), Flash (der unglaublich schnell ist, weniger schnell ißt und für den Humor zuständig ist), Cyborg (der im Zweifelsfall irgendwie alles kann), Wonder Woman, Batman und einem Überraschungsgast, der dann doch nicht so super überraschend ist. Sie müssen gegen Steppenwolf kämpfen, der die drei Mother Boxes zusammenfügen will. Das wäre der Untergang der Welt, wie wir sie kennen. Deshalb wurden die Mother Boxes vor Ewigkeiten, nach einer großen Schlacht, an verschiedenen Orten versteckt. Eine in der Welt von Wonder Woman, eine in der von Aquaman und eine an einem unbekannten Ort.

Das ist die mühsam über den halben Film entwickelte Prämisse, die dann schnell in dem unvermeidlichen Finale mündet, bei dem höchstens überrascht, dass nichts überrascht. Bis dahin ist der Film voller Exposition, in der zwei Charaktere, meistens bewegungslos, sich erklären, was sie gerade fühlen und dabei den Plot zum nächsten Plot Point schieben. Das ist dann ungefähr emotional so involvierend wie das Studium eines Bauplans.

Entsprechend zäh gestalten sich die zwei Filmstunden, in denen die Mitglieder der Justice League blasse Gesellen bleiben. Im Gegensatz zu den Avengers von der deutlich unterhaltsameren Marvel-Konkurrenz.

Davon abgesehen erzählt „Justice League“ die Geschichte von „Batman v Superman: Dawn of Justice“ fort und baut darauf, dass man auch die DCEU-Filme „Man of Steel“ und „Wonder Woman“ (jau, der war gut) gesehen hat. Dann versteht man einige Anspielungen und Szenen besser und man weiß, warum so viele bekannte und großartige Schauspieler, wie Amy Adams, Jeremy Irons, Diane Lane und J. K. Simmons (in seinem Debüt als Commissioner Gordon), teilweise in Minirollen dabei sind.

Ben Affleck schaut als Bruce Wayne so missmutig in die Kamera, dass man förmlich hört, wie er sich die ganze Zeit fragt, was er in dem Scheiss sucht. Vielleicht weil der Ärger mit seinem Batman-Film sich während dem Dreh von „Justice League“ kontinuierlich steigerte. Der Hauptdreh für „Justice League“ war von April bis Oktober 2016. Im Frühjahr gab es, nachdem Zack Snyder im März wegen dem Suizid seiner Tochter die Arbeit niederlegte, zwei Monate Nachdrehs. Joss Whedon hatte die Regie übernommen und auch das Drehbuch überarbeitet. Es hieß auch, dass nach dem überragenden Erfolg von „Wonder Woman“ die Tonalität des Film geändert werden sollte.

Affleck, der den nächsten Batman-Film nach seinem Drehbuch inszenieren sollte, trat zwischen diesen beiden Drehs von der Regie für den geplanten Batman-Film zurück. Matt Reeves übernahm die Regie. Ihm gefiel Afflecks Drehbuch (Hey, gibt es das irgendwo im Netz?) nicht und anscheinend wird jetzt ein vollkommen neues Drehbuch geschrieben. Es gab auch Gerüchte, dass Warner überlegte, Afflecks Batman aus dem DCEU herauszuschreiben. Das alles ist bei einem Big-Budget-Film, vor allem vor Drehbeginn, nicht unbedingt ungewöhnlich, aber dass Affleck nach dem ganzen Ärger nach einem Weg aus dem Franchise sucht, ist nachvollziehbar. In aktuellen Interviews spricht er, ohne irgendetwas genaues zu sagen, über ein mögliches Ende seines Batmans. Es würde auch sein lustlos-verbissenes Spiel erklären.

Gal Gadot stahl in „Batman v Superman“ in ihren wenigen Szenen als Wonder Woman den Superhelden-Jungs mühelos die Show. In ihrem Solofilm „Wonder Woman“ war sie eine in jeder Beziehung willkommene Überraschung. In „Justice League“ wird sie hoffnungslos unter Wert verkauft.

Die anderen, ähem, Charaktere sind dann nur noch Staffage. Henry Cavill als Superman hat letztendlich nur eine Nebenrolle. Auch weil er die meiste Filmzeit tot ist. Und wenn er dann wiederbelebt wird, liefert er sich erst einmal eine Klopperei mit der Justice League, ehe er tiefsinnig über riesige Maisfelder blicken darf. Jason Momoa als Aquaman Arthur Curry und Ray Fisher als Cyborg Victor Stone sind blass. Ezra Miller als The Flash Barry Allen ist für den in Richtung des letzten Spider-Man-Films „Homecoming“ gehenden stubenreinen Pennäler-Humor zuständig. Schnell nervt dieser Humor und man wünscht sich noch langen vor dem Abspann Jesse Eisenberg zurück. In „Batman v Superman“ spielte er den bekannten Superman-Antagonisten Lex Luthor. Seine Spiel war zwar in Fankreisen umstritten, aber auch absolut bizarr und kurzweilig.

Dieses Mal ist der Bösewicht Steppenwolf, ein zweieinhalb Meter großer Krieger von der Alptraumwelt Apokolips. Viel mehr gibt es über ihn nicht zu sagen. Es ist eine CGI-Gestalt, die im Original von Ciarán Hinds gesprochen und wohl auch etwas gespielt wurde.

Und damit kommen wir zu Zack Snyder, dem Mastermind im DCEU-Filmkosmos. Wieder hat er die Regie übernommen und wieder gibt es Michael Bay für griesgrämige Comic-Nerds. Daran ändert der Wechsel des Regisseurs nichts. Whedon drückte dem Film nicht seinen Stempel auf, sondern er ergänzte in Snyders Sinn. Auch wenn man sich nach dem Erfolg von „Wonder Woman“ um eine andere Tonalität bemüht und alles bunter ist, ist der Grundton immer noch düster und schwermütig. Wie eine missglückte Pseudo-Doom-Metal-Version eines Beatles-Songs. – – Hm, im Abspann gibt es mit dem Beatles-Cover „Come together“ von Junkie XL, feat. Gary Clark Jr., so etwas ähnliches.

Die Bilder erinnern, wie man es von Zack Snyder gewohnt ist, an Comic-Panels. Das sieht unbestritten gut aus. Aber der gesamte Film sieht, abgesehen von einem kurzen „Watchmen“-Selbstzitat in den ersten Minuten, wie eine Abfolge von Panels aus. Nur ergibt eine Abfolge von Standbildern keinen Film. Das zeigt sich in den Actionszenen, die alle wenig dynamisch sind. Dialoge sind banale Schuss-Gegenschuss-Montagen, die mit einer Bräsigkeit zelebriert werden, die ihnen jedes Leben aussagen bis sie zu einem Standbild gefrieren. Da hat sogar ein Dialog in einer 08/15-TV-Serie oder einer TV-Show mehr Dynamik. Alles in „Justice League“ ist statisch. Nichts hat einen eigenständigen Rhythmus.

Das Drehbuch ist nur eine Abfolge von Plot Points, die eine niemals überraschende Geschichte erzählen. Im Gegensatz zu „Batman v Superman“ ist die Geschichte wenigstens immer nachvollziehbar und in sich schlüssig. Die Charaktere sind durchgehend eindimensional. Ihre Dialoge banal. Für keinen Schauspieler gibt es etwas, mit dem er arbeiten könnte. Sie müssen nur die Stichworte für den nächsten Plot Point geben. Entsprechend blass bleiben sie.

Wie bei Marvel gibt es im Abspann zwei Szenen, wobei die zweite die gelungenere ist. Sie teast auch den nächsten Film an, der – die Hoffnung stirbt zuletzt – besser als „Justice League“ sein könnte. Wenn sie bei DC endlich einmal Geld für ein schlüssiges, überraschendes, wendungs- und facettenreiches Drehbuch ausgeben. Bis dahin wird man diesen Langweiler, der nichts aus seinem Budget von dreihundert Millionen US-Dollar macht, vergessen haben.

Justice League (Justice League, USA 2016)

Regie: Zack Snyder, Joss Whedon (ungenannt)

Drehbuch: Chris Terrio, Joss Whedon (nach einer Geschichte von Chris Terrio und Zack Snyder)

mit Ben Affleck, Henry Cavill, Amy Adams, Gal Gadot, Ezra Miller, Jason Momoa, Ray Fisher, Jeremy Irons, Diane Lane, Connie Nielsen, J. K. Simmons, Ciarán Hinds, Amber Heard, Joe Morton, Lisa Loven Kongsli, Ingvar Sigurdsson, David Thewlis, Sergi Constance

Länge: 120 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Deutsche Warner/DC-Facebook-Seite

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „Justice League“

Metacritic über „Justice League“

Rotten Tomatoes über „Justice League“

Wikipedia über „Justice League“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Zack Snyders „Batman v Superman: Dawn of Justice“ (Batman v Superman: Dawn of Justice, USA 2016)