
Er liebte das Kino, wurde von ihm erzogen, erhielt Lebensberatung, betrachtete es als große Kunst, als es noch als niedere Kunst, mit der man sich nicht ernsthaft beschäftigen muss, betrachtet wurde, und er inszenierte Filme, die das weitergaben, was er im Kino gelernt hatte, bewunderte und liebte. Und er war, bevor er zum auch international geachteten Regisseur wurde, ein gefürchteter Kritiker bei der „Cahiers du Cinéma“. Sein bekanntester Text aus der Zeit ist „Eine gewisse Tendenz im französischen Film“, in dem er sich gegen die im französischen Kino herrschende ‚Tradition der Qualität‘ wandte.
Gegen dieses Kino inszenierte er zwischen seinem Debüt „Sie küssten und sie schlugen ihn“ (1959) und seinem letzten Film „Auf Liebe und Tod“ (1983) insgesamt 21 Spielfilme, die zum Kanon des französischen Kinos gehören. Am 21. Oktober 1984 starb François Truffaut mit 52 Jahren an einem unheilbarem Gehirntumor. Noch heute hat er Bewunderer. Mit einigen unterhielt Josef Schnelle sich für ein in der Langen Nacht des Deutschlandfunks am 4./5. Mai 2024 ausgestrahltes Radiofeature, das er anschließend zu dem reichhaltig illustrierten Buch „Der Mann, der das Kino liebte – François Truffaut und seine Filme“ ausbaute. Es handelt sich um eine sehr gelungene Collage aus für dieses Feature aufgenommenen Gesprächen mit Michael Klier (Regisseur, der in den sechziger Jahren in Paris auch bei Truffaut hospitierte), Hans-Christoph Blumenberg (ehemaliger Filmkritiker und seit 1984 Spielfilmregisseur), Robert Fischer (Filmpublizist, Übersetzer und Vertrauter Truffauts in Deutschland) und Gertrud Koch (feminstische Filmwissenschaftlerin), Selbstauskünften von Truffaut, Ausschnitten aus seinen Filmen (mit Bildern) und verbindenden Texten. Oder in der Sprache des Films: Das Buch ist ein auf einem Drehbuch basierender ‚Roman zum Film‘.
Schnelle klappert dabei nicht chronologisch Truffauts Filme ab, sondern nähert sich ihm und seinem Werk aus verschiedenen Perspektiven. Im Zentrum steht, wenig überraschend, Truffauts Film „Eine amerikanische Nacht“ über die Dreharbeiten zu einem Film. Truffaut schrieb, zusammen mit Jean-Louis Richard und Suzanne Schiffman, das Drehbuch, führte Regie und übernahm, wie bei einigen wenigen seiner Film, auch die Hauptrolle. Er spielte den Regisseur. „Eine amerikanische Nacht“ ist immer noch einer der besten, um nicht zu sagen der definitive Film über den Dreh eines Film und die die Dreharbeitenden begleitenden großen und kleinen Katastrophen. Truffauts Debüt „Sie küssten und sie schlugen ihn“, seine weiteren, über Jahrzehnte entstandenen Antoine-Doinel-Filme, „Jules und Jim“, „Der Mann, der Frauen liebte“, „Taschengeld“ und „Der Wolfsjunge“ (in beiden Filmen stehen Kinder im Zentrum) nehmen ebenfalls einen breiteren Raum ein. Seine anderen Filme werden meist nur kurz gestreift.
Wichtige Themen in dem Buch sind Truffauts Arbeit als Filmkritiker und seine Liebe zum Kino, seine sich von Freund- zu Feindschaft wandelnde Beziehung zu Jean-Luc Godard, seine Beziehung zu Frauen und Kindern und was den Truffaut-Touch ausmacht. Es handelt sich dabei um seinen liebevollen Blick auf die Menschen, der in all seinen Filmen, die Komödien, Dramen, Kriminalfilme, historische Dramen, Science Fiction vorhanden ist und sie miteinander verbindet.
Schnelles Buch ist eine kundige und konzentrierte Einführung in das Werk des Cinephilen François Truffauts. Langjährige Bewunderer Truffauts werden danach wieder einen seiner Filme sehen wollen. Alle andere sollten das Buch als eine mühelos zu lesende Einladung verstehen, sich mit Truffaut und seinen Filmen zu beschäftigen. Als Einstieg können die hier genannten Filme dienen.
Und danach, immerhin erscheint meine Besprechung in der „Kriminalakte“, seine Noirs „Schießen Sie auf den Pianisten“ (nach einem Roman von David Goodis), „Die Braut trug schwarz“ (nach einem Roman von Cornell Woolrich), „Das Geheimnis der falschen Braut“ (nach einem Roman von William Irish) und „Auf Liebe und Tod“ (nach einem Roman von Charles Williams) ansehen.
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Josef Schnelle: Der Mann, der das Kino liebte – François Truffaut und seine Filme
Schüren, 2025
156 Seiten
25 Euro
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Hinweise
Wikipedia über François Truffaut (deutsch, englisch, französisch)
Zweiter Teil meines Francois-Truffaut-Porträts: Die Antoine-Doinel-Filme
Veröffentlicht von AxelB 