Neu im Kino/Filmkritik: „Dracula – Die Auferstehung“ von Luc Besson

Oktober 29, 2025

Der deutsche Titelzusatz ist blöde. „Die Auferstehung“ hat nichts mit dem Film zu tun. Der originale Zusatz „A Love Tale“ beschreibt dagegen treffend, was Luc Bessons Dracula ist: eine sich über mehrere Jahrhunderte erstreckende Liebesgeschichte.

Besson hält sich in seiner Interpretation der Geschichte von Graf Dracula an die aus Bram Stokers Schauerroman und den unzähligen Verfilmungen bekannten, immer wieder, mal besser, mal schlechter, variierten Eckpunkte, Davon ausgehend dehnt er die Geschichte, verschiebt Schwerpunkte und variiert bekannte Elemente. Trotzdem bleibt sein Dracula immer mühelos als Dracula erkennbar.

Bei ihm geht die Geschichte so: 1480 kämpft Graf Vlad II, der spätere Graf Dracula (Caleb Landry Jones), als regionaler Fürst, mit dem Segen der Kirche, gegen eroberungswütige Bösewichter. Dabei würde er lieber die Zeit mit seiner über alles geliebten Frau Elisabeta (Zoë Bleu) verbringen. Als er wieder in die Schlacht ziehen muss, hat er nur eine Bitte an die Kirche: Gott möge seine große Liebe beschützen. In einer grotesken Abfolge von Ereignissen tötet Vlad Elisabeta als er sie retten will. Wutentbrannt tötet er den Stellvertreter der Kirche – und wird danach für seine gotteslästerliche Tat bestraft. Er kann nicht mehr sterben und wird zum Vampir.

Ungefähr vierhundert Jahre später wird in Paris eine Vampirin gefangen genommen. Ein Priester (Christoph Waltz, der hübsch süffisant Waltz-Sätze sagen darf) wird herbeigerufen. Er soll herausfinden, wer der Herr dieses Vampirs ist.

In dem Moment springt Luc Besson nach Transsylvanien. Als Jonathan Harker Graf Dracula ein Haus verkaufen will, sieht der Vampir ein Bild von Harkers künftiger Frau Mina (Zoë Bleu). Die Frau auf dem Bild sieht wie Draculas seit Jahrhunderten tote große Liebe Elisabeta aus.

Dracula macht sich, wenige Tage vor dem Beginn der Weltausstellung, auf den Weg nach Paris. Dort verdreht er als Dandy und mit der Hilfe eines speziellen Parfums, den Frauen den Kopf.

Natürlich wird Besson für seinen „Dracula“-Film keinen Innovationspokal bekommen. Es ist, in Richtung „Besson pur“ gehend, ein großes, farbenprächtiges Spektakel, das Graf Dracula wieder zu seine Ursprüngen zurückbringt. Nachdem Robert Eggers zum Jahresanfang in seiner „Dracula“-Interpretation „Nosferatu – Der Untote“ dem blutsaugenden Grafen alle Farben austrieb, Sex zur Onanie wurde und dem hässlichsten Mann des Dorfes alle Jungfrauen zu Füßen lagen, ist bei Besson der Graf wieder ein gut aussehender Verführer. Es gibt, teils bei orgiastischen Festen, reichlich Austausch von Körperflüssigkeiten und alles ist überbordend bunt als gelte es ein Fest für das Leben zu feiern. Bei den Punkten „Tageslicht“, „Knoblauch“ und „Kreuze“ nimmt Besson sich (wie schon Roman Polanski in seinem „Tanz der Vampire“) wohltuende Freiheiten.

Dracula – Die Auferstehung“ ist genau das überkandideltes Pop-Pulp-Horrorfantasymärchen, das man sich von Luc Besson erhofft. Sein Dracula ist kein perfekter Film. Aber eine spaßige, etwas zu lang geratene, gewollt grandezza-trashige Angelegenheit, schwankend zwischen pompösen Massenszenen, exaltierten Auftritten in noblen und weniger noblen Hallen, teils gewöhnungsbedürftigen Computereffekten und leinwandfüllenden Landschaftsaufnahmen.

Wie bei Robert Eggers‘ „Nosferatu – Der Untote“ und Guillermo del Toros „Frankenstein“ (seit letzter Woche in einigen Kinos und ebenfalls mit Christoph Waltz) ist durchaus unklar, warum die allseits bekannte Geschichte wieder verfilmt werden musste. Ein grundsätzlicher neuer Aspekt ist nicht erkennbar. Immerhin gibt es bei Besson einige Gedanken über Gott, Glaube und Kirche.

Das könnte bei Radu Judes „Dracula“-Version, die noch keinen deutschen Starttermin hat, anders sein. Nach dem Trailer hat er, mit KI-Hilfe, eine vollkommen durchgeknallte Version von „Dracula“ inszeniert.

Dracula – Die Auferstehung (Dracula: A Love Tale, Frankreich/USA 2025)

Regie: Luc Besson

Drehbuch: Luc Besson

LV: Bram Stoker: Bram Stoker: Dracula, 1897 (Dracula)

mit Caleb Landry Jones, Christoph Waltz, Zoë Bleu, Matilda De Angelis, Ewens Abid, David Shields, Guillaume de Tonquédec

Länge: 131 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Moviepilot über „Dracula – Die Auferstehung“

AlloCiné über „Dracula – Die Auferstehung“

Rotten Tomatoes über „Dracula – Die Auferstehung“

Wikipedia über „Dracula – Die Auferstehung“ (deutsch, englisch, französisch)

zu Luc Besson

Meine Besprechung von Luc Bessons „Léon – Der Profi“ (Léon, Frankreich 1994)

Meine Besprechung von Luc Bessons „The Lady – Ein geteiltes Herz“ (The Lady, Frankreich/Großbritannien 2011)

Meine Besprechung von Luc Bessons „Lucy“ (Lucy, Frankreich 2014)

Meine Besprechung von Luc Bessons „Valerian – Die Stadt der tausend Planeten“ (Valerian and the City of a thousand Planets, Frankreich 2017)

Meine Besprechung von Luc Bessons „Anna“ (Anna, Frankreich 2019)

Meine Besprechung von Luc Bessons „Dogman“ (Dogman, Frankreich/USA 2023)

Luc Besson in der Kriminalakte

zu Graf Dracula und seinen Umtrieben

Meine Besprechung von Dario Argentos „Dario Argentos Dracula“ (Dracula 3D, Italien 2012)

Meine Besprechung von Gary Shores „Dracula Untold“ (Dracula Untold, USA 2014)

Meine Besprechung von Jonny Campbell/Damon Thomas/Paul McGuigans „Dracula“ (Dracula, Großbritannien 2020 – TV-Serie nach einem Buch von Mark Gatiss und Steven Moffat)

Meine Besprechung von Chris McKays „Renfield“ (Renfield, USA 2023)

Meine Besprechung von André Øvredals „Die letzte Fahrt der Demeter“ (The last Voyage of the Demeter, USA/Deutschland 2023) (Horrorfilm über die Seereise von Graf Dracula)

Meine Besprechung von Robert Eggers „Nosferatu – Der Untote“ (Nosferatu, USA 2024)

Meine Besprechung von Roy Thomas/Mike Mignolas „Bram Stoker’s Dracula“ (Bram Stoker’s Dracula 1-4, 1993) (der Comic-Version von Francis Ford Coppolas Film)


Cover der Woche

Oktober 28, 2025

Weil am Donnerstag Luc Bessons spaßige Interpretation der Geschichte des Grafen Dracula anläuft: Hier das schöne Cover einer aktuell erhältlichen Ausgabe


Neu im Kino/Filmkritik: Über Robert Eggers‘ Dracula-Film „Nosferatu – Der Untote“

Januar 2, 2025

Für Robert Eggers war „Nosferatu“ ein lange gehegtes Herzensprojekt. Schon als Kind war er von Murnaus „Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens“ fasziniert. An der Highschool schrieb er eine Bühnenadaption, die auch aufgeführt wurde. Nach seinem Regiedebüt schrieb er ein Drehbuch für eine damals geplante Verfilmung. Die Pläne für eine Verfilmung zerschlugen sich in den folgenden Jahren immer wieder. Eine Zeit lang dachte Eggers auch, dass er niemals seine Nosferatu-Version verfilmen könnte. 2023 konnte er sie dann doch verfilmen.

Cineasten kennen und lieben Eggers für „The Witch“ (2016), „Der Leuchttum“ (2019) und „The Northman“ (2022), den ich optisch überzeugend, storytechnisch mehr als enttäuschend fand.

Jetzt läuft seine Version der bekannten Dracula-Geschichte im Kino und nachdem Bram Stokers Roman seit den ersten Tagen des Kinos unzählige Male verfilmt wurde, stellen sich natürlich sofort zwei Fragen: Wie überzeugend ist die Neuinterpretation? Und wie gut kann sie gegen die bekannten Versionen der Geschichte bestehen? Das wären unter anderem Tod Brownings „Dracula“ (1930 mit Bela Lugosi als Dracula), Terence Fishers „Dracula“ (1958 mit Christopher Lee als Dracula) und Francis Ford Coppolas „Bram Stoker’s Dracula“ (1992 mit Gary Oldman als Dracula).

Es gibt auch Friedrich Wilhelm Murnaus „Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens“ (1922, mit Max Schreck als, nun Dracula, der hier Orlok bzw. Nosferatu heißt) und Werner Herzogs eigenständiges Remake „Nosferatu – Phantom der Nacht“ (1979, mit Klaus Kinski als Blutsauger). „Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens“ bediente sich der „Dracula“-Geschichte, hatte aber die Rechte an Bram Stokers Roman nicht erworben. Das führte kurz nach dem Filmstart zu einer letztendlich erfolgreichen Klage von Bram Stokers Witwe.

Und dann gibt es noch zahlreiche mehr oder weniger freie, mehr oder weniger gelungene Erzählungen der Dracula-Geschichte. Genannt seien hier Dario Argentos misslungener „Dracula“ (2012) und der sehr gelungene BBC-Dreiteiler „Dracula“ von 2020. Die „Sherlock“-Macher Steven Moffat und Mark Gattis interpretierten die Geschichte für die Gegenwart und verlegten sie teilweise auch in die Gegenwart. Jonny Campbell, Damon Thomas und Paul McGuigan übernahmen die Regie. Claes Bang verkörperte den überaus charismatischen und verführerischen Grafen mit spürbarer Lust am Verführen, Beißen und Aussagen seiner Opfer.

Eine Sonderstellung hat E. Elias Merhiges „Shadow of the Vampire“ (2000), das als „Making of“ gleichzeitig eine Hommage und liebevolle Satire über Murnaus „Nosferatu“ ist. Mit Willem Dafoe als Max Schreck.

Nun präsentiert Robert Eggers seine Version der bekannten Geschichte. Er bezieht sich in seinem Dracula-Film explizit auf Murnaus Stummfilm, der „vor allem ein expressionistischer Gegenentwurf zum ‚Dracula‘ aus der Zeit nach der schwarzen Romantik“ (Georg Seeßlen, epd film 1/2025) ist. Die Geschichte darf nach all den Verfilmungen und dem heute immer noch populärem Roman als bekannt vorausgesetzt werden.

1838 wird der in der Ostsee-Hafenstadt Wisborg lebende junge, glücklich verheiratete Immobilienmakler Thomas Hutter (Nicholas Hoult) beauftragt, nach Transsylvanien zu reisen. Dort soll er Graf Orlok (Bill Skarsgård) treffen und den Vertrag für den Kauf eines Herrenhauses in Wisborg abschließen.

Der ziemlich seltsame Graf Orlok unterzeichnet den Vertrag und kurz darauf erkundet der Vampir nach Sonnenuntergang sein neues Jagdrevier Wisborg. Besonders interessiert er sich für Hutters Frau Ellen (Lily-Rose Depp).

Eggers inszeniert seine top besetzte Dracula-Variante sehr Stummfilm-Stilbewusst. Die von seinem Stamm-Kameramann Jarin Blaschke gemachten Bilder und das gewählte Bildformat erfreuen das Auge des Cineasten, der während des gesamten Films viele Anspielungen entdecken kann. Es gibt also genug Material für einige Universitätsseminare.

Aber hinter den Bildern ist nichts. In Vampirgeschichten geht es immer um Sex, Begehren und der Austausch von Körperflüssigkeiten, der bevorzugt durch einen Biss in den Hals erfolgt. Davon ist bei Eggers nichts zu spüren. Zugegeben: er zeigt viel nackte Haut. Aber Nacktheit hat – auch wenn wir uns Eggers‘ Nosferatu ansehen – nicht unbedingt etwas mit Erotik und Begehren zu tun.

Eigentlich sagt schon ein Bild am Filmanfang alles über den Film und sein größtes Problem. Eggers zeigt in einer Totalen eine junge Frau, die Mitten in der Nacht in einem Garten in einem Nachthemd auf der Wiese liegt und sich selbst befriedigt. Das kann auch über den Film gesagt werden: künstlerische, von sich und seiner Bedeutung bedingungslos überzeugte Selbstbefriedigung, die genau das vermissen lässt, was Dracula/Nosferatu ausmacht.

Nosferatu – Der Untote“ ist prüdes lustfeindliches Ausstattungskino und so aufregend wie der längliche Besuch in einem Museum, in dem der Führer einem noch ein Schmuckstück der historischen Sammlung zeigen will.

Nosferatu – Der Untote (Nosferatu, USA 2024)

Regie: Robert Eggers

Drehbuch: Robert Eggers

LV (neben Murnaus „Nosferatu“): Bram Stoker: Dracula, 1897 (Dracula)

mit Bill Skarsgård, Nicholas Hoult, Lily-Rose Depp, Willem Dafoe, Aaron Taylor-Johnson, Emma Corrin, Simon McBurney, Ralph Ineson

Länge: 133 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Moviepilot über „Nosferatu – Der Untote“

Metacritic über „Nosferatu – Der Untote“

Rotten Tomatoes über „Nosferatu – Der Untote“

Wikipedia über „Nosferatu – Der Untote“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Robert Eggers‘ „The Witch“ (The Witch: A New-England Folktale, Kanada/USA 2015)

Meine Besprechung von Robert Eggers‘ „Der Leuchtturm“ (The Lighthouse, USA 2019)

Meine Besprechung von Robert Eggers‘ „The Northman“ (The Northman, USA 2022)

zu Graf Dracula und seinen Umtrieben

Meine Besprechung von Dario Argentos „Dario Argentos Dracula“ (Dracula 3D, Italien 2012)

Meine Besprechung von Gary Shores „Dracula Untold“ (Dracula Untold, USA 2014)

Meine Besprechung von Jonny Campbell/Damon Thomas/Paul McGuigans „Dracula“ (Dracula, Großbritannien 2020 – TV-Serie nach einem Buch von Mark Gatiss und Steven Moffat)

Meine Besprechung von Chris McKays „Renfield“ (Renfield, USA 2023)

Meine Besprechung von André Øvredals „Die letzte Fahrt der Demeter“ (The last Voyage of the Demeter, USA/Deutschland 2023) (Horrorfilm über die Seereise von Graf Dracula)

Meine Besprechung von Roy Thomas/Mike Mignolas „Bram Stoker’s Dracula“ (Bram Stoker’s Dracula 1-4, 1993) (der Comic-Version von Francis Ford Coppolas Film)


Neu im Kino/Filmkritik: „Die letzte Fahrt der Demeter“, die erste Fahrt mit Graf Dracula als Passagier

August 17, 2023

Wer Bram Stokers Roman „Dracula“ gelesen oder eine der vielen Verfilmungen des Romans gesehen hat, weiß, wie die Fahrt der Demeter endet. Die Demeter ist das Frachtschiff, das Graf Dracula und mehrere mit Erde gefüllte Kisten aus seiner Heimat, den Karpaten, nach England befördert. In London möchte er das Nachtleben in sich aufsaugen. Während der Fahrt tötet Dracula die Seeleute. Als die Demeter während eines Orkans in der zur Grafschaft Yorkshire gehörenden Hafenstadt Whitby strandet, ist die gesamte Besatzung tot.

Bram Stoker schildert diese Reise auf wenigen Seiten. In meiner dreihundertseitigen Übersetzung des Romans sind es keine fünf Seiten, in denen es vor allem darum geht, zu erklären, wie Graf Dracula aus seiner Heimat nach England gelangt. Dort spielt dann der größte Teil des Romans. In den Verfilmungen, die für jede Generation von Kinogängern die Figur des blutsaugenden Grafen neu interpretierten, wurde es bislang ähnlich gehandhabt. Die Reise interessierte nicht weiter.

Schon vor über zwanzig Jahren hatte Bragi Schut jr. die Idee, das Logbuch der Demeter als Grundlage für einen Spielfilm zu nehmen. Seine Idee kam bei Produzenten gut an. Anschließend wanderte das Projekt durch viele Hände, bis die Geschichte der letzten Fahrt der Demeter jetzt von André Øvredal verfilmt wurde. Øvredal inszenierte davor „Troll Hunter“ und „Scary Story we tell in the Dark“. Beides durchaus gelungene Genrewerke. Auch sein neuester Film „Die letzte Fahrt der Demeter“ ist ein Horrorfilm, der am besten funktioniert, wenn man ihn als netten altmodischen, zu lang geratenen Grusler goutiert. Denn wofür Øvredal zwei Stunden benötigt, wurde früher in neunzig Minuten erzählt. Wie früher wurde der Film nicht auf einem Schiff, sondern im Studio gedreht und im Zweifelsfall sind Atmosphäre und Schocks wichtiger als Logik und Wahrscheinlichkeit.

Die Länge ist nur ein Problem des Films. Ein anderes ist die Geschichte, die auf dem Logbuch der Demeter basiert und dieses auf Spielfilmlänge erweitert. Dafür werden auch einige neue Figuren erfunden: ein naseweiser Schiffsjunge, ein überqualifizierter Doktor, der hier zum ersten Mal auf der Demeter als Schiffsarzt anheuert, und eine junge Frau, die ihr bisheriges Leben in den Karpaten in dem Dorf verbrachte, das von Graf Dracula beherrscht wird. Gerade Anna ist die problematischste neue Figur. Denn obwohl sie ihr Leben mehr oder weniger mit dem Blutsauger verbrachte und von ihm an Bord geschmuggelt wurde, weiß sie nicht, wie man sich vor ihm schützt oder ihn töten kann. Sie hat weniger Ahnung von Vampiren, ihren Eigenschaften, Stärken und Schwächen als Professor van Helsing, der in „Die letzte Fahrt der Demeter“ nicht auftaucht.

Henry Clemens, der Mediziner, der zurück nach England will und deshalb auf der „Demeter“ anheuert, ist eine okaye neue Figur, die als Wissenschaftler einen van-Helsing-Touch hat. Er kann Menschen verarzten. Beispielsweise Anna, die, als sie auf der Demeter gefunden wird, schwer verletzt ist. Er stellt Vermutungen über die Ursachen ihrer Verletzungen an. Er will herausfinden, was auf der Demeter geschieht. Und er will Dracula besiegen.

Die Seeleute verhalten sich ziemlich idiotisch. So suchen sie den geheimnisvollen Passagier, den einige der Seemänner gesehen habe wollen, bevorzugt nach Einbruch der Dunkelheit. Schließlich ist er tagsüber nicht zu sehen. Auch nachdem sie sehen, wie einige ihrer Kameraden, die von Dracula zu Vampiren gemacht wurden, im Sonnenlicht verbrennen, kommen sie nicht auf die Idee, dass sie den unbekannten Passagier tagsüber suchen und ins Sonnenlicht zerren sollten. Als sie ihm eine Falle stellen, stellen sie diese nachts und in Sichtweite des rettenden Landes. Letztendlich sind sie Vampirfutter.

Graf Dracula ist erst gegen Ende länger im Bild. Er sieht aus wie Nosferatu, also wie Max Schreck in Friedrich Wilhelm Murnaus Stummfilm „Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens“ (eine nicht autorisierte Verfilmung von Stokers Roman) oder wie Klaus Kinski in Werner Herzogs Remake „Nosferatu – Phantom der Nacht“. Allerdings hat Javier Botets Dracula nichts verführerisches. Er ist ein nur nach Nahrung gierendes Monster.

Gerade weil die Macher in „Die letzte Fahr der Demeter“ nicht eine neue Menschen-müssen-auf-einem-Schiff-gegen-ein-Monster-kämpfen-Geschichte erzählen wollen, sondern einen Teil von Stokers „Dracula“-Roman als eigenständigen Film verfilmen wollten, müssen sie auch die gesamte, allseits bekannte Vampirmythologie und die Geschichte des Grafen Dracula beachten. Das führt schon bei der Beladung der Demeter in der Schwarzmeerstadt Warna zu den ersten Problemen. Während die Einheimischen sofort das Zeichen des Grafen Dracula auf einer Kiste erkennen und sich danach weigern, das Schiff weiter zu beladen und mitzufahren, bekommen der Kapitän und seine Stammbesatzungsmitglieder nichts davon mit. Auf See müssen sie sich, wie wir es aus unzähligen anderen Horrorfilmen kennen, immer wieder dumm und irrational verhalten.So verläuft die letzte Fahrt der Demeter dann, mit einigen selbst verschuldeten Problemen, ziemlich vorhersehbar.

Wie es besser geht zeigen die „Sherlock“-Erfindern Mark Gatiss und Steven Moffat in der von ihnen geschriebenen dreiteilige BBC-Miniserie „Dracula“ (mit Claes Bang als Dracula). Die zweite Folge schildert ebenfalls die Geschichte der Überfahrt. 

Die letzte Fahrt der Demeter (The last Voyage of the Demeter, USA/Deutschland 2023)

Regie: André Øvredal

Drehbuch: Bragi Schut jr., Zak Olkewicz (basierend auf der Story von Bragi Schut jr.)

LV: Bram Stoker: Dracula, 1897 (Dracula) (genaugenommen nur das wenigen Seiten umfassende Logbuch der Demeter)

mit Corey Hawkins, Aisling Franciosi, Liam Cunningham, David Dastmalchian, Javier Botet, Woody Norman

Länge: 119 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Englische Homepage zum Film

Filmportal über „Die letzte Fahrt der Demeter“ (wurde im Studio Babelsberg gedreht)

Moviepilot über „Die letzte Fahrt der Demeter“

Metacritic über „Die letzte Fahrt der Demeter“

Rotten Tomatoes über „Die letzte Fahrt der Demeter“

Wikipedia über „Die letzte Fahrt der Demeter“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von André Øvredals „Scary Stories to tell in the Dark“ (Scary Stories to tell in the Dark, USA 2019)

und dann gibt es noch einige andere Manifestationen von Graf Dracula, die ich ausführlicher besprochen habe

Meine Besprechung von Dario Argentos „Dario Argentos Dracula“ (Dracula 3D, Italien 2012)

Meine Besprechung von Gary Shores „Dracula Untold“ (Dracula Untold, USA 2014)

Meine Besprechung von Jonny Campbell/Damon Thomas/Paul McGuigans „Dracula“ (Dracula, Großbritannien 2020 – TV-Serie nach einem Buch von Mark Gatiss und Steven Moffat)

Meine Besprechung von Chris McKays „Renfield“ (Renfield, USA 2023)

Meine Besprechung von Roy Thomas/Mike Mignolas „Bram Stoker’s Dracula“ (Bram Stoker’s Dracula 1-4, 1993)


Neu im Kino/Filmkritik: „Renfield“, eine Horrorkomödie für die Mitternachtsvorstellung

Mai 26, 2023

Wenn R. M. Renfield doch nur wüsste, wie er sich aus seiner aktuellen Beziehung befreien könnte, würde er es wahrscheinlich gerne tun. Doch bis dahin besucht er eine Selbsthilfegruppe und baut sich am verständnisvollem Zuspruch der anderen Gruppenmitglieder moralisch auf. Dass sie ihm nicht helfen können und ihn falsch verstehen, ignoriert er. Denn er ist nicht in irgendeiner toxischen Beziehung mit irgendeinem Narzissten, sondern er ist der servile Diener von Graf Dracula und Graf Dracula ist, nun, kein normaler Chef. Auch die Arbeiten, die Renfield für Dracula erledigt, sind nicht normal. Denn er muss im Moment Blut, das der Vampir Dracula zum Überleben braucht, besorgen.

Auf einem seiner Streifzüge durch das nächtliche New Orleans trifft Renfield auf Rebecca. Sie ist eine resolute Verkehrspolizistin, die sich ständig verbal mit ihrem Chef anlegt und eine äußerst skrupellose, brutale, die Stadt beherrschende Gangsterbande zur Strecke bringen will. Deshalb wollen die von ihr gejagten Lobos sie umbringen. Als Renfield einen Anschlag der Gangster auf Rebecca beobachtet, greift er ein und verhindert den Plan der Lobos. Dabei verliebt er sich in die Polizistin. Plötzlich glaubt er, er könne sich mit ihrer Hilfe aus seiner Beziehung zu Dracula befreien. Bis dahin will er zunächst die Blutbeschaffung für seinen Herrn ändern, indem er einfach Mitglieder der Lobo-Familie als Blutlieferanten nimmt.

Und schon wird New Orleans zu einem blutigen Spielfeld.

Renfield“, inszeniert von Chris McKay, nach einem Drehbuch von Ryan Ridley und einer Idee von „The Walking Dead“-Erfinder Robert Kirkman richtet sich primär an gestandene Horrorfilmfans, die ihren Dracula kennen, nichts gegen Humor haben und eine ordentliche Portion Splatter wollen. Dieser wird in diesem Fall leider mit zu viel schlechter CGI präsentiert.

Die dürfen sich über viele mehr oder weniger offensichtliche Anspielungen auf ältere Interpretationen von Bram Stokers Roman freuen. Vor allem Tod Brownings 1931er „Dracula“ stand Pate. Der Anfang von „Renfield“ ist ohne Brownings Film überhaupt nicht denktbar. In ihrem Spiel zitieren Nicolas Cage als Dracula und Nicholas Hoult als Renfield lustvoll ältere Versionen von Dracula und Renfield.

Awkwafina, als dritte im Bunde, ist die toughe, humorbefreite Polizistin der Dirty-Harry/Axel-Foley-Schule. Ständig ist die wortgewaltige Verkehrspolizistin im verbalen Kleinkrieg mit ihrem Chef. Und irgendwann auch im Krieg mit den Lobos, die anscheinend die gesamte Polizei von New Orleans geschmiert haben.

Die in großen Schritten in Richtung Slapstick gehenden Splatter- und Actionszenen sind hoffnungslos übertrieben und deshalb, vor allem wenn Menschen sterben, immer gut für einen Lacher.

McKays Horrorkomödie ist allerdings nie so gut, wie sie gerne wäre und sein könnte. Aber für den Horrorfan, der sich gerne in deutlich erkennbaren Zitate suhlt, sich über das Erkennen versteckterer Anspielungen freut, Klischeefiguren und Klischeedialoge als ironische Doppeldekodierung interpretiert und nicht allzu genau über den arg luftigen Plot nachdenkt, ist „Renfield“ ein kurzweiliger und blutiger Spaß, der vor allem von dem Paar Nicolas Cage/Nicholas Hoult lebt.

Renfield (Renfield, USA 2023)

Regie: Chris McKay

Drehbuch: Ryan Ridley (nach einer Idee von Robert Kirkman)

mit Nicholas Hoult, Nicolas Cage, Awkwafina, Shohreh Aghdashloo, Ben Schwartz, Adrian Martinez, Brandon Scott Jones

Länge: 94 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „Renfield“

Metacritic über „Renfield“

Rotten Tomatoes über „Renfield“

Wikipedia über „Renfield“ (deutsch, englisch)

Aus Gründen der Vollständigkeit

Wikipedia über Robert Kirkman (deutsch, englisch)

Kriminalakte: Meine Gesamtbesprechung der ersten zehn „The Walking Dead“-Bände

 Meine Besprechung von Robert Kirkman/Charlie Adlard/Cliff Rathburns „The Walking Dead 11: Jäger und Gejagte“ (The Walking Dead Vol. 11: Fear the hunters)

Meine Besprechung von Robert Kirkman/Charlie Adlard/Cliff Rathburns „The Walking Dead 12: Schöne neue Welt“ (The Walking Dead Vol. 12: Life among them)

Meine Besprechung von Robert Kirkman/Charlie Adlard/Cliff Rathburns „The Walking Dead 13: Kein Zurück“ (The Walking Dead Vol. 13: Too far gone, 2011)

Meine Besprechung von Robert Kirkman/Charlie Adlard/Cliff Rathburns „The Walking Dead 14: In der Falle“ (The Walking Dead Vol. 14: No way out, 2011)

Meine Besprechung von Robert Kirkman/Charlie Adlard/Cliff Rathburns “The Walking Dead 15: Dein Wille geschehe” (The Walking Dead Vol. 15: We find ourselves, 2012)

Meine Besprechung von Robert Kirkman/Charlie Adlard/Cliff Rathburns „The Walking Dead: Eine größere Welt (Band 16)“ (The Walking Dead, Vol. 16: A larger world, 2012)

 Meine Besprechung von Robert Kirkman/Charlie Adlard/Cliff Rathburns „The Walking Dead: Fürchte dich nicht (Band 17)“ (The Walking Dead, Vol. 17: Something to Fear, 2013)

Meine Besprechung von Robert Kirkman/Charlie Adlard/Cliff Rathburns „The Walking Dead: Grenzen (Band 18)“ (The Walking Dead, Vol. 18: What comes after, 2013)

Meine Besprechung von Robert Kirkman/Charlie Adlard/Cliff Rathburns „The Walking Dead: Auf dem Kriegspfad (Band 19)“ (The Walking Dead, Vol. 19: March to War, 2013)

Meine Besprechung von Robert Kirkman/Charlie Adlard/Stefano Gaudiano/Cliff Rathburns „The Walking Dead: Krieg – Teil 1 (Band 20)“ (The Walking Dead, Vol. 20: All Out War, Part One, 2014)

Meine Besprechung von Robert Kirkman/Tony Moore/Charlie Adlard/Cliff Rathburns „The Walking Dead – Die Cover, Volume 1“ (The Walking Dead: The Covers, Vol. 1, 2010)

Meine Besprechung der TV-Serie „The Walking Dead – Staffel 1“ (USA 2010)

Meine Besprechung der TV-Serie „The Walking Dead – Staffel 2“ (USA 2011/2012)

Meine Besprechung der TV-Serie “The Walking Dead – Staffel 3″ (USA 2013)

Kriminalakte: das Comic-Con-Panel zur TV-Serie

“The Walking Dead” in der Kriminalakte 

Meine Besprechung von Robert Kirkman/Nick Spencer (Autoren)/Shawn Martinbroughs (Zeichner) „Dieb der Diebe: „Ich steige aus“ (Band 1)“ (Thief of Thieves # 1 – 7, 2012)

Meine Besprechung von Robert Kirkman/Phil Hester/Cory Walker/Khary Randolphs „Ant-Man Megaband “ (The Irredeemable Ant-Man, 2006/2007)

Meine Besprechung von Robert Kirkman/Scott M. Gimple/Chris Burnham/Nathan Fairbairns „Die!Die!Die! (Band 1)“ (Die!Die!Die! – Volume 1, 2019)

Meine Besprechung von Robert Kirkman/Scott M. Gimple/Chris Burnham/Nathan Fairbairns „Die!Die!Die! (Band 2)“ (Die!Die!Die! – Volume 2, 2021)

und dann gibt es noch einige andere Manifestationen von Graf Dracula, die ich ausführlicher besprochen habe

Meine Besprechung von Dario Argentos „Dario Argentos Dracula“ (Dracula 3D, Italien 2012)

Meine Besprechung von Gary Shores „Dracula Untold“ (Dracula Untold, USA 2014)

Meine Besprechung von Jonny Campbell/Damon Thomas/Paul McGuigans „Dracula“ (Dracula, Großbritannien 2020 – TV-Serie nach einem Buch von Mark Gatiss und Steven Moffat)

Meine Besprechung von Roy Thomas/Mike Mignolas „Bram Stoker’s Dracula“ (Bram Stoker’s Dracula 1-4, 1993)


TV-Tipp für den 9. März: Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens

März 8, 2022

Arte, 23.20

Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens (Deutschland 1922)

Regie: Friedrich Wilhelm Murnau

Drehbuch: Henrik Galeen

LV: Bram Stoker: Dracula, 1897 (Dracula)

Murnaus grandiose Verfilmung von Bram Stokers „Dracula“. Die Uraufführung war, laut dem Hanser-Murnau-Buch, am 4. März 1922 in Berlin im Primus-Palast. Nach dem Film gab es ein großes Kostumfest.

Arte zeigt die 2013 von der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung digitalisierte 96-minütige Fassung, die auf der 2005/2006er Restaurierung von Luciano Berriatúa basiert. Die neue Filmmusik von Olaf Lervik wurde vom Ensemble der/gelbe/klang eingespielt – und sie ist bis zum 1. Juni 2022 in der Mediathek verfügbar.

„‚Nosferatu‘, das ist vielleicht der Film im Zentrum von Murnaus Werk: Nicht weil er, wie durch ein Brennglas, dessen Motive und Themen versammelt und konzentriert, sondern als Mittelpunkt eines locker geflochtenen Gewebes, durch dessen Stränge er mit allen anderen Filmen zusammenhängt, ein leeres Zentrum.

Kein weiterer Murnaufilm ist so frei und offen wie ‚Nosferatu‘.“ (Fritz Göttler in Friedrich Wilhelm Murnau, 1990, Hanser Reihe Film Band 43)

„‚Nosferatu‘ ist nach wie vor die einzige Dracula-Adaption, die hauptsächlich auf den Schrecken abzielt. Max Schrecks rattenhafte, korsettierte Draculaversion besitzt keinen Zauber der Untoten, (…). Ebenso wie ‚Dracula‘ als Vorlage für den Horrorroman dienen kann, so dient ‚Nosferatu‘ (…) als Schablone für den Horrorfilm. Murnau fügte Stoker Nuancen hinzu, die überdauerten, vor allem, dass Vampire beim ersten Tageslicht vergehen.“ (James Marriott/Kim Newman: Horror – Meisterwerke des Grauens von Alien bis Zombie, 2006)

Davor, um 22.05 Uhr, zeigt Arte die brandneue spielfilmlange Doku „Nosferatu – Ein Film wie ein Vampir“ (Deutschland 2021, Regie: Erich Brinkmann).

mit Max Schreck, Alexander Granach, Gustav von Wangenheim, Greta Schröder, Georg Heinrich Schnell, Ruth Landshoff, John Gottowt, Gustav Botz

Hinweise

Rotten Tomatoes über „Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens“

Wikipedia über „Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Dario Argentos „Dario Argentos Dracula“ (Dracula 3D, Italien 2012)

Meine Besprechung von Gary Shores „Dracula Untold“ (Dracula Untold, USA 2014)

Meine Besprechung von Jonny Campbell/Damon Thomas/Paul McGuigans „Dracula“ (Dracula, Großbritannien 2020 – TV-Serie nach einem Buch von Mark Gatiss und Steven Moffat)

Meine Besprechung von Roy Thomas/Mike Mignolas „Bram Stoker’s Dracula“ (Bram Stoker’s Dracula 1-4, 1993)

 


DVD-Kritik: „Dracula“, neu erzählt von den „Sherlock“-Machern

März 30, 2021

1897 besucht der junge Anwalt Jonathan Harker Transsylvanien. Dort soll er Graf Dracula treffen und den Kauf eines Anwesens in England abzuschließen. In dem Schloss geschehen seltsame Dinge und der sich rapide verjüngende und immer besser aussehende Gastgeber verhält sich noch seltsamer. Schließlich ist er ein Vampir, weshalb er süchtig nach Blut ist, das Tageslicht scheut und sich immer wieder in eine Fledermaus verwandelt.

Die anschließende Schiffspassage nach England, mit dem Grafen und viel heimischer Erde, verläuft ohne große Probleme. Auch wenn dieses Mal das Schiff ein Mikrokosmos der Gesellschaft ist und Graf Dracula sich durch seine Mitreisenden saugt.

In England kommt er hundertzwanzig Jahre später an und trifft dort auf seinen alten Gegner Van Helsing.

So weit, so bekannt.

Schließlich kennen wir die Geschichte von Graf Dracula aus Bram Stokers Roman und den zahlreichen Verfilmungen. Jedenfalls gehen die Macher der BBC-Miniserie „Dracula“ davon aus.

Die Autoren Mark Gatiss und Steven Moffat, von denen auch „Sherlock“ stammt, erzählen die bekannte Geschichte neu, zitieren bekannte Versionen, variieren bekannte Situationen, erfinden einige neue Situationen, verlegen die ursprünglich im 19. Jahrhundert spielende Geschichte teilweise ins 21. Jahrhundert und garnieren sie mit brillanten Dialogen und Einzeilern.

Aus dem Vampirjäger Van Helsing machen sie eine Frau. In den ersten beiden spielfilmlangen Episoden der Miniserie ist sie eine wunderschön schnippische, taffe und kluge Nonne. In der dritten Episode ist sie nicht mehr Schwester Agatha Van Helsing, sondern Dr. Zoe Van Helsing, Wissenschaftlerin der Jonathan-Harker-Stiftung. Gespielt wird sie von Dolly Wells. Claes Bang spielt Dracula als verführerisches Monster mit spürbarer Lust am distinguiert triebgesteuertem, hyperpotentem Blutrausch und guten Gesprächen. Gerne mit Van Helsing.

Gatiss und Moffat erzählen die Geschichte in drei weitgehend in sich abgeschlossenne spielfilmlangen Episoden, die von verschiedenen Regisseuren inszeniert wurden. Jonny Campbell, Damon Thomas und Paul McGuigan übernahmen die Regie.

Die erste Episode spielt in einem Nonnenkloster, in dem Harker Van Helsing von seinen Erlebnissen in Draculas Schloss erzählt. Die zweite Episode schildert vor allem die Schiffspassage von Graf Dracula nach England und wie er sich durch die Besatzungsmitglieder und Mitreisenden ißt. Die dritte Episode spielt dann im London der Gegenwart.

Das ist durchgehend unterhaltsam, düster, sexuell aufgeladen, aber, und das muss der Ehrlichkeit halber auch gesagt werden, nicht so catchy wie „Sherlock“. Passagenweise gerät die Geschichte, wenn einige Situationen und Gespräche über Gebühr gedehnt werden, sogar etwas länglich. Das liegt an der Entscheidung, die Geschichte an wenigen Orten spielen zu lassen (letztendlich spielen die ersten beiden Episoden an drei Orten: Draculas alptraumhaft-verwinkeltem Schloss, dem Nonnenkloster und dem Schiff) und der Struktur mit den drei neunzigminütigen, in sich abgeschlosenen Filmen, die dann doch eine Geschichte erzählen.

Das Bonusmaterial besteht aus einem Audiokommentar und sechs kurzen, rein werblichen Featurettes, die man in 25 Minuten durchgesehen hat.

Dracula (Dracula, Großbritannien 2020)

Regie: Jonny Campbell, Damon Thomas, Paul McGuigan

Drehbuch: Mark Gatiss, Steven Moffat

LV: Bram Stoker: Dracula, 1897 (Dracula)

mit Claes Bang, Dolly Wells, John Heffernan, Morfydd Clark, Joanna Scanlan, Lujza Richter, Jonathan Aris, Sacha Dhawan, Mark Gatiss

DVD

Polyband

Bild: 16:9 (^,78:1)

Ton: Deutsch, Englisch (Dolby Digital)

Untertitel: Deutsch, Englisch

Bonusmaterial: 6 Behind-the-Scenes-Featurettes, Audiokommentar mit Cast & Crew zu Episode 3

Länge: 270 Minuten (3 x 90 Minuten) (2 DVDs)

FSK:ab 16 Jahre

Blu-ray identisch.

Hinweise

BBC über „Dracula“

Rotten Tomatoes über „Dracula“

Wikipedia über „Dracula“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Paul McGuigans „Viktor Frankenstein – Genie und Wahnsinn“ (Victor Frankenstein, USA 2015)

Meine Besprechung von Paul McGuigans „Film Stars don’t die in Liverpool“ (Film Stars don’t die in Liverpool, Großbritannien 2017)

Meine Besprechung von „Sherlock: Ein Fall von Pink“ (A Study in Pink, GB 2010)

Meine Besprechung von „Sherlock: Eine Legende kehrt zurück – Staffel 1“ (Sherlock, GB 2010)

Meine Besprechung von “Sherlock: Eine Legende kehrt zurück -Staffel 2″ (Sherlock, GB 2012)

Meine Besprechung von „Sherlock – Staffel 3“ (Sherlock, GB 2014)

Meine Besprechung von „Sherlock: Die Braut des Grauens“ (Sherlock: The Abominable Bride, Großbritannien 2016)

Mein Hinweis auf „“Sherlock: Eine Legende kehrt zurück – Staffel 4“ (Sherlock, GB 2017)

Meine Besprechung von “Sherlock: Ein Skandal in Belgravia” (A Scandal in Belgravia, GB 2012)

Meine Besprechung von Dario Argentos „Dario Argentos Dracula“ (Dracula 3D, Italien 2012)

Meine Besprechung von Gary Shores „Dracula Untold“ (Dracula Untold, USA 2014)

Meine Besprechung von Roy Thomas/Mike Mignolas „Bram Stoker’s Dracula“ (Bram Stoker’s Dracula 1-4, 1993)


Literaturklassiker im neuen Gewand: Georg Büchners „Woyzeck“ und „Bram Stoker’s Dracula“

Dezember 30, 2019

Bereits Werner Herzog und Klaus Kinski setzten sich mit diesen Geschichten auseinander. Aber ihre sehenswerte Interpretation von „Woyzeck“ und „Dracula“, der bei ihnen aus stummfilmhistorischen Gründen Nosferatu heißt, hatten keinen Einfluss auf diese Comic-Interpretationen.

Bei Roy Thomas‘ und Mike Mignolas „Bram Stoker’s Dracula“ basiert auf Francis Ford Coppolas Film. Der ist inzwischen auch schon gut dreißig Jahre alt und er ist die letzte nennenswerte Spielfilm-Interpretation von Bram Stokers Romanklassiker.

Parallel zum Film erschien damals dieser Comic als limitierte vierteilige Mini-Serie. Lange Jahre war er nicht mehr erhältlich, während im Second-Hand-Buchmarkt die Preise stiegen. 2018 veröffentlichte IDW in den USA eine nicht-kolorierte Neuauflage, die auch der Anlass für die deutsche Neuausgabe war. Die ist, zum Glück!, koloriert.

Anstatt weißer Flächen knallem einem satte Farben entgegen, die die Geschichte und den psychedelisch-albtraumhaften Effekt der Panels verstärken. Nach der Lektüre der kolorierten Fassung von „Bram Stoker’s Dracula“ kann man sich keine andere Fassung mehr vorstellen.

Danach wurde Mike Mignola mit der von ihm erfundenen Figur „Hellboy“ weltweit bekannt.

Bram Stokers Vampirgeschichte dürfte ja bekannt sein. Trotzdem für die vergesslichen Geister: 1897 reist der Makler Jonathan Harker in die Karpaten. Dort vermittelt er Graf Dracula ein Anwesen in London und wird, auf Draculas Geheiß, von drei weiblichen Vampiren angegriffen. Währenddessen nähert Dracula sich in London Harkers Verlobter Mina. Weil seine blutsaugenden Taten nicht unbemerkt bleiben, wird Dr. Van Helsing um Hilfe gerufen. Er weiß, wie man einen Vampir besiegen kann.

Die Geschichte von „Woyzeck“ dürfte auch bekannt sein. Immerhin ist Georg Büchners Stück ein auf deutschen Bühnen immer noch gespielter und immer wieder neu interpretierter Klassiker.

Woyzeck ist ein einfacher Soldat, der von seinem Vorgesetzten unterdrückt und von seiner Frau, mit der er ein uneheliches Kind hat, betrogen wird. Als er sie mit seinem Nebenbuhler sieht, glaubt er, eine Stimme zu hören, die ihm befiehlt, sie zu töten.

Andreas Eikenroth verlegt die Geschichte vom frühen 19. Jahrhundert in eine diffuse Weimarer Republik. Er verschiebt auch einige Szenen des Bühnenstücks, das nur als Fragment erhalten ist, zu einem ihm schlüssiger erscheinendem Handlungsablauf.

Das Besondere an Eikenroths Interpretation ist allerdings die Art, wie er die Geschichte als Comic erzählt. Bei ihm besteht jede Seite aus einem Bild, das quasi mehrere Panels zu einem Bild zusammenfügt. Seine Zeichnungen sind dabei, wie er selbst sagt, von damaligen Künstlern, wie George Grosz, Karl Arnold, Egon Schiele, Max Liebermann, Jeanne Mammen und Heinrich Zille, beeinflusst.

Zu Eikenroths früheren Werken gehören „Die Schönheit des Scheiterns“ und „Hummel mit Wodka“.

Die Comics „Bram Stoker’s Dracula“ und „Woyzeck“ sind zwei überzeugende Interpretationen klassischer Geschichten.

Roy Thomas/Mike Mignola: Bram Stoker’s Dracula

(übersetzt von Bernd Kronsbein)

Panini, 2019

140 Seiten

29 Euro

Originalausgabe

Bram Stoker’s Dracula 1-4

Topp Comics, 1993

Neuauflage 2018 bei IDW

Andreas Eikenroth: Woyzeck

Edition 52, 2019

64 Euro

15 Euro

Hinweise

Wikipedia über Bram Stokers „Dracula“ (deutsch, englisch) und „Bram Stoker’s Dracula“ (deutsch, englisch)

Homepage von Mike Mignola

Meine Besprechung von Mike Mignola (Autor)/John Arcudi (Autor)/Guy Davis (Zeichner) „B. U. A. P.: Tödliches Terrain (Band 7)“ (BPRD: Killing Ground, 2008)

Meine Besprechung von Mike Mignola (Autor)/John Arcudi (Autor)/Guy Davis (Zeichner) „B. U. A. P.: Die Warnung (Band 8)“ (BPRD: The Warning, 2009/2010)

Meine Besprechung von Neil Marschalls Mike-Mignola-Verfilmung „Hellboy – Call of Darkness“ (Hellboy, USA 2019)

Homepage von Andreas Eikenroth

Wikipedia über Georg Büchners „Woyzeck“ (deutsch, englisch)


Neu im Kino/Filmkritik: „Dracula Untold“ erzählt, wie alles begann

Oktober 2, 2014

Graf Dracula ist zurück im Kino. Sein letzter erinnerungswürdiger Kinoauftritt war 1992 in „Bram Stokers Dracula“. Zuletzt gab es, nur auf DVD, von Dario Argento „Dracula 3D“, aber der war nicht so toll. Und es gibt spaßige Neuinterpretationen der Geschichte, wie in „Abraham Lincoln, Vampirjäger“; wobei das Buch, das sich wie eine stinknormale Biographie über Abraham Lincoln liest, besser ist.
Gary Shores „Dracula Untold“ setzt setzt sich zwischen die Stühle. Einerseits will er die Geschichte von Graf Dracula, dem allseits bekanntem Vampir, erzählen. Also die Geschichte, wie Graf Dracula, der Herrscher über ein Fürstentum in Transsylvanien, Graf Dracula, der Fürst der Dunkelheit, wurde. Und es soll die echte Geschichte von Prinz Vlad III, auf seinen Wunsch „Dracula“ (Sohn des Drachen) genannt, erzählt werden. Dieser äußerst blutdurstige und brutale Herrscher ist das historische Vorbild für Bram Stokers Dracula. Naja, irgendwie. Immerhin gibt es über Vlad nur einige Legenden. Historisch verbürgt ist weniges. Also nahmen sie die Macher einige Freiheiten, wie halt die Behauptung, dass es Vampire wirklich gibt.
Einen solchen Vampir entdeckt Vlad (Luke Evans) in einer unzugänglichen Höhle in einem Berg. Als kurz darauf die eroberungswilligen Türken eine Hundertschaft seiner Untertanenkinder und seinen Sohn wollen, entschließt Vlad sich, gegen ihren Anführer Mehmed (Dominic Cooper) zu kämpfen. Als Kinder kämpften sie als gut ausgebildete Kindersoldaten unter dem Kommando von Mehmeds Vater, der immer Vlad bevorzugte, gegen fremde Völker.
Vlads einzige Möglichkeit, den Kampf im Alleingang gegen die türkische Übermacht zu gewinnen ist, dass er sich mit dem Monster in der Höhle verbündet. Der Master Vampire gibt ihm etwas von seinem Blut. Vlad ist jetzt unbesiegbar und er hat eine starke Sonnenallergie. Er kann allerdings tagsüber noch herumlaufen. Innerhalb von drei Tagen kann er die Transformation rückgängig machen, wenn er auf ein bestimmtes Nahrungsmittel verzichtet.
Ein Machthaber, der für seine Untertanen einen Pakt mit dem Teufel eingeht, der sich auf die Seite des Bösen begibt, um Gutes zu tun und um seine Familie zu beschützen. Was für ein Filmstoff – und was für ein vorhersehbarer Film, der sich mal wieder, wie es sich inzwischen für einen Blockbuster gehört, in dunklen Farben suhlt und Humor wie der Teufel das Weihwasser vermeidet. Ich gebe zu, inzwischen sehne ich mich wieder nach dem Comic Relief aus älteren Abenteuerfilmen.
Dabei kommt ein großer Teil der Vorhersehbarkeit von „Dracula Untold“ aus dem Wissen, wie die Geschichte ausgeht: der Fürst wird zum Vampir. Nur der Weg dorthin und wie er seine Familie verliert ist unklar, folgt aber den bekannten Blockbusterkinoregeln.
Dennoch ist „Dracula Untold“ ein überraschend gelungener Fantasy-Mittelalter-Film, der zwar nichts neu erfindet, aber seine düstere Geschichte ordentlich erzählt. Eigentlich ist sein größtes Problem, dass der Graf, der hier zum Vampir wird, der allseits bekannte Graf Dracula sein soll und daher im Rahmen einer Origin-Story vieles viel zu vorhersehbar ausfallen muss.
Wer etwas über das wahre historische Vorbild von Dracula erfahren möchte, sollte in einem Sachbuch nachschlagen. Denn um historische Wahrheiten kümmert „Dracula Untold“ sich nicht.

Dracula Untold - Plakat

Dracula Untold (Dracula Untold, USA 2014)
Regie: Gary Shore
Drehbuch: Matt Sazama, Burk Sharpless
mit Luke Evans, Sarah Gadon, Dominic Cooper, Art Parkinson, Charles Dance, Diarmaid Murtagh, Paul Kaye, William Houston
Länge: 92 Minuten
FSK: ab 12 Jahre

Hinweise
Deutsche Homepage zum Film
Film-Zeit über „Dracula Untold“
Moviepilot über „Dracula Untold“
Metacritic über „Dracula Untold“
Rotten Tomatoes über „Dracula Untold“
Wikipedia über „Dracula Untold“ (deutsch, englisch)


TV-Tipp für den 31. März: Bram Stoker’s Dracula

März 31, 2014

Arte, 21.00
Bram Stoker’s Dracula (USA 1992, Regie: Francis Ford Coppola)
Drehbuch: James V. Hart
LV: Bram Stoker: Dracula, 1897 (Dracula)
Francis Ford Coppolas Interpretation der bekannten Geschichte von Graf Dracula. Nicht schlecht und allein schon wegen der Besetzung einen Blick wert.
mit Gary Oldman, Winona Ryder, Anthony Hopkins, Keanu Reeves, Richard E. Grant, Cary Elwes, Bill Campbell, Sadie Frost, Tom Waits, Monica Bellucci
Wiederholung: Donnerstag, 3. April, 23.10 Uhr
Hinweise
Rotten Tomatos über „Bram Stoker’s Dracula“
Wikipedia über „Bram Stoker’s Dracula“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Francis Ford Coppolas “Apocalypse Now” (Apocalypse Now, USA 1979 – die “Full Disclosure”-Blu-ray)

Meine Besprechung von Francis Ford Coppolas „Twixt – Virginias Geheimnis“ (Twixt, USA 2011)

Francis Ford Coppola in der Kriminalakte