TV-Tipp für den 18. August: My Blueberry Nights

August 18, 2014

Eins Festival, 20.15/23.40

My Blueberry Nights (China/USA 2007, Regie: Wong Kar-wai)

Drehbuch: Wong Kar-wai, Lawrence Block (nach einer Geschichte von Wong Kar-wai)

Elizabeth hat Liebeskummer. In einem kleinen New Yorker Café schüttet sie dem Kellner ihr Herz aus. Der verliebt sich in sie, aber sie macht sich auf eine Reise durch die USA. Auf ihrem Selbstfindungstrip begegnet sie anderen einsamen Seelen.

Lawrence Block war zwar irgendwie am Drehbuch beteiligt, aber letztendlich ist es ein Wong-Kar-wai-Film geworden.

Mit Norah Jones, Jude Law, Rachel Weisz, David Strathairn, Natalie Portman

Hinweise

Homepage von Lawrence Block

Unbedingt kaufen müssen Sie das von mir herausgegebene Buch „Lawrence Block – Werkschau eines New Yorker Autors“ (KrimiKritik 5, Nordpark-Verlag)

Meine Besprechung von Lawrence Blocks “Telling Lies for Fun and Profit – A Manual for Fiction Writers” (1994)

Meine Besprechung von Lawrence Blocks “Spider, spin me a web – A Handbook for Fiction Writers” (1995)

Meine Besprechung von Lawrence Blocks: “All the flowers are dying” (2005)

Meine Besprechung von Lawrence Blocks “Lucky at Cards” (2007)

Meine Besprechung von Lawrence Blocks „Abzocker“ (Grifter’s Game, 2004; frühere Ausgaben: Mona, 1961; Sweet slow death, 1986)

Meine Besprechung von Lawrence Blocks “Verluste” (Everybody dies, 1998)

Meine Besprechung von Lawrence Blocks „Killing Castro“ (Originalausgabe unter dem Pseudonym Duncan Lee als „Fidel Castro Assassinated“, 1961)

Meine Besprechung von Lawrence Blocks „Falsches Herz“ (The Girl with the long green Heart, 1965)

Lawrence Block in der Kriminalakte

Wikipedia über „My Blueberry Nights“ (deutsch, englisch)

Deutsche Homepage zum Film

Französische Homepage zum Film (nicht so umfangreich)

Film-Zeit über „My Blueberry Nights“

Rotten Tomatoes über “My Blueberry Nights”

Meine Besprechung von Wong Kar-wais „The Grandmaster“ (Yi Dai Zong Shi, Hongkong/China 2013)


TV-Tipp für den 30. Juli: Road to Perdition

Juli 29, 2014

Kabel 1, 20.15

Road to Perdition (USA 2002, Regie: Sam Mendes)

Drehbuch: David Self

LV: Max Allan Collins (Text), Richard Piers Rayner (Zeichnungen): Road to Perdition, 1998 (Road to Perdition, Graphic Novel)

Buch zum Film: Max Allan Collins: Road to Perdition, 2002 (Road to Perdition)

Chicago, 30er Jahre: Profikiller Michael Sullivan steht plötzlich selbst auf der Abschußliste. Nachdem seine Familie umgebracht wird, flüchtet er mit seinem Sohn aus Chicago.

„Sam Mendes ist eine äußerst sehenswerte, in die Tiefe des Vater-Sohn-Verhältnisses lotende Film-noir-Tragödie gelungen, mit exzellenten Schauspielern und großartiger Kamerarbeit von Conrad L. Hall.“ (Sönke Lars Neuwöhner, tip 18/2002) oder „großartig besetzter, klassisch epigonaler Gangsterfilm“ (Adrian Prechtel, AZ 5. 9. 2002). Wahrscheinlich bin ich einer der wenigen Menschen, die die Graphic Novel dem etwas langatmigen Film vorziehen.

Max Allan Collins schrieb nach der erfolgreichen Verfilmung weitere Romane und Graphic-Novels, in denen die Geschichte von Michael Sullivan jr. weitererzählt wird. Übersetzt wurde nur die erste Fortsetzung „Road to Purgatory“ (2004, Road to Purgatory – Straße der Vergeltung).

Wie üblich dürfte die 20.15 Uhr-Ausstrahlung gekürzt sein.

Mit Tom Hanks, Paul Newman, Jude Law, Jennifer Jason Leigh, Daniel Craig, Stanley Tucci

Wiederholung: Donnerstag, 31. Juli, 01.25 Uhr (Taggenau! Und wahrscheinlich ungekürzt.)

Hinweise

Rotten Tomatoes über „Road to Perdition“

Wikipedia über „Road to Perdition“ (deutsch, englisch)

Homepage von Max Allan Collins

Thrilling Detective über Max Allan Collins

January Magazine: Interview mit Max Allan Collins (1999)

Comic Book Resources: Interview mit Max Allan Collins (2002 – unter anderem zu „Road to Perdition“)

Sean Chercover redet mit Max Allan Collins (2005)

Things I’d rather be doing redet mit Max Allan Collins (2007)

Meine Besprechung von Max Allan Collins’ “Two for the Money” (2004)

Meine Besprechung von Max Allan Collins’ “Der erste Quarry” (The First Quarry, 2008)

Meine Besprechung von Max Allan Collins’ „The last Quarry“ (2006)

Meine Besprechung von Max Allan Collins’ „Bones – Die Knochenjägerin: Tief begraben“ (Bones: Buried deep, 2006)

Meine Besprechung von Max Allan Collins’ „CSI – Crime Scene Investigation: Im Profil des Todes“ (CSI: Crime Scene Investigation – Snake Eyes, 2006)

Meine Besprechung von Max Allan Collins’ „CSI: NY – Blutiger Mond“ (Bloody Murder, 2006 – Comic)

Meine Besprechung von Max Allan Collins’ “CSI – Das Dämonenhaus” (Demon House, 2004 – Comic)


Neu im Kino/Filmkritik: „Dom Hemingway“, Safeknacker, Angeber, Arschloch und Choleriker – und das sind seine guten Seiten

April 17, 2014

Zu Dom Hemingway hält man am besten einen ordentlichen Sicherheitsabstand. Denn er ist ein wandelndes Katastrophengebiet und etwas aus der Zeit gefallen. Immerhin sitzt er, als wir ihn das erste Mal sehen, seit zwölf Jahren im Gefängnis.
Diese erste Begegnung mit ihm setzt dann auch den Ton für den restlichen Film: Jude Law, der Dom Hemingway ist, steht mit nackten Oberkörper da, blickt starr in die Kamera und hält einen mehrminütigen, ungeschnittenen Monolog an sein bestes Teil, während dieses, wie wir später sehen, gerade von einem Mithäftling liebkost wird.
Danach wird Dom Hemingway entlassen. Als erstes verprügelt er in aller Öffentlichkeit den letzten Freund seiner verstorbenen Frau, versucht in einer Nacht den gesamten Drogen- und Sexkonsum der vergangenen zwölf Jahre nachzuholen und begibt sich mit seinem schweigsamen Freund Dickie (Richard E. Grant) nach Frankreich zu Mr. Fontaine (Demian Bichir). Er will seinen Anteil aus dem Bruch, für den der Safeknacker verurteilt wurde. Plus Zuschlag für sein Schweigen.
Mit „Dom Hemingway“ inszenierte Richard Shepard, von dem auch die durchgeknallte Killer-Komödie „Mord und Margaritas“ und der unterschätzten Polit-Thriller „Hunting Party“ sind, eine schwarzhumorige Gaunerkomödie voller Geschmacklosigkeiten. Denn Dom Hemingway mit seine abrupten Stimmungswechseln ist vollkommen unfähig für ein normales Leben. Das ist anfangs in seiner Kompromisslosigkeit grandios. Aber Shepard lässt seine Charakterstudie mit zunehmender Laufzeit immer stärker in eine beliebige Abfolge von Episoden aus dem Leben von Dom Hemingway münden. Denn Dom lebt nur für den Augenblick. Er zieht keine Konsequenzen aus seinen Taten. Da helfen auch nicht die gelegentlichen Anfällen von überbordendem Selbstmitleid. Das wird besonders deutlich nach der Frankreich-Episode.
Dom will sein Geld haben, aber ob der aalglatte und gefährlich höfliche Mr. Fontaine es ihm wirklich geben wird, ist unklar. Der Konflikt darüber, auch weil Dom natürlich sofort mit Fontaines gut aussehender Freundin Sex haben will, würde bei anderen Regisseuren für einen abendfüllenden Film ausreichen. Bei Shepard ist es nur eine Episode und nachdem Fontaines Freundin mit dem gesamten Geld verschwindet, verbucht Dom den Verlust achselzuckend als Pech und kehrt mittellos nach London zurück, wo er sich wieder als Safeknacker versucht. Dabei kann er überhaupt nicht verstehen, dass andere Menschen ihm sein asoziales Verhalten vorhalten und seine Tochter keinen Kontakt zu ihm haben möchte.
Aber spätestens nach dem Frankreich-Ausflug erfahren wir nichts wesentlich Neues mehr über Dom Hemingway. Eigentlich hat schon der Eröffnungsmonolog, der mich wirklich neugierig auf den Charakter und seine Erlebnisse außerhalb der Gefängnismauern machte, alles wichtige über ihn verraten.
So ist „Dom Hemingway“ nach einer grandiosen Eröffnung nur eine zunehmend langweilige Nummernrevue und eine Jude-Law-Soloshow. Denn der großmäulige, egozentrische Hohlkopf Dom Hemingway degradiert alle zu Stichwortgebern in seiner Welt.

Dom Hemingway - Plakat

Dom Hemingway (Dom Hemingway, Großbritannien 2013)
Regie: Richard Shepard
Drehbuch: Richard Shepard
mit Jude Law, Richard E. Grant, Demian Bichir, Emilia Clarke, Kerry Condon, Jumayn Hunter, Madalina Ghenea, Nathan Stewart-Jarrett
Länge: 94 Minuten
FSK: ab 16 Jahre

Hinweise
Englische Homepage zum Film
Deutsche Homepage zum Film
Film-Zeit über „Dom Hemingway“
Moviepilot über „Dom Hemingway“
Metacritic über „Dom Hemingway“
Rotten Tomatoes über „Dom Hemingway“
Wikipedia über „Dom Hemingway“ 

Die TIFF-Pressekonferenz 2013

DP/30 unterhält sich mit Filmemacher Richard Shepard

 

 


Neu im Kino/Filmkritik: Besuchen Sie „The Grand Budapest Hotel“!

März 6, 2014

Oft schreibe ich in meinen Besprechungen ja, welcher Schauspieler welche Rolle spielt. Bei Wes Andersons neuem Film „The Grand Budapest Hotel“ mache ich das nicht. Denn ein Teil des Spaßes beim Ansehen der Komödie ist es, Ralph Fiennes, F. Murray Abraham, Mathieu Amalric, Adrien Brody, Willem Dafoe, Jeff Goldblum, Harvey Keitel, Jude Law, Bill Murray, Edward Norton, Saoirse Ronan, Jason Schwartzman, Léa Seydoux, Tilda Swinton, Tom Wilkinson, Owen Wilson, Florian Lukas und Bob Balaban, in ihren teils cameohaften Auftritten, teils gut geschminkt oder mit Bart, zu erkennen. Außerdem steht das ja alles auf dem stylischen Plakat.

Ein weiterer Teil des Spaßes, jedenfalls für Filmfans, ist es, all die Anspielungen, Zitate und Reminiszenzen zu entdecken. In dem sicheren Gefühl, in dieser Sekunde gerade zwei verpasst zu haben. Denn „The Grand Budapest Hotel“ ist ein großartiger Spaß, in dem 1968 im nur noch schwach von seiner früheren Größe zehrendem Grand Budapest Hotel der seltsame Hotelbesitzer Zero Moustafa einem jungen Autor erzählt, wie er der Besitzer des mondänen Hotels wurde.

1932 begann er als Zero (und das war er damals) unter der strengen Fuchtel von Monsieur Gustave H., der als Chefconcierge gerade bei den älteren Damen sehr beliebt war, als Lobbyboy. Nach dem plötzlichen Tod der 84-jährigen Madame Céline Villeneuve Desgoffe und Taxis (kurz Madame D.), fahren sie zur Trauerfeier, haben ein unschönes Erlebnis an der Grenze, erfahren, dass Madame D. Monsieur Gustave ein wertvolles Gemälde vermachte und dass die aasigen Erben ihnen das Bild nicht gönnen. Monsieur Gustave und Zero stehlen es, flüchten zurück in das Grand Budapest Hotel und spätestens hier beginnt eine herrlich verwirrende Geschichte um Lug und Betrug, Mord, falsche Verdächtigungen und, wir ahnen es, Liebe, die so flott und so vergnüglich erzählt wird, dass man kaum zum Nachdenken kommt und auch überhaupt nicht über die Geschichte nachdenken will, denn eine wichtige Inspiration für die Filmgeschichte sind die Screwballkomödien und Serials der frühen dreißiger Jahre, in denen der Held von einer tödlichen Gefahr in die nächste stolpert. Erzählt wird das äußerst geschmackvoll und stilbewusst mit mehr als einem Hauch Billy Wilder und Ernst Lubitsch und einer Danksagung an Stefan Zweig, dessen Memoiren Anderson zu diesem Film inspirierten.

The Grand Budapest Hotel“ ist ein sehr kurzweiliger, temporeicher Spaß voller Zitate, Witze und Überraschungen. Eine wahre cineastische Wundertüte, die man auch einfach als spritzige Komödie genießen kann.

The Grand Budapest Hotel - Plakat

The Grand Budapest Hotel (The Grand Budapest Hotel, USA/Deutschland 2014)

Regie: Wes Anderson

Drehbuch: Wes Anderson (nach einer Geschichte von Wes Anderson und Hugo Guiness)

mit Ralph Fiennes, Tony Revolori, F. Murray Abraham, Mathieu Amalric, Adrien Brody, Willem Dafoe, Jeff Goldblum, Harvey Keitel, Jude Law, Bill Murray, Edward Norton, Saoirse Ronan, Jason Schwartzman, Léa Seydoux, Tilda Swinton, Tom Wilkinson, Owen Wilson, Florian Lukas, Bob Balaban, Lisa Kreuzer

Länge: 101 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Amerikanische Homepage zum Film

Homepage der Akademie Zubrowka

Film-Zeit über „The Grand Budapest Hotel“

Moviepilot über „The Grand Budapest Hotel“

Metacritic über „The Grand Budapest Hotel“

Rotten Tomatoes über „The Grand Budapest Hotel“

Wikipedia über „The Grand Budapest Hotel“ (deutsch, englisch)

Einige Ausschnitte aus der Berlinale-Pressekonferenz (hier in ganzer Länge von gut 53 Minuten)

Und noch mehr Ausschnitte aus dem Film (für die ganz Ungeduldigen, die auch gerne auf einige Überraschungen verzichten)


TV-Tipp für den 16. Oktober: Mitternacht im Garten von Gut und Böse

Oktober 16, 2013

Arte, 20.15

Mitternacht im Garten von Gut und Böse (USA 1997, R.: Clint Eastwood)

Drehbuch: John Lee Hancock

LV: John Berendt: Midnight at the Garden of Good and Evil, 1994 (Mitternacht im Garten der Lüste)

Der New Yorker Reporter John Kelso soll in Savannah, Georgia, nur über die traditionelle Weihnachtsfeier eines vermögenden Antiquitätenhändlers berichten. Aber dann geschieht ein Mord und Savannah hat einen ausgewachsenen Skandal.

Bei der Verfilmung des, an der Kinokasse ziemlich untergegangenen, True-Crime-Bestsellers von John Berendt beschränkte Clint Eastwood sich auf die Regie. Er inszenierte ein langes, nicht sonderlich spannendes, in einer Gerichtsverhandlung mündendes  Opus über die Doppelmoral im Süden der USA.

„Eastwoods Faszination für gepflegte Langsamkeit [verlangt] dem Zuschauer einiges an Geduld ab. Wer sie aufbringt, wird entlohnt mit dem exotischen Sittengemälde einer bizarren Gesellschaft der obersten Tausend.“ (Angie Dullinger, AZ)

Mit John Cusack, Kevin Spacey, Jude Law, Alison Eastwood, Lady Chablis (als sie selbst)

Wiederholung: Freitag, 18. Oktober, 14.00 Uhr

Hinweise

Booknotes: Interview mit John Berendt (28. August 1997)

Metacritic über „Mitternacht im Garten von Gut und Böse“

Rotten Tomatoes über „Mitternacht im Garten von Gut und Böse“

Wikipedia über „Mitternacht im Garten von Gut und Böse“ (englisch, deutsch)

Kriminalakte: Glückwünsche zum achtzigsten Geburtstag von Clint Eastwood

Meine Besprechung von Clint Eastwoods „Hereafter – Das Leben danach“ (Hereafter, USA 2010)

Clint Eastwood in der Kriminalakte

 


Neu im Kino/Filmkritik: Steven Soderberghs (vorläufig) letzter Kinospielfilm: „Side Effects – Tödliche Nebenwirkungen“

April 24, 2013

 

Das soll also der letzte Spielfilm von Steven Soderbergh sein: ein verschachtelter Neo-Noir, garniert mit einer Anklage gegen die Pharma-Industrie. Obwohl es in „Side Effects“, Nebenwirkungen, lange Zeit genau anders aussieht: der Psychiater Dr. Jonathan Banks (Jude Law) trifft in der Notaufnahme Emily Taylor (Rooney Mara), die nach einem Autounfall, der offensichtlich ein missglückter Selbstmordversuch war, in der Klinik liegt. Sie behauptet, sie habe nur einen kurzen Aussetzer gehabt, aber jetzt sei wieder alles in Ordnung. Banks entlässt sie, wenn sie gleichzeitig eine Therapie bei im beginnt. In der Therapie erzählt sie ihm, dass ihr Mann Martin (Channing Tatum) nach einer vierjährigen Haftstrafe wegen Insiderhandels wieder frei ist, dass sie ihren ehemals mondänen Lebensstil auf ein Apartment in Upper Manhattan reduzieren mussten, dass auch sie arbeiten muss und dass sie Angst hat, jetzt in der Ehe zu versagen.

Von ihrer früheren Therapeutin, Dr. Victoria Siebert (Catherine Zeta-Jones), erfährt er von einem neuen Medikament, das ihr helfen könne. Nach einem kurzen Zögern – einerseits ist das Medikament noch nicht erprobt, aber andererseits bekommt er, wenn er bei der Erprobung mithilft, dringend benötigtes Geld und Nebenwirkungen soll es auch nicht haben – verschreibt er ihr das Medikament.

Kurz darauf ersticht sie ihren Mann. Sie behauptet, dass sie während der Tat, wegen der Medikamente, in einem nicht zurechnungsfähigem Trancezustand war.

Und was jetzt zu einem spannenden Gerichtsthriller, in dem die unmoralischen Geschäfte der Pharma-Industrie angeprangert werden, werden könnte, – immerhin wurde bis jetzt in fast jeder Szene auf die Geschäfte der Pharma-Industrie und den erschreckend sorglosen, hohen Tablettenkonsum, der anscheinend ohne Nebenwirkungen, jeden gewünschten Gemütszustand herstellen kann, hingewiesen -, entwickelt sich nach einer kurzen Atempause zu einem veritablen Noir, in dem Jonathan Banks um seine Existenz kämpft. Immerhin soll er durch die Verschreibung des noch nicht zugelassenen Medikaments für den Tod von Martin Taylor verantwortlich sein. Er glaubt allerdings, dass Emily den Mord eiskalt inszenierte, sie mit einem Plädoyer auf Unzurechnungsfähigkeit freikommen und er das Bauernopfer sein soll.

Side Effects“ ist, wie gewohnt bei Steven Soderbergh, lässig inszeniert mit einigen Zeitsprüngen und, dieses Mal, einigen Wendungen mehr als nötig. Denn was als Pharma-Thriller beginnt, wird in der zweiten Hälfte mit seinen vielen Intrigen und Gegenintrigen zu einem etwas übertrieben kompliziertem Noir. Das in der ersten Hälfte als gesellschaftlich relevantes Thema breit eingeführte Problem des Medikamentenmissbrauchs und des allzu sorglosen Umgangs mit Medikamenten in den USA wird dann zu einem zwar wichtigem, aber x-beliebigem Element in einem Mordplan, der so ähnlich auch schon vor einigen Jahrzehnten funktioniert hätte.

Das ist auch genau das, was Drehbuchautor Scott Z. Burns (Das Bourne-Ultimatum, Der Informant!, Contagion) , der auch als Regisseur im Gespräch war, wollte: „Ich wollte einen Thriller im Stil des Film Noir schreiben, der den Zuschauer in die Geschichte hineinzieht und ihn dann mit vielen Wendungen den Halt verlieren lässt. Einen Thriller wie etwa ‚Frau ohne Gewissen‘ (Double Indemnity, USA 1944) oder ‚Heißblütig – Kaltblütig‘ (Body Heat, USA 1981), der sich aber in der Welt der Pharmakologie entfalten würde. Mich inspirierten Filme mit geschickt konstruierten und cleveren Szenarien über Betrug und Intrigen, die in einer Welt spielten, in der auch der Zuschauer lebte. Es scheint so, als würden solche Filme heute nicht mehr gedreht werden, aber ich habe dieses Genre immer geliebt.“

Und als Genre-Übung, wie auch die vorherigen Filme von Steven Soderbergh, in denen er anderen Genres seinen Stempel aufdrückte, ist „Side Effects“ durchaus gelungen. Dieses Mal ist es eben ein Neo-Noir mit einem hübsch zynischem Ende. Als ziemlich lange angekündigter letzter Spielfilm wirkt er dagegen seltsam deplatziert, weil Steven Soderbergh nicht seine Themen und Obsessionen einer abschließenden Betrachtung unterzieht, er keine Coda zu seinem bisherigen Werk liefert und er kein offensichtlich persönliches Statement macht, sondern er einen kühlen, fast schon unterkühlten Thriller inszenierte, in dem letztendlich kein Charaktere wirklich sympathisch ist.

Aber natürlich glaubt niemand ernsthaft, dass der experimentierfreudige Soderbergh sich mit „Side Effects“ endgültig aus dem Filmgeschäft zurückzieht. Für HBO drehte er inzwischen „Behind the Candelabra“ mit Michael Douglas, Matt Damon und Rob Lowe über den Musiker Liberace und in Interviews sagt Soderbergh, dass er vielleicht demnächst eine TV-Serie drehe.

Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis der nächste Soderbergh-Film im Kino läuft.

Side Effects - Plakat

Side Effects – Tödliche Nebenwirkungen (Side Effects, USA 2013)

Regie: Steven Soderbergh

Drehbuch: Scott Z. Burns

mit Jude Law, Rooney Mara, Catherine Zeta-Jones, Channing Tatum, Vinessa Shaw

Länge: 105 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Amerikanische Homepage zum Film

Deutsche Homepage zum Film

Film-Zeit über „Side Effects“

Metacritic über „Side Effects“

Rotten Tomatoes über „Side Effects“

Wikipedia über „Side Effects“ (englisch)

Meine Besprechung von Steven Soderberghs „Girlfriend Experience – Aus dem Leben eines Luxus-Callgirls“ (The Girlfriend Experience, USA 2009)

Meine Besprechung von Steven Soderberghs „Contagion“ (Contagion, USA 2011)

Meine Besprechung von Steven Soderberghs „Haywire” (Haywire, USA 2011)

Meine Besprechung von Steven Soderberghs “Magic Mike” (Magic Mike, USA 2012)

Steven Soderbergh in der Kriminalakte