Neu im Kino/Filmkritik: „Candyman“, „Coup“, „Killer’s Bodyguard 2“, „Die Mafia ist auch nicht mehr das, was sie mal war“, „Martin Eden“ – die Neustarts vom 26. August 2021, Teil 1

August 26, 2021

Zehn Film werde ich jetzt besprechen. Dabei starten heute sogar siebzehn Filme. Und nur einem Film wünsche ich eine möglichst kurze Zeit in den Kinos. Die anderen sind vielleicht nicht alle kommende Klassiker, manche sind auch zwiespältig oder nur für ein bestimmtes Publikum geeignet (Ja, Killer’s Bodyguard, du bist gemeint), aber doch, in dem Fall für die Zielgruppe, mindestens einen Blick wert.

Im ersten Teil bespreche ich „Candyman“, „Coup“, „Killer’s Bodyguard 2“, „Die Mafia ist auch nicht mehr das, was sie mal war“ und „Martin Eden“; im zweiten Teil „Reminiscence: Die Erinnerung stirbt nie“, „Die Rote Kapelle“, „Sky Sharks“, „Tides“ und „Die Unbeugsamen“.

Beginnen wir in alphabetischer Reihenfolge mit dem Mann, der Süßigkeiten an kleine Kinder verteilt.

Candyman“ ist irgendetwas zwischen Remake, Reboot, Prequel und Weitererzählung von „Candyman’s Fluch“ (Candyman, USA 1992). In den ersten Minuten wird nämlich von einem Auftauchen des titelgebenden Candymans im Sommer 1977 in Chicago in der real existierenden Sozialwohnungssiedlung Cabrini-Green erzählt. Dann springt die Filmgeschichte in die Gegenwart. Cabrini-Green ist inzwischen gentrifiziert. In einem der neuen Nobelapartments wohnt der schwarze Künstler Anthony McCoy. Als er die Geschichte von Candyman hört, ist er fasziniert. Schnell beschließt er, dass er sich in seinem neuen Projekt mit diesem Candyman und seinen Taten in Cabrini-Green beschäftigen will. In dem Moment ahnt er noch nicht, dass er dabei auch dem titelgebenden Mann mit den Süßigkeiten begegnen wird. Denn er taucht immer dann auf, wenn man seinen Namen fünfmal in einen Spiegel sagt (Nein! Nicht ausprobieren!).

Jordan Peele („Get out“) produzierte und schrieb das Drehbuch für diese Neuinterpretation einer Großstadtlegende. Die Regie übernahm die 1989 in Brooklyn geborene Nia DaCosta. Ihr Spielfilmdebüt war „Little Woods“. Ihr nächster Film ist der Marvel-Film „The Marvels“.

Candyman“ überzeugt vor allem als fast schon hypnotisch langsam erzählter, ätzender Kommentar zu Gentrifizierung, Rassismus und männlichen Selbstzweifeln. Weil der Protagonist ein Künstler ist, sind diese Sellbstzweifel monströs und die Macher können auch einen sarkastischen Blick auf die Kunstszene werfen. In den Städten ist sie ein Treiber der Gentrifizierung und Anthonys neues Projekt lebt genau von diesem Zwiespalt: einerseits will er in seinem neuen Werk auf die Geschichte bekannter machen, andererseits beutet er sie für seine Karriere aus. Vor allem nachdem nach der Präsentation seiner Werke in einer Galerie ein bestialischer Doppelmord geschieht, steigt der Preis für seine Bilder rapide.

Die üblichen Horrormomente, also vor allem die brutalen und blutige Morde, werden meistens nicht gezeigt. Die Opfer schon. Traditionelle Jumpscares werden auch größtenteils vermieden. Stattdessen wird die Vergangenheit von Candyman im Stil eines Schattenspiels erzählt.

Insofern kann „Candyman“ als gelungene Wiederbelebung eines schon toten Horrorfilm-Franchises aus dezidiert afroamerikanischer Perspektive gesehen werden. Denn selbstverständlich gab es nach dem überraschenden Erfolg des ersten „Candyman“-Films weitere, schlechtere und unbekanntere „Candyman“-Filme.

Allerdings hatte ich auch den Eindruck, dass der „Candyman“-Mythos die Macher beim Erzählen ihrer Geschichte etwas hinderte. Schließlich mussten sie immer wieder auf die aus den vorherigen Filmen bekannte Großstadtlegende von dem Killer mit der Hakenhand, sein Schicksal und seine Taten verweisen, anstatt eine eigene urban legend zu erfinden.

Candyman (Candyman, USA 2021)

Regie: Nia DaCosta

Drehbuch: Jordan Peele, Win Rosenfeld, Nia DaCosta

mit Yahya Abdul-Mateen II, Teyonah Parris, Nathan Stewart-Jarrett, Colman Comingo, Kyle Kaminsky, Vanessa Williams, Brian King, Rebecca Spence, Tony Todd

Länge: 91 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

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Moviepilot über „Candyman“

Metacritic über „Candyman“

Rotten Tomatoes über „Candyman“

Wikipedia über „Candyman“ (deutsch, englisch)

Auf den ersten Blick wirkt „Coup“ wie der nächste Versuch eines deutschen Genrefilms. Im Mittelpunkt der wahren Geschichte steht ein 22-jähriger Bankangestellter. Obwohl er nur lustlos arbeitet, hat er eine feste Anstellung und finanziell eigentlich ausgesorgt. Da entdeckt er eine Sicherheitslücke. Er nutzt sie aus und hat plötzlich mehrere Millionen Deutsche Mark. Zusammen mit seinem besten Freund, wie er ein Rocker, flüchtet er nach Australien. Dort geben sie das erbeutete Geld mit vollen Händen aus. Er möchte auch, dass seine große Liebe und ihr gemeinsames Kind nachkommen. Aber sie will nicht.

In seinem Regiedebüt erzählt Sven O. Hill diese Geschichte mit einem minimalen Budget und einem Mix aus Real- und Animationsfilm. Erzählt wird die Geschichte von dem Bankräuber, der sie Hill erzählte und der immer noch etwas fassungslos über seinen 1988 erfolgten Bankraub ist.

Das Problem dieser verfilmten wahren Geschichte ist dann die wahre Geschichte, die halt nicht den Hollywood-Drehbuchregeln folgt und deshalb etwas spannungs- und konfliktfrei ist. Denn brenzlig oder gefährlich wird es für für ihn nie.

Coup“ ist kein pulstreibendes Krimidrama, sondern eine Schnurre mit nett-verpeilten Hamburger Jungs und ein Blick in die bundesdeutsche Vergangenheit als eine Anstellung bei einer Bank eine krisensichere Arbeit bis zur Rente war.

Coup (Deutschland 2019)

Regie: Sven O. Hill

Drehbuch: Sven O. Hill

mit Daniel Michel, Rocko Schamoni, Tomasz Robak, Paula Kalenberg

Länge: 81 Minuten

FSK: ab 6 Jahre

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Filmportal über „Coup“

Moviepilot über „Coup“

Die Story von „Killers’s Bodyguard 2“, bzw. im Original mit „The Hitman’s Wife Bodyguard“ treffender betitelt, ist Unfug, der nur existiert, um exzessive Gewalt, Brachialhumor und ein gutgelauntes Ensemble im konstanten Overacting-Modus zusammem zu führen.

Diese Fortsetzung knüpft an „Killer’s Bodyguard“ an. In dem Überraschungserfolg musste der Top-Bodyguard Michael Bryce (Ryan Reynolds) den erfolgreichen Profikiller Darius Kincaid (Samuel L. Jackson) lebendig von Coventry nach Den Haag bringen. Bei der Mission gab es Verletzte, Tote und erhebliche Schäden an Fahrzeugen und Gebäuden.

Jetzt ist Bryce immer noch todunglücklich über den Verlust seines Top-Ratings als Bodyguard (das gibt es in dieser Welt) und seiner Lizenz (auch das gibt es in dieser Welt). Als er sich auf Anraten seiner Therapeutin, die ihren therapieunfähigen Patienten unbedingt loswerden will, in einen Erholungsurlaub begibt, wird er von Sonia Kincaid (Salma Hayek), der Frau von Darius Kincaid, gefunden und sofort in ein riesiges Gefecht mit einer Hundertschaft schieß- und gewalttätiger Männer verwickelt. Während er unter keinen Umständen eine Waffe anrühren möchte, ballert sie wild drauflos.

Sie entkommen und stolpern gleich in die nächste Schlacht. Denn Sonia will unbedingt ihren von einem Mafiosi entführten Mann befreien und sie möchte Mutter werden (dabei ist sie die ungeeignetste Person dafür). Außerdem werden sie von dem echt harten, immer schlecht gelauntem Interpol-Agenten Bobby O’Neill (Frank Grillo), der unbedingt wieder zurück in die USA will, erpresst, den größenwahnsinnigen griechischen Cyberterroristen Aristoteles Papadopolous (Antonio Banderas) auszuschalten.

Die James-Bond-würdige Geschichte erhebt sich bei ihrer europäischen Sightseeing-Tour nie über das Niveau der Rollennamen. Da werden die Klischees munter aneinandergereiht und zitiert; in dem vollen Bewusstsein, dass jeder im Saal die Anspielungen versteht.

Und dann tritt auch noch Morgan Freeman als Quasi-Gott auf. Im Film ist das einer der wirklich überraschenden Momente. Wer allerdings einen Blick auf das Plakat geworfen hat, weiß, dass Morgan Freeman mitspielt.

In der richtigen Stimmung ist Buddy-Movie (oder Buddy-Buddy-Movie) „Killer’s Bodyguard 2“ ein spaßiger Film, sozusagen der räudige, sich schlecht benehmende, sein schlechtes Benehmen geniesende Bruder von „Free Guy“, ebenfalls mit Ryan Reynolds.

Killer’s Bodyguard 2 (The Hitman’s Wife Bodyguard, USA 2021)

Regie: Patrick Hughes

Drehbuch: Tom O’Connor

mit Ryan Reynolds, Samuel L. Jackson, Salma Hayek, Antonio Banderas, Morgan Freeman, Frank Grillo, Caroline Goodall, Rebecca Front, Gabriella Wright, Alice McMillan,

Kristofer Kamiyasu, Tom Hopper

Länge: 117 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „Killer’s Bodyguard 2“

Metacritic über „Killer’s Bodyguard 2“

Rotten Tomatoes über „Killer’s Bodyguard 2“

Wikipedia über „Killer’s Bodyguard 2“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Patrick Hughes‘ „The Expendables 3“ (The Expendables, USA 2014)

Meine Besprechung von Patrick Hughes‘ „Killer’s Bodyguard“ (Hitman’s Bodyguard, USA 2017)

Bleiben wir in Italien. Aber während „Killer’s Bodyguard 2“ Italien nur für den Klischeetrip US-amerikanischer Prägung benutzt, taucht Franco Maresco in seinem neuen Film „Die Mafia ist auch nicht mehr das, was sie mal war“ tief in den sizilianischen Alltag ein.

Am 23. Mai 1992 und am 19. Juli 1992 verübte die Mafia Bombenattentate auf die Richter Giovanni Falcone und Paolo Borsellino. Die Attentate, bei denen auch mehrere Unbeteiligte starben, waren letztendlich auch das Ende der Mafia, wie wir sie aus unzähligen Filmen kennen.

25 Jahre später will Maresco in Palermo die Feiern zu ihrem Todestag aufnehmen. Dafür begleitet er die Fotografin Letizia Battaglia. Sie dokumentierte ab den Siebzigern die Morde der Mafiosi. Sein zweiter Protagonist ist der Party-Veranstalter Ciccio Mira, der mit vielen Künstlern eine Feier zu Ehren der beiden ermordeten Mafiajäger durchführen will. Seine an Peinlichkeit kaum zu überbietende Dorfkirmes-Veranstaltung mit untalentierten Amateurkünstlern lebt von dem Gegensatz zwischen der erklärten Absicht, Borsellino und Falcone zu ehren, und der Realität, in der die Veranstalter und die Künstler wortreich nicht erklären können, warum sie an der Veranstaltung teilnehmen wollen und sie sich nicht von der Mafia distanzieren wollen.

In seinem Dokumentarfilm bedient Maresco sich eines satirischen Ansatzes, bei dem immer unklar ist, wie sehr die einzelnen Szenen inszeniert sind. Denn er ist ein ausgesucht respektloser und penetranter Fragensteller. Trotzdem ertragen seine Interviewpartner ihn klaglos und höflich. Auch wernn er zum x-ten Mal von ihnen ein Bekenntnis gegen die Mafia hören will. Oder er den immer freundlichen, aber auch sehr halbseidenen Festivalveranstalter Mira ins Kreuzverhör nimmt und dieser wort- und gestenreich ausweicht.

Die Mafia ist auch nicht mehr das, was sie mal war“ ist eine sehr italienische satirische Doku, die perfekt in kleine, schummerige Arthauskinos passt. Die Studentenkinos sind ja noch geschlossen.

Die Mafia ist auch nicht mehr das, was sie mal war (La mafia non è più quella di una volta, Italien 2019)

Regie: Franco Maresco

Drehbuch: Franco Maresco, Claudia Uzzo, Francesco Guttuso, Giuliano La Franca, Uliano Greca

mit Letizia Battaglia, Ciccio Mira, Matteo Mannino, Christian Miscel, Franco Zecchin

Länge: 105 Minuten

FSK: ?

Hinweise

Deutsche Verleihseite zum Film

Moviepilot über „Die Mafia ist auch nicht mehr das, was sie mal war“

Rotten Tomatoes über „Die Mafia ist auch nicht mehr das, was sie mal war“

Wikipedia über „Die Mafia ist auch nicht mehr das, was sie mal war“ (englisch, italienisch)

Wir bleiben in Italien. „Martin Eden“ ist die freie Verfilmung von Jack Londons gleichamigem, autobiographisch inspiriertem Roman. Pietro Marcello verlegte die Geschichte in seinem Spielfilmdebüt in das Nachkriegsitalien des Neorealismus.

Wie Dominik Graf in seiner Erich-Kästner-Verfilmung „Fabian oder Der Gang vor die Hunde“ erstarrt Marcello nicht in Ehrfurcht vor der Vorlage. Er bebildert sie nicht, sondern eignet sie sich an, interpretiert und verändert sie; dabei benutzt er die filmischen Mittel, die ihm passen. Die Geschichte gewinnt eine zeitlose Qualität, die immer an eine unspezifische Vergangenheit und die große Zeit des italienischen Kinos erinnert.

Martin Eden ist ein ungebildeter Seemann und Landarbeiter. Er gehört zum Subproletariat. Als er im Hafen von Neapel die großbürgerliche Elena Orsini vor einigen Schlägern rettet, öffnet sich für ihn eine Tür in eine andere Welt. Er verliebt sich in sie und sie scheint auch etwas für ihn zu empfinden. Um sie zu beeindrucken, beginnt er hochliterarische Werke zu lesen und er möchte Schriftsteller werden.

Einer der wenigen Menschen, die an ihn glaubt ist der Bohemien und Sozalist Russ Brissenden. Er fragt sich aber auch, ob Eden erfolgreich sein kann, ohne sich zu verraten. Falls er überhaupt einen Text verkaufen kann.

Martin Eden (Martin Eden, Italien/Frankreich/Deutschland 2019)

Regie: Pietro Marcello

Drehbuch: Maurizio Braucci, Pietro Marcello

LV: Jack London: Martin Eden, 1909 (Martin Eden)

mit Luca Marinelli, Jessica Cressy, Denise Sardisco, Vincenzo Nemolato, Carmen Pommella, Elisabetta Volagoi, Marco Leonardi, Autilia Ranieri, Pietro Raguso, Carlo Cecchi

Länge: 129 Minuten

FSK: ab 6 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Filmportal über „Martin Eden“

Moviepilot über „Martin Eden“

Metacritic über „Martin Eden“

Rotten Tomatoes über „Martin Eden“

Wikipedia über „Martin Eden“ (deutsch, englisch, italienisch)


TV-Tipp für den 8. November: Dom Hemingway

November 8, 2019

Pro7, 01.00

Dom Hemingway (Dom Hemingway, Großbritannien 2013)

Regie: Richard Shepard

Drehbuch: Richard Shepard

Dom Hemingway ist ein frisch aus dem Knast entlasssener Safeknacker, Angeber, Arschloch und Choleriker (um nur seine guten Seiten zu erwähnen). Jetzt will er seinen Anteil aus einem früheren Diebstahl haben und, nun, die Dinge entwickeln sich anders als von Dom geplant.

Für Nachteulen perfekte Gangstergroteske, die sich nur um den von Jude Law grandios gespielten Dom Hemingway dreht.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Jude Law, Richard E. Grant, Demian Bichir, Emilia Clarke, Kerry Condon, Jumayn Hunter, Madalina Ghenea, Nathan Stewart-Jarrett

Hinweise

Moviepilot über „Dom Hemingway“

Metacritic über „Dom Hemingway“

Rotten Tomatoes über „Dom Hemingway“

Wikipedia über „Dom Hemingway“ 

Meine Besprechung von Richard Shepards „Dom Hemingway“ (Dom Hemingway, Großbritannien 2013)


Neu im Kino/Filmkritik: „Dom Hemingway“, Safeknacker, Angeber, Arschloch und Choleriker – und das sind seine guten Seiten

April 17, 2014

Zu Dom Hemingway hält man am besten einen ordentlichen Sicherheitsabstand. Denn er ist ein wandelndes Katastrophengebiet und etwas aus der Zeit gefallen. Immerhin sitzt er, als wir ihn das erste Mal sehen, seit zwölf Jahren im Gefängnis.
Diese erste Begegnung mit ihm setzt dann auch den Ton für den restlichen Film: Jude Law, der Dom Hemingway ist, steht mit nackten Oberkörper da, blickt starr in die Kamera und hält einen mehrminütigen, ungeschnittenen Monolog an sein bestes Teil, während dieses, wie wir später sehen, gerade von einem Mithäftling liebkost wird.
Danach wird Dom Hemingway entlassen. Als erstes verprügelt er in aller Öffentlichkeit den letzten Freund seiner verstorbenen Frau, versucht in einer Nacht den gesamten Drogen- und Sexkonsum der vergangenen zwölf Jahre nachzuholen und begibt sich mit seinem schweigsamen Freund Dickie (Richard E. Grant) nach Frankreich zu Mr. Fontaine (Demian Bichir). Er will seinen Anteil aus dem Bruch, für den der Safeknacker verurteilt wurde. Plus Zuschlag für sein Schweigen.
Mit „Dom Hemingway“ inszenierte Richard Shepard, von dem auch die durchgeknallte Killer-Komödie „Mord und Margaritas“ und der unterschätzten Polit-Thriller „Hunting Party“ sind, eine schwarzhumorige Gaunerkomödie voller Geschmacklosigkeiten. Denn Dom Hemingway mit seine abrupten Stimmungswechseln ist vollkommen unfähig für ein normales Leben. Das ist anfangs in seiner Kompromisslosigkeit grandios. Aber Shepard lässt seine Charakterstudie mit zunehmender Laufzeit immer stärker in eine beliebige Abfolge von Episoden aus dem Leben von Dom Hemingway münden. Denn Dom lebt nur für den Augenblick. Er zieht keine Konsequenzen aus seinen Taten. Da helfen auch nicht die gelegentlichen Anfällen von überbordendem Selbstmitleid. Das wird besonders deutlich nach der Frankreich-Episode.
Dom will sein Geld haben, aber ob der aalglatte und gefährlich höfliche Mr. Fontaine es ihm wirklich geben wird, ist unklar. Der Konflikt darüber, auch weil Dom natürlich sofort mit Fontaines gut aussehender Freundin Sex haben will, würde bei anderen Regisseuren für einen abendfüllenden Film ausreichen. Bei Shepard ist es nur eine Episode und nachdem Fontaines Freundin mit dem gesamten Geld verschwindet, verbucht Dom den Verlust achselzuckend als Pech und kehrt mittellos nach London zurück, wo er sich wieder als Safeknacker versucht. Dabei kann er überhaupt nicht verstehen, dass andere Menschen ihm sein asoziales Verhalten vorhalten und seine Tochter keinen Kontakt zu ihm haben möchte.
Aber spätestens nach dem Frankreich-Ausflug erfahren wir nichts wesentlich Neues mehr über Dom Hemingway. Eigentlich hat schon der Eröffnungsmonolog, der mich wirklich neugierig auf den Charakter und seine Erlebnisse außerhalb der Gefängnismauern machte, alles wichtige über ihn verraten.
So ist „Dom Hemingway“ nach einer grandiosen Eröffnung nur eine zunehmend langweilige Nummernrevue und eine Jude-Law-Soloshow. Denn der großmäulige, egozentrische Hohlkopf Dom Hemingway degradiert alle zu Stichwortgebern in seiner Welt.

Dom Hemingway - Plakat

Dom Hemingway (Dom Hemingway, Großbritannien 2013)
Regie: Richard Shepard
Drehbuch: Richard Shepard
mit Jude Law, Richard E. Grant, Demian Bichir, Emilia Clarke, Kerry Condon, Jumayn Hunter, Madalina Ghenea, Nathan Stewart-Jarrett
Länge: 94 Minuten
FSK: ab 16 Jahre

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Film-Zeit über „Dom Hemingway“
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Rotten Tomatoes über „Dom Hemingway“
Wikipedia über „Dom Hemingway“ 

Die TIFF-Pressekonferenz 2013

DP/30 unterhält sich mit Filmemacher Richard Shepard

 

 


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