Neu im Kino/Filmkritik: „Blink Twice“ und alles ist in Ordnung. Ehrlich!

August 22, 2024

Wenn Slater King (Channing Tatum) in einem Video reumütig bekennt, dass er Fehler gemacht habe, aufrichtig bereue, in Therapie sei und jetzt auf seiner Insel das einsame, naturverbundene Leben genieße, dann sollten schon die ersten Alarmglocken läuten. Schließlich haben wir schon unzählige dieser gelogenen Promi-Geständnisse gehört. King wirkt bei dem Geständnis nicht reumütig, sondern arrogant, egozentrisch und von sich und seiner Macht überzeugt. Er steht über den Gesetzen und absolviert hier, während er um eine Million Dollar reicher wird, einen Publicity-Stunt.

Aber natürlich hindert das Frida (Naomi Ackie), die ein Slater-King-Groupie ist, und ihre ebenso junge und gutaussehende Freundin Jess (Alia Shawkat), die bei einer Spendengala von Tech-Millardär Slater King als Kellnerinnen arbeiten, nicht daran, sich von ihm auf seine Insel einladen und dort von all den dort vorhandenen Annehmlichkeiten und Drogen einlullen zu lassen.

Sicher, das einheimische Personal verhält sich etwas merkwürdig und dass sie sich beim Betreten der Insel von ihren Smartphones trennen mussten ist unangenehm, aber abgesehen davon ist alles paradiesisch. King und seine Freunde, eine bunte Mischung aus langjährigen Vertrauten, C-Berühmheiten und schmückendem, weiblichen Beiwerk, sind alle guter Laune, konsumieren eifrig Drogen und genießen das Luxus-Inselleben.

Dass dieses Paradies nicht so paradiesisch ist, ist offensichtlich. Auch wenn in dem Thriller „Blink Twice“ lange, sehr lange unklar ist, was das dunkle Geheimnis von Kings Paradies sein könnte.

Den ersten wirklichen Riss erhält das Paradies, als Fridas Freundin Jess nach mehreren Tagen und Nächten exzessiver Party verschwindet und die anderen Gäste sich nicht an Jess erinnern können. Es ist, als habe sie niemals existiert. Frida beginnt sie zu suchen.

Blink Twice“ ist das gelungene Regiedebüt von Schauspielerin Zoë Kravitz, das als gemeine Post-Jeffrey-Epstein-Satire gelesen werden kann. Bereits 2017 und damit vor der #MeToo-Bewegung begann sie mit dem Schreiben des Drehbuchs. Ihre Ausgangsfrage war, was geschähe, wenn Frauen nicht mehr nach den von Männern gemachten Regeln spielen würden. Als Setting wählte sie eine Insel mit mächtigen Männern und machtlosen Frauen. Inszenieren tat sie ihre Geschichte dann als stilistisch überhöhtes Slow-Burning-Mystery, bei dem wir Zuschauer von der ersten Minute an wissen, dass Frida, Jess und die anderen Besucherinnen fröhlich und nichtsahnend in eine potentiell tödliche Falle hineinlaufen. Bis das Paradies auch für sie die ersten Risse bekommt, vergeht ziemlich viel Filmzeit. Diese Zeit nutzt Kravitz, um sorgfältig Spuren auszulegen und Dinge anzudeuten, die später wichtig und erklärt werden. Das gefällt, auch weil die Schlusspointe sehr gemein ist.

Die Erklärung für die Ereignisse auf der Insel ist Filmwissenschaft, die mit der echten Wissenschaft nichts zu tun hat. Und über die verschiedenen Gäste von Slater King, die immerhin von so Hochkarätern wie Christian Slater, Haley Joel Osment, Kyle MacLachlan, Simon Rex und Geena Davis gespielt werden, bleiben arg blass. Und das Bemühen, alles richtig zu machen, ist immer erkennbar. 

Aber insgesamt ist die gallige Slow-Burning-Satire über die schönen unmoralischen Reichen ein gelungenes und vielversprechendes Debüt.

Blink Twice (Blink Twice, USA 2024)

Regie: Zoë Kravitz

Drehbuch: Zoë Kravitz, E.T. Feigenbaum

mit Naomi Ackie, Channing Tatum, Alia Shawkat, Christian Slater, Simon Rex, Adria Arjona, Haley Joel Osment, Liz Caribel, Levon Hawke, Trew Mullen, Geena Davis, Kyle MacLachlan, Cris Costa, María Elena Olivares

Länge: 103 Minuten

FSK: ab 16 Jahe

Hinweise

Moviepilot über „Blink Twice“

Metacritic über „Blink Twice“

Rotten Tomatoes über „Blink Twice“

Wikipedia über „Blink Twice“ (deutsch, englisch)


Neu im Kino/Filmkritik: Über den Pixar-Film „Alles steht Kopf 2“

Juni 14, 2024

Nun also die Pubertät. 2015 erlebten wir in dem Pixar-Film „Alles steht Kopf“, wie es in dem Kopf der elfjährigen Riley Andersen aussieht und wie ihre unterschiedlichen Emotionen zusammenarbeiten, damit sie sich Riley-vernünftig verhält. Sie muss nämlich den Umzug von einem Dorf in Minnesota nach San Francisco verarbeiten. Der Film war ein Hit.

Und nachdem auch Pixar in den vergangenen Jahren neben erfolgreichen Einzelfilmen auch Fortsetzungen erfolgreicher Filme produzierte, war die Fortsetzung von „Alles steht Kopf“ wohl nur eine Frage der Zeit. Dramaturgisch notwendig war und ist sie nicht. Wobei die Pubertät neue erzählerische Möglichkeit eröffnet.

Denn Riley ist jetzt ein dreizehnjähriger Teenager. An der Schule ist sie beliebt und erfolgreich. Mit ihren beiden Freundinnen Bree und Grace wird sie zu einem Eishockey-Trainingslager eingeladen, das ihr auch neue schulische Möglichkeiten eröffnet. Wenn sie von der strengen Trainerin aufgenommen wird, hatsie nämlich gleichzeitig einen Platz an einer guten High School. Außerdem möchte Riley die Freundin von Valentina ‚Val‘ Ortiz, dem beliebt-bewunderten Star des Eishockey-Teams, werden.

In dem Moment übernehmen neue, mit der Pubertät zusammenhängende Gefühle die Herrschaft über Riley. Zu den aus dem ersten Film bekannten Emotionen Freude (Joy), Kummer (Sadness), Wut (Anger), Angst (Fear) und Ekel (Disgust) kommen

Zweifel (Anxiety), Neid (Envy), Peinlich (Embarrassment) und Ennui (Ennui; hauptsächlich mit dem lustlosen Herumlungern auf der Couch und der Pflege einer Null-Bock-Haltung beschäftigt) dazu. Sogar Nostalgie (Nostalgia) darf als weitere Emotion, die sich nach der Vergangenheit sehnt, schon zweimal kurz auftauchen.

Weil Freude und die anderen aus dem ersten Film bekannten Emotionen die neue Emotion Zweifel bei ihrer Arbeit zu sehr stören, sperrt sie sie in ein Einmachglas und befördert sie in einen Safe in einer abgelegenen Region von Rileys Gehirn. Dort können sie sich aus dem Safe befreien. Sie machen sich auf den beschwerlichen Weg zurück in Rileys Schaltzentrale.

Kelsey Mann übernahm die Regie. Er arbeitet seit 2009 in verschiedenen Positionen bei Pixar. „Alles steht Kopf 2“ ist sein Spielfilmdebüt. „Alles steht Kopf“-Co-Drehbuchautorin Meg LeFauve und Dave Holstein schrieben das Drehbuch. Und in der Originalfassung liehen viele bekannte Schauspieler, die schon beim ersten Teil dabei waren, den Figuren wieder ihre Stimme. In der deutschen Fassung durften dann Olaf Schubert, Hans-Joachim Heist (bekannter als Gernot Hassknecht aus der „heute-show“), Tahnee und Bastian Pastewka, teils ebenfalls zum zweiten Mal, ran.

Manns Spielfilmdebüt ist ein durchaus unterhaltsamer, aber auch ziemlich hektischer Pixar-Film, der mit den Problemen einer Fortsetzung kämpft. Die Idee von „Alles steht Kopf“, dass wir uns im Kopf einer Person befinden und erleben, wie verschiedene Emotionen zusammenarbeiten, einen Charakter formen und zusammen Entscheidungen fällen, war grandios und sie wurde in ihrer Reduzierung auf fünf wichtige Emotionen überzeugend umgesetzt. Komplexe wissenschaftliche Erkenntnisse konnten so für ein aus Kindern bestehendes Publikum präsentiert und von diesem verstanden werden. Jedenfalls genug, um die Filmgeschichte begeistert mitzuverfolgen, während die Erwachsenen ganz andere Dinge in dem Film sahen. Diese Idee wird jetzt nicht mit fünf, sondern mit, je nach Zählung, neun bis zehn Emotionen wiederholt. Das mag näher an der Wirklichkeit, vor allem der Wirklichkeit eines Teenagers, sein, aber einige Emotionen ähneln sich sehr und keine Emotion kann sich wirklich entfalten. „Alles steht Kopf 2“ ist jetzt keine spannende Diskussion im kleinen Kreis mehr, in dem die verschiedenen Diskursteilnehmenden die anderen ausreden lassen und zu einer Lösung kommen, sondern eine typische chaotische Talkshow, in der irgendwann alle durcheinander reden, während Ennui gelangweilt wegdöst.

Die in Rileys Kopf spielende Geschichte ist zwar unterhaltsam, aber ohne große dramaturgische Dringlichkeit. Die in der realen Welt spielende Geschichte, also Rileys Kampf um die Aufnahme in das Eishockey-Team und den damit verbundenen Platz in dieser High School, das damit verbundene Leistungsdenken und der Umgang miteinander sind sehr amerikanisch.

Natürlich ist „Alles steht Kopf 2“ kein schlechter Film. Es ist ein Pixar-Film und da ist ein bestimmtes Niveau immer vorhanden. Aber es handelt sich um eine überflüssige Fortsetzung, die niemals die Qualität von „Alles steht Kopf“ erreicht.

Alles steht Kopf 2 (Inside Out 2, USA 2024)

Regie: Kelsey Mann

Drehbuch: Meg LeFauve, Dave Holstein (nach einer Geschichte von Kelsey Mann und Meg LeFauve)

mit (im Original den Stimmen von) Amy Poehler, Liza Lapira, Tony Hale, Lewis Black, Phyllis Smith, Maya Hawke, Ayo Edebiri, Adèle Exarchopoulos, Paul Walter Hauser, Kensington Tallman, Lilimar, Grace Lu, Sumayyah Nuriddin-Green, Diane Lane, Kyle MacLachlan, Frank Oz, Flea, June Squibb

(in der deutschen Synchronisation den Stimmen von) Olaf Schubert, Hans-Joachim Heist, Tahnee, Leon Windscheid, Younes Zarou, Bastian Pastewka

Länge: 96 Minuten

FSK: ab 0 Jahre

Hinweise

Moviepilot über „Alles steht Kopf 2“

Metacritic über „Alles steht Kopf 2“

Rotten Tomatoes über „Alles steht Kopf 2“

Wikipedia über „Alles steht Kopf 2“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Pete Docter/Ronnie del Carmens „Alles steht Kopf“ (Inside Out, USA 2015)


TV-Tipp für den 22. Januar: Blue Velvet – Verbotene Blicke

Januar 21, 2024

Arte, 22.10

Blue Velvet – Verbotene Blicke (Blue Velvet, USA 1986)

Regie: David Lynch

Drehbuch: David Lynch

Es beginnt mit einem Ohr. Das findet der Student Jeffrey Beaumont, der für einige Tage in seinen Heimatort, die beschauliche Kleinstadt Lumberton, zurückgekehrt ist, am helllichten Tag auf einer Wiese. Jeffrey will den Besitzer des Ohres finden und gerät in einen Alptraum von Sex und Gewalt.

Ein Höhepunkt im Schaffen von David Lynch – und ein Klassiker.

mit Kyle MacLachlan, Isabella Rossellini, Dennis Hopper, Laura Dern, Hope Lange, Dean Stockwell, George Dickerson, Priscilla Pointer, Brad Dourif, Jack Nance

Hinweise

Rotten Tomatoes über „Blue Velvet“

Wikipedia über „Blue Velvet“ (deutsch, englisch)

Homepage von David Lynch

Meine Besprechung von David Lynchs „Der Wüstenplanet“ (Dune, USA 1984) und der gleichnamigen Vorlage von Frank Herbert

Meine Besprechung von David Lynchs „Twin Peaks – Fire walk with me“ (Twin Peaks: Fire walk with me, USA 1992)

Meine Besprechung von David Lynchs „Lost Highway“ (Lost Highway, USA 1997)

Meine Besprechung von David Lynchs „Mulholland Drive – Straße der Finsternis“ (Mulholland Dr., USA/Frankreich 2001)

 


(Wieder) Neu im Kino/Filmkritik: Über David Lynchs „Twin Peaks – Fire walk with me“

September 3, 2023

Wenn am kommenden Dienstag, den 5. September, im Rahmen der uneingeschränkt lobenswerten monatlichen „Best of Cinema“-Reihe, die Filmklassiker zurück in die Kinos bringt, David Lynchs „Twin Peaks – Fire walk with me“ wieder für mindestens einen Tag (kann ja sein, dass einige Kinos den Film länger zeigen) in die Kinos kommt, werden ältere Semester sich an den weltweiten Hype um „Twin Peaks“ erinnern. David Lynch war damals mit „Blue Velvet“ und „Wild at Heart – Die Geschicht von Sailor und Lula“ everbody’s darling. Aber anstatt seinen nächsten Kinofilm zu drehen, machte er Fernsehen – und revolutionierte es. Er und Autor Mark Frost erfanden einen Kosmos bizarrer Ereignisse und Figuren, in denen Realität und Traum sich konstant vermischen und es mehr Merkwürdigkeiten und Rätsel als Erklärungen und Lösungen gab. Zusammengehalten wird diese Welt zunächst, obwohl Frost und Lynch kein besonderes Interesse an der Antwort hatten, von der Frage, wer Laura Palmer ermordete.

Als die Frage auf Wunsch der Produzenten mitten in der zweiten Staffel eindeutig beantwortet wurde, erlosch auch das Zuschauerinteresse an der TV-Serie. Nach zwei Staffeln wurde sie eingestellt. 2017 folgte eine dritte Staffel. Dieses Mal schrieben Frost und Lynch alle Drehbücher und Lynch inszenierte alle Folgen. Sie hatte nicht den popkulturellen Einfluss der ersten beiden Staffeln, die in den USA 1990 und 1991 gezeigt wurden. In Deutschland liefen sie erstmals 1991/92.

Nachdem alle wussten, wer Laura Palmer ermordete, beantwortete David Lynch in dem danach entstandenem Spielfilm, wie es zu dem Mord an Laura Palmer kam. Er erzählt die letzte Woche im Leben der siebzehnjährigen Schülerin zwischen verschiedenen Liebschaften, Sex, Drogenkonsum und der letztendlich ihr Leben und ihre Gefühle bestimmenden Haßliebe zu ihrem Vater Leland Palmer. Er vergewaltigt sie seit längerem. Laura sieht ihn dann als Bob, eine bösen Dämon. Er ermordet sie.

Twin Peaks – Fire walk with me“ (ursprünglich „Twin Peaks – Der Film“) ist ein Prequel, das für Menschen, die die Serie nicht kennen, wahrscheinlich noch rätselhafter ist als für Menschen, die die Serie kennen. Denn Lynch setzt einfach voraus, dass die Figuren, ihre Beziehungen zueinander und die Handlungsorte bekannt sind.

Die damalige Kritik verriss den Film. Das Publikum blieb fern. Über die Jahre änderte sich der Ruf des Films. Inzwischen wird er in mehreren Bestenlisten erwähnt und als Meisterwerk gepriesen.

Trotzdem ist „Twin Peaks – Fire walk with me“ nur ein überflüssiger Nachklapp zur TV-Serie ist. Die Bilder sind TV-Bilder. Die oft endlos langen, sparsam geschnittenen Szenen wirken wie Überbleibsel aus der TV-Serie, die einfach neu zusammengesetzt wurden. Und wie das bei ‚geschnittenen Szenen‘ ist, sind sie vielleicht aus dem einen oder anderen Grund interessant, aber zum Verständnis der gesamten Geschichte, was in diesem Fall die TV-Serie ist, unwichtig. Außerdem bleibt eine Zusammenstellung ‚geschnittener Szenen‘ immer eine Ansammlung mehr oder weniger zusammenpassender Szenen, die als einzelne Szenen durchaus gelungen sind, aber insgesamt nicht überzeugen. So besteht „Twin Peaks -Fire walk with me“ aus einem langen Prolog, der mit Laura Palmers letzten Tagen eigentlich nichts zu tun hat, und ihren letzten Tage, die eine Ansammlung von Bildern aus der Hölle eines Teenagerlebens in einer weißen US-Kleinstadt sind. Die erste halbe Stunde spielt ein Jahr vor dem Tod von Laura Palmer. In diesem Prolog erzählt Lynch, wie zwei FBI-Agenten (Chris Isaak, Kiefer Sutherland) in der Kleinstadt Deer Meadow den Mord an der jungen Prostituierten Teresa Banks aufklären sollen. Äußerst lynchesk folgt er dabei den normalen Ermittlungsschritten einer polizeilichen Ermittlung. Der Prolog endet mit dem spurlosen Verschwinden der beiden Ermittler. Danach erklingt zum ersten Mal Angelo Badalamentis legendäre „Twin Peaks“-Melodie, Laura Palmer taucht auf und aus der Comedy wird ein düsterer Noir über eine junge Frau, die seit Jahren von ihrem Vater sexuell missbraucht wird.

Twin Peaks – Fire walk with me“ ist definitiv nicht Lynchs bester Film. Dafür ist er zu sehr und zu offensichtlich nur der Versuch, mit der Marke „Twin Peaks“ Geld zu machen.

Twin Peaks – Fire walk with me (Twin Peaks: Fire walk with me, USA 1992)

Regie: David Lynch

Drehbuch: David Lynch, Robert Engels

mit Sheryl Lee, Ray Wise, Frank Silva, Moira Kelly, James Marshall, Kyle MacLachlan, Mädchen Amick, Dana Ashbrook, David Bowie, Heather Graham, Chris Isaak, David Lynch, Jürgen Prochnow, Harry Dean Stanton, Kiefer Sutherland, Pamela Gidley, Grace Zabriskie, Miguel Ferrer, Al Strobel, Peggy Lipton

Länge: 135 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

ursprünglicher Kinotitel: Twin Peaks – Der Film

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Moviepilot über „Twin Peaks – Fire walk with me“

Metacritc über „Twin Peaks – Fire walk with me“

Rotten Tomatoes über „Twin Peaks – Fire walk with me“

Wikipedia über „Twin Peaks – Fire walk with me“ (deutsch, englisch)

Homepage von David Lynch

Meine Besprechung von David Lynchs „Der Wüstenplanet“ (Dune, USA 1984) und der gleichnamigen Vorlage von Frank Herbert

Meine Besprechung von David Lynchs „Lost Highway“ (Lost Highway, USA 1997)

Meine Besprechung von David Lynchs „Mulholland Drive – Straße der Finsternis“ (Mulholland Dr., USA/Frankreich 2001)


TV-Tipp für den 14. September: Der Wüstenplanet

September 13, 2021

Kabel 1, 23.00

Der Wüstenplanet (Dune, USA 1984)

Regie: David Lynch

Drehbuch: David Lynch

LV: Frank Herbert: Dune, 1965 (Dune – Der Wüstenplanet)

Wenige Stunden vor dem Kinostart von Denis Villeneuves neuer Verfilmung von Frank Herberts mit dem Hugo-Award ausgezeichneten SF-Klassiker „Der Wüstenplanet“ kann heute Abend noch einmal David Lynchs mit dem Stinkers Bad Movie Award ausgezeichnete Verfilmung angesehen werden.

Die Story: in der Zukunft wird auf dem Wüstenplaneten Arrakis das für die Gesellschaft wichtige Gewürz (aka Spice) abgebaut. Jetzt soll das Haus Atreides die Gewürzförderung übernehmen. Herzog Leto Atreides fällt einer Intrige durch das Haus Harkonnen zum Opfer. Sein Sohn Paul Atreides flüchtet mit seiner Mutter in die Wüste. Dort wird er der Anführer der Fremen. Gemeinsam ziehen sie in den Kampf gegen die niederträchtigen Harkonnen.

Der Film: Als ich mir den Film vor einigen Tagen wieder ansah, war ich erstaunt, wie schlecht er ist. Lynch rafft einfach das Buch zusammen, was dazu führt, dass die Geschichte vollkommen unverständlich wird. Er inszenierte eine Armee regungslos vor der Kamera stehender sprechender Köpfe. Für eine Big-Budget-Produktion und verglichen mit den Tricks von ungefähr zeitgleich entstandenen Filmen wie „Das Imperium schlägt zurück“, „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“, „Das Ding aus einer anderen Welt“ oder „Blade Runner“ sind die Tricks atemberaubend schlecht. Sogar in einem SF-Film aus den Fünfzigern sind sie überzeugender.

Lynches „Der Wüstenplanet“ ist ein grottenschlechtes Totaldesaster. Humorfreie und prätentiöse auf jeder Ebene. Verglichen mit diesem Film ist Villeneuves Version natürlich besser. Wieviel besser sie ist, werde ich in meiner ausführlichen Besprechung erklären.

Mit Kyle MacLachlan, José Ferrer, Francesca Annis, Jürgen Prochnow, Kenneth McMillan, Silvana Mangano, Dean Stockwell, Max von Sydow, Linda Hunt, Brad Dourif, Sting, Sean Young, Richard Jordan, Sean Phillips, Freddie Jones, Patrick Stewart, Virginia Madsen

Die Vorlage, zum Filmstart mit neuem Cover

Dune Der Wuestenplanet von Frank Herbert

Frank Herbert: Dune – Der Wüstenplanet

(übersetzt von Jakob Schmidt)

Heyne, 2020

800 Seiten

12,99 Euro

Hinweise

Rotten Tomatoes über „Der Wüstenplanet“

Wikipedia über „Der Wüstenplanet“ (deutsch, englisch)

Homepage von David Lynch

Meine Besprechung von David Lynchs „Lost Highway“ (Lost Highway, USA 1997)


Neu im Kino/Filmkritik: „Tesla“, der Erfinder und sein Leben

August 20, 2020

Sagen wir es einfach und ohne zu viel technisches Brimborium, das meinen bescheidenen Verstand übersteigt: ohne die Entdeckungen und Erfindungen von Nikola Tesla sähe die Welt heute anders aus. Auf ihn geht die erste praktische Verwendung des Wechselstroms, die Tesla-Spule, zurück. Sie war der Grundstein für drahtlose Technologien und wird noch heute in der Funktechnik verwendet. Weltweit wurden ungefähr dreihundert Patente auf seinen Namen eingetragen. Für weitere Erfindungen wurde kein Patent von ihm beantragt.

Aber war dieser Nikola Tesla? Nach Michael Almereydas ungewöhnlichem Biopic „Tesla“ war der 1856 in dem Dorf Smiljan, das damals zum Kaisertum Österreich und heute zu Kroatien gehört, geborene Erfinder ein introvertierter, im zwischenmenschlichen Umgang gehemmter Wissenschaftler, der vor allem für seine visionären Ideen und Forschungen lebte. In finanziellen Dingen war er höchst unbedarft. 1884 kam er in die USA. Der bekannte Erfinder und Geschäftsmann Thomas Alva Edison stellte ihn ein. Bereits nach wenigen Monaten verließ Tesla Edisons Unternehmen.

In den nächsten Jahren entbrannte zwischen ihnen der Stromkrieg. Edison war ein Anhänger des Gleichstroms. Tesla des Wechselstroms. Diese Technik ermöglicht es, dass Strom durch Kabel nahezu verlustfrei über große Strecken transportiert werden kann. Tesla, oder sagen wir besser Teslas Erfindungen, wurden von verschiedenen Investoren, vor allem von George Westinghouse und J. P. Morgan, unterstützt. Sie finanzierten über die Jahre seine Forschungen und verdienten an ihnen. Dabei übervorteilten sie den an Geld und Eigentum (festgelegt in Patenten) nicht interessierten Nikola Tesla immer wieder.

Erzählt wird „Tesla“ von Anne Morgan. Sie war J. P. Morgans Tochter. Im Film taucht sie als Teslas Freundin und als Erzählerin auf, die Teslas Leben auch mit Hilfe des Internets erzählt. Immer wieder stellt sie eine imaginierte und damit sehr filmische Version der Ereignisse den wahren Ereignissen gegenüber. Sie erzählt, wie der Stromkrieg zwischen Edison und Westinghouse sich entwickelte. Der Erfinder Tesla stand dabei zwischen den beiden um die Vorherrschaft auf dem Strommarkt (und den damit verbundenen Entwicklungen und Einnahmen) kämpfenden Investoren. Morgan erzählt auch von Teslas Suche nach der Freien Energie und von seiner Beziehung zur damals weltbekannten Schauspielerin Sarah Bernhardt.

Durch die Erzählerin, die gleichzeitig als Zeitgenossin und als heute lebende Erzählerin auftritt, erfährt Michael Almereydas „Tesla“ eine interessante Brechung, die durch weitere Anachronismen verstärkt wird. Im Gegensatz zu anderen Biopics, in denen die Bilder immer behaupten, dass sie die wahre Geschichte der historischen Ereignisse erzählen, wird in „Tesla“ immer wieder darauf hingewiesen, dass es sich um eine Interpretation der damaligen Ereignisse aus unserer heutigen Perspektive handelt. Damit dekonstruiert Almereyda seine Biopic-Geschichte schon während er sie erzählt.

Almereyda schrieb das Drehbuch zu dem inzwischen kultigen SF-Trash „Cherry 2000“ und er war einer der Drehbuchautoren von Wim Wenders‘ „Bis ans Ende der Welt“. Sein bekanntester Film ist „Hamlet“. In dem Drama verlegte er William Shakespeares gleichnamiges Stück in das heutige New York. Die Hauptrollen übernahmen Ethan Hawke und Kyle MacLachlan. Jetzt, zwanzig Jahre später, treten sie wieder gemeinsam in einem Film auf. Kyle MacLachlan spielt Thomas Alva Edison. Ethan Hawke Nicola Tesla. Und Hawkes Darstellung des im Umgang mit anderen Menschen extrem schweigsamen und steifen Genies überzeugt. Während des gesamten Films ist in Hawkes Gesicht kaum eine Regung sichtbar. Bis er am Ende dann seine Version des „Tears for Fears“-Hits „Everybody wants to Rule the World“ zum Besten gibt.

Tesla“ ist kein einfach konsumierbares Biopic, sondern ein, durchaus innerhalb der Konventionen, immer wieder eigene Wege beschreitendes und die üblichen Biopic-Konventionen unterlaufendes Drama, das so versucht Teslas Persönlichkeit gerecht zu werden.

Tesla (Tesla, USA 2020)

Regie: Michael Almereyda

Drehbuch: Michael Almereyda

mit Ethan Hawke, Eve Hewson, Kyle MacLachlan, Jim Gaffigan, Donnie Keshawarz, Rebecca Dayan, Josh Hamilton, Lucy Walters

Länge: 102 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Moviepilot über „Tesla“

Metacritic über „Tesla“

Rotten Tomatoes über „Tesla“

Wikipedia über „Tesla“ (deutsch, englisch)


Neu im Kino/Buch- und Filmkritik: Tick Tock Tick Tock „Das Haus der geheimnisvollen Uhren“

September 23, 2018

Hier ist sie nun: die Verfilmung eines Kinderbuchklassikers, der sich förmlich für eine Verfilmung anbietet. Nicht weil die Geschichte so neu ist, sondern weil einfach eine sattsam bekannte Geschichte mit dem kleinen Twist erzählt, dass der Held, der einen Toten wieder erweckt ein zehnjähriger Junge ist und alles etwas harmloser abläuft als in einer Stephen-King-Verfilmung. Aber auch nicht so harmlos, dass man der FSK-Freigabe „ab 6 Jahre“ problemlos, aus vollem Herzen zustimmen möchte. Dafür ist „Das Haus der geheimnisvollen Uhren“ dann doch etwas zu düster geraten.

Im Buch und Film wird der zehnjährige Lewis Barnavelt (Owen Vaccaro) von seinem in New Zebedee lebendem Onkel Jonathan (Jack Black) aufgenommen. Lewis hat seine über alles geliebten Eltern verloren. Sein Onkel lebt, wie er schnell erfährt, in einem Zauberhaus und er ist etwas exzentrisch, aber sehr liebenswert. Und er belästigt Lewis nicht mit Regeln und Vorschriften. Außerdem sind er und seine Nachbarin, Mrs. Zimmerman (Cate Blanchett), richtige Zauberer.

Die beiden Freigeister führen Lewis in die wundervolle Welt der Zauberei ein.

Als Lewis, um einen Klassenkameraden zu beeindrucken, einen Toten wieder zum Leben erweckt, setzt er unwissentlich eine katastrophale Dynamik in Gang.

Denn er erweckte Isaac Izard (Kyle MacLachlan), den früheren Besitzer des Hauses. Izard ist ein böser Zauberer, der auch irgendetwas mit der tickenden Uhr zu tun hat, die irgendwo im Haus in der Wand verborgen ist und die einen Countdown schlägt.

Lewis, Onkel Jonathan und Mrs. Zimmerman versuchen die Katastrophe zu verhindern. Dummerweise haben sie keine Ahnung, wieviel Zeit sie noch haben und wer ihre Gegner sind.

Das klingt doch nach einer zünftigen Horrorgeschichte mit all den vertrauten und liebgewonnenen Genretopoi und Figuren, die dieses Mal für ein jüngeres Publikum erzählt wird.

Zu den Produzenten gehört, was für die kindgerechte Version spricht, Amblin Entertainment. Spielbergs Firma ist vor allem bekannt für familienfreundliche Filme, wie „E. T. – Der Außerirdische“. Zu den Amblin-Filmen gehört auch „Gremlins“. Und, obwohl es strenggenommen kein Amblin-ist, auch „Poltergeist“. Der Horrorfilm wurde von „The Texas Chainsaw Masscre“-Regisseur Tobe Hooper inszeniert. Hooper war damals und heute nicht für familien- und kindertaugliche Filme bekannt.

Ich sage das, weil „Das Haus der geheimnisvollen Uhren“ von Eli Roth inszeniert wurde. Roth ist für alles bekannt, außer für Kinderfilme. Horrorfilme, die oft Probleme mit der Zensur haben, sind sein Metier. Auch wenn er zuletzt mit „Knock Knock“ und „Death Wish“ Thriller drehte, die nicht gut waren.

Das Haus der geheimnisvollen Uhren“ ist jetzt ein Kinderfilm, der nicht gut ist.

Das beginnt schon mit den Gruselszenen, die für ein kindliches Publikum wirklich sehr gruselig geraten sind. Wenn Lewis, Onkel Jonathan und Mrs. Zimmerman von einer Horde Halloween-Kürbisse oder einer Armada Puppen angegriffen werden und sie diese mit spürbarer Lust an brachialer Gewalt vernichten, dann ist da kein Hauch von Magie, sondern nur die Lust am Gemetzel zu spüren. Es sind Szenen, die sich an ein älteres Publikum richten.

Humor könnte solchen Momenten seinen Schrecken nehmen, aber in „Das Haus der geheimnisvollen Uhren“ wirkt der Humor, vor allem die Neckereien zwischen Onkel Jonathan und Mrs. Zimmerman, immer etwas zu forciert. Er hat auch keine reale Grundierung. Das trifft auf den gesamten Film, der 1955 in einem typischen Fünfziger-Jahre-All-America-Ort spielt. Bellairs‘ Roman spielt bereits 1948; was nichts daran ändert, dass Buch und Film in einem Traum-Amerika spielen, in dem der amerikanische Traum als Traum des weißen Mannes noch ungebrochen zelebriert wurde. Es ist auch ein Ort, der immer wie eine leblose, aus dem Fundus zusammengestellte Theaterkulisse wirkt.

Zu diesen Problemen, die sich ausschließlich aus der Präsentation ergeben, kommt eine sehr schleppend erzählte Filmgeschichte, die bei all ihren Änderungen doch erstaunlich nahe an der Vorlage bleibt. Schon der Roman ist kein prototypischer Pageturner, sondern ein Kinderbuch, dessen Geschichte sich über viele Monate erstreckt, in dem Izard erst in der Buchmitte von den Toten aufersteht und in dem die potentiell gruseligen Momente schnell abgehandelt werden. In einem Roman ist das weniger ein Problem als in einem Film. Es dauert eine Stunde, bis Lewis, um bei einem Klassenkameraden Eindruck zu schinden, mitten in der Nacht den Bösewicht des Films wieder erweckt. Dass er dadurch eine tödliche Dynamik in Gang setzt, begreift er erst später. Spannender wird die Geschichte in den folgenden ungefähr vierzig Minuten dadurch allerdings nicht. Roth reiht einfach, ohne ein Gefühl für Stimmungen, Episoden aneinander, währen Jack Black und Cate Blanchett erstaunlich blass bleiben.

Besser man sieht sich noch einmal „Gänsehaut“ an. Das ist, ebenfalls mit Jack Black, ein richtig vergnüglicher Horrorfilm für Kinder, der auch Erwachsenen gefällt und etliche gelungene Anspielungen hat.

Das Haus der geheimnisvollen Uhren (The House with a Clock in its Walls, USA 2018

Regie: Eli Roth

Drehbuch: Eric Kripke

LV: John Bellairs: A House with a Clock in its Walls, 1973 (Das Geheimnis der Zauberuhr, Das Haus der geheimnisvollen Uhren)

mit Owen Vaccaro, Jack Black, Cate Blanchett, Renée Elise Goldsberry, Sunny Suljic, Collen Camp, Lorenza Izzo, Kyle MacLachlan

Länge: 106 Minuten

FSK: ab 6 Jahre (nicht unumstritten)

Die Vorlage

John Bellairs: Das Haus der geheimnisvollen Uhren

(übersetzt von Alexander Schmitz)

Heyne, 2018

224 Seiten

9,99 Euro

Deutsche Erstausgabe

Das Geheimnis der Zauberuhr

Diogenes, 1977

Originalausgabe

A House with a clock in its walls

Puffin Books, Penguin, New York, 1973

Hinweise

Deutsche Facebook-Seite zum Film

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „Das Haus der geheimnisvollen Uhren“

Metacritic über „Das Haus der geheimnisvollen Uhren“

Rotten Tomatoes über „Das Haus der geheimnisvollen Uhren“

Wikipedia über „Das Haus der geheimnisvollen Uhren“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Eli Roths „Knock Knock“ (Knock Knock, USA/Chile 2015)

Meine Besprechung von Eli Roths „Death Wish“ (Death Wish, USA 2018)