Ein Jahr nach dem Original startet jetzt das US-Remake von „Speak no evil“ im Kino und weil fast jedes Wort über das Remake auch als Spoiler über das Original interpretiert werden kann, gibt es jetzt einmal eine allgemeine, allumfassende Spoilerwarnung, die ausdrücklich auch für den Trailer gilt.
Vor einem Jahr erzählte Christian Tafdrup in seinem Horrorthriller „Speak no evil“ eine ziemlich gemeine Geschichte mit einem zugleich gemeinem, schockierendem und diskussionswürdigem Ende. Es geht, ich folge jetzt bei den Namen und Orten dem Remake, um das Ehepaar Dalton. Bei einem Toskanaurlaub lernen Ben (Scoot McNairy) und Louise Dalton (Mackenzie Davis) Paddy (James McAvoy) und Ciara Field (Aisling Franciosi) kennen. Sie verstehen sich gut. Auch ihre Kinder, Daltons elfjährige Tochter Agnes (Alix West Lefler) und Fields etwa gleichaltriger, stummer Sohn Ant (Dan Hough), verstehen sich gut. Am Ende des Urlaubs werden die Adressen ausgetauscht und das war es. Normalerweise. Aber die Fields laden die in London lebenden Daltons zu einem Wochenende auf ihrem einsam in der westenglischen Provinz liegenden Hof ein. Die Daltons nehmen die Einladung an. So ein Wochenende könnte eine schöne Abwechslung sein.
Schon kurz nach ihrem Eintreffen kommt es zu ersten Irritationen. Die Gastgeber verhalten sich immer wieder seltsam. Vor allem Paddy ist immer wieder übergriffig und schlichtweg unhöflich. Die Daltons sind immer wieder irritiert. Aber letztendlich verbuchen das Verhalten der Fields immer wieder unter ‚Missverständnis‘ und ‚kulturelle Unterschiede‘ zwischen Amerika und England, zwischen Stadt und Land.
Blumhouse sicherte sich die Rechte an Tafdrups hochgelobtem Horrorthriller. James Watkins inszenierte und schrieb auch das neue Drehbuch, das über weite Strecken einfach die Herkunft der beiden Ehepaare änderte. Im Original wird das dänische Paar von einem holländischem Paar zu sich nach Hause eingeladen. Im Remake wird aus den beiden Urlauberpaaren ein in London lebendes, aus den USA kommendes Paar und ein in der englischen Provinz lebendes Paar.
Bis zum dritten Akt sind die Unterschiede zwischen Original und Remake marginal und oft eher Geschmacksache. Einiges fällt bei James Watkins auch kürzer aus, weil sein Finale länger und konventioneller ist. Er macht aus einem Horrorthriller, der mit seinem Ende Diskussionen anregt, einen 08/15-Actionthriller, der als Update von Sam Peckinpahs „Wer Gewalt sät“ (Straw Dogs) oder Watkins‘ Horrorthriller „Eden Lake“ gesehen werden kann. In allen drei Filmen geht es um den Zusammenprall von linksliberalen, gebildeten, Gewalt ablehnenden Städtern und zurückgebliebenen, gewalttätigen und sexuell freizügigen Landbewohnern. Ratio trifft auf Trieb. Missverstädnisse, Vorurteile und die Unfähigkeit darüber zu sprechen, treiben den Konflikt weiter an.
Und jedes Mal antworten die Städter am Ende mit brachialer Gewalt auf Gewalt. „Speak no evil“ endet in einem Blutbad, das alles außer kathartisch ist. Dieses Ende ist das Gegenteil des überaus beunruhigenden Ende des Originals. In ihm bleiben die Gäste bis nach dem bitteren Ende duldsam. Nie ergreifen sie eine Chance zur Flucht. Nie wehren sie sich. Und genau dieses Ende führt nach dem Abspann zu erregten Diskussionen über den Film. Christian Tafdrup stellt die Frage, wie sehr man sich unterdrücken lässt. Und er gibt eine provozierende Antwort. Watkins beantwortt die Frage mit einem zu keiner Diskussion anregendem Finale. Wie in unzähligen anderen Filmen wird Gewalt einfach mit Gewalt beantwortet.
So ist Watkins „Speak no evil“ als straff inszenierter, gut besetzter 08/15-Thriller mit vorhersehbarem Ende durchaus gelungen. Aber nicht mehr.

Speak no evil (Speak no evil, USA 2024)
Regie: James Watkins
Drehbuch: James Watkins (nach dem Drehbuch „Gæsterne“ von Christian Tafdrup und Mads Tafdrup)
mit James McAvoy, Mackenzie Davis, Aisling Fanciosi, Alix West Lefler, Dan Hough, Scoot McNairy, Kris Hitchen, Motaz Malhees
Länge: 110 Minuten
FSK: ab 16 Jahre
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Hinweise
Moviepilot über „Speak no evil“
Metacritic über „Speak no evil“
Rotten Tomatoes über „Speak no evil“
Wikipedia über „Speak no evil“ (deutsch, englisch)
Meine Besprechung von James Watkins‘ „McMafia – Staffel 1“ (McMafia, Großbritannien 2018)
Meine Besprechung von Christian Tafdrups „Speak no evil“ (Gæsterne, Dänemark/Niederlande 2022)
Veröffentlicht von AxelB 






