Neu im Kino/Filmkritik: Über Kevin Costners „Horizon – Eine amerikanische Saga“, Teil 1 von 4

August 22, 2024

Dass Kevin Costner ein großer Western-Fan ist, ist schon bei ein Blick in seine Filmographie offensichtlich. Erinnert sei nur an „Der mit dem Wolf tanzt“, „Open Range“, „Silverado“, „Wyatt Earp“, die Western-Miniserie „Hatfield & McCoys“ und die TV-Serie „Yellowstone“. Die von ihm inszenierten Western „Der mit dem Wolf tanzt“ und „Open Range“ wurden von der Kritik gelobt und werden von Western-Fans geschätzt wegen ihrer historischen Detailgenauigkeit. „Der mit dem Wolf tanzt“ war auch ein weltweiter Publikumshit.

Dass Kevin Costner kein ökonomisch knapper, sondern ein epischer, sich Zeit nehmender Erzähler ist, verrät schon ein Blick auf die Länge seiner Filme. „Open Range“ ist mit 139 Minuten sein kürzester Film.

Und wenn er jetzt mit „Horizon“ die Geschichte des Wilden Westens in vier jeweils dreistündigen Spielfilmen erzählen will, die innerhalb weniger Monate im Kino anlaufen sollen, dann sind die Erwartungen selbstverständlich ziemlich hoch. Und sie werden größtenteils enttäuscht.

Der während dem Bürgerkrieg spielende Auftaktfilm von „Horizon – Eine amerikanische Saga“ dauert drei Stunden. Es werden viele Figuren und Handlungsstränge eingeführt, die im zweiten, dritten und vierten Film weitererzählt werden und die irgendwie irgendwann zusammenkommen. Wahrscheinlich in dem titelgebenden Ort Horizon. Falls einzelne Figuren nicht vorher auf ihrem Weg nach Horizon sterben oder sie vom Weg abkommen. Im ersten Teil irren sie alle noch durch den Wilden Westen und Horizon ist für sie noch nicht einmal am Horizont sichtbar.

Im ersten „Horizon“-Film spielt nur ein kleiner Teil des Film in dem titelgebenden Ort. In der ersten Stunde wird er, nachdem einige Siedler sich dort ansiedelten, während einer Feier der Siedler von einer Horde Indianer überfallen und niedergebrannt. Diese Schlacht bildet den Actionhöhepunkt des Films. Den Überfall überleben nur wenige. Zu ihnen gehören Frances Kittredge (Sienna Miller) und ihre Tochter Elizabeth (Georgia MacPhail). Sie gehen zu dem nahe gelegenem Militärstützpunkt Camp Gallant und verschwinden für einen großen Teil der weiteren Films aus dem Film. Am Ende deutet sich eine Beziehung zwischen Frances und First Lt. Trent Gephart (Sam Worthington) an.

In den anderen Plots geht es um einen Wagentreck, der sich langsam durch den Wilden Westen bewegt und die Konflikte, die es zwischen den Siedlern gibt. Ein anderer Plot dreht sich um den einzelgängerischen Revolverhelden Hayes Ellison (Kevin Costner, der nach einer Stunde seinen ersten Auftritt hat). Er rettet die Prostituierte Marigold (Abbey Lee) vor den mordlüsternen Sykes-Brüdern. Anschließend flüchten Hayes und Ellen vor den weiteren Mitgliedern der Sykes-Familie mit unbekanntem Ziel durch die fotogene Landschaft.

Und, allerdings erst nach dem Überfall auf Horizon, erzählt Costner in einem weiteren Handlungsstrang von den Apachen und ihren internen Streitigkeiten über den Umgang mit den weißen Menschen, die ihr Land ungefragt besetzen. Bis zu diesem Punkt sind sie hinterhältig und bestialisch Kinder, Frauen, einen Geistlichen und harmlose Siedler ermorden.

Das sind alles altbekannte Westernplots, die mit einigen weiteren Plots, in einem Western-Best-of in episch gedehnten Szenen aneinandergereiht werden. Denn ein Kevin Costner hat immer Zeit. Und die einzelnen Szenen funktionieren als einzelne Szenen auch gut. Nur ergeben sie keinen Film. Sie sind bestenfalls der Auftakt, der neugierig auf die nächsten Teile machen soll.

Horizon – Eine amerikanische Saga“ ist aber nur ein Western-Mash-Up, ein Best-of, bei dem auch nach drei Stunden kein Hauptplot, keine Hauptfigur und kein zentraler Konflikt erkennbar ist. Das ist auch in einem Ensemblefilm oder einer TV-Serie wichtig. Es ist auch keine Figur und keine Geschichte dabei, von der ich unbedingt wissen möchte, wie sie weitergeht. Das alles sollte aber nach drei Stunden etabliert sein. In einer TV-Serie gelingt das nach neunzig oder weniger Minuten.

Weil „Horizon“ das nicht gelingt, endet der Film in einer minutenlange Montage mit Bildern aus dem nächsten Teil. Wie bei einer TV-Serie sollen diese Bilder neugierig auf die nächste Episode machen.

Von der Art der Präsentation seiner einzelnen Geschichten ist „Horizon“ ein revisionistischer revisionistischer Western. Costners neuer Film ist keine Rückbesinnung zum klassischen Hollywood-Western mit dem Wissen der seitdem in Filmen, Büchern und gesellschaftlichen Diskussionen stattgefundenen Entwicklungen. Dabei trug Costner mit seinem Regiedebüt „Der mit dem Wolf tanzt“ und wie er die Native Americans zeigte, zu dieser Neubetrachtung der US-amerikanischen Geschichte bei. Mit „Horizon“ hätte er den klassischen Hollywood-Western neu betrachten können. Stattdessen versucht er alle Entwicklungen, die es seit den fünfziger Jahren gab, zu ignorieren. Er will wieder so naiv wie damals erzählen und die alten Legenden wieder vollumfänglich bestätigen. Aber die Zeit ist vorbei. Wir sind weiter.

Aus diesem ‚zurück in die Vergangenheit‘-Gedanken ergibt sich auch das gewählte Bildformat. Gedreht wurde im US-Breitwandformat (1,85:1), das wie ein heutiges TV-Bild aussieht und dem Film von der ersten Minute wie einen TV-Western wirken lässt. Quentin Tarantino ging in seinem grandiosen Schneewestern „The hateful 8“ den entgegengesetzten Weg. Das Bild konnte nicht breit genug sein.

Der Auftakt von Costners lange gehegtem und jetzt mit eigenem Geld finanziertem Traumprojekt enttäuscht. Als Einzelfilm funktioniert „Horizon“ nicht, weil er kein Ende, sondern nur eine Menge Anfänge hat, Als Auftakt von einem Epos, das die Menschen in einigen Monaten wieder in die Kinos treibt, funktioniert der Film auch nicht. Keine Geschichte macht wirklich neugierig auf die nächste Episode der Saga. Von keiner Figur will man unbedingt erfahren, was ihr zustoßen wird.

Der zweite „Horizon“-Film läuft am 7. November 2024 in Deutschland an.

Horizon – Eine amerikanische Saga (Horizon – An American Saga Chapter 1, USA 2024)

Regie: Kevin Costner

Drehbuch: Jon Baird, Kevin Costner

mit Sienna Miller, Sam Worthington, Danny Huston, Michael Rooker, Kevin Costner, Jena Malone, Michael Angarano, Abbey Lee, Jamie Campbell Bower, Jon Beavers, Owen Crow Shoe, Tatanka Means, Liluye, Luke Wilson, Ella Hunt, Tom Payne, Will Patton, Isabelle Fuhrman, Hayes Costner, Georgia MacPhail

Länge: 181 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Homepage zum Film

Moviepilot über „Horizon – Eine amerikanische Saga“

Metacritic über „Horizon – Eine amerikanische Saga“

Rotten Tomatoes über „Horizon – Eine amerikanische Saga“

Wikipedia über „Horizon – Eine amerikanische Saga“ (deutsch, englisch)


Neu im Kino/Filmkritik: Wenn der „Imaginary“ Freund ein böser Teddybär ist

März 14, 2024

Der neueste Streich aus dem Haus Blumhouse ist ein weiterer Horrorfilm, der, dank seines geringen Budgets, sein Geld einspielen und der konstant unter seinen Möglichkeiten bleibt. Dabei sieht die Traumwelt, das Niemals-Jemals, als blaugefärbtes Escher-Labyrinth mit unnatürlichen Bewohnern gut aus und ist, jenseits von Raum, Zeit und Logik, gut für einige überraschende Momente und Bilder. Diese sind vor allem im letzten Drittel des Films. In den ersten Minuten des Films gibt es auch einige Bilder aus dem Niemals-Jemals, die furchteinflößender sind, als alles, was in den folgenden neunzig Minuten passiert.

Zusammen mit ihrem neuen Ehemann, dem tourenden Musiker Max, und den beiden Stieftöchtern, der sechzehhnjährigen Taylor und ihrer jüngeren Schwester Alice zieht die Illustratorin und Kinderbuchautorin Jessica in ihr altes Vorstadt-Elternhaus. Während Jessica für ihr neues Buch Spinnenwesen zeichnet, versucht sie die Vorbehalte, die Taylor und Alice gegen sie haben, zu überwinden. Sie will eine gute Mutter für Max‘ Kinder sein.

Im Keller entdeckt Alice hinter einem Schrank und einer Tür, die einen in schönster Horrorfilm-Tradition anschreit „Nicht öffnen!“, einen Teddy. Sie nennt ihn Chauncey und macht ihn zu ihrem ständigen Begleiter. Der Teddy ist, wie der Titel „Imaginary“ andeutet, ein Imaginärer Freund. Das scheint es bei Kindern öfter zu geben. Auch wenn ich und die Kollegen, mit denen ich mich nach der Pressevorführung über den Film unterhielt, früher keinen Imaginären Freund hatten und niemand Kinder kannte, die einen solchen Imaginären Freund haben oder hatten.

Jedenfalls hat Alice jetzt so einen imaginären Freund, der zunehmend besitzergreifend, bedrohlich und gefährlich wird. Für Alice ist er ein realer Feind, den sie für einen Freund hält. Jessica versucht das Schlimmste zu verhindern – und jetzt kommt einer dieser abgeschmackten Sätze, der das Niveau des Films ziemlich genau beschreibt – um Alice zu retten, muss Jessica sich ihren Ängsten und ihrer Vergangenheit stellen. Denn Chauncey war auch ihr Imaginärer Freund/Feind.

Imaginary“ ist auch für den geneigten, jeden Schund akzeptierenden Horrorfilmfan Graubrot. Eine dämonische Puppe und aus der Vergangenheit zurückkehrende böse Geister sind nichts neues im Genre und die meisten Filme mit besessenen Puppen, die in den letzten Jahren im Kino liefen, waren nicht besonders gut. Das gilt auch für „Imaginary“. Die Story recycled vertraute Figuren und Handlungselemente aus älteren Filmen. Die Handlung beschränkt sich budgetschonend weitgehend auf einen Schauplatz und eine Niemals-Jemals-Fantasiewelt, die aus im Studio errichteten alptraumhaften Wänden und Türen besteht. Der Cast besteht aus einer vierköpfigen Familie und einige kurzen Gastauftritten. Die Größe des Casts gibt dem Horrorfilmfan dann auch schon einen Hinweis auf die Zahl der Toten. Es werden nicht viele sein, die einen schrecklichen Horrorfilmtod erleiden könnten.

Immerhin ist „Imaginary“, dank des Verzichts auf eine wackelige Wackelkamera, professionell gefilmt.

Imaginary (Imaginary, USA 2024)

Regie: Jeff Wadlow

Drehbuch: Greg Erb, Jason Oremland, Jeff Wadlow

mit DeWanda Wise, Tom Payne, Taegen Burns, Pyper Braun, Veronica Falcon, Betty Buckley

Länge: 105 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

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Moviepilot über „Imaginary“

Metacritic über „Imaginary“

Rotten Tomatoes über „Imaginary“

Wikipedia über „Imaginary“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Jeff Wadlows Mark-Millar-Verfilmung „Kick-Ass 2“ (Kick-Ass 2, USA 2013)


Neu im Kino/Filmkritik: „MindGamers“ – Murks, getarnt als Science-Fiction

April 7, 2017

Wow, wer hätte das gedacht? Nach „MindGamers“ erscheint der gerade angelaufene SF-Film „Ghost in the Shell“ als tiefphilosophisches Meisterwerk über die Frage, was den Menschen ausmacht.

In „MindGamers“ geht es dann um eine andere Frage, die ebenfalls zum Nachdenken anregen kann: Was wäre, wenn wir die motorischen Fähigkeiten und das Wissen eines Menschen verlustfrei und in Sekunden auf einen anderen Menschen übertragen könnten? Was wäre, wenn wir so auch einen anderen Menschen dazu bewegen könnten, sich zu töten? Und welches Potential hätten wir, wenn wir einzelne Gehirne miteinander verknüpfen könnten? So wie wir Dateien und Befehle von einem Computer zum nächsten schicken und sie gegebenenfalls zu einem riesigen Netzwerk miteinander verknüpfen. Bei Laborratten hat diese Form der Wissensübertragung anscheinend schon funktioniert.

Das sind interessante Frage mit vielen Implikationen, für die sich der Science-Fiction-Film, abseits der reinen Gimmick-Ebene, nicht weiter interessiert. Er hat sie noch nicht einmal im Ansatz angedacht.

Im Film haben wir den katholischen Geistlichen Kreutz (Sam Neill), der mit Wissenschaft die Menschheit wieder zum Glauben bekehren will. Deshalb bringt er Geistliche, die ihm im Weg stehen, um und forscht in diesem Feld.

Er hat auch entsprechende Forschungen an einer irgendwie kirchlich geführten oder infiltrierten Universität initiiert. Diese Forschungen werden, im Geheimen in riesigen Kellergewölben, von einer Gruppe junger Forscher, alle noch im Studierendenalter, unter der Leitung von Jaxon (Tom Payne, der zweite Promi im Cast) durchgeführt und sie wirken nie wie Naturwissenschaftler, sondern immer wie die stilbewusste Poser-Punkband von nebenan. Sie arbeiten mit Quantencomputern an einem kabellosen neuralen Netzwerk, das motorische Fähigkeiten von einer Person zu einer anderen Übertragen kann. Besonders gerne übertragen sie Parkour-Fähigkeiten; – – – weil Parkour über Häuserdächer einfach toll aussieht.

Außerdem wurde der Film von der Red-Bull-Firma Terra Mater Film Studios produziert.

Und dann läuft noch eine Rothaarige, die irgendwie wichtig ist, immer wieder durchs Bild. Die Macher erklären sie zu einem weiteren Puzzle, das die Zuschauer enträtseln können.

So kann man die vollkommene Unfähigkeit, eine auch nur halbwegs stringente Geschichte zu erzählen, auch verklären. Regisseur Andrew Goth knüpft dabei an seinen surrealistischem Vampir-Western „Gallowwalkers“ (mit Wesley Snipes) an. Schon da nervten die sinnlosen Zeitsprünge, ohne der Geschichte ein größeres Gewicht zu verleihen. Allerdings hatte „Gallowwalkers“ eine so chaotische Produktionsgeschichte, dass es an ein Wunder grenzte, dass überhaupt ein auch nur halbwegs ansehbarer Film entstand.

Bei „MindGamers“ ist dieses Chaos zwischen Gegenwart und Vergangenheit und möglichen Parallelwelten Absicht. Eine nachvollziehbare Geschichte und ebenso klar herausgearbeitete Konflikte fehlen in diesem Kuddelmuddel. Eine Dramaturgie ebenso.

Der Science-Fiction-Film ist ein schön anzusehendes Totaldesasters mit einigen netten Anspielungen und viel verschenktem Potential. Erst am Ende kann man sich, eher weniger als mehr, eine Geschichte zusammenreimen. Bis dahin springt Andrew Goth wild in der Chronologie herum und er macht erschreckend wenig aus seiner Prämisse. Außer, als Höhepunkt, einer großen Tanzszene, in der alle dank Gedankensteuerung spontan synchron tanzen und morden.

MindGamers (MindGamers, USA 2015)

Regie: Andrew Goth

Drehbuch: Andrew Goth, Joanne Reay

mit Tom Payne, Sam Neill, Melia Kreiling, Antonia Campbell-Hughes, Turlough Convery, Oliver Stark, Dominique Tipper, Ryan Doyle, Simon Paisley-Day, Pedja Bjelac, Ursula Strauss

Länge: 99 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

alternativer, früherer Titel „DXM“

Hinweise

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Moviepilot über „MindGamers“

Rotten Tomatoes über „MindGamers“

Wikipedia über „MindGamers“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Andrew Goths „Gallowwalkers“ (Gallowwalkers, USA/UK 2012)


Neu im Kino/Filmkritik: „Der Medicus“ begibt sich auf die Reise

Dezember 26, 2013

Was Hollywood kann, können wir auch. Manchmal. Nämlich epische, auf den Weltmarkt zielende Bestsellerverfilmungen. Bernd Eichinger hat sie früher gemacht: „Der Name der Rose“, „Das Geisterhaus“, „Das Parfüm“ und, basierend auf einer wahren Geschichte, „Der Untergang“. Heute muss wohl Nico Hofmann ran. Auf sein Produzentenkonto gehen „Der Tunnel“, „Stauffenberg“, „Mogadischu“, „Der Turm“ und „Unsere Mütter, unsere Väter“. Da ist Noah Gordons Schmöker „Der Medicus“, der allein in Deutschland über sechs Millionen mal verkauft wurde, nicht in schlechten Händen.

Für den 155-minütigen Film wurde der 850-seitige Roman (in der aktuellen Heyne-Ausgabe; die alte Knaur-Ausgabe hat nur 632 Seiten) natürlich kräftig, aber sinnvoll gekürzt. So konzentriert sich die Geschichte jetzt, mit einigen Subplots auf Coles Ausbildung und sein Leben in Isfahan.

In der im elften Jahrhundert spielenden Geschichte will der junge Rob Cole, der als Kind in England in einem Bergwerk schuftet, nach dem Tod seiner Mutter (sie starb an der Seitenkrankheit, vulgo einer Blinddarmentzündung), wissen, wie Menschen geheilt werden können. Er schließt sich einem herumziehendem Arzt, der mehr Scharlatan als Mediziner ist, an, hört später von den medizinisch wesentlich gebildeteren Juden, dass in Persien in dem Ort Isfahan Ibn Sina lehrt. Ibn Sina soll ein großer Arzt sein und junge, talentierte Ärzte ausbilden. Rob Cole macht sich auf die gefährliche und lange Reise nach Isfahan, die im Film budgetschonend ziemlich schnell abgehandelt wird, während sie – so meine Erinnerung – einen großen Teil von Noah Gordons Schmöker ausmacht.

In Isfahan wird Cole von Ibn Sina als Schüler aufgenommen, er verliebt sich in Rebecca, befreundet sich mit seinen Mitschülern, vor allem mit dem Juden Mirdin, und gerät auch in die dortigen politischen Intrigen.

Später findet Cole ein Gegenmittel gegen die Pest, führt nachts im Keller Obduktionen durch und operiert, sozusagen als Höhepunkt des Films, in einer sehr kitschigen Szene den an der Seitenkrankheit leidenden Schah, während ihm sein jüdischer Freund Mirdin und sein muslimischer Lehrer Ibn Sina assistieren. Da sind dann – auch wenn es dramaturgisch gerechtfertigt ist und wohl auch so im Buch steht – die drei Weltreligionen unter christlich-abendländischer Vorherrschaft miteinander vereint. Dabei war damals, wie „Der Medicus“ historisch korrekt zeigt, das Morgenland kulturell wesentlich weiter entwickelt als Europa, das sich noch im finstersten Mittelalter suhlte und im Film fast ohne Farbtupfer auskommen muss, während der Orient schön farbenprächtig ist.

In anderen Punkten ist der Film, wie der Roman, historisch nicht korrekt. So fand die erste historisch belegte Blindarmentfernung in den 1880er Jahren statt. Der Überträger der Pest wurde auch erst Jahrhunderte später entdeckt. Undsoweiter.

Der Medicus“ ist halt ein epischer Abenteuerfilm, der trotz seiner Laufzeit kurzweilig unterhält, auf Schauwerte setzt, erträglich kitschig ist, immer etwas bieder wirkt, wegen der vielen Innenaufnahmen etwas zu deutlich auf die spätere TV-Ausstrahlung schielt und durch und durch durchschnittlich ist. Nie wirklich schlecht, aber auch nie wirklich gut.

Francois Truffaut hätte diesen Konsensfilm für die Familie wahrscheinlich in die von ihm abgelehnte „Tradition der Qualität“ aufgenommen.

Anmerkung: Im Fernsehen soll eine insgesamt ungefähr dreistündige Fassung gezeigt werden. Wenn ich einen Blick auf die Laufzeit werfe, dürften die Ergänzungen sich in einem ähnlichen Rahmen wie bei „Der Baader Meinhof Komplex“ (noch eine Eichinger-Produktion) bewegen. Da waren sie ziemlich verzichtbar.

Der Medicus - Plakat

Der Medicus (Deutschland 2013)

Regie: Philipp Stölzl

Drehbuch: Jan Berger

LV: Noah Gordon: The Physician, 1986 (Der Medicus)

mit Tom Payne, Ben Kingsley, Stellan Skarsgard, Olivier Martinez, Emma Rigby, Elyas M’Barek, Fahri Yardim, Makram J. Khoury, Michael Marcus

Länge: 155 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Homepage zum Film

Film-Zeit über „Der Medicus“

Moviepilot über „Der Medicus“

Rotten Tomatoes über „Der Medicus“

Wikipedia über „Der Medicus“

Homepage von Noah Gordon