Bevor am 19. November Roland Emmerichs „Stonewall“ (ein ernster Film über den Kampf der Schwulen um Anerkennung) in unseren Kinos anläuft, können wir uns noch einmal eines seiner Frühwerke ansehen, in denen er ebenfalls mit wenig Geld beeindruckende Tricks herstellte und atmosphärische Bilder fand:
RTLnitro, 22.40 Moon 44 (Deutschland 1990, Regie: Roland Emmerich)
Drehbuch: Dean Heyde (nach einer Geschichte von Dean Heyde, Roland Emmerich, Oliver Eberle und P. J. Mitchell)
2038: auf dem Mond 44 verschwinden immer wieder Transportroboter mit wertvollen Rohstoffen. Stone will undecover herausfinden, was auf dem Gefängnisplaneten mit Arbeitsprogramm abgeht.
Science-Fiction-Thriller mit beeindruckenden Spezialeffekten und einer bestenfalls sekundären Geschichte.
„Paré dümpelt vor sich hin, während sich der Plot in unbeholfenen Schlaufen auflöst. Trotz angemessener Spezialeffekte und effektiv klaustrophobischer Ausstattung ist der Film im Endeffekt ein dumpf dröhnender Langeweiler.“ (Phil Hardy: Die Science-Fiction Filmenzyklopädie). Dort wird das Werk auch „’Top Gun’ im Orbit“ genannt.
Emmerichs nächster Film war, in Hollywood, „Universal Soldier“ und der Rest ist Blockbuster-Geschichte.
mit Michael Paré, Lisa Eichhorn, Malcolm McDowell, Brian Thompson, Stephen Geoffreys, Dean Devlin, Jochen Nickel
Vier Männer leben in einem unauffälligem Haus. Eine Hausdame umsorgt sie mit liebevoller Strenge und, als ein neuer Hausbewohner kommt, erklärt sie ihm erst einmal die Hausregeln, die, so kryptisch sie auch sind, verdeutlichen, dass die Bewohner katholische Geistliche sind und sie für verschiedene, weitgehend im Dunkeln bleibende Taten in diesem Haus sozusagen inhaftiert sind. Ausgang haben in den Morgen- und Abendstunden, wenn niemand auf der Straße ist und selbst wenn sie jemand begegnen, dürfen sie nicht mit ihm sprechen.
Solche Häuser gibt es wirklich und die katholische Kirche hat eine lange Tradition, Probleme auf ihre Art (und damit abseits jeglicher irdischen Justiz) zu beseitigen. Dass dieses Totschweigen von Problemen sie nicht löst, zeigt „El Club“ allerdings auch sehr deutlich. Denn kurz nachdem der neue Gast aufgenommen ist, beginnt vor dem Haus ein Mann zu pöbeln und wilde Anklagen auszustoßen. Der neue Gast sieht nur einen Ausweg: er bringt sich um. Gegenüber der Polizei wird eine geschönte Version der Tat erzählt und die Kirche schickt einen Inquisitor, der prüfen soll, ob das Haus weiter existieren oder geschlossen werden soll. Er unterhält sich mit den schweigsamen Bewohnern, die alle keine Einsicht in ihre Taten haben, sie leugnen oder verklären. Auch wenn es nicht immer um Missbrauch von Kindern geht, ist diese kollektive Vertuschung durch die Täter, denen von der Kirche nicht geholfen wird, und ihrer gesichtslosen Vorgesetzten, die nur an den guten Ruf der Kirche denken, der wirklich erschreckende Teil von „El Club“. An die Opfer wird nicht gedacht. Es wird auch nicht nach einer Lösung gesucht.
Weil Pablo Larrain („No“) in seinem neuen Film vieles in der Schwebe lässt und vieles nur andeutet, kann „El Club“ auch als Metapher auf jedes System mit Allmachtsanspruch und ohne externe Kontrolle gesehen werden. Das ist die Stärke und auch die Schwäche des kargen Films, der Fragen stellt, ohne Antworten zu geben, es noch nicht einmal versucht und der seine nur angedeutete Geschichte so allgemeingültig erzählt, dass die Anklage gegen die Kirche, – jedenfalls für uns Westeuropäer, die schon seit Jahrhunderten in säkularisierten Gesellschaften leben und in denen die Kirche in den vergangenen Jahrzehnten viel von ihrer Macht einbüßte -, so zahm ausfällt, dass sie reichlich zahnlos und deshalb fast schon ärgerlich ist.
Denn die Geistlichen sind wegen verschiedener Vergehen (vulgo Sünden) in dem Haus. Der eine wegen sexuellen Missbrauchs; der andere wegen krummer Geschäfte bei der Adoptionsvergabe von Säuglingen; der andere wegen seiner Arbeit als Militärgeistlicher während der Diktatur (und jetzt haben einige mächtige Leute Angst, dass er gegen das Beichtgeheimnis verstoßen könnte) und der Vierte, ein sprachloser, pflegebedürftiger Greis, ist aus inzwischen vollkommen unbekannten Gründen in dem Haus; – was in seinem Fall natürlich etwas kafkaesk anmutet. Diese nur in ein, zwei Halbsätzen vorgestellten Fälle sind dann zu unterschiedlich, um sie als gleichartig zu behandeln. Entsprechend abstrakt und stumpf fällt die Anklage gegen die Kirche aus. Es sind einfach zu viele verschiedene Themen und Probleme, die nur angedeutet werden und die sich nicht gegenseitig befruchten. Auch die Frage des kirchlichen Machtanspruchs und weshalb die Männer sich ihm während des gesamten Films so willig unterordnen, wird nur angedeutet.
Da war, zum Beispiel „Philomena“, der seine Geschichte an einem konkreten Fall entlang und aus der Sicht eines Opfers erzählte, wesentlich klarer in seiner Anklage gegen die katholische Kirche, die Mütter von ihren unehelichen Kindern trennte und in die USA verkaufte.
Auch der verquere deutsche Film „Verfehlung“ über einen pädophilen Geistlichen, bei dem, wie in „El Club“ die Täter und Vertuscher im Mittelpunkt stehen, wurde hier konkreter.
Auf der diesjährigen Berlinale erhielt Pablo Larraíns Drama „El Club“ den Silbernen Bären.
El Club (El Club, Chile 2015)
Regie: Pablo Larraín
Drehbuch: Guillermo Calderón, Daniel Villalobos, Pablo Larraín
mit Alfredo Castro, Roberto Farías, Antonia Zegers, Jaime Vadell, Alejandro Goic, Alejandro Sieveking, Marcelo Alonso, José Soza, Francisco Reyes
Tartüff (Deutschland 1925, Regie: Friedrich Wilhelm Murnau)
Drehbuch: Carl Mayer
LV: Molière: Le Tartuffe ou l’imposteur, 1982 (Tartuffe)
Der flüchtige Betrüger Tartüff (Emil Jannings) will den reichen Orgon um sein Vermögen erleichtern. Orgons Frau und Tochter durchschauen ihn schnell. Nur. Wie können sie Tartüff vor dem vertrauensseligen Orgon enttarnen?
Die als Film-im-Film angelegte Molière-Verfilmung gehört zu den unbekannteren Werken von Murnau, der auch „Nosferatu. Eine Symphonie des Grauens“, „Der letzte Mann“, „Faust“, „Sunrise“ und „Tabu“ inszenierte.
Arte zeigt die restaurierte Fassung mit neu eingespielter Musik zu gewohnt später Stunde.
Mit Emil Jannings, Werner Krauß, Lil Dagover, André Mattoni
Tele 5, 16.10 Ein schönes Mädchen wie ich (Frankreich 1972, Regie: Francois Truffaut)
Drehbuch: Francois Truffaut, Jean-Loup Dabadie
LV: Henry Farrell: Such a gorgeous kid like me, 1967
Alle Männer verlieben sich in die junge Camille Bliss. Aber nicht alle überleben die Begegnung mit der Schönheit.
Schon ewig nicht mehr gezeigte (falls überhaupt) burleske Komödie von Francois Truffaut, die, trotz der Uhrzeit, nicht für Kinder geeignet ist. In „Ein schönes Mädchen wie ich“ fischt Truffaut, der ja einige grandiose Krimis inszenierte, in den Gewässern von Claude Chabrol, ohne jemals wirklich zu überzeugen. Der Film ist bestenfalls ein Sommerspaß, der plakativ die bürgerlichen Wertvorstellungen auf den Kopf stellt, die Selbstbilder der Männer (ein Haufen dummer, eitler, impotenter Gockel, für die niemand auch nur einen Funken Mitleid empfinden kann) als Selbstbetrug entlarvt und eine unschuldige Mörderin zur Sympathieträgerin macht.
mit Bernadette Lafont, Claude Brasseur, Charles Denner, Guy Marchand, André Dussolier, Philippe Léotard, Anne Kreis
Neblige Tage, lange Nächte und eine KrimiZeit-Bestenliste, die für spannende Abende sorgen will:
1) (-) Fred Vargas: Das barmherzige Fallbal
2) (3) William McIlvanney: Fremde Treue
3) (6) Antonio Ortuno: Die Verbrannten
4) (4) James Lee Burke: Glut und Asche
5) (1) Friedrich Ani: Der namenlose Tag
6) (9) Seamus Smyth: Spielarten der Rache
7) (-) Olivier Bottini: Im weißen Kreis
8) (-) Dennis Lehane: Am Ende einer Welt
9) (10) Michael Fehr: Simeliberg
10) (-) Christoph Peters: Der Arm des Kraken
–
In ( ) ist die Platzierung vom Vormonat.
–
McIlvanney wird die Tage besprochen. Burke (mit Einschränkungen), Ani, Smyth (Hey, Pulp Master!) und Lehane (die 1943 spielende Fortsetzung von „In der Nacht“) empfehle ich blind.
Jetzt lese ich erst einmal Wallace Strobys „Kalter Schuss ins Herz“ (Pendragon); ein Buch für die Parker-Wyatt-Fans. Und dann hat Jürgen Kehrer mit „Wilsberg – Ein bisschen Mord muss sein“ (Grafit) wirklich einen neuen Wilsberg-Roman geschrieben.
Während ich meine erste Wintererkältung pflege, können wir gemeinsam mit zwei seiner schönsten Filme in den runden Geburtstag von Alain Delon hineinfeiern:
RBB, 23.50 (auch MDR 00.20)
Vier im roten Kreis (Frankreich 1970, Regie: Jean-Pierre Melville)
Drehbuch: Jean-Pierre Melville
Nach einer Haftstrafe plant Einbrecher Corey (Alain Delon) gleich seinen nächsten Coup. Den Einbruch in ein gut gesichertes Juweliergeschäft. Mit zwei Kumpanen (Gian Maria Volonté, Yves Montand) will er das Ding durchziehen. Ein Kommissar (André Bourvil) jagt sie.
Mehr Story braucht Jean-Pierre Melville in seinem vorletzten Film „Vier im roten Kreis“ nicht, um ein weiteres Meisterwerk zu inszenieren. Der Gangsterfilm ist nur deshalb bei der breiten Masse unbekannter, weil Melvilles „Der eiskalte Engel“ und sein letzter Film „Der Chef“ (beide ebenfalls mit Alain Delon) bekannter sind. Denn „Vier im roten Kreis“ hat alles, was Melville-Fans lieben und auf der großen Leinwand wirkt der Film noch besser.
Legendär und in die Kinogeschichte eingegangen ist der Einbruch in das Juweliergeschäft: eine gute halbe Stunde verfolgen wir atemlos den Einbruch, bei dem keiner der Einbrecher ein Wort sagt. Großes Kino
mit Alain Delon, André Bourvil, Yves Montand, Gian Maria Volontè, Francois Périer, Paul Crauchet
RBB, 02.05 Du kannst anfangen zu beten (Frankreich/Italien 1968, Regie: Jean Herman)
Drehbuch: Sébastien Japrisot, Jean Herman
LV/Buch zum Film: Sébastien Japrisot: Adieu l’Ami, 1968 (Weekend im Tresor)
Dino Barran (Alain Delon) und Franz Propp (Charles Bronson), zwei Veteranen des Algerienkrieges, die nichts voneinander wissen wollen, rauben notgedrungen an einem langen Wochenende in einem Bürohaus einen Safe aus.
Ein bei uns, trotz der Besetzung, fast unbekannter Klassiker des Caper-Films, in dem Blicke mehr als Worte sagen. Sowieso wird hier nicht besonders viel geredet, was bei den begnadeten Schweigern Alain Delon und Charles Bronson okay ist.
mit Alain Delon, Charles Bronson, Olga Georges-Picot, Bernard Fresson, Brigitte Fossey
auch bekannt als „Bei Bullen singen Freunde nicht“
The Town – Stadt ohne Gnade (USA 2010, Regie: Ben Affleck)
Drehbuch: Ben Affleck, Peter Craig, Aaron Stockard
LV: Chuck Hogan: Prince of Thieves, 2004 (Endspiel)
Bankräuber Doug MacRay überfällt mit drei Freunden eine Bank und verliebt sich anschließend in die Filialleiterin, die sie auf der Flucht als Geisel mitgenommen hatten. Jetzt will er aussteigen. Davor muss er allerdings noch seinen letzten Coup durchführen.
Nach der tollen Dennis-Lehane-Verfilmung „Gone Baby Gone“ blieb Ben Affleck in seiner zweiten Regiearbeit dem Genre und Boston treu. „The Town“ ist gutes altmodisches Erzählkino, bei dem die Story, die Charaktere und ihr Umfeld im Vordergrund stehen. In seinen wenigen Actionszenen und in der Struktur erinnert „The Town“ teilweise an Michael Manns „Heat“ – und das ist durchaus anerkennend gemeint. Ein feiner Gangsterfilm.
Da ist es auch egal, dass die Zahl der Banküberfälle in Boston viel geringer ist, als im Film behauptet wird und dass das Viertel Charlestown in den vergangenen fünfzehn Jahren gentrifiziert wurde. Jetzt sitzen da die anderen Bankräuber.
Chuck Hogan erhielt für seinen Roman „Endspiel“, der Vorlage für „The Town“, den Hammett-Preis und auch Stephen King (ein passionierter Blurber) war begeistert.
Und danach, um 22.35 Uhr, gleich zu 3sat umschalten. Dort läuft „Lawless – Die Gesetzlosen“.
mit Ben Affleck, Rebecca Hall, Jon Hamm, Jeremy Renner, Pete Postlethwaite, Chris Cooper
Der neue James-Bond-Film „Spectre“ ist der halbherzige Versuch, einen klassischen James-Bond-Film zu inszenieren.
Das klingt jetzt vielleicht etwas negativ und natürlich ist die Zeit des Kalten-Kriegs-James-Bonds schon lange vorbei und die Serie muss sich, wie die Geheimdienste neuen technischen Entwicklungen (wozu vor allem die ständige Überwachung gehört) und geopolitischen Herausforderungen, anpassen. Wobei James Bond bei den geopolitischen Herausforderungen immer angenehm abgehoben war. Gut, früher gab es den russischen Geheimdienst SMERSCH und natürlich SPECTRE, eine Zusammenballung von bösen Terroristen, deren Agenda „Weltherrschaft“ war. Da waren dann der Nordirlandkonflikt, der Linksterrorismus der siebziger Jahre, die Befreiungsbewegungen in der Dritten Welt (vulgo „den Kolonien“) und, seit den Achtzigern, der religiöse Terrorismus und die immer größere Rolle Chinas in der Weltpolitik vernachlässigbares Störfeuer. Immer waren die James-Bond-Filme in erster Linie Eskapismus und Kleine-Jungs-Fantasien. Ich meine, welcher Zwölfjährige will nicht gerne Frauen im Dutzend verführen, mit einem unbegrenzten Spesenkonto um die Welt jetten, Alkohol ohne Kopfschmerzen trinken (andere Drogen spielen im Bond-Universum keine Rolle), die neuesten Spielzeuge ausprobieren und, ohne dass die Eltern (vulgo M) meckern, zerdeppern. Zum Finale jedes ordentlichen Bond-Films gehört natürlich, dass die pompöse Zentrale des Bösewichts lustvoll zerstört wird.
Und dann kam Daniel Craig als James Bond. In seinem ersten Einsatz „Casino Royale (2006) wurden vieler dieser Bondismen über Bord geworfen. Kritik und Publikum waren begeistert. In „Skyfall“ (2012) erfuhren wir dann alles, was wir niemals über Bonds Herkunft wissen wollten. Der Film war an der Kinokasse wahnsinnig erfolgreich und „Spectre“ schließt an die vorherigen Craig-Bonds an, weshalb er jetzt anderen Ballast mit sich herumschleppt. Die vorherigen Filme sollen als Ouvertüre für „Spectre“ angesehen werden.
Es ist daher auch wieder ein persönlicher Fall. Denn Bond kennt Franz Oberhauser (Christoph Waltz), den Bösewicht des Films, aus Kindertagen. Er war für zwei Jahre in den Alpen sein Freund, während Franz‘ Vater den beiden Jungs all die Dinge beibrachte, die man in den Alpen zwischen Bergsteigen und Skifahren zum Überleben braucht. Das hat auf der einen Seite gerade anekdotischen Wert, weil es für die Handlung, abgesehen von einigen spitzen Bemerkungen Oberhausers unerheblich ist. Andererseits sollen wir glauben, dass Oberhauser das alles – die Anschläge, Spectre und den ganzen Rest – nur macht, um sich an James Bond zu rächen, weil dieser ihm irgendwie, vor allem gefühlt, seinen Vater nahm. Das ist, auch wenn diese Konstruktion in anderen Geschichten (wie den Blomkvist/Salander-Romanen oder etlichen Superheldencomics) benutzt wird, mal wieder, arg bescheuert.
Da waren die alten Bond-Gegner, wie Ernst Stavro Blofeld, der legendäre Kopf von Spectre, gegen dessen Gehilfen James Bond (damals gespielt von Sean Connery) in den ersten Bond-Filmen kämpfte, von einem ganz anderen Kaliber. Seinen ersten richtigen Auftritt hatte Blofeld in „Feuerball“, wo er seine weiße Katze streichelte und hochrangige Spectre-Mitglieder, die bei ihrer Arbeit versagten, töten ließ. In „Man lebt nur zweimal“, „Im Geheimdienst ihrer Majestät“ und „Diamantenfieber“ kämpfte Bond dann dreimal direkt gegen ihn und seine Schergen. Blofeld war, wie die anderen legendären Bond-Bösewichter, einfach nur Böse. Auf psychologische Feinheiten und seit Kindertagen gepflegte Konflikte mit dem Helden wurde verzichtet.
Damals arbeitete James Bond auch, abgesehen von „Lizenz zum Töten“, immer im Auftrag ihrer Majestät. In „Spectre“ zieht Bond wieder einmal auf eigene Faust los. Immerhin wird er von seinem Vorgesetzten M (Ralph Fiennes), dessen Sekretärin Miss Moneypenny (Naomie Harris) und dem Tüftler Q (Ben Whishaw) unterstützt, die ihm gegen Max Denbigh, genannt C und der neue Chef von MI5 (Andrew Scott, bekannt als Moriarty aus „Sherlock“), helfen. Denbigh will nämlich die 00-Abteilung schließen, weil sie anachronistisch ist und deren Einsätze zu hohe Kolleteralschäden haben; was Bond natürlich nicht daran hindert, nach der Aktion in Mexico City, verstreut über den halben Globus weitere Gebäude zu zerstören. Denbigh will ein riesiges Überwachungssystem installieren und Terroristen mit Drohnen bekämpfen. Die Zustimmung der meisten Regierungen dafür hat er schon.
Diese Prämisse erinnert natürlich an den letzten, äußerst kurzweiligen „Mission: Impossible“-Film „Rogue Nation“. Nicht nur von der Story, sondern auch von den Handlungsorten. Und beide Male ist der Höhepunkt des Thrillers in London.
Die Story von „Spectre“ ist letztendlich eine ausgedehnte Schnitzeljagd, garniert mit grandiosen Actionszenen. Wobei die Pre-Titel-Sequenz, die in Mexico City während des Tages der Toten spielt, ein feines Kabinettstück ist, das mit einer langen Plansequenz beginnt und auch danach extrem selten geschnitten wird.
Die weiteren ausgedehnten Actionszenen können dieses Niveau nicht mehr halten. Das gilt für die Autoverfolgungsjagd durch Rom, einer Auto-Flugzeug-Verfolgungsjagd in den Alpen, den Besuch in Oberhausers Zentrale in der marokkanischen Wüste (die etwas an Blofelds Zentrale in einem Vulkankrater in „Man lebt nur zweimal“ erinnert), die erschreckend schnell zerstört wird, und dem Höhepunkt in London, bei dem dann zu Land, zu Wasser und in der Luft gekämpft wird, bis die Innenstadt von London umfassend renoviert werden muss. Sie sind gut, aber nicht so gut wie der schwer zu überbietende Auftakt.
Bis dahin haben gestandene Bond-Fans viele Anspielungen auf ältere Bond-Filme entdeckt.
Allerdings sind die Bondinen durchweg enttäuschend. Stephanie Sigman wird in Mexiko City in einem Hotelzimmer zurückgelassen. Monica Bellucci hat letztendlich einen Auftritt und Léa Seydoux ist – vor allem wenn man an „Blau ist eine warme Farbe“ denkt – die wohl unerotischste Bondine, die es jemals gab. Sie begleitet den suspendierten Geheimagenten um die halbe Welt ohne einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen.
Natürlich hat „Spectre“ beträchtliche Schauwerte, die, wie immer bei Bond, auf der großen Leinwand ihren wahren Reiz entfalten, und die ausgedehnten, vor Ort inszenierten Actionszenen sind gewohnt gut. Hier sieht man, wofür die Macher das Geld ausgaben. Aber „Spectre“ leidet an seinem episodischen Drehbuch (weshalb man auch ohne Probleme eine halbe Stunde herausschneiden könnte; man müsste nur ein, zwei Sätze ändern), einem schwachen Bösewicht (Oberhauser hat zu wenige Szenen und Max Denbigh wurde leider nicht als der große Bösewicht des Films eingeführt) und einer blassen Bondine.
Vox, 20.15 Stirb langsam 4.0(Live Free or Die Hard, USA 2007)
Regie: Len Wiseman
Drehbuch: Mark Bomback
Mit einem Hochhaus fing es an. Im vierten „Stirb langsam“-Film muss NYPD-Cop John McClane gleich die ganze Ostküste retten, weil der Bösewicht mit Computerviren experimentiert.
Action satt, wenn auch inzwischen der Grad von „unwahrscheinlich“ zu „unmöglich“ überschritten wird. Aber im Vergleich zu „Stirb langsam – Ein guter Tag zum Sterben“, dem fünften „Stirb langsam“-Film, ist „Stirb langsam 4.0“ ein Meisterwerk der Filmkunst.
Im Anschluss, um 22.45 Uhr läuft das mit Werbung zweistündige Porträt „Bruce Willis – Warum die Legende niemals stirbt“, das aber die Frage, warum er in den letzten Jahren, bis auf wenige Ausnahmen, nur in schon auf den ersten Blick erkennbar schlechten Filmen auftrat, nicht beantwortet.
Mit Bruce Willis, Timothy Olyphant, Maggie Q, Justin Long, Elizabeth Winstead, Kevin Smith Wiederholung: Freitag, 6. November, 01.05 Uhr (Taggenau! – und dann wahrscheinlich auch in der ungekürzten FSK16-Version) Hinweise Rotten Tomatoes über „Stirb langsam 4.0“
Wikipedia über „Stirb langsam 4.0“ (deutsch, englisch)
Hochgelobter Debütfilm über eine Nazibraut in Ostdeutschland, der definitiv einen Blick wert ist.
Ich war ja nicht so begeistert: nur ein das Fremde hervorhebender Einblick in eine Sauf- und Proll-Jugendkultur, garniert mit einigen Nazi-Symbolen und etwas mehr Gewalt als es in einem handelsüblichen deutschen Problemfilm üblich ist.
Denn mehr ist „Kriegerin“ nicht: ein typisch deutsches Sozialdrama, das beim Zuschauer einfach nur eine sedativ wirkendes Unwohlsein hervorruft. So wie der „Tatort“, der uns am Sonntag einen esoterischen Blick in die Hartz-IV-Haushalte gibt, damit wir am Montag beruhigt zur Arbeit gehen können.
„Kriegerin“ wird im Rahmen des 3sat-Themenabends „rechts – extrem – gefährlich“ gezeigt. Davor laufen, um 20.15 Uhr, „Die Akte Zschäpe“ und, um 21.00 Uhr, „V-Mann-Land“ und, danach, um 23.25 Uhr, „Deutsche Pop Zustände – Eine Geschichte rechter Musik“.
mit Alina Levshin, Jella Haase, Sayed Ahmad Wasil Mrowat, Gerdy Zint, Lukas Steltner, Uwe Preuß, Winnie Böwe, Rosa Enskat, Haymon Maria Buttinger, Klaus Manchen
ZDF Kultur, 20.15 Goldrausch (USA 1925, Regie: Charlie Chaplin)
Drehbuch: Charlie Chaplin
1898 macht der Tramp Charlie sich auf den Weg nach Alaska. Denn dort wurde Gold gefunden.
Grandiose Stummfilmkomödie, über die Chaplin sagte: „Das ist der Film, mit dem ich meinen Namen für immer verknüpft sehen möchte.“
ZDF Kultur zeigt die von Chaplin 1942 hergestellte Version, deutsch synchronisiert – und danach, um 21.25 Uhr „Der große Diktator“.
mit Charlie Chaplin, Georgia Hale, Mack Swain, Tom Murray
Am Donnerstag startet „Spectre“, der vierte Einsatz von Daniel Craig als James Bond, der schon jetzt alle Kassenrekorde bricht, in unseren Kinos und die Tage erscheint meine ausführliche Besprechung über diesen halbherzigen Versuch, einen klassischen James-Bond-Film zu inszenieren.
Davor gibt es meine Besprechung des ersten Einsatzes von Anthony Horowitz als James-Bond-Autor. „Trigger Mortis – Der Finger Gottes“ heißt die Geschichte, für die Horowitz sogar im Nachlass von Ian Fleming wühlen und einige Plotnotizen und Textfragmente für eine von Fleming geplante Fernsehserie (die mit den Bond-Filmen hinfällig wurde) verwenden konnte. Weil Fleming bereits am 12. August 1964 starb und sein letzter Bond-Roman „Der Mann mit dem goldenen Colt“ posthum erschien, dürfte klar sein, dass „Trigger Mortis“ in der Vergangenheit spielt. Die Geschichte beginnt 1957 keine zwei Wochen nach „Goldfinger“. James Bond ist wieder zurück in seiner Heimat. Pussy Galore hat ihn begleitet und wohnt bei ihm in seiner Londoner Jungesellenwohnung.
Da erhält Bond einen neuen Auftrag von seinem Vorgesetzten M: der Hobby-Rennfahrer soll auf dem Nürburgring den englischen Grand-Prix-1-Piloten Lancy Smith beschützen. Der Secret Service glaubt, dass der sowjetische Geheimdienst SMERSCH den Rennfahrer während des Rennens töten und so den Sieg des sowjetischen Fahrer sichern will.
Vor dem Rennen sieht Bond einen wichtigen SMERSCH-Mann im Gespräch mit dem Koreaner Sin Jai-Seong, einem Gönner des internationalen Rennzirkels, der meist Jason Sin genannt wird (Schon der Name sagt „Bösewicht“.) und der in kurzer Zeit als Personalvermittler und Bauunternehmer in den USA reich wurde.
Während des Rennens kann Bond den Anschlag verhindern. Am Abend ist er auf dem Wasserschloss von Sin zu einer Party mit allen Rennfahrern und ihrer Entourage eingeladen. In den oberen Räumen entdeckt Bond, nachdem er die Wache ausgeschaltet hat, in einem Arbeitszimmer Fotos einer US-amerikanischen Rakete („Das war amerikanische Ingenieurkunst. Bei einem Sputnik oder einer Semjorka hätten allein schon die typische Klobigkeit und Plumpheit die sowjetische Bauweise verraten.“). Dort trifft er auch auf Jeopardy Lane, die behauptet, eine Motorsportjournalistin zu sein. Gemeinsam flüchten sie vor Sins Bodyguards durch eine Sprung ins Wasser.
Bond macht sich, weil er einen Anschlag auf die Rakete befürchtet, auf den Weg in die USA. Dort trifft er wieder auf Jeopardy Lane und die mordgierigen Schergen von Jason Sin.
„Trigger Mortis“ ist, nach den vorherigen drei Bond-Romanen, die alle aus verschiedenen Gründen nicht besonders begeisterten, eine Rückkehr zu dem Kalter-Kriegs-James-Bond von Ian Fleming, die sich für uns genau deshalb immer wieder befremdlich ließt. James Bond ist ein Sexist, mindestens ein Salonrassist, ein Kommunistenhasser und ein von sich und dem Empire restlos überzeugter Brite. Er ist ein Relikt aus einer vergangenen Zeit, in der ein gestandener Mann mit seinen Körpersäften selbstverständlich die lesbische Pussy Galore von ihrem Lesbentum heilen kann. Horowitz modernisierte diese anachronistische Figur nur sehr behutsam, was einerseits dazu führt, dass „Trigger Mortis“ nah an Flemings Romanen ist. Andererseits ist es auch sehr befremdlich, einen heute geschriebenen Roman zu lesen, der immer so tut, als habe sich in den vergangenen gut sechzig Jahren nichts geändert. Als habe man einfach ein altes Buch abgestaubt und neu veröffentlicht. Denn der heutige Blick in die Vergangenheit führt, wie wir es bei anderen Romanen und Filmen sehen, normalerweise auch zu Anpassungen von Themen und Sichtweisen. Oft werden auch Themen wie Homosexualität und Rassismus verhandelt, die damals aufgrund von Tabus und in der Gesellschaft vorherrschender Sichtweisen in einem Roman nicht verhandelt werden konnten. Bei James Bond müsste eine solche Modernisierung natürlich dazu führen, dass der damals bewundernswerte Held aus heutiger Perspektive gar nicht mehr so bewundernswert ist. Bei Sherlock Holmes – Horowitz schrieb ja zwei „Sherlock Holmes“-Romane – fällt es, weil Holmes eine a-politische, a-sexuelle, nur an der Aufklärung interessierte Figur ist, dagegen leichter, neue Romane zu schreiben. Holmes war eine Speerspitze der Aufklärung. Von Bond kann das nicht gesagt werden.
Die Story selbst ist, nachdem die seitenfressende Episode mit Pussy Galore (die auch gewaltgeneigten Besuch aus den USA bekommt) beendet ist, eine typische James-Bond-Geschichte mit einem reichen Bösewicht, der einen größenwahnsinnigen und skrupellosen Plan hat, und einer schönen Frau (die sich allerdings züchtig ziert) an der Seite des skrupellosen Geheimagenten, der hier auch mal einen Bösewicht leben lässt; was dem Bösewicht allerdings wenig hilft. Denn dann wird er von Sin ermordet. Die Todesart bestimmt dabei ein von Sin extra angefertigtes Kartenspiel.
„Trigger Mortis“ ist als neuer Roman, der konsequent auf Modernisierungen verzichtet, etwas anachronistisch, aber gelungen als Fünfziger-Jahre-Bond. Nach Jeffery Deaver (der Bond in die Gegenwart verlegte), Sebastian Faulks und William Boyd (die Bond in die Sechziger schickten), die alle mit James Bond fremdelten, hat Horowitz einen klassischen Bond-Roman mit einer entsprechend geradlinigen Geschichte und einem effektiven Spannungsaufbau geschrieben.
Daher gebe ich Horowitz, der seit Ewigkeiten ein bekennender James-Bond-Fan ist und dessen Jugendbuchserie um Alex Rider deutlich von Bond beeinflusst ist, die Lizenz zur Rückkehr.
In den Filmen wurde James Bond in den vergangenen dreiundfünfzig Jahren, mit wechselnden Darstellern, immer wieder dem Zeitgeist angepasst, bis er mit Daniel Craig zu einen Geheimagenten wurde, der kein britischer Snob mehr ist und der niemals, wie Roger Moore in „Der Spion, der mich liebte“, einen Fallschirm mit der Flagge des Vereinigten Königreiches im Gepäck hätte.
Anthony Horowitz: James Bond: Trigger Mortis – Der Finger Gottes (übersetzt von Anika Klüver und Stephanie Pannen) Cross Cult, 2015 368 Seiten
16,99 Euro
– Originalausgabe
James Bond: Trigger Mortis
Orion Books, 2015
–
Lady Snowblood (Japan 1973, Regie: Toshiya Fujita)
Drehbuch: Kazuo Koike, Kazuo Uemura
Japan, während der Meiji-Dynastie (um 1870): Yukis Vater wird ermordet, ihre Mutter vergewaltigt und Yuki kommt in einem Gefängnis zur Welt. In ihrer Jugend wird sie zu einer Killerin ausgebildet. Als junge Erwachsene rächt sie ihre Eltern. Dabei ist sie nicht zimperlich.
Der eiskalte, formvollendete Rachethriller erlebte seine Deutschland-Premiere erst 2005. Zu diesem Zeitpunkt war „Lady Snowblood“ bereits ein Klassiker des Rachefilm-Genres. Für Filmfanatiker Quentin Tarantino waren Handlung und Struktur von „Lady Snowblood“ eine wichtige Inspiration für sein zweiteiliges Racheepos „Kill Bill“.
Arte, 20.15 Unheimliche Begegnung der dritten Art (USA 1977, Regie: Steven Spielberg)
Drehbuch: Steven Spielberg
Unglaublich: Anscheinend sind Außerirdische auf der Erde gelandet und sie sind überhaupt nicht böse. Jedenfalls interpretiert Normalbürger Roy Neary die Zeichen so und er macht sich auf die Suche nach ihnen.
Inzwischen ein Science-Fiction-Klassiker.
Arte zeigt heute die 1998er-Schnittfassung.
mit Richard Dreyfuss, Francois Truffaut, Teri Garr, Melinda Dillon, Bob Balaban, Lance Henriksen