Im Verhörzimmer: Jeff Nichols über „The Bikeriders“

Juni 21, 2024

1968 veröffentlichte Danny Lyon den Bildband „The Bikeriders“. In ihm sind Bilder aus dem Leben und von Mitgliedern des Outlaws Motorcycle Club und Interviews, die er mit ihnen führte. Lyon war selbst mehrere Jahre Mitglied der Bikergang. Aber die Entstehung dieses Buch ist eine andere Geschichte, die hier jetzt nicht erzählt wird.

Vor zwanzig Jahren erhielt Jeff Nichols diesen Bildband von seinem älteren Bruder. Er war sofort fasziniert von den Fotografien und wollte das Buch verfilmen. Er wusst nur nicht, wie.

Als Lyon die Mitschnitte der Interviews veröffentlichte und Nichols Kathy reden hörte, hatte er eine Idee, wie er aus dem Bildband einen Film machen könnte.

Das tat er jetzt mit einer Riege bekannter Schauspieler, wie Jodie Comer als Kathy, die „Erzählerin“ des Films und Frau von Benny, Austin Butler als Benny, die Nummer 2 in der Bikergang, Tom Hardy als Johnny, Gründer und Anführer der fiktiven Bikergang Vandals, Michael Shannon, Norman Reedus und Boyd Holbrook als Mitglieder der Vandals und einer oft peinlich genauen Nachstellung der Bilder aus dem Bildband. Einige von Lyons Aufnahmen werden Im Abspann des Films gezeigt.

Obwohl Nichols viel Zeit und Mühe in eine authentische Rekreation der sechziger Jahre und dem Leben in einer Bikergang steckte und wahrscheinlich jeder andere Regisseur den Film als „eine wahre Geschichte“ oder als „inspiriert von einer wahren Geschichte“ verkauft hätte, erfand Jeff Nichols eine Bikergang. Im Interview erklärt er, warum er das tat.

The Bikeriders“ ist ein Film iwie ein Bildband, den man geruhsam durchblättert, in den vorzüglichen Fotografien versinkt und dabei den Text, eine ebenfalls vorzügliche Reportage, garniert mit Interviews, liest. Es ist ein guter Film mit Auslassungen. Die negativen Seiten der Motorradgangs, ihre Gewalttätigkeit, ihre Verbrechen und ihre politische Einstellung, werden kaum beleuchtet oder in die Zeit nach dem Filmende verschoben. „The Bikeriders“ hat auch keine emotional packende Geschichte nach den Regeln eines konventionellen Hollywood-Dramas. Sein Film ist eine Reportage über den Aufstieg und Niedergang des Gründers eines Motorradfahrerclubs und die Liebesgeschichte zwischen einer Frau, die als Fremde die Welt der Bikergangs betritt und sich in ein Mitglied der aus gesellschaftlichen Outsidern bestehenden Gruppe verliebt. Außerdem hat der Film ein wundervoll zwiespältiges, fast schon zynisches Ende, über das wir uns während des Interviews nicht unterhielten

Als Jeff Nichols vor einigen Tagen Berlin besuchte, unterhielten wir uns im Waldorf Astoria über den Weg zum Film, das Verhältnis von Fakten zu Fiktion, die Besetzung, die Struktur des Films, wie wichtig für ihn das von ihm geschriebene Drehbuch ist, in welchem Rahmen die Schauspieler improvisieren dürfen und das Thema des Films.

Frage

Seit zwanzig Jahren wollen Sie Danny Lyons Bildband „The Bikeriders“ verfilmen. Warum hat es so lange gedauert?

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Jeff Nichols

Mein Bruder Ben hat es mir damals gegeben. Ich bin der jüngste von drei Jungs. Ben ist mein ältester Bruder. Er spielt in einer Band namens Lucero. Er war immer der Coolste in unserer Familie. Und er hat mir das coolste Buch gegeben, das ich je gelesen habe. Erzählerisch war ich noch nicht weit genug. Ich wusste nicht, wie ich die Geschichte erzählen sollte. Ich verstand, was Danny getan hatte. Er war nicht nur ein Fotograf, sondern tatsächlich ein Anthropologe. Mit seinen Fotos und Interviews hatte er eine Subkultur in ihrer Gesamtheit eingefangen.

Als Filmemacher, der Menschen in eine Welt entführen will, mit der sie vielleicht nicht vertraut sind oder in der sie sich nicht wohl fühlen, braucht man all diese Details. Danny hatte sie alle auf wirklich schöne Weise gesammelt. Ich musste mir nur eine Handlung ausdenken, und das hat mich etwa 20 Jahre gekostet.

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Frage

Apropos Danny. Wenn ich es richtig verstehe, spielt in diesem Film nur Mike Faist eine reale Person. Alle anderen Figuren sind fiktionalisierte Versionen echter Menschen.

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Jeff Nichols

Alle Figuren sind fiktionalisiert. Sogar Dannys Version. Vor kurzem unterhielt ich mich mit Danny und er meinte, das sei das Einzige, was ihm an dem Film nicht gefalle. Er sei viel schmutziger als Mike Faist. Er nimmt die Tatsache, dass er selbst ein Rebell war, wirklich sehr ernst.

Es ist wirklich schwierig, das zu erklären oder darüber zu sprechen. Im Buch wurde eine echte Kathy interviewt. Es gab einen echten Mann namens Johnny, der diesen Club gegründet hat. Kathy war mit einem echten Mann namens Benny verheiratet. Andere Charaktere sind Amalgame. Da war ein Typ namens Brucie, aber er ist nicht so gestorben, wie ich es im Film erzähle. Ungefähr siebzig Prozent der Dialoge im Film sind wahrscheinlich direkt aus diesen Interviews übernommen. Aber die Handlung ist komplett von mir erfunden. Es gab nie diese Dreiecksbeziehung zwischen den drei Personen. Kathy war mit Benny verheiratet, aber ich habe keine Ahnung, wie Johnny sich fühlte. Johnny war in dem Buch keine wirklich wichtige Figur. Sie sind Menschen. Es ist also eine Art hybrider narrativer Dokumentarfilm.

Ich habe ziemlich schnell gemerkt, wenn Kathy heute noch leben würde und zu mir käme, könnte ich ihr nicht in die Augen sehen und sagen: „Ich habe deine Geschichte erzählt.“ Ich habe ihr Interview von 1965 genommen. Den Rest habe ich erfunden. Ich habe keine Ahnung, was mit Kathy danach passiert ist.

Also sagt man am besten, mein Film ist eine Erfindung, die stark von diesen Interviews und diesen Leuten beeinflusst ist.
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Frage

Sie sind Autor und Regisseur. Sie machen also beides. Was waren für Sie in „The Bikeriders“ und in „Loving“ (sein Drama über den Fall des Ehepaares Loving, der 1967 zu einem einsitmmigen Urteil des Obersten Gerichtshofs führte, das ein Verbot von Eheschließungen aufgrund von Rassenmerkmalen für verfassungswidrig erklärte) die Herausforderungen beim Erzählen einer Geschichte mit bereits existierende Charakteren?

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Jeff Nichols

Es war interessant, „The Bikeriders“ nach „Loving“ zu machen. Ich glaube nicht, dass ich diesen Film ohne „Loving“ hätte machen können. Es sind zwei völlig unterschiedliche Projekte. Nicht nur ästhetisch oder erzählerisch, sondern auch in der Art und Weise, wie ich an sie herangegangen bin. Bei „Loving“ wollte ich mir nichts ausdenken. Als weißer, 1978 geborener Mann aus der Mittelschicht war es nicht meine Aufgabe, ihre Geschichte zu fiktionalisieren. Meine Aufgabe war es, so viel wie möglich über sie als Menschen zu erfahren und sie so angemessen wie möglich darzustellen. Das war bei „The Bikeriders“ anders.

Ich interessiere mich eigentlich nicht sehr für die Motorradkultur. Die heutigen Biker-Gangs sind mir vollkommen egal. Was mich interessierte, waren die Menschen, die Danny interviewte. Irgendwann wurde mir klar, dass mir die Fiktionalisierung die Freiheit geben würde, näher an das Buch heranzukommen. Es gibt ein Gefühl, das man bekommt, wenn man das Buch liest und wenn man sich die Fotos ansieht. Es gibt eine Spannung zwischen den Fotos und den Interviews. Die Fotos sind romantisch. Sie sind wunderschön. Die Interviews sind manchmal bösartig, manchmal humorvoll. Aber die Fassade ist definitiv weg. Zwischen ihnen entsteht eine Spannung. Um das im Film zu erreichen, musste ich es fiktionalisieren. Wenn ich mich der Herausforderung gestellt hätte, nur zu versuchen, die Geschichte der Chicago Outlaws zu erzählen, den echten Club, den Danny fotografierte und der zur zweitgrößten Motorradgang der Welt wurde, dann wäre das nicht die Geschichte, die mir wichtig war. Die Geschichte, die mir wichtig war, waren die Menschen.
Also brauchte ich die Freiheit, alles drumherum fiktionalisieren zu können, damit ich tatsächlich zu dem gelangen konnte, was ich für das Wesentliche hielt.

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Frage

Austin Butler sieht in seiner Rolle wie James Dean aus. War sein Aussehen von Anfang an geplant?

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Jeff Nichols

Ich würde sagen, es liegt nicht am Aussehen. Es war etwas, das ich beim Drehen entdeckt habe und das sich beim Schnitt noch vertieft hat, und es war eine Fehlkalkulation meinerseits. Wenn diese echte Frau, Kathy, über den Mann spricht, den sie geheiratet hat, Benny, spricht sie davon, dass er emotional nicht erreichbar war. Er ist innerlich irgendwie tot. Austin Butler ist dagegen so unglaublich charmant. Beim Dreh sagte ich immer wieder zu ihm: „Hör auf zu lächeln.“ „Nein, hör auf zu lächeln.“ Und er konnte es nicht. Er konnte nicht anders. Ich sagte: „Nein, du musst emotional nicht erreichbar sein. Du musst innerlich tot sein.“ Aber ich hatte Austin Butler, der das Gegenteil von innerlich tot ist.
Er ist voller Emotionen, aber sein Mund ist verschlossen. Er kann nicht reden. Das ist James Dean. Wenn Sie sich „Rebel Without a Cause“ (… denn sie wissen nicht, was sie tun) ansehen, ist da ein Mann, der nicht in der Lage ist, all das auszudrücken, was in ihm vorgeht. Wir hatten das Glück, dass Austin Butler dabei war. Er war besser als sein Regisseur.

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Frage

Ist „The Bikeriders“ der neue „Easy Rider“ oder „The Wild One“ (Der Wilde) (In „The Bikeriders“ wird er im Fernsehen gezeigt. Danach gründet Johnny die Vandals) für unsere Generation oder ist er etwas völlig anderes?

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Jeff Nichols

Ich denke, mein Film ist etwas Eigenes. Die von ihnen genannten Filme waren repräsentativ für ihre Zeit.

Wenn man sich „The Wild One“ ansieht, ist er sehr stark ein Produkt des Studiosystems der fünfziger Jahre. Er beginnt mit diesem kitschigen Bild von Marlon Brando auf einem falschen Motorrad mit einer Rückprojektion hinter ihm. Heute sieht das fast absurd aus. Trotzdem hat „The Wild One“, was ich faszinierend finde, die Idee der Rebellion besser auf den Punkt gebracht als vielleicht irgendjemand davor oder danach. Wogegen rebellierst du? Was willst du? Ich kann mir nicht vorstellen, dass es einen Teenager auf der Welt gibt, der dem nicht zustimmt, oder ein Punkrock-Kid. Das Erstaunliche ist, dass man dann fünfzehn Jahre später „Easy Rider“ sieht. Was zum Teufel ist in diesen fünfzehn Jahren in der Gesellschaft und in der Kultur passiert, um ihr jetzt diesen Gegenkultur-Drogenfilm zu geben? Er ist im Grunde ein unabhängiger amerikanischer Film, der aus einem völlig anderen System als „The Wild One“ hervorgegangen ist. Und was auch immer passiert ist, darüber wollte ich einen Film machen. Das, was diese beiden Filme verbindet, ist das, worüber ich einen Film machen wollte.

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Frage

Sie zeigen uns eine Männerwelt aus der Sicht einer Frau. Das finde ich interessant. Ich denke, der Film wäre anders, wenn Sie ihn aus der Perspektive von Johnny oder Benny erzählen würden. Warum haben Sie sich für Kathy entschieden?

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Jeff Nichols

Der pragmatische Grund ist, dass sie die interessanteste Person ist, wenn man sich die Interviews im Buch durchliest. Sie ist nachdenklich. Sie ist selbstironisch. Sie ist manchmal verärgert. Sie ist eine echte Person aus Fleisch und Blut, die sich mit der Realität auseinandersetzt und sich fragt, warum sie sich mitten in dieser Welt befindet. Ich habe mich in sie verliebt. Wenn man den Film nur aus der männlichen Perspektive erzählt hätte, wäre er zu schwer.

Einer der Subtexte des ganzen Films ist, dass die Männer sich nicht ausdrücken können. Warum sollte ich einen von ihnen als Erzähler auswählen? Der Film würde sich falsch anfühlen. Er wäre gestellt. Es wäre auch sehr schwierig, zum Kern der Sache vorzudringen. Aber dann ist da Kathy. Sie denkt nach. Das kann man in den Interviews lesen. Es fühlt sich an, als würde sie beim Sprechen versuchen, herauszufinden, was in ihrem Leben vor sich geht.

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Frage

Können Sie uns ein bisschen etwas über die Struktur erzählen? Sie erzählen die Geschichte nicht gerade heraus, sondern mehrfach gebrochen. Sie blicken aus der Gegenwart auf die Bikerkultur von vor sechzig Jahren zurück. Dafür benutzen sie einen Bildband und einen Reporter, der Interviews führte und in den Interviews erzählt eine Frau, wie sie eine Männergesellschaft erlebt. Die Erzählungen der Frau bilden dann das Rückgrat der Filmgeschichte.

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Jeff Nichols

Also, ich werde jetzt einiges erzählen und vielleicht beantwortet das ihre Frage.

Es gibt nur eine Szene, die ich aus diesem Film herausgeschnitten habe, und zwar eine Szene nur mit Mike Faists Charakter Danny. Es war die einzige Szene ohne Biker, und ich erinnere mich: als wir sie drehten, sagte Mike Faist zu mir: „Du wirst das niemals in den Film aufnehmen.“ Ich sagte: „Auf keinen Fall. Dies ist meine Gelegenheit, durch die Figur Danny meinen Standpunkt zu vertreten. Hier sage ich, warum es wichtig ist, mit diesen Leuten zu sprechen.“ Ich wettete mit ihm um 1000 $, dass sie drin bleiben würde.

In der Szene versuchte ich, meinen eigenen Kommentar einzubringen. Es war eine Szene zwischen Danny und einer Frau, mit der er aufs College gegangen ist. Sie waren in seinem dunklen Zimmer, der nur sein Badezimmer war. Sie sitzt da, raucht einen Joint, sieht sich seine Fotos an und fragt: „Wie kannst du mit diesen Leuten reden?“ Er gibt eine Antwort, die halb Blödsinn, halb wahr ist. Und eigentlich war ich es, der euch ansieht und die Frage stellt, warum er das gemacht hat. Ich erkannte, dass es für die Erzählung nicht wichtig war. In der Erzählung können wir darüber reden und ich kann euch meine Antwort geben, aber die Wahrheit ist, dass wir in der Filmerzählung nicht von diesen Leuten ablenken wollten. Wir wollten auf Kurs bleiben.

Es war die erste Szene, die ich aus dem Film herausgeschnitten habe. Ich hatte sie nicht einmal im Rohschnitt.

Diese Szene war direkt vor der Szene mit dem roten Kleid. In dem Moment wart bereit für die Veränderung im Film. Ich weiß also nicht, ob das ihre Frage direkt beantwortet, aber es ist definitiv Teil meines Prozesses, zu verstehen, wo mein Standpunkt hineinpasst. Und die Wahrheit ist, dass er nicht direkt in diesen Film passte.

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Frage

Die Besetzung ist offensichtlich eine All-Star-Besetzung und es ist nicht so sehr die Frage, warum Sie diese Schauspieler engagierten, sondern warum Sie sie für diese Charaktere auswählten. Können Sie uns etwas darüber erzählen?

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Jeff Nichols

Wir hatten das Glück, Mike Faist für diese Rolle zu bekommen. Diese Rolle hätte ein Mauerblümchen sein können. Es hätte jemand sein können, der einfach nur da sitzt und wartet bis er die paar Zeilen zu sagt, die er hatte. Aber Mike ist ein wirklich kluger Kerl. Er interessiert sich für Kunst. Er interessiert sich dafür, wie die Dinge funktionieren. Er schreibt selbst ein Drehbuch und möchte, glaube ich, selbst Filmemacher werden. Was man also statt eines Mauerblümchens bekommt, ist ein Mensch, der wirklich zuhört. Wenn ich also zu ihm zurückschneide ist da ein anderer Blick und er unterscheidet sich stark von den Bikern. Das hilft, weil er wirklich ein Außenseiter ist.

Ich denke, das ist ein Grund, warum der echte Danny sich nicht mit dieser Figur identifiziert. Danny hat große Anstrengungen unternommen, um sich schmutzig zu machen und ein Teil dieser Welt zu werden, damit die Jungs sich wohl genug fühlten, um sich ihm zu öffnen. Das war ein Teil, den wir anders gestaltet haben.

Wenn Sie nach dem Rest der Besetzung fragen, hatte ich wirklich Glück. Das Casting ist ein so kniffliger Prozess, weil es wirklich der wichtigste Teil ist. Ich habe Austin Butler gecastet, bevor „Elvis“ herauskam. Wissen Sie, es gibt etwas Interessantes über Benny in dem Buch. Es gibt mehrere Fotos von ihm, aber sie zeigen nie sein Gesicht und er wird nie direkt interviewt. Er wird nur von Kathy erwähnt. Er ist irgendwie mythologisch und ich habe ihn als eine solche Figur geschrieben. In der ersten Stunde des Films fühlt er sich fast wie eine Legende an. Und dann ändert sich das, wenn man Austin Butler persönlich trifft.

Er kann die Last dieser Mythologie tragen. Körperlich ist er wunderschön. Gleichzeitig steckt in ihm all das andere Zeug, über das wir gesprochen haben. Er war der erste Schauspieler, den ich für die Rolle traf, und ich habe ihn sofort engagiert.

Jodie Comer war ein Vorschlag meiner unglaublichen Casting-Direktorin Francine Maisler. Sie meinte, ich solle Jodie Comer einfach dazu bringen, die Rolle anzunehmen. Das einzige Mal, dass Francine das zuvor zu mir gesagt hat, war als sie mir für „Midnight Special“ Adam Driver empfahl. Also lernte ich, auf Francine zu hören, und glücklicherweise sagte Jodie zu. Danach sah ich sie in London in dem Ein-Frauen-Stück „Prima Facie“, das im West End lief. Ich war eigentlich in London, um Tom Hardy zum ersten Mal zu sehen. Als ich aus dem Stück kam, dachte ich, das ist die beste Aufführung, die ich je gesehen habe, und sie ist in meinem Film die Hauptdarstellerin. Ich hatte das Gefühl, ein Ass im Ärmel zu haben.

Sie ist wirklich eine der besten Schauspielerinnen, mit denen ich je gearbeitet habe. Und dann ist da noch Tom Hardy, bei dem wir einfach Glück hatten, dass er zusagte. Tom Hardy ist kein traditioneller Schauspieler. Tom Hardy ist eine Naturgewalt. Wirklich. Er ist wie ein Tornado oder ein Hurrikan oder ein Zugunglück. Man kann einfach nicht die Augen von ihm abwenden. Und er ist gefährlich und sexuell. Seine Figur wird durch Tom Hardy unglaublich verbessert. Diese Szene am Lagerfeuer, in der er Austin so nahe kommt, und es ist so sinnlich und gefährlich und unangenehm und erstaunlich. Das ist alles Tom Hardy. Es war nicht so geschrieben. Die Zeilen sind alle gleich, aber die Art, wie er ihn vorgetragen hat, war außergewöhnlich.

Das gleiche gilt für Michael Shannon. Es gibt einen Monolog, den er am Lagerfeuer hält, und ich habe ihn ziemlich wörtlich aus dem Buch übernommen. Kennen Sie die Geschichte von einem Typen, der am Abend vor der Sitzung des Einberufungsausschusses so betrunken ist, dass seine Mutter ihn aus dem Bett ziehen muss? Und dann stinkt er nach Wein und fällt bei den Tests durch. Bevor wir die Szene filmten, kommt Mike Shannon zu mir. Normalerweise reden wir nicht. Wir proben nicht, weil er so verdammt schlau ist. Wissen Sie, er macht einfach, was er tun muss. Aber er kommt zu mir und sagt: „Jeff, du findest das ziemlich lustig, oder?“ Ich antworte: „Ja, ich finde es ziemlich lustig, oder?“ Er entgegnet: „Ich finde es überhaupt nicht lustig.“ Ich dachte mir: „Also gut, zeig mir, wie du das siehst.“ Wir waren in der ersten Woche des Drehs. Er setzt sich hin und versammelt all diese jungen Schauspieler um das Lagerfeuer. Sie schauen ihn an. Allein das war schon ziemlich erstaunlich. Er fängt an, die Geschichte zu erzählen und alle lachen.

Dann kommt er zu der Stelle, an der der Musterungsbeamte ihm sagt: „Wir wollen dich nicht. Du bist eine unerwünschte Person. Wir wollen dich nicht.“ Karl Glusman, ein unglaublicher junger Schauspieler, lacht. Mike sieht ihn an und dann lachte niemand mehr. Mike nahm eine wirklich gute Rede, die ich für ihn geschrieben hatte, und macht sie großartig, weil er im Grunde in einem Rutsch die Psychologie dieser Typen enthüllt. Er zeigt, warum sie die Mainstream-Gesellschaft ablehnen, sich aber trotzdem verletzt fühlen, wenn sie als Außenseiter betrachtet werden. Das ist eine wirklich seltsame Sache. Es ist eine seltsame Psychologie, die er in dieser einen Rede perfekt auf den Punkt bringt. Das ist Michael Shannon. Ihm verdanke ich meine Karriere.

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Frage

Haben sie in dem Film eine Lieblingsszene?

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Jeff Nichols

Das ist schwierig. Der Film hat viele großartige Momente. Aber einer sticht heraus. Es gibt eine Szene, in der Tom Hardys Charakter am Ende des Films zu Kathys Haus kommt. Sie geht auf die Veranda hinaus. Ich liebe diese Szene, denn hier ist dieser Mann, der unfähig ist, danach zu fragen, was er wirklich will. Tom schafft es großartig, das in sich hineinzufressen und irgendwie zu unterdrücken. Aber es ist das, was Jody macht, während er spricht. Sie fragt immer wieder, was er braucht. Am Ende sagt er diese eine Zeile, die ich geschrieben habe, dass man alles, was man hat, in eine Sache stecken kann und diese trotzdem tut, was sie tun will. Und so denke ich sehr über das Filmemachen und das Leben im Allgemeinen.

Aber sie fragt ihn wieder: „Was brauchst du?“ Und er sagt nichts. Und sie macht diese Sache, wenn sie dich packt und mit ihren Augen verrät, dass sie erkennt, dass dieser Mann nicht in der Lage ist, zu sagen, was er wirklich sagen will. Er will sagen, ich will Benny sehen. Ich bin in Benny verliebt. Ich will mit dir reden. Denn wenn ich nicht mit Benny reden kann, bist du die Person, die am nächsten an der Person ist, die wir miteinander geteilt haben. Wir haben diesen jungen Mann miteinander geteilt und ich liebe ihn und ich habe Angst zu sterben und ich habe Angst davor, wo mein Platz in der Welt ist. Alles das will er sagen und er kann nichts davon sagen. Sie akzeptiert das. Es ist fast so, als würde sie ihn mit diesem Blick, den sie ihm zuwirft, aus der Verantworung entlassen. Und ich liebe es einfach. Ich liebe ihre Leistung in diesem Moment einfach.

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Frage

Können sie uns etwas über ihren Regiestil erzählen und wie sehr sie sich bei den Dreharbeiten an ihr Buch halten. Es gibt ja Regisseure, die keine Änderungen zulassen und andere, bei denen beim Dreh viel improvisiert wird.

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Jeff Nichols

Ich mag es nicht, wenn die Schauspieler den Dialog ändern. Ich verbringe viel Zeit mit meinen Drehbüchern und führe beim Schreiben Regie auf dem Papier. Ich kann den Film in meinem Kopf sehen. Aber dann haben Sie eine Szene, und ich habe bereits darüber gesprochen, wie Tom Hardy und Austin Butler, die von diesem Lagerfeuer gestört werden. Diese Szene ist so geschrieben, dass sich zwei Männer gegenüberstehen. Der ältere Mann sitzt auf der Kante seines Motorrads. Er steht irgendwann auf, stellt sich vor ihn und bietet ihm den Knüppel an. Ich glaube, ich habe geschrieben, dass der Knüppel ihn an der Brust berührt. Näher kommen sie sich nicht. Weil wir auf Film drehen ist das, vor allem wenn man nachts dreht, sehr schwierig. Es erfordert viel Vorbereitung. Und wir wollten diesen Film nachts auf Film drehen. Also mussten wir vorab beleuchten. Wir mussten festlegen, wo unser Kran steht. Wir hatten diese große Lampe, die diese spezielle Art von Natriumdampflicht auf diese Schauspieler werfen sollte. Und ich sagte, also, wenn hier die beiden Schauspieler sind, stellen wir einfach den Kransockel hierhin. Denn ich werde eine Über-die-Schulter-Kamera so und eine Über-die-Schulter-Kamera so machen. Unsere Kamera wird sich nie in die Richtung des Krans schwenken. Und dann steigt Tom Hardy von seinem Motorrad und kommt immer näher und näher. Mein Steadicam-Operator muss sich bewegen und was eine Einzelaufnahme sein sollte, wird zu einer Zweieraufnahme. Ich sehe zu meinem Kamermann Adam Stone rüber. Er senkt seinen Kopf, weil wir die Szene anders ausgeleuchtet haben. Toms Gesicht wird dunkel. Aber er ist so verdammt gut. Er neigt seinen Kopf. Und dieser Lichtstrahl fällt auf sein Gesicht und dann sieht es plötzlich so aus, als würde er Austin küssen. Das ist das Sexuellste, was ich je gesehen habe. Ich konnte es nicht glauben. Er hat alle Zeilen genau so gesagt, wie sie geschrieben waren. Aber durch sein Spiel ist es eine völlig andere Szene.

Wenn wir also über Improvisation sprechen, wenn wir darüber sprechen, was Schauspieler mitbringen, geht es um diese ganze Welt. Du kannst ein sehr gutes Drehbuch haben und sie können es großartig machen.

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Frage

Ihr Film hat mich auf vielen Ebenen berührt. Trotzdem war für mich das Wichtigste, dass Sie uns eine universelle Geschichte über Identität erzählen. Ich frage mich, wie wir unsere Identität aufbauen. Was sind die Einflüsse in unserem Leben? Ich glaube, wir alle möchten Teil von etwas Größerem sein und unserem Leben Sinn geben.

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Jeff Nichols

Wahrscheinlich ist die Suche nach Identität die treibendste Kraft, die es derzeit in der Gesellschaft gibt. Teilweise wegen der sozialen Medien. Jetzt möchte jeder berühmt sein. Aber in Wirklichkeit möchte jeder einzigartig sein, weil jeder seinem Leben einen Sinn geben möchte. Ich meine, wir müssen jeden Tag aus dem Bett aufstehen. Warum sollten wir einen Fuß vor den anderen setzen? Weil wir einzigartig sind. Unsere Identität, sei es durch unser Geschlecht, unsere Rasse, unsere sexuelle Orientierung, was auch immer wir wählen, je einzigartiger es ist, desto mehr Sinn haben wir. Aber weil wir Menschen sind, schließen wir uns zusammen. Wir fühlen uns zu Gruppen hingezogen. Und je einzigartiger diese Gruppe ist, desto einzigartiger wird möglicherweise deine Identität sein.

Aber wir fühlen uns auch zu gefährlichen Dingen hingezogen. Das ist Teil der menschlichen Natur. Wenn wir mit Dingen in Verbindung gebracht werden, die uns töten können, macht uns das lebendiger und unsere Identität wird prägnanter und spezifischer. Wenn Sie sich zum Beispiel ein Motorrad ansehen, ist da eine Spannung in einem Motorrad. Es ist wunderschön. Sie wollen darauf steigen, Sie wollen es fahren. Es steht für Freiheit und kann Sie in einem Sekundenbruchteil töten. Wenn Sie also auf einem Motorrad sitzen, sind Sie lebendiger.

Vielleicht fühlen sich die Leute deshalb zu diesen Gruppen hingezogen. Das kann eine äußerst positive und kraftvolle Sache sein. Es kann aber auch eine sehr, sehr gefährliche Sache sein. Ich denke, bei „The Bikeriders“ geht es um beides.

The Bikeriders (The Bikeriders, USA 2023)

Regie: Jeff Nichols

Drehbuch: Jeff Nichols

LV: Danny Lyon: The Bikeriders, 1968

mit Jodie Comer, Austin Butler, Tom Hardy, Michael Shannon, Mike Faist, Norman Reedus, Boyd Holbrook, Damon Herriman, Beau Knapp, Emory Cohen, Karl Glusman, Toby Wallace, Paul Sparks, Will Oldham

Länge: 117 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Moviepilot über „The Bikeriders“

Metacritic über „The Bikeriders“

Rotten Tomatoes über „The Bikeriders“

Wikipedia über „The Bikeriders“ (deutsch, englisch) und Jeff Nichols (deutsch, englisch)

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Meine Besprechung von Jeff Nichols‘ „Loving“ (Loving, USA/Großbritannien 2016)


TV-Tipp für den 9. April: The Nice Guys

April 8, 2024

Kabel 1, 20.15

The Nice Guys – Nett war gestern! (The Nice Guys, USA 2016)

Regie: Shane Black

Drehbuch: Shane Black, Anthony Bagarozzi

Buch zum Film: Charles Ardai: The Nice Guys, 2016

Los Angeles in den Siebzigern: Nach einem etwas ruppigen Start arbeiten Privatdetektiv Holland March (Ryan Gosling) und Schläger Jackson Healy (Russell Crowe) zusammen. Sie wollen herausfinden, was der Tod eines Pornostars mit einer vermissten jungen Frau und einem labyrinthischen politischen Ränkespielen zu tun haben.

Wundervoll-kurzweiliger Mix aus Buddymovie und Privatdetektivkrimi und eine witzige Liebeserklärung an das Genre. Kultig.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Russell Crowe, Ryan Gosling, Angourie Rice, Matt Bomer, Margaret Qualley, Keith David, Yaya DaCosta, Beau Knapp, Kim Basinger, Lois Smith, Murielle Telio, Gil Gerard

Wiederholung: Mittwoch, 10. April, 01.20 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

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Wikipedia über „The Nice Guys“ (deutsch, englisch)

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TV-Tipp für den 10. September: The Nice Guys

September 9, 2023

Sat.1, 22.35

The Nice Guys – Nett war gestern! (The Nice Guys, USA 2016)

Regie: Shane Black

Drehbuch: Shane Black, Anthony Bagarozzi

Buch zum Film: Charles Ardai: The Nice Guys, 2016

Los Angeles in den Siebzigern: Nach einem etwas ruppigen Start arbeiten Privatdetektiv Holland March (Ryan Gosling) und Schläger Jackson Healy (Russell Crowe) zusammen. Sie wollen herausfinden, was der Tod eines Pornostars mit einer vermissten jungen Frau und einem labyrinthischen politischen Ränkespielen zu tun haben.

Wundervoll-kurzweiliger Mix aus Buddymovie und Privatdetektivkrimi und eine witzige Liebeserklärung an das Genre. Kultig.

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mit Russell Crowe, Ryan Gosling, Angourie Rice, Matt Bomer, Margaret Qualley, Keith David, Yaya DaCosta, Beau Knapp, Kim Basinger, Lois Smith, Murielle Telio, Gil Gerard

Wiederholung: Montag, 11. September, 02.50 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

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TV-Tipp für den 10. Februar: The Nice Guys – Nett war gestern!

Februar 9, 2023

Pro 7, 22.45

The Nice Guys – Nett war gestern! (The Nice Guys, USA 2016)

Regie: Shane Black

Drehbuch: Shane Black, Anthony Bagarozzi

Buch zum Film: Charles Ardai: The Nice Guys, 2016

Los Angeles in den Siebzigern: Nach einem etwas ruppigen Start arbeiten Privatdetektiv Holland March (Ryan Gosling) und Schläger Jackson Healy (Russell Crowe) zusammen. Sie wollen herausfinden, was der Tod eines Pornostars mit einer vermissten jungen Frau und einem labyrinthischen politischen Ränkespielen zu tun haben.

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mit Russell Crowe, Ryan Gosling, Angourie Rice, Matt Bomer, Margaret Qualley, Keith David, Yaya DaCosta, Beau Knapp, Kim Basinger, Lois Smith, Murielle Telio, Gil Gerard

Wiederholung: Samstag, 11. Februar, 03.25 Uhr (Taggenau!)

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TV-Tipp für den 19. Juni: The Nice Guys – Nett war gestern!

Juni 18, 2021

ZDF, 23.30

The Nice Guys – Nett war gestern! (The Nice Guys, USA 2016)

Regie: Shane Black

Drehbuch: Shane Black, Anthony Bagarozzi

Buch zum Film: Charles Ardai: The Nice Guys, 2016

Los Angeles in den Siebzigern: Nach einem etwas ruppigen Start arbeiten Privatdetektiv Holland March (Ryan Gosling) und Schläger Jackson Healy (Russell Crowe) zusammen. Sie wollen herausfinden, was der Tod eines Pornostars mit einer vermissten jungen Frau und einem labyrinthischen politischen Ränkespielen zu tun haben.

Wundervoll-kurzweiliger Mix aus Buddymovie und Privatdetektivkrimi und eine witzige Liebeserklärung an das Genre. Kultig.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Russell Crowe, Ryan Gosling, Angourie Rice, Matt Bomer, Margaret Qualley, Keith David, Yaya DaCosta, Beau Knapp, Kim Basinger, Lois Smith, Murielle Telio, Gil Gerard

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Neu im Kino/Filmkritik: Über Henry Alex Rubins „Semper Fi“

Juli 11, 2020

Die Geschichte spielt vor fünfzehn Jahren in Bridgewater, einer Kleinstadt im US-Bundesstaat New York. Aber sie könnte auch in der Gegenwart spielen. Oder vor dreißig, vierzig Jahren. Denn Bridgewater ist eine dieser Kleinstädte, in denen sich wenig ändert. Die Hauptpersonen sind fünf junge Männer, die sich schon seit Ewigkeiten kennen, aus der Arbeiterklasse sind und, außer einem ehrlichen Job und einer liebenden Familie, keine großen Träume haben. Es ist alles so, wie in den siebziger Jahren, als es noch viele Fabrikarbeiterjobs gab. Naja, und das ist ein kleiner Unterschied: damals wären sie und die Nebenfiguren in „Semper Fi“ wahrscheinlich alle weiße Männer gewesen. Ansonsten verkörpern sie fast schon prototypisch die Männer und die Welt, die Bruce Springsteen in seinen Songs besingt.

Im Mittelpunkt von Henry Alex Rubins Film stehen die Halbbrüder Callahan ‚Cal‘ (Jai Courtney) und Oyster (Nat Wolff). Cal ist Polizist, beliebt, regeltreu und verantwortungsbewusst. Sein jüngerer Halbbruder sucht noch seinen Weg. Er will später als Besitzer und Koch eines Imbisses Geld verdienen. Bis dahin gibt es noch einige Wochenenden, an denen er sich betrinken kann. Ihre Freunde Jaeger (Finn Wittrock), Milk (Beau Knapp) und Snowball (Arturo Castro) haben verschiedene Jobs, Beziehungen und auch Kinder.

Sie gehören alle auch zu einer Reserve-Einheit der Marine. Ihre Wochenenden verbringen sie bei militärischen Übungen, die sie weiter zusammenschweißen.

Eines Abends gerät Oyster in eine dieser Kneipenschlägereien, die mit zu viel Alkohol beginnen und über ein, zwei Fausthiebe zu einem blauen Auge und einer Platzwunde führen. Auf der Restaurant-Toilette schlägt er seinen Gegner, – eigentlich stößt er ihn auf der Toilette eher von sich weg – und er fällt so unglücklich, dass er tot ist. Voller Angst vor einer Haftstrafe flüchtet Oyster. Denn er wurde schon für zwei Verbrechen bestraft und jetzt droht ihm in jedem Fall eine besonders lange Haft.

Noch in der gleichen Nacht findet und verhaftet sein Bruder Cal ihn.

Acht Monate später sitzt Oyster im Gefängnis. Er hat mit 25 Jahren eine auch aus Sicht seiner Freunde und Bekannten unverhältnismäßig hohe Strafe für einen tödlichen Unfall unter Alkoholeinfluss erhalten. Sein Bruder und die von ihm geführte Reservisteneinheit sind im Irak, wo sie Hilfstätigkeiten ausführen.

In der ersten halben Stunde von „Semper Fi“ und damit vor der tödlichen Schlägerei, konzentriert Rubin sich auf die Freundschaft zwischen den Kleinstadtjungs. Im zweiten Akt erzählt er, was mit ihnen allen danach geschieht. Die Frage, ob Cals Loyalität seiner Familie oder dem Staat gilt, wird kaum weiterverfolgt. Anstatt nach Drehbuchregeln eine Frage, ein Dilemma, zu behandeln, weicht „Semper Fi“ in das episch-breit beschreibende aus. In einem Roman funktioniert das gut. In einem Film führt das eher zu einer gewissen Bräsigkeit. Denn bei vielen Szenen ist nicht zu erkennen, wie sie die Hauptgeschichte voranbringen.

Im dritten Akt will Cal dann seinen Bruder aus dem Gefängnis befreien. In diesem Moment wird „Semper Fi“ unvermittelt zu einem Thriller mit viel Suspense.

Alle drei Teile kompetent inszeniert. Aber insgesamt lässt der Film einen etwas unbeteiligt zurück. Er weiß nicht, was er will. Er schwankt zwischen den Stilen, trifft einige interessante erzählerische Entscheidungen, vermeidet aber Zuspitzungen und bleibt unter seinem Potential. Und zwar wegen der von Rubin getroffenen Entscheidungen, die halt dazu führen, dass Cals Dilemma immer wieder an den Rand geschoben wird zugunsten des Erzählens über das Leben der Kleinstadtjungs und ihren alltäglichen Sorgen. Diese Reportieren ist dann nicht auf ein bestimmtes Ziel fokussiert, sondern ein aus objektiver, gottgleicher Perspektive erzählter Bericht.

Im dritten Akt, wenn Cal seinen Bruder aus dem Gefängnis befreien will, ändert sich das. Die Jungs halten immer noch zusammen. Aber jetzt wollen sie ein Verbrechen begehen.

Semper Fi“ ist einer der Filme, bei denen man sich fragt, warum man ihn im Kino sehen sollte, dann aber, wenn er im Fernsehen läuft, dran bleibt.

Henry Alex Rubin drehte vorher das unbekannte, aber sehenswerten Ensembledrama „Disconnect“ (Disconnect, USA 2012).

Semper Fi (Semper Fi, USA/Großbritannien 2019)

Regie: Henry Alex Rubin

Drehbuch: Henry Alex Rubin, Sean Mullin

mit Jai Courtney, Nat Wolff, Finn Wittrock, Beau Knapp, Arturo Castro, Leighton Meester

Länge: 100 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

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Moviepilot über „Semper Fi“

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Rotten Tomatoes über „Semper Fi“

Wikipedia über „Semper Fi“

Meine Besprechung von Henry Alex Rubins „Disconnect“ (Disconnect, USA 2012)


TV-Tipp für den 13. April: The Nice Guys

April 12, 2020

Vox, 22.05

The Nice Guys (The Nice Guys, USA 2016)

Regie: Shane Black

Drehbuch: Shane Black, Anthony Bagarozzi

Buch zum Film: Charles Ardai: The Nice Guys, 2016

Los Angeles in den Siebzigern: Nach einem etwas ruppigen Start arbeiten Privatdetektiv Holland March (Ryan Gosling) und Schläger Jackson Healy (Russell Crowe) zusammen. Sie wollen herausfinden, was der Tod eines Pornostars mit einer vermissten jungen Frau und einem labyrinthischen politischen Ränkespielen zu tun haben.

Wundervoll-kurzweiliger Mix aus Buddymovie und Privatdetektivkrimi und eine witzige Liebeserklärung an das Genre. Kultig.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Russell Crowe, Ryan Gosling, Angourie Rice, Matt Bomer, Margaret Qualley, Keith David, Yaya DaCosta, Beau Knapp, Kim Basinger, Lois Smith, Murielle Telio, Gil Gerard

Hinweise

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Moviepilot über „The Nice Guys“

Metacritic über „The Nice Guys“

Rotten Tomatoes über „The Nice Guys“

Wikipedia über „The Nice Guys“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Shane Blacks „Iron Man 3“ (Iron Man, USA 2013)

Meine Besprechung von Shane Blacks „The Nice Guys“ (The Nice Guys, USA 2016) und der Blu-ray

Meine Besprechung von Shane Blacks „Predator – Upgrade“ (The Predator, USA 2018)


Neu im Kino/Filmkritik: Sie ist „Black and Blue“ – und hat Ärger mit den lieben Kollegen

November 14, 2019

Alicia West (Naomie Harris) ist in ihrem Geburtsort New Orleans ein Rookie-Cop. Als Afroamerikanerin muss sie mit den Vorurteilen ihrer Kollegen und der afroamerikanischen Gemeinschaft kämpfen. Vor allem weil sie im Ninth Ward eingesetzt wird. Dort ist die Polizei der Feind. Auch Jugendfreunde wollen nicht mehr als nötig mit ihr reden oder behaupten gleich, sie würden sie nicht kennen. Jetzt sei, wie ihr ein Kollege sagt, ihre Hautfarbe egal. Sie sei nicht mehr ‚Black‘ (ihre Hautfarbe), sondern ‚Blue‘ (die Farbe der Uniform).

Regisseur Deon Taylor etabliert in seinem Copthriller „Black and Blue“ diese Konfliktlinie, die damit verbundenen Probleme für West und die damit zusammenhängenden größeren Fragen in den ersten Minuten.

Kurz darauf übernimmt die alleinstehende West spontan für ihren Partner eine Extraschicht. Zusammen mit dem altgedienten Polizisten Deacon Brown (James Moses Black) fährt sie los. Während der Schicht hält er vor einer verlassenen Fabrikhalle und sagt ihr, sie solle im Streifenwagen auf ihn warten. West hört einen Schuss. Sie schleicht sich in das Gebäude und beobachtet, wie andere Polizisten einen Drogenhändler erschießen. Weil für sie das Tragen und Einschalten der Bodycam im Einsatz normal ist, hat ihre Bodycam alles aufgezeichnet. Und als ehrliche Polizistin will sie die Aufnahme in den Polizeicomputer übertragen und ihre Kollegen anzeigen. Denn Mord ist Mord.

Die Täter, Drogenfahnder Terry Malone (Frank Grillo), seine Partner Smitty (Beau Knapp) und Brown, verfolgen sie durch das Viertel und hetzen dabei weitere Polizisten und den örtlichen Drogenboss gegen sie auf.

Ab diesem Moment ist „Black and Blue“ dann fest im Fahrwasser eines 08/15-Actionthrillers über einen ehrlichen Polizisten, der gegen seine korrupten Kollegen kämpft. Und wie es sich für so einen Thriller gehört, werden die damit verbundenen Fragen zugunsten von Action schnell ad acta gelegt. Es gibt auch keine genauere Analyse der Gemeinschaft und der Welt der Polizisten. Denn selbstverständlich sind die verbrecherischen Polizisten nur eine kleine Gruppe innerhalb der Polizei. Ihre Taten haben daher keine strukturellen, sondern individuelle Ursachen und mit ihrer Verhaftung ist das Problem gelöst.

Nachdem die Entscheidung gefallen ist, Action gegenüber einer Analyse zu bevorzugen, wird die störende Logik geopfert. Vor allem West muss sich in entscheidenden Momenten nicht plausibel verhalten.

Und weil Taylor die Geschichte zwischen den wenigen Actionszenen nicht flott genug erzählt, um darüber hinwegzutäuschen, fragte ich mich schon während des Films, warum sie nicht sofort das Viertel verlässt, warum sie nicht zur nächsten (oder übernächsten) Polizeistation geht und dort alles seinen vorschriftsmäßigen Gang gehen lässt (Schließlich hätten nicht alle Polizisten ihr das Überspielen der Datei von ihre Bodycam auf den Zentralcomputer verweigert), warum sie, anstatt sich möglichst schnell an einen sicheren Ort zu begehen, erst einmal Stunden in einem Apartment in unmittelbarer Nähe zu ihren Verfolgern verbringt (okay, das ist wichtig, damit die Bösewichter ihre Kräfte sammeln können) und warum sie sich im Finale in eine lebensgefährliche Situation begibt, in der ihre Überlebenschance im besten Fall Fifty/Fifty ist. Wobei sie das natürlich tun muss, damit es ordentlich knallige Action und eine „Training Day“-Hommage gibt.

So ist „Black and Blue“ ein austauschbarer, immer unter seinen Möglichkeiten bleibender Polizeithriller. Er ist nicht wirklich schlecht, aber er versucht auch nie, wirklich gut zu sein, während er die aus unzähligen Filmen bekannten Personen und Situationen noch einmal, ohne große Variationen präsentiert.

Miss Moneypenny hätte in ihrer ersten Hauptrolle einen besseren Film verdient gehabt. Immerhin zeigt sie, dass sie mühelos einen Film tragen kann.

Black and Blue (Black and Blue, USA 2019

Regie: Deon Taylor

Drehbuch: Peter A. Dowling

mit Naomie Harris, Tyrese Gibson, Frank Grillo, Mike Colter, Reid Scott, Nafessa Williams, James Moses Black, Beau Knapp, Kevin Johnson, Deneen Tyler

Länge: 108 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

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Metacritic über „Black and Blue“

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Wikipedia über „Black and Blue“ (deutsch, englisch)


Neu im Kino/Filmkritik: Nicole Kidmans Tough-Cop-Show „Destroyer“

März 14, 2019

Den Abschluss der kleinen Reihe von Filmen, die in den vergangenen Wochen in unseren Kinos anliefen („Aquaman“, „Der verlorene Sohn“, „Mein Bester & Ich“) und in denen Nicole Kidman ihre schauspielerische Bandbreite zeigt, endet mit „Destroyer“.

Der harte Neo-Noir-Cop-Thriller verlangt ihr in puncto Aussehen das Meiste ab. Denn bei den in der Gegenwart spielenden Teilen ist sie auch auf den zweiten und dritten Blick kaum zu erkennen. Sie ist ein klappriges Alkoholwrack, das seit Jahren nur noch mit der Hilfe von Drogen den Tag überlebt. Als Mutter und Kollegin ist Erin Bell die Totalkatastrophe, die den „Bad Lieutenant“ (egal ob in der Version von Abel Ferrara oder Werner Herzog) zum Mitarbeiter des Monats macht.

Als junge FBI-Agentin war Erin Bell Teil eines gefährlichen Undercover-Einsatz gegen Silas und seine skrupellose Bankräuberbande. Der Einsatz ging schief. Wie und warum verrät der Neo-Noir erst gegen Ende.

Siebzehn Jahre später kehrt Silas zurück nach Los Angeles. Er raubt weiterhin Banken aus und es können alte Rechnungen beglichen werden. Aber zuerst muss LAPD Detective Bell Silas finden. Und wie es sich für einen harten Cop gehört, geht Bell nicht zimperlich vor.

Viel mehr kann über Karyn Kusamas „Destroyer“ nicht verraten werden, ohne den gesamten Film zu spoilern. Denn sie erzählt die letztendlich sehr einfache Geschichte durchgehend und in jeder Beziehung fragmentarisch. Das entspricht der Wahrnehmung eines Drogensüchtigen.

Gleichzeitig ist es schwer, sich mit Bell zu identifizieren. Nicht weil sie drogensüchtig und konsequent unhöflich ist, sondern weil ihre Handlungsmotive teilweise bis zum Ende rätselhaft bleiben. So werden die Ereignisse der siebzehn Jahre zurückliegenden Undercover-Operation, die auch der Beginn ihrer Suchtbiographie ist, erst langsam enthüllt. Das ganze Bild hat man erst am Ende. Und erst in der letzten Minute weiß man, wie die verschiedenen Zeitebenen zusammenhängen. Das ist, wenn man Filme gerne mit einem Notizblock ansieht, interessant. Aber emotional involviert ist man nicht. Jedenfalls nicht in diesem Fall.

Dazu kommen im Rahmen des sich realistisch gebenden Noirs hoffnungslos unrealistische Szenen. Zum Beispiel beobachtet Bell bei einer Observation einen Banküberfall. Anstatt auf das Spezialeinsatzkommando zu warten, stürmt sie mit einer Maschinenpistole im Arm und zwei zufällig anwesenden Streifenpolizisten im Schlepptau in die Bank und beginnt eine Schießerei, die eindeutig von „Heat“ inspiriert ist. Menschen sterben. Panik bricht aus. Und sie befördert am helllichten Tag auf einem gut einsehbarem Parkplatz mitten in der Stadt einen der Bankräuber in den Kofferraum ihres Autos. Später im Film wird diese Schießerei und ihre Entführung (Verhaftung kann es nicht genannt werden) nicht einmal erwähnt. Es ist, als habe es den Schusswechsel und die zahlreichen Toten niemals gegeben.

Karyn Kusama, die nach ihren Spielfilmen „Girlfight“, „Æon Flux“ und „Jennifer’s Body“ in den vergangenen Jahren vor allem Episoden für Serien wie „Chicago Fire“, „Halt and Catch Fire“, „The Man in the High Castle“ und „Billions“ inszenierte, ist durch diese TV-Arbeiten den schnellen, effektiven Dreh mit einem überschaubarem Budget gewohnt. Auch bei „Destroyer“ war das Budget mit neun Millionen Dollar überschaubar. Aber dem an ausschließlich an Originalschauplätzen in Los Angeles gedrehtem Film sieht man das niedrige Budget nicht an.

Die Bilder und vor allem Nicole Kidman überzeugen. Sie hält den Film zusammen. Sie ist unbestritten das Zentrum des Films, der seine altbekannte Geschichte viel zu umständlich erzählt.

Destroyer (Destroyer, USA 2018)

Regie: Karyn Kusama

Drehbuch: Phil Hay, Matt Manfredi

mit Nicole Kidman, Toby Kebbell, Tatiana Maslany, Sebastian Stan, Scott McNairy, Bradley Whitford, Toby Huss, James Jordan, Beau Knapp, Bradley Whitford

Länge: 122 Minuten

FSK: ab 12 Jahre (hätte eher mit FSK-16 gerechnet)

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Wikipedia über „Destroyer“ (deutsch, englisch)

Ein Mini-Werbe-Making-of

Ein Q&A beim TIFF mit Karyn Kusama, Nicole Kidman, Tatiana Maslany, Sebastian Stan, Phil Hay und Matt Manfredi

Scott Feinberg unterhält sich mit Karyn Kusama und Nicole Kidman


TV-Tipp für den 14. Oktober: The Nice Guys

Oktober 14, 2018

RTL, 22.45

The Nice Guys (The Nice Guys, USA 2016)

Regie: Shane Black

Drehbuch: Shane Black, Anthony Bagarozzi

Buch zum Film: Charles Ardai: The Nice Guys, 2016

Los Angeles in den Siebzigern: Nach einem etwas ruppigen Start arbeiten Privatdetektiv Holland March (Ryan Gosling) und Schläger Jackson Healy (Russell Crowe) zusammen. Sie wollen herausfinden, was der Tod eines Pornostars mit einer vermissten jungen Frau und einem labyrinthischen politischen Ränkespielen zu tun haben.

Wundervoll-kurzweiliger Mix aus Buddymovie und Privatdetektivkrimi und eine witzige Liebeserklärung an das Genre.Kultig.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Russell Crowe, Ryan Gosling, Angourie Rice, Matt Bomer, Margaret Qualley, Keith David, Yaya DaCosta, Beau Knapp, Kim Basinger, Lois Smith, Murielle Telio, Gil Gerard

Wiederholung: Montag, 15. Oktober, 03.20 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

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Metacritic über „The Nice Guys“

Rotten Tomatoes über „The Nice Guys“

Wikipedia über „The Nice Guys“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Shane Blacks „Iron Man 3“ (Iron Man, USA 2013)

Meine Besprechung von Shane Blacks „The Nice Guys“ (The Nice Guys, USA 2016) und der Blu-ray

Meine Besprechung von Shane Blacks „Predator – Upgrade“ (The Predator, USA 2018)


TV-Tipp für den 14. April: Southpaw

April 14, 2018

Pro7, 20.15

Southpaw (Southpaw, USA 2015)

Regie: Antoine Fuqua

Drehbuch: Kurt Sutter

Billy Hope ist ein erfolgreicher Boxer. Bis eine persönliche Katastrophe sein bisheriges Leben auf den Kopf stellt und er auch an ganz anderen Fronten kämpfen muss.

Überzeugender Boxerfilm, der innerhalb der bekannten Genrekonventionen interessante Akzente setzt.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Jake Gyllenhaal, Rachel McAdams, Forest Whitaker, Naomie Harris, Curtis `50 Cent`Jackson, Oona Laurence, Miguel Gomez, Skylan Brooks, Beau Knapp, Victor Ortiz

Hinweise
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Film-Zeit über „Southpaw“
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Wikipedia über „Southpaw“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Antoine Fuquas “Training Day” (Training Day, USA 2001)

Meine Besprechung von Antoine Fuquas “Gesetz der Straße – Brooklyn’s Finest” (Brooklyn’s Finest, USA 2009)

Meine Besprechung von Antoine Fuquas “Olympus has fallen – Die Welt in Gefahr” (Olympus has fallen, USA 2013)

Meine Besprechung von Antoine Fuquas “The Equalizer” (The Equalizer, USA 2014)

Meine Besprechung von Antoine Fuquas “Southpaw” (Southpaw, USA 2015)

Meine Besprechung von Antoine Fuquas „Die glorreichen Sieben“ (The Magnificent Seven, USA 2016)


Neu im Kino/Filmkritik: Bruce Willis hat (k)einen „Death Wish“

März 8, 2018

Nach „Extraction“, „Precious Cargo“, „Marauders“, „Once Upon a Time in Venice“, „Acts of Violence“ und „First Kill“ (demnächst bei uns auf DVD) ist mit „Death Wish“ endlich wieder ein Bruce-Willis-Film in unseren Kinos. Sein letzter Kinoauftritt war 2016 in „Rock the Kasbah“ (2015). In der Komödie hatte er nur eine Nebenrolle und niemand ging wegen ihm in den Film. Naja, eigentlich ging niemand in den Film. Davor spielte er in „Vice“ und „The Prince – Only God Forgives“ mit. Zwei weitere vergessenswerte Straight-to-DVD-Filme. Und dann sind wir bei „Sin City 2: A Dame to Kill For“ (nur eine Nebenrolle), „R.E.D. 2 – Noch Älter. Härter. Besser.“, „G.I. Joe – Die Abrechnung“ (wieder nur eine Nebenrolle) und „Stirb langsam – Ein guter Tag zum Sterben“ die zwar im Kino liefen, aber Schrott waren.

Das ist die aktuelle, erschreckend dürftige filmische Bilanz von dem großen (dem größten?) Actionstar der späten achtziger und neunziger Jahre, der mit John McClane einen neuen Actionhelden erfand und der damals zwischen seine Blockbuster-Actionfilme etliche kleinere Filme schob, in denen er sich als Schauspieler beweisen konnte. Damals freute man sich auf den neuen Bruce-Willis-Film. Auch die misslungen waren wenigstens interessant. Seine aktuelle Filmographie ist dagegen randvoll mit Filmen, die schon vor dem Drehstart uninteressant sind und in denen er lustlos seine Gage abgreift.

Da ist „Death Wish“ auf den ersten Blick etwas interessanter. Die Vorlage, der Roman „Ein Mann sieht rot“ (Death Wish) von Brian Garfield, ist ein Klassiker. Die Verfilmung von Michael Winner ebenfalls. Die Fortsetzungen und zahlreichen Kopien des Selbstjustiz-Thrillers sind meistens reaktionärer Müll. Joe Carnahan schrieb das Drehbuch. Er schrieb auch das Drehbuch für den Polizeithriller „Das Gesetz der Ehre“ und führte Regie bei „Narc“ und „The Grey – Unter Wölfen“. Die Regie übernahm dann Toture-Porn-Horrorregisseur Eli Roth.

Trotz Warnsignalen – Eli Roth ist wahrlich nicht für seine subtilen gesellschafts- und soziopolitischen Kommentare bekannt und Brian Garfield beschwerte sich schon bei Winners Verfilmung, dass der sein Anliegen falsch verstanden habe – könnte dieser Film vielleicht kein guter, aber immerhin ein interessanter Film werden.

Am Ende ist „Death Wish“ klassisches Straight-to-DVD-Futter, das in dem Rahmen als schnöder 08/15-Selbstjustiz-Thriller okay wäre, wenn er sich nicht neben Garfields Roman und Winners Film stellen würde. Leider ohne auch nur den Schimmer einer Ahnung davon zu haben, was das Thema, die Aussage, der gesellschaftliche Hintergrund und das schockierende an „Ein Mann sieht rot“ war. Kleiner Hinweis: es war nicht die Selbstjustiz. Die gibt es in jedem zweiten Western.

Die Story, die auch für die aktuelle Verfilmung kaum verändert wurde, dürfte ja bekannt sein. Roths Version spielt in Chicago, dem neuen Hort des Verbrechens. Denn New York, der Handlungsort des ersten „Ein Mann sieht rot“-Films, ist heute eine fast schon langweilig heimelige Stadt. Paul Kersey (im Roman Paul Benjamin) arbeitet als Arzt im Krankenhaus. Er ist glücklich verheiratet. Die Tochter geht demnächst auf die Universität. Er selbst ist ein Gewalt ablehnender Liberaler; – jedenfalls soweit das in dem Film erkennbar ist.

Eines Abends dringen Einbrecher in sein Haus ein. Sie töten seine Frau und misshandeln seine Tochter. Anschließend liegt sie im Koma. Und bei Kersey erwacht, nach der Beerdigung seiner Frau in Texas, der Wunsch, das Gesetz in die eigenen Hände zu nehmen.

Das tut er dann auch. Als Rächer. Als Vigilant. Als, unterstützt von Radiomoderatoren, die über seine Verbrechen sprechen, Stimme des Volkes, die einfach die Todesstrafe für jedes ihnen missfallende Verhalten fordert.

Diese Geschichte kann verschieden interpretiert werden. Roth entschließt sich für die reaktionäre Variante als feuchter Traum der NRA. Denn, so der idiotische Spruch der US-Waffenlobby, gegen einen bösen Mann mit einer Waffe hilft nur ein guter Mann mit einer Waffe. Auch Kerseys Psychiaterin befürwortet seine Aktionen, wenn sie in einer Sitzung zu dem sich aus seiner Trauer lösenden Kersey sagt, egal was er tue, es helfe ihm und er solle damit fortfahren. Dass sie in diesem Moment nicht weiß, was Kersey tut, ist egal. Erstens ist der Satz innerhalb der Filmgeschichte eine klare Legitimation für Kerseys Selbstjustiz. Zweitens folgt von ihr niemals eine Distanzierung gegenüber irgendeiner Form der Selbstjustiz.

In diesem Punkt hat Paul Kerseys Bruder eine interessantere Entwicklung. Sofern bei einer kaum ausformulierten Nebenfigur überhaupt von einer Entwicklung gesprochen werden kann. Immerhin darf er sich vor der finalen Schießerei Shoot Out alibimäßig gegen Selbstjustiz äußern.

Denn in „Death Wish“ wird Selbstjustiz als eine erfolgreiche und empfehlenswerte Form der Bewältigung von Verlust und als ein probates Mittel gegen das Verbrechen gezeigt. Das ist in jeder Beziehung gefährlicher Unfug.

Neben dieser Botschaft und dem schlampigen Plotting ist das größte Problem des Films Bruce Willis. Er spielt die Hauptrolle im von ihm in den letzten Jahren perfektionierten „Where’s my paycheck?“-Modus. Ohne irgendein spürbares Engagement steht er da und liefert emotionslos seine Sätze ab. Mit einigen typischen Willis-Manierismen und ein, zwei John-McClane-Momenten, die nicht in den Film passen. Weil Willis sich noch nicht einmal bemüht, zu spielen, ist von Kerseys Gewissenkonflikt und seiner emotionalen Reise bei seiner Wandlung vom superpatenten Vater und Arzt zum skrupellosen Rächer nichts zu spüren.

Eli Roths „Death Wish“ ist nur noch der reaktionäre Film, der Waffenfans gefällt. Ohne irgendeine der Fragen zu stellen, die in Winners Film (weniger) und Garfields Roman (mehr) thematisiert werden.

Nämlich wann ist Selbstjustiz, vulgo Vigilantismus, gerechtfertigt bzw. erklärbar und was macht das mit einem Menschen. Brian Garfield ist überzeugt, dass Gewalt nur Gegengewalt erzeugt und sie zu einem moralischen Verfall des Täters führt. Davon erzählt er in „Ein Mann sieht rot“ und, weil er fand, dass seine Botschaft von Michael Winner falsch dargestellt wurde, auch in seiner „Ein Mann sieht rot“-Fortsetzung „Death Sentence“ (1975). Der Roman wurde 2007 als äußerst pessimistische Studie über Selbstjustiz verfilmt. In anderen Romanen erzählt er, wie seine Protagonisten erfolgreich und ohne Gewalt anzuwenden gegen Gewalttäter vorgehen.

Zu „Ein Mann sieht rot“ erklärte Garfield: „I meant it (if you believe in the influence ov subtext) as a cautionary lesson, not a recommendation. Revenge is a universal fantasy but, in practice, it isnt’t a solution, it’s a problem.“

Charles Bronson, der Paul Kersey in „Ein Mann sieht rot“ spielte, äußerte sich in Interviews über Winner-Film ähnlich. Und Winners Film hat durchaus ein Interesse an dieser Frage. Sein Film spielt auch vor einem konkreten sozialen und politischen Hintergrund: dem New York der frühen siebziger Jahre. Er stellt Fragen. Auch darüber, ob der Staat versagt und wie der Staat mit Selbstjustiz umgehen soll.

Es sind Fragen, über die es sich lohnt, zu diskutieren und über die Geschichten erzählt werden können, die dann für Diskussionen sorgen. Brian Garfield und Michael Winner gelang das. Garfields Botschaft ist heute sogar, angesichts des US-Präsidenten und seiner Fürsprecher und Fans, aktueller denn je.

Eli Roths „Death Wish“ beschäftigt sich nicht mit diesen Fragen. Er versucht es noch nicht einmal. Entsprechend gering ist der Erkenntisgewinn.

Dazu kommt in diesem Fall, – schließlich gibt es unzählige Selbstjustizthriller -, die Verärgerung über die Macher, die sich explizit auf ein älteres Werk beziehen, sich höchst oberflächlich mit den dort gestellten Fragen und Themen beschäftigen und dann alles falsch verstehen. Dadurch wird ihr Versagen noch offensichtlicher.

Zum Abschluss noch ein Wort zum Drehbuchautor: Joe Carnahan sollte den Film vor mehreren Jahren inszenieren. Er schrieb ein Drehbuch und wollte Liam Neeson als Hauptdarsteller. Das zerschlug sich und seitdem waren mehrere Regisseure mit dem Projekt beschäftigt, verschiedene Hauptdarsteller im Gespräch (eigentlich jeder Mann über fünfzig) und Carnahans Drehbuch wurde von mehreren Autoren überarbeitet. Im Final Shooting Draft werden neun Autoren genannt. Dean Georgaris scheint der Hauptautor des verfilmten Drehbuchs zu sein, aber die Writer’s Guild beschloss, dass Carnahan in den Credits als einziger Autor genannt werden soll.

Deshalb wäre es Quatsch, diesen Film mit Joe Carnahans anderen Filmen zu vergleichen.

Georgaris ist der Autor von „Der Manchurian Kandidat“, „Paycheck – Die Abrechnung“ und „Lara Croft – Tomb Raider: Die Wiege des Lebens“.

Death Wish (Death Wish, USA 2018)

Regie: Eli Roth

Drehbuch: Joe Carnahan

LV: Brian Garfield: Death Wish, 1972 (Ein Mann sieht rot)

mit Bruce Willis, Elisabeth Shue, Camila Morrone, Vincent D’Onofrio, Beau Knapp, Kimberly Elise, Dean Norris

Länge: 109 Minuten

FSK: ab 18 Jahre

Hinweise

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Moviepilot über „Death Wish“

Metacritic über „Death Wish“

Rotten Tomatoes über „Death Wish“

Wikipedia über „Death Wish“

Meine Besprechung von Eli Roths „Knock Knock“ (Knock Knock, USA/Chile 2015)

Homepage von Brian Garfield

Meine Besprechung von Joseph Rubens  “The Stepfather” (The Stepfather, USA 1986, nach einer Geschichte von Brian Garfield)

Bonushinweis

Nach einer Neuprüfung ist die Vorlage für Eli Roths „Death Wish“ (jau, der Film wird in den Credits ausdrücklich als Vorlage genannt), Michael Winners „Ein Mann sieht rot“ jetzt von der Liste jugendgefährdender Medien gestrichen und „frei ab 16 Jahren“. Studiocanal spendierte schneller als erwartet eine Neuausgabe des Films. Sie erscheint, ohne nennenswertes Bonusmaterial, am 22. März.

Herbie Hancock schrieb die Musik.

Ein Mann sieht rot (Death Wish, USA 1974)

Regie: Michael Winner

Drehbuch: Wendell Mayes

LV: Brian Garfield: Death Wish, 1972 (Ein Mann sieht rot)

mit Charles Bronson, Hope Lange, Vincent Gardenia, Steven Keats, William Redfield, Stuart Margolin, Stephen Elliott, Jeff Goldblum (sein Debüt)

BBC-Filmkritiker Mark Kermode fasst 2016  die Produktionsgeschichte von „Death Wish“ bis zur Regieübernahme von Eli Roth zusammen.


DVD-Kritik: Nice, „The Nice Guys“ beim Hausbesuch

Oktober 17, 2016

Zum Kinostart schrieb ich ziemlich begeistert:

Los Angeles, siebziger Jahre, als Philip Marlowe schon den long goodbye eingeläutet hat und Jim Rockford in seinem Büro am Strand (mit Anrufbeantworter!) auf Kundschaft wartet, treffen Holland March (Ryan Gosling) und Jackson Healy (Russell Crowe) aufeinander. Eigentlich bricht Healy, ein Mann fürs Grobe, March den Arm. Rein beruflich. March ist ein glückloser Privatdetektiv mit, was weder Marlowe noch Rockford passiert wäre, pubertierender, Nancy Drew spielender Tochter. Manchmal, wenn sie sich nicht gerade in den nicht jugendfreien Fall einmischt, liest Holly (Angourie Rice) auch ein Buch von Agatha Christie.

Kurz darauf wird Healy höchst unprofessionell von einigen Typen zusammengeschlagen, die seine inzwischen spurlos verschwundene Auftraggeberin suchen.

Healy engagiert March, der Amelia bereits im Auftrag einer anderen Person gesucht hat, für diese Suche und gemeinsam versuchen sie herauszufinden, was der Tod eines Pornostars mit einer vermissten jungen Frau und politischen Ränkespielen zu tun hat. Die mit viel Humor gewürzte, labyrinthische Handlung lässt „Tote schlafen fest“ wie ein Kinderrätsel wirken; – wobei schon damals die Atmosphäre wichtiger als der nach dem Lehrbuch aufgebaute, strikt logische Plot war.

Los Angeles war in den 1970er Jahren von Verfall geprägt. Smog bedeckte die ganze Stadt und aus dem Hollywood Boulevard war ein Pfuhl der Pornographie geworden. Vor diesem Hintergrund entfaltet sich die Geschichte zweier Schwachköpfe, die in eine Sache hineinstolpern, der sie nicht gewachsen sind, als sie versuchen eine gewaltige Verschwörung aufzudecken. Es gibt in dieser Story also Korruption und Dekadenz, und es stellte sich für mich die Frage, wie beunruhigend ungeeignet und überfordert man diese beiden Typen für diese Aufgabe zeichnen und zeigen durfte, auf die sie sich eingelassen hatten.“ (Shane Black)

The Nice Guys“ ist in seiner großen Lust, jedes Privatdetektiv-Klischee aus Buch und Film zu zitieren und gegen den Strich zu bürsten, ein großer Spaß für die Freunde des Genres. Und Shane Black ist einer. Er schrieb die Drehbücher für „Lethal Weapon – Zwei stahlharte Profis“, „Last Boy Scout“, „Last Action Hero“ und „Tödliche Weihnachten“, die als Actionkomödien immer dann besonders gut waren, wenn sie auch ein Buddy-Movie waren. Das war schon bei dem ersten „Lethal Weapon“-Film keine neue Formel, aber Shane Black erfüllte sie besser, gewitzter und intelligenter als die meisten anderen Autoren. Die brachiale Action half dann beim Kassenerfolg.

Zuletzt inszenierte er „Iron Man 3“ und auch der war letztendlich ein Buddy-Movie.

Aber die Blaupause für „The Nice Guys“ ist „Kiss Kiss Bang Bang“. Diese noirische Actionkomödie/Buddy-Movie war vor elf Jahren, nachdem man lange nichts von ihm hörte, sein Regiedebüt und seine Rückkehr nach Hollywood. Mit Robert Downey Jr. und Val Kilmer als Freunde wider Willen, die in Los Angeles ein vollkommen undurchschaubares Komplott aufklären müssen. „Kiss Kiss Bang Bang“ basiert offiziell auf einem Roman von Brett Halliday, der wahrscheinlich sein Buch nicht mehr erkannte. Er war vor Jahrzehnten ein enorm erfolgreicher Pulp-Autor, der mit dem Privatdetektiv Michael ‚Mike‘ Shayne einen langlebigen Privatdetektiv erschuf, der – jedenfalls in den Romanen, an die ich mich noch erinnere – in einer Nacht mehr Abenteuer erlebte als Jack Bauer in einer Handvoll „24“-Staffeln. In „The Nice Guys“ gibt es im Abspann einen ‚besonderen Dank‘ den 1977 verstorbenen Erfinder von Mike Shayne.

Das ist die Welt, in der „The Nice Guys“ existiert und der gerade wegen des liebevollen Porträts dieser Welt, Zeit und Charaktere ein großer Spaß ist. Auch wenn „The Nice Guys“ letztendlich „Kiss Kiss Bang Bang“ in den Siebzigern ist.

Störend in diesem 1977 spielendem Retro-Fest ist eigentlich nur Kim Basinger als Leiterin des kalifornischen Justizministeriums. Die alterslose Schönheit, die hier mehr einem Avatar als einem Menschen ähnelt, spielt den Bösewicht, den Quasi-Strippenzieher, der in einem Amt ist, in das damals niemals eine Frau gekommen wäre. Immerhin hat sie eine afroamerikanische Sekretärin, die nicht nur in die Tasten der Schreibmaschine schlagkräftig bedienen kann.

Und die Chemie zwischen den Buddys Russell Crowe und Ryan Gosling, beide mit Mut zur Hässlichkeit, ist, wenn sie zwischen Schießereien und Kloppereien Einzeiler austauschen, glänzend.

 

Beim zweiten Ansehen, und auch nach der Lektüre von Charles Ardais Filmroman (der einiges umstellte, was die Story nachvollziehbarer und nacherzählbarer macht, aber den lakonischen Humor des Films vermissen lässt), fällt auf, wie gut die Chemie zwischen den drei Hauptdarstellern, also Russell Crowe, Ryan Gosling und seiner Filmtochter Angourie Rice ist. Das kann einfach nicht in einen Roman (der nicht übersetzt wurde und der auch nie übersetzt wird) übertragen werden. Dazu kommen im Film feinste Retro-Optik, knackiger Seventies-Soul, glänzend aufgelegte Schauspieler, die alle ihre unvergesslichen Auftritt haben und lakonische Einzeiler. „The Nice Guys“ ist eine wundervoll kurzweilige Liebeserklärung an das Privatdetektiv-Genre.

Im Bonusmaterial erfährt man zwar ein, zwei interessante Details (vor allem in dem Featurette „Die schlechtesten Detektive aller Zeiten. Making The Nice Guys“), aber insgesamt sind die zwei Featurettes (insgesamt knapp zwölf Minuten) und die Interviews mit Russell Crowe, Ryan Gosling, Kim Basinger, Matt Bomer und Margaret Qualey (insgesamt ebenfalls knapp zwölf Minuten) enttäuschend.

Oh, und es gibt insgesamt sieben Trailer zum Film.

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The Nice Guys (The Nice Guys, USA 2016)

Regie: Shane Black

Drehbuch: Shane Black, Anthony Bagarozzi

mit Russell Crowe, Ryan Gosling, Angourie Rice, Matt Bomer, Margaret Qualley, Keith David, Yaya DaCosta, Beau Knapp, Kim Basinger, Lois Smith, Murielle Telio, Gil Gerard

Blu-ray

Concorde

Bild: 1080p High Definition, 2,35:1 (16:9)

Ton: Deutsch (DTS-HD Master Audio 5.1, DD 2.0), Englisch (DTS-HD Master Audio 5.1)

Untertitel: Deutsch für Hörgeschädigte

Bonusmaterial: Featurettes, Interviews, Trailer

Länge: 116 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Der Roman zum Film

Wie es sich für einen schundigen 70er-Jahre-Retro-PI-Film gehört, gibt es auch einen pulpigen Roman zum Film, veröffentlicht in dem Verlag, der darauf spezialisiert ist.

Ardai - The Nice Guys

Charles Ardai: The Nice Guys

Hard Case Crime, 2016

288 Seiten

7,99 US-Dollar (derzeit bei Amazon 7,64 Euro)

Hinweise

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Moviepilot über „The Nice Guys“

Metacritic über „The Nice Guys“

Rotten Tomatoes über „The Nice Guys“

Wikipedia über „The Nice Guys“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Shane Blacks „Iron Man 3“ (Iron Man, USA 2013)

Meine Besprechung von Shane Blacks „The Nice Guys“ (The Nice Guys, USA 2016)


Neu im Kino/Filmkritik: Kiss Kiss Bang Bang mit den „Nice Guys“

Juni 1, 2016

Los Angeles, siebziger Jahre, als Philip Marlowe schon den long goodbye eingeläutet hat und Jim Rockford in seinem Büro am Strand (mit Anrufbeantworter!) auf Kundschaft wartet, treffen Holland March (Ryan Gosling) und Jackson Healy (Russell Crowe) aufeinander. Eigentlich bricht Healy, ein Mann fürs Grobe, March den Arm. Rein beruflich. March ist ein glückloser Privatdetektiv mit, was weder Marlowe noch Rockford passiert wäre, pubertierender, Nancy Drew spielender Tochter. Manchmal, wenn sie sich nicht gerade in den nicht jugendfreien Fall einmischt, liest Holly (Angourie Rice) auch ein Buch von Agatha Christie.

Kurz darauf wird Healy höchst unprofessionell von einigen Typen zusammengeschlagen, die seine inzwischen spurlos verschwundene Auftraggeberin suchen.

Healy engagiert March, der Amelia bereits im Auftrag einer anderen Person gesucht hat, für diese Suche und gemeinsam versuchen sie herauszufinden, was der Tod eines Pornostars mit einer vermissten jungen Frau und politischen Ränkespielen zu tun hat. Die mit viel Humor gewürzte, labyrinthische Handlung lässt „Tote schlafen fest“ wie ein Kinderrätsel wirken; – wobei schon damals die Atmosphäre wichtiger als der nach dem Lehrbuch aufgebaute, strikt logische Plot war.

Los Angeles war in den 1970er Jahren von Verfall geprägt. Smog bedeckte die ganze Stadt und aus dem Hollywood Boulevard war ein Pfuhl der Pornographie geworden. Vor diesem Hintergrund entfaltet sich die Geschichte zweier Schwachköpfe, die in eine Sache hineinstolpern, der sie nicht gewachsen sind, als sie versuchen eine gewaltige Verschwörung aufzudecken. Es gibt in dieser Story also Korruption und Dekadenz, und es stellte sich für mich die Frage, wie beunruhigend ungeeignet und überfordert man diese beiden Typen für diese Aufgabe zeichnen und zeigen durfte, auf die sie sich eingelassen hatten.“ (Shane Black)

The Nice Guys“ ist in seiner großen Lust, jedes Privatdetektiv-Klischee aus Buch und Film zu zitieren und gegen den Strich zu bürsten, ein großer Spaß für die Freunde des Genres. Und Shane Black ist einer. Er schrieb die Drehbücher für „Lethal Weapon – Zwei stahlharte Profis“, „Last Boy Scout“, „Last Action Hero“ und „Tödliche Weihnachten“, die als Actionkomödien immer dann besonders gut waren, wenn sie auch ein Buddy-Movie waren. Das war schon bei dem ersten „Lethal Weapon“-Film keine neue Formel, aber Shane Black erfüllte sie besser, gewitzter und intelligenter als die meisten anderen Autoren. Die brachiale Action half dann beim Kassenerfolg.

Zuletzt inszenierte er „Iron Man 3“ und auch der war letztendlich ein Buddy-Movie.

Aber die Blaupause für „The Nice Guys“ ist „Kiss Kiss Bang Bang“. Diese noirische Actionkomödie/Buddy-Movie war vor elf Jahren, nachdem man lange nichts von ihm hörte, sein Regiedebüt und seine Rückkehr nach Hollywood. Mit Robert Downey Jr. und Val Kilmer als Freunde wider Willen, die in Los Angeles ein vollkommen undurchschaubares Komplott aufklären müssen. „Kiss Kiss Bang Bang“ basiert offiziell auf einem Roman von Brett Halliday, der wahrscheinlich sein Buch nicht mehr erkannte. Er war vor Jahrzehnten ein enorm erfolgreicher Pulp-Autor, der mit dem Privatdetektiv Michael ‚Mike‘ Shayne einen langlebigen Privatdetektiv erschuf, der – jedenfalls in den Romanen, an die ich mich noch erinnere – in einer Nacht mehr Abenteuer erlebte als Jack Bauer in einer Handvoll „24“-Staffeln. In „The Nice Guys“ gibt es im Abspann einen ‚besonderen Dank‘ den 1977 verstorbenen Erfinder von Mike Shayne.

Das ist die Welt, in der „The Nice Guys“ existiert und der gerade wegen des liebevollen Porträts dieser Welt, Zeit und Charaktere ein großer Spaß ist. Auch wenn „The Nice Guys“ letztendlich „Kiss Kiss Bang Bang“ in den Siebzigern ist.

Störend in diesem 1977 spielendem Retro-Fest ist eigentlich nur Kim Basinger als Leiterin des kalifornischen Justizministeriums. Die alterslose Schönheit, die hier mehr einem Avatar als einem Menschen ähnelt, spielt den Bösewicht, den Quasi-Strippenzieher, der in einem Amt ist, in das damals niemals eine Frau gekommen wäre. Immerhin hat sie eine afroamerikanische Sekretärin, die nicht nur in die Tasten der Schreibmaschine schlagkräftig bedienen kann.

Und die Chemie zwischen den Buddys Russell Crowe und Ryan Gosling, beide mit Mut zur Hässlichkeit, ist, wenn sie zwischen Schießereien und Kloppereien Einzeiler austauschen, glänzend.

The Nice Guys - Plakat

The Nice Guys (The Nice Guys, USA 2016)

Regie: Shane Black

Drehbuch: Shane Black, Anthony Bagarozzi

mit Russell Crowe, Ryan Gosling, Angourie Rice, Matt Bomer, Margaret Qualley, Keith David, Yaya DaCosta, Beau Knapp, Kim Basinger

Länge: 116 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Der Roman zum Film

Wie es sich für einen schundigen 70er-Jahre-Retro-PI-Film gehört, gibt es auch einen pulpigen Roman zum Film, veröffentlicht in dem Verlag, der darauf spezialisiert ist.

Da kann ich nur sagen, auch ohne das Buch gelesen zu haben und ohne irgendeine deutsche Übersetzung in Sichtweite: Lesebefehl.

Ardai - The Nice Guys

Charles Ardai: The Nice Guys

Hard Case Crime, 2016

288 Seiten

7,99 US-Dollar (derzeit bei Amazon 7,69 Euro)

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Englische Homepage zum Film

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Meine Besprechung von Shane Blacks „Iron Man 3“ (Iron Man, USA 2013)


Neu im Kino/Filmkritik: Über Antoine Fuquas Boxerfilm „Southpaw“

August 21, 2015

Die Regeln des Boxerfilms sind ja bekannt und „Southpaw“ folgt ihnen auch mit einem Boxkampf am Anfang, der Herausforderung eines Konkurrenten, einer krachenden Niederlage, dem langen Training für den nächsten Kampf und schließlich dem Schlußkampf, bei dem der Held siegreich den Ring verlässt. Das kennt man spätestens aus den „Rocky“-Filmen.
Aber Regisseur Antoine Fuqua (zuletzt „The Equalizer“) und Drehbuchautor Kurt Sutter („The Shield“, „Sons of Anarchy“) setzen eigene Akzente, die „Southpaw“ innerhalb des Genres zu einem sehr interessanten Film machen. Dabei ist die Besetzung der Hauptrolle mit Jake Gyllenhaal der uninteressanteste Punkt. Immerhin spielte schon Robert De Niro in Martin Scorseses grandiosem SW-Boxerfilm „Raging Bull – Wie ein wilder Stier“ einen Boxer.
Der interessante Punkt ist, wie viel Zeit sich Fuqua nimmt, um das Leben abseits des Boxkampfes und abseits des Boxrings zu zeigen. Es geht um die Einsamkeit nach dem Kampf in ranzigen Hinterzimmer, in denen man sich wenige Minuten früher auf den Kampf vorbereitete. Nach dem Lärm der jubelnden Menge in dem bis zum letzten Platz gefüllten Veranstaltungssaal ist die Stille und Einsamkeit in dem anonymen, funktionalem und fensterlosen Zimmer noch bedrückender. Es geht um die Schmerzen, die man nach einem Boxkampf am ganzen Körper spürt. So stolpert Billy Hope wie ein Schwerverletzter durch sein mondänes Anwesen. Es geht um die Geschäfte, die das Profiboxen begleiten. Also um das Abschließen von Verträgen, Auftritte bei Wohltätigkeitsveranstaltungen und Entscheidungen über das Leben nach der Sportkarriere. Es geht auch um die große Entourage, die man hat, so lange man Geld hat.
Diese Gefolgschaft verlässt Billy ‚The Great‘ Hope (Jake Gyllenhaal), ein impulsiv-jähzorniges Waisenkind, das sich von ganz unten aus dem Kinderheim nach oben zum Halbschwergewichtsmeistertitel boxte, mit seiner Jugendliebe Maureen (Rachel McAdams), die sein Leben in jeder Beziehung organisiert, glücklich verheiratet ist und mit ihr eine zehnjährige Tochter (Oona Laurence) hat, die er abgöttisch liebt, nachdem Maureen während einer Wohltätigkeitsveranstaltung bei einer Rangelei mit einem anderen Boxer durch einen Schuss tödlich verletzt wird. Ohne Maureen ist Billy ein vom Leben überfordertes Häufchen selbstmitleidiges Elend, das nach einem missglückten Boxkampf, der für ihn mit einer einjährigen Kampfsperre endet, auch schnell sein Vermögen verliert. Seine Tochter Leila kommt in ein Heim und er weiß nicht, wann er wieder mit ihr zusammen leben darf.
Weil Leila sein einziger Halt ist, will er für sie ein anständiger Vater sein. Deshalb nimmt er bei dem Amateur-Boxtrainer Titus ‚Tick‘ Wills (Forest Whitaker), der für die Kinder im Viertel auch ein Sozialarbeiter ist, eine Arbeit als Putzmann an. Und selbstverständlich trainiert er dort für seinen nächsten Kampf.
Wichtiger als die furios inszenierten Boxkämpfe sind in „Southpaw“, wie gesagt, die sonst nicht gezeigten Momente, die den Film, innerhalb der bekannten Regeln und absolut ironiefrei, zu einer intensiven und düsteren Charakterstudie machen. Und Jack Gyllenhaal überzeugt nach „Nightcrawler“, wo er ebenfalls einen – höflich formuliert – schwierigen Charakter spielte, wieder einmal als ein auch an seine körperlichen Grenzen gehender Schauspieler restlos.

Southpaw - Plakat

Southpaw (Southpaw, USA 2015)
Regie: Antoine Fuqua
Drehbuch: Kurt Sutter
mit Jake Gyllenhaal, Rachel McAdams, Forest Whitaker, Naomie Harris, Curtis `50 Cent`Jackson, Oona Laurence, Miguel Gomez, Skylan Brooks, Beau Knapp, Victor Ortiz
Länge: 125 Minuten
FSK: ab 12 Jahre

Hinweise
Deutsche Homepage zum Film
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Film-Zeit über „Southpaw“
Moviepilot über „Southpaw“
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Wikipedia über „Southpaw“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Antoine Fuquas “Training Day” (Training Day, USA 2001)

Meine Besprechung von Antoine Fuquas “Gesetz der Straße – Brooklyn’s Finest” (Brooklyn’s Finest, USA 2009)

Meine Besprechung von Antoine Fuquas “Olympus has fallen – Die Welt in Gefahr” (Olympus has fallen, USA 2013)

Meine Besprechung von Antoine Fuquas “The Equalizer” (The Equalizer, USA 2014)


Neu im Kino/Filmkritik: Über den feinen New-York-Gangsterthriller „Run all Night“

April 16, 2015

Vergessen wir einfach „96 Hours – Taken 3“ und wenden uns „Run all Night“ zu. Mit Liam Neeson als Mafiakiller, der in einer Dezembernacht in New York seinen Sohn, der zufällig Zeuge eines Mordes wurde, vor Gangstern und der Polizei beschützen will.
Jaa, das klingt jetzt nach „Taken 4“. Aber „Run all Night“ ist ein äußerst sehenswerter Gangsterthriller, der die Tradition und die Genreregeln kennt, sie gelungen variiert und mit einer ordentlichen Portion Action abschmeckt. Die Story erinnert Einige an „Road to Perdition“. Das stimmt. Aber „Road to Perdition“ ist mir auch viel zu prätentiös. „Run all Night“ will dagegen nur ein spannender Thriller sein, der nebenbei noch einige ernste Themen behandelt. Die nächtlichen Bilder von den weniger bekannten Ecken New Yorks und weil die Jagd quer durch die Millionenstadt geht, erinnern mich an Michael Manns „Collateral“, das ursprünglich ebenfalls in New York spielen sollte. Mann verlegte die Geschichte nach Los Angeles und genau wie „Collateral“ ein Porträt von Los Angeles ist, ist „Run all Night“ ein Porträt von Manhattan.
Weil Liam Neeson den irischen Mobkiller Jimmy Conlon spielt, porträtiert Jaume Collet-Serra in seinem Film auch den irischen Mob, der auch als „Westies“ bekannt ist. Wer will, kann als echtes Vorbild für Conlon den Mafiakiller Richard Kuklinski erkennen, der für Gambino-Familie mordete und der auch das entfernte Vorbild für den Erzähler in Dave Zeltsermans „Killer“ ist.
Auch die restliche Besetzung ist gut. Ed Harris spielt den irischen Mob-Boss, dessen Sohn von Conlon/Neeson erschossen wird, um seinen Sohn zu beschützen. Harris und Neeson haben euch einige tolle gemeinsame Szenen, in denen aus besten Freunden innerhalb weniger Stunden Todfeinde werden. Joel Kinnaman und Boyd Holbrook spielen die Söhne. Vincent D’Onofrio einen Polizisten, der seit Jahren Conlon verfolgt. Common einen eiskalten Killer, der nur an einer effektiven Erledigung seines Auftrages interessiert ist. Nick Nolte hat einen kurzen Auftritt als Neesons Bruder. Und Bruce McGill ist immer gut.
Brad Ingelsby („Auge um Auge – Out of the Furnace“ und, demnächst, das „The Raid“-Remake) schrieb das Drehbuch, in dem die Action die Handlung vorantreibt und auch einige ernste Themen fast schon nebenbei behandelt werden. Ich sage nur Familienbande, Freundschaft, Loyalität und die unterschiedlichen Lebensentwürfe von Vätern und Söhnen. Dabei gibt „Run all Night“ dann keine einfachen Antworten, sondern lässt alles, wie „Ruhet in Frieden – A Walk among the Tombstones“, in einem wunderschönen Graubereich verschwinden. Das unterscheidet „Run all Night“, mit seinem durchaus sympathischen Siebziger-Jahre-Gefühl, dann auch von schlechteren Thrillern.
Insgesamt knüpft „Run all Night“ an „Unknown Identity“ und „Non-Stop“, die beiden vorherigen Filme des Teams Collet-Serra/Neeson, an.
Das war jetzt schon ziemlich lang, aber eigentlich sind das nur einige Ergänzungen zu meiner Filmbesprechung, die in der Stuttgarter Zeitung erschien.

Run all Night - Plakat

Run all Night (Run all Night, USA 2015)
Regie: Jaume Collet-Serra
Drehbuch: Brad Ingelsby
mit Liam Neeson, Ed Harris, Joel Kinnaman, Boyd Holbrook, Bruce McGill, Genesis Rodriguez, Vincent D’Onofrio, Lois Smith, Common, Beau Knapp, Patricia Kalember, Nick Nolte
Länge: 115 Minuten
FSK: ab 16 Jahre

Hinweise
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Film-Zeit über „Run all Night“
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Rotten Tomatoes über „Run all Night“
Wikipedia über „Run all Night“
Meine Besprechung von Jaume Collet-Serras „Non-Stop“ (Non-Stop, USA 2013)


Neu im Kino/Filmkritik: Der Science-Fiction-Film „The Signal“

Juli 10, 2014

Dass man für einen guten Science-Fiction-Film nicht unbedingt Unsummen ausgeben muss, haben zuletzt, um nur drei neuere Filme zu nennen, unter anderem „Moon“, „District 9“ und „Looper“ bewiesen.
Auch „The Signal“ könnte daher ein guter Science-Fiction-Film und ein guter Paranoia-Thriller sein. Das Plakat weckt Interesse und auch der Stilwechsel nach dem etwas zähen Filmanfang, der sich etwas zu viel Zeit für die Reise- und Beziehungsprobleme von Nic (Brenton Thwaites), seiner Freundin Haley (Olivia Cooke) und seinem Freund Jonah (Beau Knapp) nimmt, ist interessant.
Die drei Collegestudenten Nic, Jonah und Haley fahren durch die USA in Richtung Kalifornien zu Haleys neuer Universität. Mitten im ländlichen Nevada wollen sie Nomad, einem rivalisierendem Hacker, den die Computernerds Nic und Jonah nur über das Netz kennen, besuchen. Dafür verfolgen sie sein Signal zurück – und landen, natürlich mitten in der Nacht, in der Einöde in einem verlassenem Haus.
Da geschieht etwas, das wir im schönsten „The Blair Witch Project“-Found-Footage-Stil sehen, und als Nic aufwacht, ist er in einem etwas altmodischem Hochsicherheitskrankenhaus in Quarantäne isoliert von anderen Menschen und seinen beiden Freunden. Haley sieht er einmal bewußtlos in einem Krankenbett liegend. Das Personal, immer in Schutzanzügen, redet nicht mit ihm.
Dr. Wallace Damon (Laurence Fishburne), der Laborleiter, sagt ihm, dass er und seine beiden Freunde Kontakt mit einem Alien gehabt hätten, jetzt überprüft werden müsse, ob er noch gesund sei und er unbedingt bei den kindisch wirkenden Tests kooperieren solle. Nur so könne festgestellt werden, ob er kontaminiert sei.
Spätestens jetzt fragt sich der versierte Genrefan, was Damon vor Nic verheimlicht und welches miese Spiel der Vertreter der Staatsmacht mit ihm treibt.
Aus dieser Frage zieht Regisseur William Eubank, obwohl „The Signal“ fast ein Zwei-Personen-Film ist, auch eine Zeit lang eine durchaus beträchtliche Spannung. Aber anstatt irgendwann mit dem Beantworten der Fragen zu beginnen, türmt er Rätsel auf Rätsel, was dazu führt, dass das Interesse schnell erlahmt und schon früh der Eindruck entsteht, dass die Macher die Lösung selbst nicht kennen, aber munter die Stile wechseln und sich durch die halbe Filmgeschichte plündern.
In den letzten Minuten, wenn wir die Wahrheit erfahren, bestätigt sich das. Denn „The Signal“ hat eines dieser überraschenden Enden irgendwo zwischen Verzweiflungstat und Verlegenheitslösung, das vor allem deshalb überraschend ist, weil es mit dem vorherigen Film nichts zu tun hat und aus der Logik der Geschichte heraus nicht stimmt.
Genausogut hätte Regisseur Eubank Nic am Ende in einem Krankenbett aus einem Alptraum erwachen lassen können.
Dass man für einen guten Science-Fiction-Film ein gutes Drehbuch braucht, zeigt „The Signal“; – wie viele andere schlechte Science-Fiction-Filme.

The Signal - Plakat

The Signal (The Signal, USA 2014)
Regie: William Eubank
Drehbuch: William Eubank, Carlyle Eubank, David Frigerio
mit Brenton Thwaites, Olivia Cooke, Beau Knapp, Laurence Fishburne, Lin Shaye, Robert Longstreet
Länge: 97 Minuten
FSK: ab 16 Jahre

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DVD-Kritik: „No one lives – Keiner überlebt“ und gestorben wird blutig

Oktober 21, 2013

Da haben die Hinterwäldler, dieses Mal eine Gruppe, familiär miteinander verbundener Verbrecher mit Kleinstadt-Rockerattitüde (was sie in ihrer Dummheit noch gefährlicher macht), einen wirklich eine dummen Fehler begangen. Denn das junge Pärchen, das sie sich geschnappt haben, ist nicht ohne. Sie bringt sich, als sie ihren Göttergatten erpressen wollen, gleich selbst um, indem sie ihre Kehle in das Messer rammt und blutig stirbt. In seinem Auto entdecken sie, versteckt im Kofferraum, eine zweite Frau, die vor einigen Monaten spurlos verschwand. Ihre Familie hat eine hohe Belohnung auf Informationen über ihre blonde Tochter ausgesetzt. Die Hinterwäldlersippe glaubt, den Jackpot gewonnen zu haben, bis sie erfahren, dass ihr Gefangener, der im Film nur „Fahrer“ (Driver) genannt wird, sich befreien konnte, dabei gleich ein Familienmitglied blutig tötete und jetzt ihre einsam gelegene Hütte belagert mit dem Ziel, den Filmtitel „No one lives“ blutig umzusetzen.

Autor David Cohen nennt seine Geschichte einen „genre bending Slasher-Film“, weil für uns der Fahrer (aka der Slasher) der Protagonist sei und wir ihm die Daumen drückten. Das stimmt auch; irgendwie. Denn er ist, gespielt von Luke Evans (zuletzt „Fast & Furious 6“, demnächst „Der Hobbit: Snaugs Einöde“) als Bruce-Campbell-Lookalike, wirklich noch die sympathischste Figur in dieser Ansammlung von Verbrechern. Auch sein Opfer Emma (Adelaide Clemens) kommt nicht besonders gut weg, weil sie sich auf die Rolle der Wissenden zurückzieht, die einfach schicksalergeben bis zum Ende passiv abwartet. Sie ist das blonde Äquivalent zu einer Tasche voller Geld und entsprechend nützlich.

Bis Emma im Kofferraum entdeckt wird, haben alle Charaktere sich so seltsam verhalten und auch unbeholfen gespielt, dass sie alle den Weg in die Annalen des Schlechten Schauspiels, aber nicht in unsere Herzen finden.

Im Nachhinein war das natürlich der nicht gelungene Versuch von „Midnight Meat Train“-Regisseur Ryûhei Kitamura, eine unheimliche Atmosphäre zu kreieren und zu zeigen, dass vor allem das nette, durchreisende Pärchen nicht das ist, was es behauptet.

Aber auch wenn der Fahrer dann die Gangster belagert, interessieren wir uns für die Hinterwäldler nur als Schlachtvieh für den quasi unverwundbaren Fahrer.

Letztendlich ist „No one lives“ nur ein Abschlachten von ziemlich unsympathischen Charakteren, das nur aufgrund seiner Länge nicht langweilt. Denn bereits nach 73 Minuten ist die Geschichte zu Ende; danach gibt es noch einen achtminütigen Abspann.

Das Bonusmaterial wirkt auf den ersten Blick pompöser als es ist. Die zwölf Interviews mit den Schauspielern, dem Regisseur, dem Autor und den Produzenten sind kurze, meist banale Statements, die in wenigen Minuten gesehen sind. Dann gibt es noch eine B-Roll und den Trailer in der deutschen und englischen Fassung.

Diese Fassung ist um 90 Sekunden gekürzt und, auch ohne nachzusehen, dürfte klar sein, welche Bilder in dem Schlachtfilm fehlen.

No one lives - DVD-Cover

No one lives – Keiner überlebt (No one lives, USA 2013)

Regie: Ryûhei Kitamura

Drehbuch: David Cohen

mit Luke Evans, Adelaide Clemens, Lee Tergesen, Derek Magyar, America Olivo, Beau Knapp , Lindsey Shaw

DVD

Tiberius Film/Sunfilm

Bild: 2,35:1 (16:9)

Ton: Deutsch (Dolby Digital 5.1, DTS), Englisch (Dolby Digital 5.1)

Untertitel: –

Bonusmaterial: Interviews, B-Roll, Trailer

FSK: ab 18 Jahre

Länge: 81 Minuten

Hinweise

Metacritic über „No one lives“

Rotten Tomatoes über „No one lives“

Wikipedia über „No one lives“