Neu im Kino/Filmkritik: Das Biopic „The Imitation Game – Ein streng geheimes Leben“ des Alan Turing

Januar 22, 2015

Ist „The Imitation Game – Ein streng geheimes Leben“ wirklich so gut? Das Biopic wurde für acht Oscars, unter anderem in den Kategorien bester Film, beste Regie, bestes Drehbuch, bester Hauptdarsteller und beste Nebendarstellerin (wobei Keira Knightley in dem Film die einzige nennenswerte Frauenrolle hat und eigentlich die Hauptdarstellerin ist) nominiert. Insgesamt wurde, laut IMDB, der Film bis jetzt für über einhundert Preise nominiert und er erhielt schon 39 Preise. Diese immense Menge an Preisen und Nominierungen sagt inzwischen eigentlich mehr über die Inflation von Filmpreisen als über die Qualität des Films aus.
Dabei ist „The Imitation Game“ natürlich kein schlechter Film, sondern gutes, altmodisches Erzählkino, das zuerst mit seiner komplizierten, aber letztendlich sehr schlüssigen und sehr gelungenen Rückblendenstruktur irritiert.
1951 trifft ein Polizist, nachdem ein Einbruch gemeldet wurde, auf einen sehr seltsamen Mann in einer zugemüllten Wohnung. Der Polizist fragt sich, wer dieser Alan Turing (Benedict Cumberbatch) ist und was er ihm verschweigt. Dabei erfährt er schnell, dass Turings Arbeit während des Zweiten Weltkriegs streng geheim ist (was sie bis in die siebziger Jahre blieb) und höhere Stellen keine genaue Untersuchung des Einbruchs wünschen.
Turing (23. Juni 1912 – 7. Juni 1954) war ein herausragender Mathematiker, der heute als einer der einflussreichsten Theoretiker der frühen Computerentwicklung und Informatik gilt. Der unter Informatikern prestigeträchtige Turing Award trägt seinen Namen.
Dieses mathematische Talent, vulgo das abstrakte logische Denken, führte dazu, dass er, nachdem er behauptet, die unknackbare deutsche Codemaschine Enigma knacken zu können, vom britischen Geheimdienst eingestellt wird und in Bletchley Park mit anderen Männern Enigma knacken soll. Turing, ein teamunfähiger, von sich überzeugter Eigenbrötler, nähert sich dem Problem streng logisch und, wie inzwischen allgemein bekannt ist, kann er den Code knacken. Eine große Hilfe war ihm dabei die ebenfalls mathematisch extrem begabte Joan Clarke (Keira Knightley), der er auch einen Heiratsantrag machte.
Eigentlich stand ihm nach dem Krieg eine große wissenschaftliche Karriere offen. 1948 trat er eine Stelle an der Universität von Manchester an. Er entwickelte den Turing Test, der die Grundlage für die Definition von künstlicher Intelligenz wurde.
Aber dann wurde er 1952 wegen Homosexualität, was damals eine Straftat war, angeklagt. Um eine Haftstrafe zu vermeiden, unterzog er sich einer Hormontherapie, die auch sein seelisches Befinden störte und 1954 zu seinem Suizid durch Cyanid führte.
Erst am 10. September 2009 entschuldigte sich der britische Premierminister Gordon Brown im Namen der Regierung für die Verfolgung Turings aufgrund seiner Homosexualität. Am 24. Dezember 2013 sprach Königin Elisabeth II. ein „Royal Pardon“ (Königliche Begnadigung) aus.
Diese Daten sind das Grundgerüst für „The Imitation Game“, der vor allem die Entschlüsselung von Enigma und der Stimmung in Bletchley Park erzählt. Es ist eine Gruppe intelligenter Männer, die in der Heimat auf einem noblen Anwesen ihren Teil zum Sieg beitragen wollen, die nicht über ihre Arbeit reden dürfen und die einen Spion in den eigenen Reihen haben.
Morten Tyldum („Headhunters“) inszenierte diese Geschichte als traditionelles Schauspielerkino, bei dem die Story im Mittelpunkt steht und das Drehbuch ein schier endloses Spiegelkabinett zwischen Schein und Sein, Lüge und Wahrheit, entwirft: die genialen Wissenschaftler, die nicht über ihre Arbeit reden dürfen. Nicht während und auch nicht viele Jahre nach dem Krieg. Inzwischen sagen Historiker, dass die Entschlüsselung des Enigma-Codes den Krieg um zwei bis vier Jahre vekürzte. Alan Turing, der seine Beziehung zu Joan Clarke gegenüber seinen Kollegen und Vorgesetzten verschweigt. Joan Clarke, die als Sekretärin in Bletchley Park arbeitet (was historisch nicht ganz korrekt ist) und in ihrer Freizeit mit Turing versucht, den Code zu knacken, was ein Bruch der Geheimvereinbarungen ist. Ihre Scheinbeziehung, die eine Scheinehe hätte werden sollen. Ihre Lügen gegenüber Joan Clarkes den Konventionen verhafteten Eltern. Der Spion in Bletchley Park, der schon lange enttarnt ist. Und natürlich der Enigma-Code, der entschlüsselt ist, aber vom britischen Militär zunächst nicht benutzt wird.
Dabei sind viele dieser Geheimnisse überhaupt keine Geheimnisse, aber das Wissen wird strategisch eingesetzt.
So erscheint „The Imitation Game“, der über weite Strecken ein Spionagethriller ist, in jeder Szene wie ein Turing Test, bei dem die Charaktere versuchen herauszufinden, wer ihr Gegenüber ist – und natürlich Gefühle, also die Dinge, die Menschen von Computern unterscheidet, immer wieder das strikte logische Denken stören.
Inzwischen ist „The Imitation Game – Ein streng geheimes Leben“ vielleicht etwas überbewertet, aber in jedem Fall ist das Biopic ein guter und ein sehenswerter Film mit klugen Dialogen und grandiosen Schauspielern.

The Imitation Game - Plakat

The Imitation Game – Ein streng geheimes Leben (The Imitation Game, USA/Großbritannien 2014)
Regie: Morten Tyldum
Drehbuch: Graham Moore
LV: Andrew Hodges: Alan Turing: The Enigma, 1983 (Alan Turing – Enigma)
mit Benedict Cumberbatch, Keira Knightley, Matthew Goode, Mark Strong, Rory Kinnear, Charles Dance, Allen Leech, Matthew Beard, Alex Lawther
Länge: 114 Minuten
FSK: ab 12 Jahre

Hinweise
Englische Homepage zum Film
Deutsche Homepage zum Film
Film-Zeit über „The Imitation Game“
Moviepilot über „The Imitation Game“
Metacritic über „The Imitation Game“
Rotten Tomatoes über „The Imitation Game“
Wikipedia über „The Imitation Game“ (deutsch, englisch)
History vs. Hollywood über „The Imitation Game“
Drehbuch „The Imitation Game“ von Graham Moore
Meine Besprechung von Morten Tyldums „Headhunters“ (Hodejegerne, Norwegen/Deutschland 2011)

Neulich beim TIFF


TV-Tipp für den 26. Dezember: Sherlock: Ein Skandal in Belgravia

Dezember 26, 2014

Eins Festival, 20.15

Sherlock: Ein Skandal in Belgravia (GB 2011, Regie: Paul McGuigan)

Drehbuch: Steven Moffat

Erfinder: Mark Gattiss, Steven Moffat

LV: Charakter und die Geschichten von Sir Arthur Conan Doyle

Sherlock Holmes soll wichtige Informationen von Irene Adlers (die einzige Frau, die Holmes jemals liebte) Smartphone sicher stellen.

Furioser Auftakt der zweiten, wieder aus drei spielfilmlangen Episoden bestehenden Staffel von „Sherlock“, in der Sherlock Holmes (Benedict Cumberbatch, Grandios!) und Dr. John Watson (Martin Freeman, Grandios!) in der Gegenwart ermitteln. Dieses Mal haben die beiden Serienerfinder Mark Gattiss und Moffat für ihre Geschichten sogar originale Holmes-Geschichten als Vorlage genommen. Jedenfalls teilweise.

Im Anschluss laufen „Die Hunde von Baskerville“ (um 21.45 Uhr) und „Der Reichenbachfall“ (um 23.15 Uhr); also die gesamte zweite „Sherlock“-Staffel.

mit Benedict Cumberbatch, Martin Freeman, Una Stubbs, Rupert Graves, Mark Gattiss, Lara Pulver

Hinweise

The Science of Deduction (Homepage von Sherlock Holmes)

John Watson’s Blog

Molly Hooper’s Diary

BBC über „Sherlock“

BBC Germany über „Sherlock“

ARD über „Sherlock“

Hartswood Film über „Sherlock“

YouTube-Kanal „Sherlock“

Wikipedia über „Sherlock“ (deutsch, englisch)

Homepage von Sir Arthur Conan Doyle (Erben)

Krimi-Couch über Sir Arthur Conan Doyle

Kirjasto über Sir Arthur Conan Doyle

Wikipedia über Sir Arthur Conan Doyle (deutsch, englisch)

Sherlockian.net (Einstiegsseite mit vielen Links)

Facebook-Seite der deutschen Sherlock-Holmes-Gesellschaft

Thrilling Detective über Sherlock Holmes

Meine Besprechung von Arthur Conan Doyles “Sherlock Holmes Geschichten”, “Sherlock Holmes Kriminalgeschichten” und “The Adventures of Sherlock Holmes” (und hier eine Auflistung der in diesen Werken enthaltenen Geschichten)

Meine Besprechung von Anthony Horowitzs „Das Geheimnis des weißen Bandes“ (The House of Silk, 2011)

Meine Besprechung von Ian Edginton (Autor)/Davide Fabbris (Zeichner): Victorian Undead: Sherlock Holmes vs. Zombies! (Victorian Undead: Sherlock Holmes vs. Zombies, 2010)

Meine Besprechung von Ian Edginton (Autor)/Horacio Domingues/Davide Fabbris (Zeichner) „Victorian Undead: Sherlock Holmes vs. Dracula“ (Victorian Undead: Sherlock Holmes vs. Jekyll/Hyde; Victorian Undead: Sherlock Holmes vs. Dracula, 2010/2011)

Meine Besprechung von „Sherlock: Ein Fall von Pink“ (A Study in Pink, GB 2010)

Meine Besprechung von „Sherlock: Eine Legende kehrt zurück – Staffel 1“ (Sherlock, GB 2010)

Meine Besprechung von “Sherlock: Eine Legende kehrt zurück -Staffel 2″ (GB 2012)

Meine Besprechung von “Sherlock: Ein Skandal in Belgravia” (A Scandal in Belgravia, GB 2012)

Meine Besprechung von Guy Ritchies „Sherlock Holmes: Spiel im Schatten“ (Sherlock Holmes: A Game of Shadows, USA 2011)

Sherlock Holmes in der Kriminalakte


TV-Tipp für den 16. September: Dame, König, As, Spion

September 16, 2014

Pro7 Maxx, 20.15

Dame, König, As, Spion (Tinker, Tailor, Soldier, Spy, Großbritannien/Frankreich/Deutschland 2011)

Regie: Tomas Alfredson

Drehbuch: Bridget O’Connor, Peter Straughan

LV: John le Carré: Tinker, Tailer, Soldier, Spy, 1974 (Dame, König, As, Spion)

Wer ist der Maulwurf im britischen Geheimdienst? George Smiley sucht den für die Sowjetunion arbeitenden Verräter.

Grandiose Verfilmung des verschachelten Agententhrillers von John le Carré.

Und dann läuft die TV-Premiere auch noch zu einer normalen Uhrzeit, während das ZDF um 00.50 Uhr das ebenfalls grandiose Südstaatendrama „The Help“ arg lieblos versendet. Immerhin ist „The Help“ produziert von Disney, starbesetzt, Oscar-prämiert, mehrfach ausgezeichnet und war ein überraschender Kassenhit in den USA.

mit Gary Oldman, Colin Firth, Tom Hardy, John Hurt, Toby Jones, Mark Strong, Benedict Cumberbatch, Ciarán Hinds, David Dencik, Simon McBurney, Kathy Burke, Stephen Graham, Svetlana Khodchenkova, John le Carré (Komparse bei der MI6-Silvesterfeier; also genau aufpassen)

Hinweise

Englische Homepage zum Film

Deutsche Homepage zum Film

Wikipedia über die Verfilmung „Dame, König, As, Spion“ (deutsch, englisch)

Film-Zeit über „Dame, König, As, Spion“

Rotten Tomatoes über „Dame, König, As, Spion“

Homepage von John le Carré

Meine Besprechung von John le Carrés „Geheime Melodie“ (The Mission Song, 2006)

Meine Besprechung von John le Carrés “Marionetten (A most wanted man, 2008)

Meine Besprechung von John le Carrés “Verräter wie wir” (Our kind of traitor, 2010)

Meine Besprechung von John le Carrés “Empfindliche Wahrheit” (A delicate truth, 2013)

Meine Besprechung der John-le-Carré-Verfilmung “Bube, Dame, König, Spion” (Tinker, Tailor, Soldier, Spy, Großbritannien/Frankreich/Deutschland 2011)

Meine Besprechung der John-le-Carré-Verfilmung „A most wanted man“ (A most wanted man, Deutschland/Großbritannien 2014)

John le Carré in der Kriminalakte


TV-Tipp für den 29. Mai: Sherlock: Der leere Sarg

Mai 29, 2014

ARD, 21.45
Sherlock: Der leere Sarg (Großbritannien 2014, Regie: Jeremy Lovering)
Drehbuch: Mark Gatiss
Erfinder: Mark Gatiss, Steven Moffat
LV: die Sherlock-Holmes-Geschichten von Sir Arthur Conan Doyle
Sherlock Holmes und Dr. John Watson sollen einen Anschlag auf das britische Parlament verhindern.
Das Warten hat ein Ende: nachdem die zweite „Sherlock“-Staffel mit „Der Reichenbachfall“ und dem Tod von Sherlock Holmes endete, kehrt der Detektiv jetzt zurück. Allerdings erfahren wir auch jetzt nicht, wie er seinen Tod inszenierte. Dafür gibt es etliche, mehr oder weniger abstruse, Theorien.
Und das ist ein Problem der dritten „Sherlock“-Staffel: während in den beiden vorherigen Staffeln die Fälle gut konstruiert und spannend waren, liefern die Macher hier nur vernachlässigbare Fälle (Kann einer zehn Minuten nach dem Abspann den Fall erklären?) und durchaus rasante und witzige, aber auch erschreckend selbstgenügsame Unterhaltung.
Da sollte es in der schon angekündigten vierten Staffel wieder ein back to basics geben.
Die nächsten beiden Filme der dritten „Sherlock“-Staffel folgen an Pfingsten. Am Pfingstsonntag, den 8. Juni, läuft um 21.45 Uhr „Im Zeichen der Drei“. Am Pfingstmontag, den 9. Juni, läuft um 21.45 Uhr „Sein letzter Schwur“.
mit Benedict Cumberbatch, Martin Freeman, Una Stubbs, Rupert Graves, Mark Gatiss, Amanda Abbington, Andrew Scott

Hinweise

The Science of Deduction (Homepage von Sherlock Holmes)

John Watson’s Blog

Molly Hooper’s Diary

BBC über „Sherlock“

BBC Germany über „Sherlock“

ARD über „Sherlock“

Hartswood Film über „Sherlock“

YouTube-Kanal „Sherlock“

Wikipedia über „Sherlock“ (deutsch, englisch)

Homepage von Sir Arthur Conan Doyle (Erben)

Krimi-Couch über Sir Arthur Conan Doyle

Kirjasto über Sir Arthur Conan Doyle

Wikipedia über Sir Arthur Conan Doyle (deutsch, englisch)

Sherlockian.net (Einstiegsseite mit vielen Links)

Facebook-Seite der deutschen Sherlock-Holmes-Gesellschaft

Thrilling Detective über Sherlock Holmes

Meine Besprechung von Arthur Conan Doyles “Sherlock Holmes Geschichten”, “Sherlock Holmes Kriminalgeschichten” und “The Adventures of Sherlock Holmes” (und hier eine Auflistung der in diesen Werken enthaltenen Geschichten)

Meine Besprechung von Anthony Horowitzs „Das Geheimnis des weißen Bandes“ (The House of Silk, 2011)

Meine Besprechung von Ian Edginton (Autor)/Davide Fabbris (Zeichner): Victorian Undead: Sherlock Holmes vs. Zombies! (Victorian Undead: Sherlock Holmes vs. Zombies, 2010)

Meine Besprechung von Ian Edginton (Autor)/Horacio Domingues/Davide Fabbris (Zeichner) „Victorian Undead: Sherlock Holmes vs. Dracula“ (Victorian Undead: Sherlock Holmes vs. Jekyll/Hyde; Victorian Undead: Sherlock Holmes vs. Dracula, 2010/2011)

Meine Besprechung von „Sherlock: Ein Fall von Pink“ (A Study in Pink, GB 2010)

Meine Besprechung von „Sherlock: Eine Legende kehrt zurück – Staffel 1“ (Sherlock, GB 2010)

Meine Besprechung von “Sherlock: Eine Legende kehrt zurück -Staffel 2″ (GB 2012)

Meine Besprechung von “Sherlock: Ein Skandal in Belgravia” (A Scandal in Belgravia, GB 2012)

Meine Besprechung von Guy Ritchies „Sherlock Holmes: Spiel im Schatten“ (Sherlock Holmes: A Game of Shadows, USA 2011)

Sherlock Holmes in der Kriminalakte


Neu im Kino/Filmkritik: Steve McQueens dritter Streich: „12 Years a Slave“

Januar 16, 2014

 

Aktueller Stand: fast hundert gewonnene Filmpreise, unter anderem den Golden Globe als bester Film des Jahres, 142 Nominierungen und es dürften bis zur Oscar-Nacht noch einige Preise hinzukommen. Dieser beeindruckende Preisregen, der auch mit der Inflation von Filmpreisen in den vergangenen Jahren zusammenhängt, sagt vor allem eines: „12 Years a Slave“ ist ein guter Film; was niemand, der Steve McQueens beiden vorherigen Filme „Hunger“ und „Shame“ gesehen hat, bezweifelt. Es ist auch sein zugänglichster Film, der am nächsten an den bekannten Hollywood-Erzählkonventionen ist.

McQueen erzählt nach einem Drehbuch von John Ridley („U-Turn“, „Three Kings“, mehrere Romane, vor allem in Richtung Noir) die wahre Geschichte von Solomon Northup, der 1841 gesellschaftlich anerkannt und glücklich verheiratet mit zwei Kindern in Saratoga, New York, lebt. Als er einen gut bezahlten Job als Geiger in Washington, DC, annimmt, beginnt seine Leidensgeschichte. Denn er wird betäubt, gefangen genommen und in die Südstaaten nach Louisiana verschifft. Jetzt ist er ein Sklave, dem niemand glaubt, dass er in New York ein freier Mann war.

In den kommenden zwölf Jahren arbeitet er auf verschiedenen Plantagen unter Besitzern, die ihn verschieden schlecht behandeln, ihm aber immer seiner Würde berauben, ihn nicht als Menschen, sondern als Sache, über die sie nach Belieben verfügen können, betrachten.

John Ridley sagt dazu: „Wenn man heute über die Sklaverei spricht, geht man landläufig davon aus, dass Schwarze in den Baumwollfeldern unter besseren oder unter schlechteren Bedingungen schufteten. Fertig! Aber das ganze System war viel komplexer. Es zielte auf eine totale Entmenschlichung ab. Den Weißen gegenüber wurde behauptet, dass Schwarze dazu geboren waren, Sklaven zu sein. Sie wurden als minderwertige Rasse dargestellt, der von Geburt an überhaupt keine Rechte zustanden. Davon wollten Steve und ich erzählen – und gleichzeitig zeigen, welches Unrecht Solomon zugefügt wurde.“

Auf den Plantagen kann McQueen, der „12 Years a Slave“ strikt chronologisch und aus der Perspektive von Northup erzählt, eine kleine Starparade abfeiern. Denn die Sklavenhalter werden von Benedict Cumberbatch und Michael Fassbender gespielt. Paul Dano spielt einen gemeinen Vorarbeiter und Brad Pitt einen aus Kanada kommenden Zimmermann.

Getragen wird der Film allerdings von Chiwetel Ejiofor, für den die Rolle der Durchbruch sein könnte. Denn als Solomon Northup ist er von der ersten bis zur letzten Minute das Zentrum der Geschichte.

Im Gegensatz zu „Django Unchained“ oder „Lincoln“, die sich zuletzt mit der Sklaverei beschäftigten, ist Steve McQueens Film kein poppiger Rache-Western mit Hang zum plakativen Spaghetti-Western-Humor oder ein wortlastig-gediegenes Hinterzimmer- und Parlamentskammerspiel, sondern die nüchtern erzählte Geschichte eines Mannes, der vom freien Mann zum Sklaven wird und der sich nur durch eine glückliche Begegnung aus seinem Martyrium befreien kann. Dabei zeigt McQueen, der schon in „Hunger“ und „Shame“ kompromisslos seine künstlerische Vision verfolgte und auch dort nie vor unangenehmen Bildern zurückschreckte, die er aber, ohne das Leiden seiner Protagonisten kunstgewerblich zu ästhetisieren, wie wunderschöne Visionen des Leidens inszenierte und die deshalb durchaus in einer Ausstellung einen adäquaten Platz finden könnten. In beiden Filmen verlangte er dabei seinem Hauptdarsteller Michael Fassbender auch körperlich einiges ab. In seinem neuen Film, der das System Sklaverei nüchtern analysiert, nimmt Hauptdarsteller Chiwetel Ejiofor diesen Platz ein. Besonders unangenehm sind dabei die Auspeitschungen, die, teils in paradiesischer Landschaft, in langen, ungeschnittenen Szenen als Marter gezeigt werden. Oder als Northup, mit einem Strick um seinen Hals, eine Ewigkeit auf seinen Zehen tänzeln muss, bis darüber entschieden ist, ob er gehängt wird oder nicht. Im Hintergrund geht dabei das normale Plantagenleben weiter.

12 Years a Slave - Plakat - 4

12 Years a Slave (12 Years a Slave, USA 2013)

Regie: Steve McQueen

Drehbuch: John Ridley

LV: Solomon Northup: Twelve Years a Slave, 1853

mit Chiwetel Ejiofor, Michael Fassbender, Lupita Nyong’o, Benedict Cumberbatch, Brad Pitt, Paul Dano, Paul Giamatti, Sarah Paulson, Alfre Woodard

Länge: 135 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Amerikanische Homepage zum Film (dito)

Deutsche Homepage zum Film

Film-Zeit über „12 Years a Slave“

Moviepilot über „12 Years a Slave“

Metacritic über „12 Years a Slave“

Rotten Tomatoes über „12 Years a Slave“

Wikipedia über „12 Years a Slave“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Steve McQueens „Shame“ (Shame, Großbritannien 2011)

Und noch einige O-Töne:

Die TIFF-Pressekonferenz

Q&A beim New York Filmfestival

DP/30 spricht mit Steve McQueen und Kameramann Sean Bobbitt


Neu im Kino/Filmkritik: Peter Jacksons „Der Hobbit – Smaugs Einöde“ erzählt die weiteren Abenteuer von Bilbo

Dezember 12, 2013

 

Die Tolkien-, „Herr der Ringe“- und „Der Hobbit“-Fans haben sicher schon ihre Kinokarte für „Der Hobbit – Smaugs Einöde“ gelöst und nichts, was ich sage, wird sie von einem Besuch abhalten.

Die überzeugten Verächter von J. R. R. Tolkien, „Herr der Ringe“, „Der Hobbit“ und allem, wo „Fantasy“ draufsteht, werden sich auch den Mittelteil von Peter Jacksons dreiteiliger „Der Hobbit“-Verfilmung nicht ansehen.

Aber wie sieht es für die Anderen aus?

Nun, „Smaugs Einöde“ erzählt die Geschichte des ersten „Der Hobbit“-Films „Eine unerwartete Reise“ weiter und in einem Jahr gibt es mit „Hin und zurück“ den wieder gut dreistündigen Abschluss von Peter Jacksons episch langer Verfilmung eines ziemlich dünnen Buches. Eigentlich hat man das Kinderbuch schneller gelesen als gesehen.

Jedenfalls sind jetzt Bilbo Beutlin, Thorin Eichenschild, ihre zwölf Zwergenfreunde und der Zauberer Gandalf auf dem Weg. Sie wollen das Zwergenreich Erebor befreien. In „Smaugs Einöde“ müssen sie durch den Düsterwald, kämpfen gegen riesige Spinnen, werden von den Waldelben gefangen genommen, können dank Bilbo und des ihn unsichtbar machenden Rings flüchten, indem sie sich in Weinfässern durch einen reißenden Fluss treiben lassen, werden vom Fährmann Bard über den See nach Seestadt gefahren und gehen in den Einsamen Berg, um dort den Arkenstein zu holen. Dabei müssen sie gegen den titelgebenden Drachen Smaug, der in dem Berg in einer riesigen, gut gefüllten Schatzkammer lebt, kämpfen.

Das ist so ungefähr die den Tolkien-Fans bekannte Geschichte des gut dreistündigen Films, der im wesentlichen eine Abfolge von Action-Setpieces ist, die einerseits atemberaubend anzusehen sind, andererseits aber auch mit der Zeit langweilen. Denn sie dehnen sich endlos. Es gibt zuerst eine, dann zwei, dann eine gefühlte Hundertschaft riesiger Spinnen, die von den kampferprobten Elben Tauriel und Legolas getötet werden. Es gibt dann noch eine und noch eine und noch eine weitere Flussmündung. Es tauchen Hundertschaften von Orks auf, die Bilbo und seine Freunde umbringen wollen und von den kampferprobten Elben Tauriel und Legolas getötet werden. Gern auch mal enthauptet, aber immer unblutig. Und im Einsamen Berg dauert der Kampf zwischen Smaug und Bilbo verdammt lang. Dann kommen die anderen Zwerge hinzu und es dauert noch länger und der halbe Berg wird zerstört, ehe der Film mit einem Cliffhanger endet, der ganz klar auf ein Publikum zielt, das den ersten Teil kennt und den dritten Teil sehen will.

Denn als Einzelwerk ist „Smaugs Einöde“ nur ein Showcase für die Tricktechniker und für die Qualität von 3D, auch wenn der 3D-Effekt in den ersten Minuten, wenn Gandalf und Thorin Eichenschild sich in einer Gaststätte unterhalten, eher an einen Scherenschnitt erinnern. Aber später entfalten die Bilder auf der großen Leinwand ihre ganze Pracht und, auch wenn sie immer an bekannte Bildwelten anknüpfen, überwältigen sie.

Auch der im ersten Teil kritisierte Eindruck, dass der mit 48 Einzelbildern pro Sekunde aufgenommene Film immer wieder wie eine billige Nachmittags-TV-Sendung wirke, ist nicht vorhanden. Die echten und die am Computer entstandenen Sets wirken atemberaubend realistisch.

Die Schauspieler sind gut. Dafür sind die Dialoge eher lausig. Halt der übliche Schwurbel, den man aus Mittelalter- und Fantasy-Filmen kennt.

Und damit kommen wir zur Eingangsfrage zurück: Lohnt sich „Smaugs Einöde“ für Menschen, die einfach nur einen guten Film sehen wollen?

Nein, denn unter dem Actionfeuerwerk geht jede Charakterentwicklung zugrunde. Wir erfahren in den Actionszenen auch eigentlich nichts über die Charaktere (denn: Action ist Handlung! Handlungen enthüllen den Charakter!), ihre Motivation und was das Ziel der Reise ist. Hier gibt es nur bunt zusammengewürfelte Reiseerlebnisse.

Auch das große Finale im dritten „Der Hobbit“-Film wird nicht vorbereitet. So bleibt unklar, warum die Orks Bilbo und seine Gefährten so hartnäckig verfolgen; warum die beiden Elben sich als unbeteiligte Gruppe so sehr in den Kampf zwischen den Zwergen und den Orks einmischen; welche Rolle Bard im dritten „Der Hobbit“-Film haben könnte. Über ihn erfahren wir nur, dass er ein Seemann und Vater ist und Ärger mit dem Bürgermeister hat. Wir wissen auch nicht wo Gandalf, der Bilbo und seine Schar am Filmanfang für eine andere, wichtige Aufgabe verließ, gefangen gehalten wird und ob und wie seine Gefangenschaft die Ereignisse im dritten Teil beeinflussen könnte.

Das sind natürlich alles Fragen, auf die die „Hobbit“-Fans die Antwort kennen, aber in einem Film sollte die Vorlage filmgerecht aufbereitet werden und natürlich sollten auch Späteinsteiger die nötigen Informationen im Film erhalten (was leidlich funktioniert) und es sollten im zweiten Akt alle nötigen Informationen für den Höhepunkt gegeben werden. Denn die Aufgabe von „Smaugs Einöde“ ist nur, „Hin und zurück“ vorzubereiten.

Der Hobbit – Smaugs Einöde“ ist ein Film für die zahlreichen „Der Hobbit“-/“Herr der Ringe“-Fans, die den ersten Film gesehen haben und den dritten Film sehen werden.

Der Hobbit - Smaugs Einöde - Plakat

Der Hobbit – Smaugs Einöde (The Hobbit: The Desolation of Smaug, USA 2013)

Regie: Peter Jackson

Drehbuch: Fran Walsh, Philippa Boyens, Peter Jackson, Guillermo del Toro

LV: J. R. R. Tolkien: The Hobbit, 1937 (Kleiner Hobbit und der große Zauberer, Der kleine Hobbit, Der Hobbit oder Hin und zurück)

mit Martin Freeman, Ian McKellen, Richard Armitage, Benedict Cumberbatch, Evangeline Lilly, Lee Pace, Luke Evans, Ken Stott, James Nesbitt, Orlando Bloom, Stephen Fry, Mikael Perbrandt

Länge: 161 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Englische Homepage zum Film

Film-Zeit über „Der Hobbit – Smaugs Einöde“

Moviepilot über „Der Hobbit – Smaugs Einöde“

Metacritic über „Der Hobbit – Smaugs Einöde“

Rotten Tomatoes über „Der Hobbit – Smaugs Einöde“

Wikipedia über „Der Hobbit – Smaugs Einöde“ (deutsch, englisch)

Homepage von J. R. R. Tolkien

Homepage der deutschen Tolkien-Gesellschaft

Freeman? Cumberbatch?


Neu im Kino/Filmkritik: Wie sieht es „Inside WikiLeaks“ aus?

Oktober 31, 2013

 

Inside WikiLeaks – Die fünfte Gewalt“, der erste Spielfilm über die Enthüllungsplattform, ist kein guter Film und dennoch ist es ein sehenswerter Film.

Die Geschichte von WikiLeaks dürfte in großen Zügen ja bekannt sein: der australische Hacker Julian Assange (grandios gespielt von Benedict Cumberbatch) gründet eine Plattform, auf der er Geheimdokumente online stellt. Daniel Domscheit-Berg (damals Daniel Berg, ebenfalls grandios von Daniel Brühl gespielt) wird sein Vertrauter. Mit ihren Enthüllungen bringen sie die Julius-Bär-Bank in die Bredouille (im Film übergibt ein von Axel Milberg gespielter Banker Domscheit-Berg bei seiner ersten Übergabe von Geheiminformationen im Januar 2008 das Material), leaken Informationen über die isländische Kaupthing Bank, veröffentlichen das „Collateral Murder“ genannte Video über einem US-Militäreinsatz, bei dem mehrere Zivilisten und zwei Reuters-Angestellte ermordet wurden, und stellen Tonnen von US-Regierungsdokumenten online. Diese vom US-Soldaten Bradley Manning beschafften Dokumente werden auch, zeitgleich zur WikiLeaks-Veröffentlichung im Juli 2010 in mehreren Zeitungen, wie „The Guardian“ und „Der Spiegel“, veröffentlicht. Die US-Regierung beginnt gegen den Störenfried vorzugehen. Die Wege von Assange und Domscheit-Berg trennen sich. Fast gleichzeitig werfen zwei Schwedinnen Assange vor, sie vergewaltigt zu haben. Assange will nicht in Schweden aussagen und sitzt seit über einem Jahr, als politischer Flüchtling, in der ecuadorianischen Botschaft in London fest.

Bill Condons Film folgt dieser Geschichte, erzählt dabei von der Freundschaft zwischen Assange und Berg, die als platonische Liebesgeschichte mit all ihren Verwerfungen und Problemen quasi im Mittelpunkt des Films steht, entwirft ein Psychogramm von Assange als charismatisches, von seiner Mission überzeugtes Arschloch und erzählt von der großen Enthüllung der US-Regierungsdokumente und damit der Beziehung zwischen Assange und dem Guardian. Die New York Times und der Spiegel, die daran auch beteiligt waren, bleiben Zaungäste – und den anonymen Whistleblowern gebührt während des gesamten Films kaum ein Halbsatz.

Das ist viel Stoff für einen Film und mit über zwei Stunden ist „Inside WikiLeaks“ auch zu lang geraten. Er franst an allen Ecken und Enden aus, weil Regisseur Bill Condon („Gods and Monsters“, „Kinsey“, „Breaking Dawn – Bis(s) zum Ende der Nacht“) und Drehbuchautor Josh Singer („The West Wing“, „Lie to me“, „Fringe“) alles erzählen wollen; jedenfalls soweit die Geschichte bis jetzt bekannt ist und das innerhalb von zwei Stunden. Man merkt daher auch immer, dass in diesem mit entsprechend heißer Nadel gestricktem Film eine ordentliche Überarbeitung des Drehbuchs, die zu einer eindeutigen erzählerischen Perspektive geführt hätte, fehlt. Ein Mangel, den „Inside WikiLeaks“ mit anderen Filmen, die unmittelbar nach den Ereignissen gedreht wurden, teilt. Denn der historische Abstand, der dazu führt, dass man Fakten von Fiktion trennen kann und dass man die Ereignisse und ihre Bewertung in Ruhe einsortieren kann, fehlt. Die Reflektion über das Ausmaß des Umbruchs fehlt noch. Die Zeit und der Wille, sich für eine Geschichte zu entscheiden fehlt und wahrscheinlich wäre „Inside WikiLeaks“ in der jetzigen Form als drei- oder vierstündiger TV-Film, in dem dann die Zeit gewesen wäre, tiefer in die Materie einzusteigen und man auch ganz anders zwischen Haupt- und Nebenplots wechseln kann, gelungener.

Dennoch und trotz seiner üppigen Laufzeit bleibt „Inside WikiLeaks“ oberflächlich und ist, soweit das bei den sich widersprechenden Statements der mehr oder weniger in die Ereignisse verwickelten realen Personen, die in herzlicher Abneigung miteinander verbunden sind und ihren Streit öffentlich austragen, eindeutig gesagt werden kann, sicher oft historisch nicht besonders akkurat. So ist, um nur ein Beispiel zu nennen, Daniel Domscheit-Bergs damalige Freundin und heutige Ehefrau in Wirklichkeit zehn Jähre älter als er; im Film ist sie deutlich jünger und sie wirkt wie eine x-beliebige, unpolitische Studentin. Julian Assange, dem wahrscheinlich nur ein vom ihm geschriebener und inszenierter Film mit ihm in der Hauptrolle gefallen könnte, hat schon mehrmals sein Missfallen über den Film geäußert und auch andere in die WikiLeaks-Geschichte involvierte Menschen zählen in liebenswerter Genauigkeit die Fehler des Films auf. Als gäbe es nur eine Wahrheit. Als sei ein Spielfilm ein Dokumentarfilm, wie Alex Gibneys kürzlich im Kino gelaufene und demnächst auf DVD erscheinende sehr gelungene Dokumentation „We steal Secrets: Die WikiLeaks-Geschichte“ (We steal Secrets: The Story of WikiLeaks, USA 2013), die auch dem Whistleblower Bradley Manning, der WikiLeaks die zahlreichen US-Dokumente gab, seinen gebührenden Platz gibt. In „Inside WikiLeaks“ wird er nur in einem Halbsatz erwähnt und die Vergewaltigungsvorwürfe, die in Gibneys Doku ausführlich geschildert werden, werden in „Inside WikiLeaks“ mit einer Texttafel abgehandelt, weil er letztendlich die gemeinsame Zeit von Julian Assange und Daniel Domscheit-Berg von Dezember 2007 bis zu ihrer Trennung im Spätsommer 2010 schildert.

Nachdem Condon zunächst die üblichen Bildern von jungen Männern, die enthemmt die Tastatur malträtieren und Buchstaben und Zahlen über den Bildschirm flackern, zeigt, gelingen ihm später zahlreiche sehr gelungene Visualisierungen des Cyberspace. Das erste Privatgespräch von Assange und Domscheit-Berg, nachdem sie sich Ende Dezember 2007 in Berlin auf dem Chaos Commmunications Congress (24C3) kennen lernen, ist so grotesk, dass es wahrscheinlich wahr ist: Assange und Domscheit-Berg ziehen sich im nicht mehr existierendem alternativen Künstlerhaus „Tacheles“ in ein Nebenzimmer, in dem sie allein sind, zurück, um sich, an einem Tisch sitzend, via Computer zu unterhalten. Treffender wurde das Lebensgefühl dieser Computernerds wahrscheinlich noch nie gezeigt. Später springt Condon in den Cyberspace und findet für komplexe Vorgänge grandios einfache und eindrückliche Bilder. Zum Beispiel wenn Domscheit-Berg erkennt, dass hinter den vielen WikiLeaks-Mitarbeitern, mit denen er in den vergangenen Monaten eifrig elektronisch kommunizierte und von denen er nur die Namen kannte, immer Assange steckte. Dann erscheint hinter jedem Schreibtisch und hinter jedem Namen, die in einem anonymen, raum- und fensterlosem Großraumbüro stehen, das Gesicht von Assange.

Trotz aller Fehler, die „Inside WikiLeaks“ hat, gelingt es dem Film, vor allem im letzten Drittel, wenn es um die Veröffentlichung von Dokumenten im Guardian und auf WikiLeaks geht, zum Nachdenken über den Wert und die Gefahren von Transparenz anzuregen. Er erzählt auch von den persönlichen Verwerfungen, die es in Projekten immer wieder gibt und wie ein Charismatiker Menschen begeistern kann.

Damit bietet der sich an ein breites Publikum richtende Film, der definitiv kein Anti-WikiLeaks-Film ist, genug Stoff für eine ordentliche Diskussion nach dem Filmende – und das ist dann wieder mehr, als andere Filme liefern.

Inside Wikileaks - Plakat

Inside WikiLeaks – Die fünfte Gewalt (The Fifth Estate, USA 2013)

Regie: Bill Condon

Drehbuch: Josh Singer

LV: Daniel Domscheit-Berg (mit Tina Klopp): Inside WikiLeaks: Meine Zeit bei der gefährlichsten Webseite der Welt, 2011; David Leigh/Luke Harding: WikiLeaks: Inside Julian Assange’s War on Secrecy, 2011 (WikiLeaks: Julian Assanges Krieg gegen Geheimhaltung)

mit Benedict Cumberbatch, Daniel Brühl, Anthony Mackie, Laura Linney, Stanley Tucci, David Thewlis, Peter Capaldi, Alan Rusbridger, Alicia Vikander, Carice van Houten, Moritz Bleibtreu, Axel Milberg, Ludger Pistor, Lisa Kreuzer, Edgar Selge, Alexander Siddig (viele bekannte Namen, aber viele haben nur kurze Auftritte)

Länge: 128 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Englische Homepage zum Film

Deutsche Homepage zum Film

Film-Zeit über „Inside WikiLeaks“

Moviepilot über „Inside WikiLeaks“

Metacritic über „Inside WikiLeaks“

Rotten Tomatoes über „Inside WikiLeaks“

Wikipedia über „Inside WikiLeaks“ (deutsch, englisch), WikiLeaks (deutsch, englisch) und Julian Assange (deutsch, englisch

Homepage von Wikileaks

Meine Besprechung von Alex Gibneys „We steal Secrets: Die WikiLeaks-Geschichte“ (We steal Secrets: The Story of WikiLeaks, USA 2013)

 

 


Erster Trailer für „Inside Wikileaks – Die fünfte Gewalt“ veröffentlicht

Juli 18, 2013

Alex Gibneys sehenswerter Wikileaks-Film „We steal Secrets“ läuft noch in den Kinos, da kündigt sich schon der erste Spielfilm über Wikileaks und die Geschichte von Julian Assange (Benedict Cumberbatch) und Daniel Domscheit-Berg (Daniel Brühl) an. Regie führte Bill Condon, das Drehbuch ist von Josh Singer.

Der Kinostart von „Inside Wikileaks – Die fünfte Gewalt“ ist am 31. Oktober. Der Trailer ist vor allem dunkel:


Neu im Kino/Filmkritik: „Star Trek into Darkness“ bei der Terroristenjagd

Mai 8, 2013

 

Ich habe mich wirklich auf „Star Trek into Darkness“ gefreut (Nicht gut.). Immerhin war der vorherige „Star Trek“-Film von J. J. Abrams und den Drehbuchautoren Roberto Orci und Alex Kurtzman eine rundum überzeugende und gelungene Neuinterpretation der Geschichte des Raumschiffes Enterprise und seiner Besatzung in einer alternativen Zeitlinie, aber mit einer ordentlichen Portion Sense of Wonder. Es war – ich gebe es zu – der erste „Star Trek“-Film, den ich mir im Kino ansah, und auch der „Roman zum Film“ von Alan Dean Foster gefiel mir.

Entsprechend hoch waren meine Erwartungen für die Fortsetzung (Nicht gut.). Immerhin stand das gleiche kreative Team hinter der Kamera, die Schauspieler übernahmen wieder die gleichen Rollen und natürlich würde die Geschichte von Captain Kirk und seinem Raumschiff Enterprise weiter erzählt werden.

Ich lümmelte mich also in meinen Kinosessel, setzte die 3D-Brille (für mich „die Brille auf der Brille“) auf und bevor ich mit der Besprechung beginne gibt es noch eine Vorbemerkung, über zwei Dinge, die nicht unbedingt etwas mit dem Film zu tun haben, aber mich bis zum Abspann störten:

Der 3D-Effekt war dieses Mal wieder nur störend, nervig und schlecht gemacht und die Bilder waren für meinen Geschmack immer einen Tick zu dunkel.

Der Film selbst beginnt fetzig und, wie wir es aus unzähligen TV-Episoden kennen, mitten in der Action: auf dem Planeten Nibiru werden Kirk und seine Männer aus nie geklärten Gründen von den aufgebrachten Einwohnern verfolgt. Spock springt in einen Vulkan, der kurz vor einer planetenvernichtenden Explosion steht, und platziert dort eine Bombe, die diese Explosion stoppen soll. Weil er dabei auch sterben wird, verstößt Kirk gegen die Regeln der Sternenflotte, lässt die Steinzeitmenschen das Raumschiff Enterprise sehen und rettet Spock, den Planeten und dessen Bewohner.

Als Quittung für diesen Kuddelmuddel verliert Kirk die Enterprise. Aber noch bevor er so richtig Trübsal blasen kann in einer dieser schicken Yuppie-Retro-Bars, in denen zu schummeriger Beleuchtung auch in drei Jahrhunderten noch Fünfziger-Jahre-Blues läuft (ach ja: Plattenspieler gibt es auch noch.), verübt John Harrison (Benedict Cumberbatch, der nicht einmal „Sherlock Holmes“ sagt und seine Rolle als Khan in dieser Zeitlinie, die sich von der Zeitlinie der Original-“Raumschiff Enterprise“-Serie mal mehr, mal weniger unterscheidet, stoisch übersteht und so ein herrlich undurchschaubarer Schurke ist) einen Anschlag auf die Sternenflotte, der dazu führt, dass alle wichtigen Männer der Sternenflotte sich in einem schlecht gesicherten Besprechungszimmer versammeln. Harrison könnte jetzt in einem zweiten Anschlag die gesamte Kommandoebene vernichten, wenn nicht Captain Kirk die böse Absicht erkennen würde und – schon rummst es kräftig. Harrison erreicht sein Ziel nur teilweise und flüchtet nach Kronos, den verwüsteten Heimatplaneten der Klingonen, der wie ein verlassenes „Blade Runner“-Set aussieht.

James T. Kirk erhält – vollkommen entgegen den sonstigen Gewohnheiten und Regeln der Sternenflotte – den Auftrag, den Bösewicht zu töten. Voller jugendlicher Begeisterung über die Chance, den Tod von seinem väterlichen Mentor, Captain Pike, zu rächen, warpt er mit seinem Raumschiff und der schon aus dem ersten „Star Trek“-Film bekannten Besatzung in Richtung Kronos.

Und ich saß ungläubig über dieses erzählerische Chaos, im Kino. Denn der gesamte Film „Star Trek into Darkness“ fühlt sich nie wie eine „Raumschiff Enterprise“-Geschichte mit James T. Kirk, Spock, Uhura, Sulu und Scotty an. Es geht hier nicht mehr darum, neue Welten kennen zu lernen und Konflikte möglichst friedlich zu lesen. Stattdessen gibt es Action bis zum Abwinken. Es wird zerstört, geschossen, sich geprügelt und getötet, als gäbe es kein Morgen und als könne man mit Action, hastigen Schnitten und Schauplatzwechseln, garniert mit einen kleinen „Raumschiff Enterprise“-Zitaten für das Fan-Herz, von der fehlenden Geschichte ablenken.

Es gibt keinen optimistischen Blick in die Zukunft, kein Sense of Wonder, sondern nur einen chaotischen Racheplot, mit mehr Plotlöchern und Unwahrscheinlichkeiten als ein Schweizer Käse, in dem einerseits mit Warp-Antrieb und sich noch im Anfang befindender Beam-Technik riesige Entfernungen innerhalb von Sekundenbruchteilen überwunden werden können, aber andererseits dann wieder furchtbar komplizierte Manöver im All, nur in Raumanzügen, durchgeführt werden können und der Nuklear-Antrieb des Raumschiffs mit einem kräftigen Fausthieb wieder in Betrieb gesetzt werden kann. Sowieso scheinen die Maschinenräume und leeren Lagerräume der Raumschiffe größer als die Raumschiffe zu sein, aber ein richtiges, fertiges Drehbuch scheint dort niemand gefunden zu haben.

Star Trek - Into Darkness - Teaser

Star Trek into Darkness (Star Trek into Darkness, USA 2013)

Regie: J. J. Abrams

Drehbuch: Roberto Orci, Alex Kurtzman, Damon Lindelof

mit Chris Pine, Zachary Quinto, John Cho, Simon Pegg, Zoë Saldana, Karl Urban, Anton Yelchin, Benedict Cumberbatch, Alice Eve, Bruce Greenwood, Peter Weller

Länge: 132 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Amerikanische Homepage zum Film

Deutsche Homepage zum Film

Film-Zeit über „Star Trek into Darkness“

Metacritic über „Star Trek into Darkness“

Rotten Tomatoes über „Star Trek into Darkness“

Wikipedia über „Star Trek into Darkness“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Alan Dean Fosters „Star Trek“ (Star Trek, 2009)

Meine Besprechung von J. J. Abrams‘ „Super 8“ (Super 8, USA 2011)

Bonushinweis

Alan Dean Foster, der ja schon viele gute Filmromane geschrieben hat, hat den Filmroman zu „Star Trek into Darkness“ geschrieben und vielleicht gelingt es ihm ja einige der Plotlöcher in dieser Post-9/11-Terroristenhatz-Geschichte, die – immerhin erzählen Science-Fiction-Geschichten ja immer etwas über die Gegenwart – wie ein zehn Jahre altes Fundstück wirkt, zu stopfen. Jedenfalls erscheint die deutsche Übersetzung pünktlich zum Filmstart.

Foster - Star Trek into Darkness

Alan Dean Foster: Star Trek into Darkness – Roman zum Film

Cross Cult, 2013

320 Seiten

12,80 Euro

 

 


TV-Tipp für den 8. Mai: Sherlock: Der Reichenbachfall

Mai 8, 2013

 

WDR, 23.05

Sherlock: Der Reichenbachfall (GB 2012, R.: Toby Haynes)

Drehbuch: Steve Thompson

Erfinder: Mark Gatiss, Steven Moffat

Ab Donnerstag ist Benedict Cumberbatch in „Star Trek into Darkness“ der Bösewicht, heute löst er als Sherlock Holmes in der grandiosen Abschlussfolge der zweiten „Sherlock“-Staffel den Reichenbachfall, der für Sherlock-Holmes-Fans eine besondere Bedeutung hat.

Die Serienmacher haben sich aber noch einen besonderen Dreh einfallen gelassen. Denn sein Gegner Jim Moriarty entlarvt Sherlock Holmes als Scharlatan und auch die Öffentlichkeit, die Sherlock Holmes bislang bewunderte, ändert ihre Meinung.

Zum Glück ist die dritte Staffel in Arbeit.

mit Benedict Cumberbatch, Martin Freeman, Una Stubbs, Rupert Graves, Mark Gatiss, Andrew Scott

Hinweise

The Science of Deduction (Homepage von Sherlock Holmes)

John Watson’s Blog

Molly Hooper’s Diary

BBC über „Sherlock“

BBC Germany über „Sherlock“

ARD über „Sherlock“

Hartswood Film über „Sherlock“

YouTube-Kanal „Sherlock“

Wikipedia über „Sherlock“ (deutsch, englisch)

Homepage von Sir Arthur Conan Doyle (Erben)

Krimi-Couch über Sir Arthur Conan Doyle

Kirjasto über Sir Arthur Conan Doyle

Wikipedia über Sir Arthur Conan Doyle (deutsch, englisch)

Sherlockian.net (Einstiegsseite mit vielen Links)

Facebook-Seite der deutschen Sherlock-Holmes-Gesellschaft

Thrilling Detective über Sherlock Holmes

Meine Besprechung von Arthur Conan Doyles “Sherlock Holmes Geschichten”, “Sherlock Holmes Kriminalgeschichten” und “The Adventures of Sherlock Holmes” (und hier eine Auflistung der in diesen Werken enthaltenen Geschichten)

Meine Besprechung von Anthony Horowitzs „Das Geheimnis des weißen Bandes“ (The House of Silk, 2011)

Meine Besprechung von Ian Edginton (Autor)/Davide Fabbris (Zeichner): Victorian Undead: Sherlock Holmes vs. Zombies! (Victorian Undead: Sherlock Holmes vs. Zombies, 2010)

Meine Besprechung von Ian Edginton (Autor)/Horacio Domingues/Davide Fabbris (Zeichner) „Victorian Undead: Sherlock Holmes vs. Dracula“ (Victorian Undead: Sherlock Holmes vs. Jekyll/Hyde; Victorian Undead: Sherlock Holmes vs. Dracula, 2010/2011)

Meine Besprechung von „Sherlock: Ein Fall von Pink“ (A Study in Pink, GB 2010)

Meine Besprechung von „Sherlock: Eine Legende kehrt zurück – Staffel 1“ (Sherlock, GB 2010)

Meine Besprechung von „Sherlock: Eine Legende kehrt zurück -Staffel 2“ (GB 2012)

Meine Besprechung von “Sherlock: Ein Skandal in Belgravia” (A Scandal in Belgravia, GB 2012)

Meine Besprechung von Guy Ritchies „Sherlock Holmes: Spiel im Schatten“ (Sherlock Holmes: A Game of Shadows, USA 2011)

Sherlock Holmes in der Kriminalakte