TV-Tipp für den 15. Dezember: Das Leben ist eine Baustelle

Dezember 14, 2025

Nicht nur wegen

NDR, 22.45

Das Leben ist eine Baustelle (Deutschland 1996)

Regie: Wolfgang Becker

Drehbuch: Wolfgang Becker, Tom Tykwer

Einen großen Plan vom Rest seines Lebens hat niemand von Wolfgang Beckers jungen und überaus sympathischen Protagonisten. Denn das Leben ist eine Baustelle und immer passiert irgendetwas. Zum Beispiel Jans folgenreiche Begegnung mit der Demonstrantin Vera, die gerade vor zwei Zivilpolizisten wegrennt. Danach ist er seinen Job los und schwer verliebt in Vera, die er später zufällig wieder trifft

Wunderschöne Tragikomödie, der Berlin zum unperfekten Sehnsuchtsort machte (Es muss ja nicht immer Seattle, New York, London oder Paris sein.) und zum Kultfilm wurde.

Wolfgang Becker sagte danach „Good bye, Lenin!“, Tom Tykwer ließ Lola durch Berlin rennen und X Filme Creative Pool wurde schnell zu der angesagten deutschen Produktionsgesellschaft.

mit Jürgen Vogel, Christiane Paul, Ricky Tomlinson, Christiana Papamichou, Rebecca Hessing, Armin Rohde, Martina Gedeck, Meret Becker, Andrea Sawatzki

Hinweise

Filmportal über „Das Leben ist eine Baustelle“

Wikipedia über „Das Leben ist eine Baustelle“

Meine Besprechung von Wolfgang Beckers Daniel-Kehlmann-Verfilmung „Ich und Kaminski“ (Deutschland/Belgien 2015)

Meine Besprechung von Wolfgang Beckers Maxim-Leo-Verfilmung „Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße“ (Deutschland 2025)


Neu im Kino/Filmkritik: Wolfgang Beckers letzte Komödie: „Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße“

Dezember 11, 2025

Nein, besonders produktiv war der am 12. Dezember 2024 verstorbene Wolfgang Becker nicht. Aber jeder seiner wenigen Filme ist sehenswert und war ein Erfolg. „Good bye Lenin“ war 2003 sein größter Publikumserfolg. „Das Leben ist eine Baustelle“ (1997) sein Durchbruch beim Publikum. Und der „Tatort“ „Blutwurstwalzer“ (1991) mit Günther Lamprecht als Hauptkommissar Franz Markowitz und Jürgen Vogel als ‚Verbrecher‘ ist einer der legendären „Tatorte“, der mal wieder gezeigt werden könnte.

Außerdem gehört Becker, neben Tom Tykwer, Dani Levy und Stefan Arndt, zu den Gründern von „X Filme“.

Als der am 22. Juni 1954 geborne Becker mit den Dreharbeiten für die Maxim-Leo-Verfilmung „Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße“ begann, war er bereits an Krebs erkrankt. Der Film sollte sein geplantes Vermächtnis werden. Das erklärt ein wenig das große Aufgebot an Stars in kleinsten Rollen; – wobei sie vielleicht in jedem Fall mitgespielt hätten.

Wenige Tage nach dem Ende der Dreharbeiten starb Becker. Vor seinem Tod konnte er sich einen allerersten Rohschnitt ansehen. Ihm gefiel, was er sah.

Danach übernahm Achim von Borries im Geist von Wolfgang Becker den finalen Schnitt. Er war bereits in die Vorbereitung als Back-up-Regisseur involviert und stand für diese Aufgabe während des Drehs zur Verfügung.

Jüngst wurden bei „Amrum“, Hark Bohms letztem Film, der von Fatih Akin inszeniert wurde, und „Leibniz – Chronik eines verschollenen Bildes“ von Edgar Reitz und Co-Regisseur Anatol Schuster ähnliche Modelle erfolgreich praktiziert.

Doch zurück zu Beckers „Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße“.

Der titelgebende Held ist Micha Hartung (Charly Hübner). Er ist der angenehm berlinerisch verpeilte Besitzer der Videothek „The Last Tycoon“ (es gibt da einen Film) im Prenzlauer Berg. Fast dreißig Jahre nach dem Mauerfall ist das kein zukunftsträchtiges, sondern, nach dem allgemeinen Tod der Videotheken, ein fast schon hundertprozentiges Pleite-Unternehmen mit einer großen Schublade für noch zu zahlende Rechnungen und Mahnungen.

Als Alexander Landmann (Leon Ullrich) seine Videothek betritt, ändert sich sein Leben. Landmann will zum Mauerfall keine der sattsam bekannten Heldengeschichten mit den sattsam bekannten Protagonisten noch einmal erzählen. Der Journalist will für das „Fakt“-Magazin eine neue Geschichte erzählen und er hat von Michas bislang einem breiten Publikum unbekannter Heldentat gehört. Am 23. Juni 1984 stellte der stellvertretende Stellwerkmeister Micha Hartung eine Weiche um. In der morgendlichen Rush Hour verließ die S-Bahn die vorgesehene Strecke und fuhr 127 Passagiere aus der DDR nach West-Berlin.

Als Landmann die Geschichte, etwas in Richtung Hollywood-Heldengeschichte aus der ehemaligen Ostzone aufbereitet, als Titelgeschichte veröffentlicht, ändert sich Michas Leben. Denn jetzt ist er nicht mehr der erfolglos-zufriedene Schluffi aus dem Prenzlauer Berg, sondern der Held, der bislang über seine Heldentat schwieg. Ein moderner Oskar Schindler. Die Medien- und Vermarktungsmaschine springt an – und wir fragen uns, wie lange das gut gehen kann. Denn selbstverständlich ist Micha nicht der Held, den plötzlich alle in ihm sehen wollen.

Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße“ ist ein weiterer wundervoller Berlin- und auch DDR-Film, fein gefilmt von Wolfgang Becker und bis in kleinste Nebenrollen glänzend besetzt mit einem äußerst spielfreudigem Ensemble. Die Komödie ist eine warmherzige Schnurre, eine milde Medienkritik und eine Geschichte, die so nur in Berlin passieren kann.

Beckers letzter Film ist einer der schönsten Filme des Jahres (ich bin noch beim Zusammenstellen meiner Jahresbestenliste) und in jedem Fall ein würdiger Abschluss eines überaus gelungenen Gesamtwerkes.

Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße (Deutschland 2025)

Regie: Wolfgang Becker

Drehbuch: Constantin Lieb, Wolfgang Becker

LV: Maxim Leo: Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße, 2022

mit Charly Hübner, Christiane Paul, Leon Ullrich, Leonie Benesch, Thorsten Merten, Dirk Martens, Peter Kurth, Daniel Brühl, Eva Löbau, Jörn Hentschel, Lilli Fichtner, Claudia Eisinger, Leslie Malton, Bernhard Schütz, Katarina Witt, Annabelle Mandeng, Adisat Semenitzsch, Jürgen Vogel, Holger Handtke

Länge: 113 Minuten

FSK: ab 6 Jahre

Hinweise

Homepage zum Film

Filmportal über „Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße“

Moviepilot über „Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße“

Wikipedia über Wolfgang Becker

Meine Besprechung von Wolfgang Beckers Daniel-Kehlmann-Verfilmung „Ich und Kaminski“ (Deutschland/Belgien 2015)


TV-Tipp für den 30. Juli: Die Ermittlung

Juli 29, 2025

BR, 22.45

Die Ermittlung (Deutschland 2024)

Regie: RP Kahl

Drehbuch: Peter Weiss

LV: Peter Weiss: Die Ermittlung. Oratorium in 11 Gesängen, 1965 (Theaterstück)

Grandiose Verfilmung des Theaterstücks von Peter Weiss über den ersten Frankfurter Auschwitz-Prozess. Im Mittelpunkt stehen im Stück, wie in der Gerichtsverhandlung, die Aussagen der Täter und Opfer.

Der BR zeigt die 241-minütige Originalfassung mit 11 Gesängen. Es gibt auch noch eine auf 186 Minuten gekürzte Fassung und in der ARD-Mediathek können die elf Gesänge auch unabhängig voneinander angesehen werden.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Rainer Bock, Clemens Schick, Bernhard Schütz

(als Zeugen) Christian Kaiser, Dirk Ossig, Arno Frisch. Elisabeth Duda, Nicolette Krebitz, Attila Georg Borlan, Robert Mika, Marcel Hensema, Christiane Paul, Barbara Philipp, Klaudiusz Kaufmann, Marc Fischer, Andreas Anke, Dorka Gryllus, Marek Harloff, André Szymanski, Sabine Timoteo, Eva Maria Jost, Peter Lohmeyer, Thomas Meinhardt, Marco Hofschneider, Matthias Zera, Rony Herman, Axel Moustache, André Hennicke, Karl Markovics, Filipp Avdeev, Mark Zak, Ralph Schicha, Andreas Schröders, René Ifrah, Axel Sichrovsky, Peter Schneider, Jiří Mádl, Andreas Lechner, Axel Pape, Andreas Pietschmann, Tom Wlaschiha, Robert Hunger-Bühler

(als Angeklagte) Wilfried Hochholdinger, Thomas Dehler, Michael Rotschopf, Niels Bruno Schmidt, Christian Hockenbrink, Christian Pfeil, Tristan Seith, Torsten Ranft, Ronald Kukulies, Michael Schenk, Frank Röth, Nico Ehrenteit, Adam Venhaus, Till Wonka, Arndt Schwering-Sohnrey, Timo Jacobs, Lasse Myhr, Matthias Salamon

Hinweise

Homepage zum Film

Filmportal über „Die Ermittlung“

Moviepilot über „Die Ermittlung“

Wikipedia über „Die Ermittlung“ (Film, Theaterstück: deutsch, englisch)

Meine Besprechung von RP Kahls „Die Ermittlung“ (Deutschland 2024)


TV-Tipp für den 27. Januar: Die Ermittlung

Januar 26, 2025

Arte, 21.45

Die Ermittlung (Deutschland 2024)

Regie: RP Kahl

Drehbuch: Peter Weiss

LV: Peter Weiss: Die Ermittlung. Oratorium in 11 Gesängen, 1965 (Theaterstück)

TV-Premiere. Grandiose Verfilmung des Theaterstücks von Peter Weiss über den ersten Frankfurter Auschwitz-Prozess. Im Mittelpunkt stehen im Stück, wie in der Gerichtsverhandlung, die Aussagen der Täter und Opfer.

Arte zeigt die 241-minütige Originalfassung mit 11 Gesängen. Es gibt auch noch eine auf 186 Minuten gekürzte Fassung und in der ARD-Mediathek können die elf Gesänge ab dem 27. Januar auch unabhängig voneinander angesehen werden.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Rainer Bock, Clemens Schick, Bernhard Schütz

(als Zeugen) Christian Kaiser, Dirk Ossig, Arno Frisch. Elisabeth Duda, Nicolette Krebitz, Attila Georg Borlan, Robert Mika, Marcel Hensema, Christiane Paul, Barbara Philipp, Klaudiusz Kaufmann, Marc Fischer, Andreas Anke, Dorka Gryllus, Marek Harloff, André Szymanski, Sabine Timoteo, Eva Maria Jost, Peter Lohmeyer, Thomas Meinhardt, Marco Hofschneider, Matthias Zera, Rony Herman, Axel Moustache, André Hennicke, Karl Markovics, Filipp Avdeev, Mark Zak, Ralph Schicha, Andreas Schröders, René Ifrah, Axel Sichrovsky, Peter Schneider, Jiří Mádl, Andreas Lechner, Axel Pape, Andreas Pietschmann, Tom Wlaschiha, Robert Hunger-Bühler

(als Angeklagte) Wilfried Hochholdinger, Thomas Dehler, Michael Rotschopf, Niels Bruno Schmidt, Christian Hockenbrink, Christian Pfeil, Tristan Seith, Torsten Ranft, Ronald Kukulies, Michael Schenk, Frank Röth, Nico Ehrenteit, Adam Venhaus, Till Wonka, Arndt Schwering-Sohnrey, Timo Jacobs, Lasse Myhr, Matthias Salamon

Hinweise

Arte über den Film (bis zum 25. Februar 2025 in der Mediathek)

Homepage zum Film

Filmportal über „Die Ermittlung“

Moviepilot über „Die Ermittlung“

Wikipedia über „Die Ermittlung“ (Film, Theaterstück: deutsch, englisch)

Meine Besprechung von RP Kahls „Die Ermittlung“ (Deutschland 2024)


Neu im Kino/Filmkritik: „Die Ermittlung“, eine immer noch notwendige Geschichtsstunde

Juli 25, 2024

Wie konnte das geschehen? Als Peter Weiss vor fast sechzig Jahren sein Theaterstück „Die Ermittlung. Oratorium in 11 Gesängen“ aus eigenen Aufzeichnungen, Zeitungsartikeln und Protokollen montierte, war das Stück die dichte Zusammenfassung des in Frankfurt am Main vom 20. Dezember 1963 bis zum 20. August 1965 stattgefundenen, von der Öffentlichkeit aufmerksam verfolgten ersten Frankfurter Auschwitz-Prozesses. Das Stück wurde am 19. Oktober 1965 in einer Ring-Uraufführung in fünfzehn west- und ostdeutschen Städten und in London erstmals aufgeführt. Es zeigt in seiner klaren Sprache das Terrorregime in einem KZ und die erbärmlichen Verteidigungsstrategien der Täter.

Heute ist „Die Ermittlung“ eine äußerst dichte Zusammenfassung des Prozesses und des Systems Konzentrationslager. Seit Weiss sein Oratorium geschrieben hatte, füllte die Forschung weitere Lücken aus. Es gibt Erklärungen, wie ganz normale Männer und Frauen damals diese und andere schreckliche Taten vollbringen konnten. Und vieles, was früher in der deutschen Gesellschaft geleugnet wurde und hoch umstritten war – auch weil die Täter noch lebten und teils an einflussreichen Stellen arbeiteten – ist heute nicht mehr umstritten. In neueren Dokumentarfilmen wird immer davon ausgegangen, dass die Deutschen ganz genau wussten, was geschah. Auch weil das spurlose Verschwinden von Millionen Mitbürgern und ein KZ vor der eigenen Haustür nicht zu übersehen waren.

Zuletzt zeigte Jonathan Glazer in der beeindruckenden Martin-Amis-Verfilmung „The Zone of Interest“ das ganz normale Leben von der Frau eines KZ-Lagerkommandanten neben dem KZ und wie alle ignorieren, was hinter den Mauern des Lagers geschieht.

In diesem Umfeld könnte ein Film wie „Die Ermittlung“ überflüssig sein. Die Informationen, die in dem Stück präsentiert werden, sind bekannt und sie wurden in den vergangenen Jahrzehnten in Dokumentarfilmen in einer leichter zu konsumierenden Form unzählige Male präsentiert. Auch das Theaterstück ist bekannt. Auf YouTube kann man sich mühelos die von Peter Schulze-Rohr 1966 für den NDR erstellte SW-Aufzeichnung des Stücks, die vor allem eine Abfolge sprechender Köpfe ist, ansehen.

RP Kahl fügt ihr nichts wesentlich neues hinzu. Auch er verfilmt lediglich, mit anderen Schauspielern, den Text des Stückes. Auch bei ihm ist die Kamera unauffällig. Manchmal ist seine Kamera, wenn sie die Schauspieler aufnimmt, anders positioniert, manchmal nicht. Da unterscheidet sich eine sechzig Jahre alte SW-Aufzeichnung für das Fernsehen wenig von einer neuen Inszenierung für das Kino. Das karge, stilisierte Bühnenbild ist moderner, ohne von den einzelnen Aussagen der Zeugen und Angeklagten abzulenken. Kahl verzichtet, wie zuletzt Glazer in „The Zone of Interest“ und wie Claude Lanzmann in dem Dokumentarfilmklassiker „Shoah“ auf das Zeigen des Grauens. In Kahls Film gibt es, wie in einer traditionellen Theateraufführung, nur Schauspieler, die ihren Text aufsagen.

Das macht die neue Verfilmung des Theaterstück für ein heutiges Publikum absolut sehenswert.

Über den Inhalt muss wohl nichts gesagt werden. Die Aussagen der Täter und Opfer sind heute immer noch schockierend und schwer erträglich. Auch der Film ist Dank seiner reduzierten, das Wort in den Mittelpunkt stellenden Inszenierung schwer erträglich. Das ist einmal die epische Länge von vier Stunden (die Pause hilft nur bedingt), die Menge an Informationen (auch wenn politisch und historisch informierte Bürger sie heute kennen sollten), die Menge an Details über den Tötungsapparat und die Arroganz der Täter, die sich mit einer Mischung aus Nicht-Wissen(-wollen) und Befehlsketten, die beachtet werden mussten von jeder Verantwortung freisprechen.

Die Verhandlung fand vom 20. Dezember 1963 bis zum 20. August 1965, keine zwanzig Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, statt. Danach konnte kein Deutscher mehr die Existenz von Auschwitz leugnen. Heute dient die Erinnerung daran als Geschichtsstunde und als Warnung.

Im Kino läuft der Film in einer gekürzten dreistündigen und in einer vierstündigen Fassung, in der das gesamte Theaterstück mit einer Pause gezeigt wird. Diese Fassung kenne ich und diese Fassung sollte auch gesehen werden. Denn wer möchte sich schon eine gekürzte Fassung eines Theaterstücks ansehen?

P. S.: Vielleicht nehmen einige TV-Redakteure diese Aufzeichnung eines Theaterstücks zum Anlass, wieder verstärkt aktuelle Theaterstücke und Inszenierungen im Fernsehen zu präsentieren. Früher wurde das gemacht.

Die Ermittlung (Deutschland 2024)

Regie: RP Kahl

Drehbuch: Peter Weiss

LV: Peter Weiss: Die Ermittlung. Oratorium in 11 Gesängen, 1965 (Theaterstück)

mit Rainer Bock, Clemens Schick, Bernhard Schütz

(als Zeugen) Christian Kaiser, Dirk Ossig, Arno Frisch. Elisabeth Duda, Nicolette Krebitz, Attila Georg Borlan, Robert Mika, Marcel Hensema, Christiane Paul, Barbara Philipp, Klaudiusz Kaufmann, Marc Fischer, Andreas Anke, Dorka Gryllus, Marek Harloff, André Szymanski, Sabine Timoteo, Eva Maria Jost, Peter Lohmeyer, Thomas Meinhardt, Marco Hofschneider, Matthias Zera, Rony Herman, Axel Moustache, André Hennicke, Karl Markovics, Filipp Avdeev, Mark Zak, Ralph Schicha, Andreas Schröders, René Ifrah, Axel Sichrovsky, Peter Schneider, Jiří Mádl, Andreas Lechner, Axel Pape, Andreas Pietschmann, Tom Wlaschiha, Robert Hunger-Bühler

(als Angeklagte) Wilfried Hochholdinger, Thomas Dehler, Michael Rotschopf, Niels Bruno Schmidt, Christian Hockenbrink, Christian Pfeil, Tristan Seith, Torsten Ranft, Ronald Kukulies, Michael Schenk, Frank Röth, Nico Ehrenteit, Adam Venhaus, Till Wonka, Arndt Schwering-Sohnrey, Timo Jacobs, Lasse Myhr, Matthias Salamon

Länge: 241 Minuten (Originalfassung mit 11 Gesängen)

186 Minuten (gekürzte Fassung mit 8 Gesängen)

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Homepage zum Film

Filmportal über „Die Ermittlung“

Moviepilot über „Die Ermittlung“

Wikipedia über „Die Ermittlung“ (Film, Theaterstück: deutsch, englisch)

Informatives Making-of zum Film

Die in der Kritik erwähnte TV-Aufzeichnung von Peter Schulze-Rohr

 


Neu im Kino/Filmkritik: „IF: Imaginäre Freunde“ auf der Suche nach neuen und alten Freunden

Mai 17, 2024

Die zwölfjährige Bea muss in New York einige Tage bei ihrer Oma, die sie seit Ewigkeiten nicht gesehen hat, verbringen. Ihr Vater, ein immer gut gelaunter Spaßmacher, der sich seine kindliche Seite bewahrt hat, liegt dort im Krankenhaus. Der alleinerziehende Witwer wartet auf eine Operation, über die wir nichts genaues erfahren, weil seine Krankheit nicht im Zentrum der Filmgeschichte steht.

Bea wird in ihrem Kinderzimmer einquartiert. Zufällig entdeckt sie, dass in dem Apartment über ihrem Zimmer einige ungewöhnliche und seltsam aussehenden Wesen leben, die nur sie sehen kann. Diese Wesen, wie eine Schmetterlingsdame mit riesigen Augen, verschiedene Teddybären und ein riesiges, unförmiges Plüschwesen, waren früher „Imaginäre Freunde“ von Kindern. Als die Kinder älter wurden, haben sie ihre imaginären Freunde vergessen. Einige IFs leben zusammen mit Cal. Viele weitere IFs leben in einem Altersheim für IFs, das sie lieber gestern als heute verlassen würden. Für diese IFs sucht Cal Kinder, die sie als IFs akzeptieren. Das ist leichter gedacht als verwirklicht. Eine Freundschaft kann nämlich nur entstehen, wenn das Kind ein IF erkennt. Und Kinder können da sehr wählerisch sein.

Bea, die in New York keine Freunde hat, will Cal und den IFs helfen. Als die Suche nach neuen Freunden für die IFs erfolglos verläuft, schlägt sie vor, anstatt neue Freunde zu suchen, einfach wieder die alten Freunde zu besuchen und sie zu fragen, ob sie ihre Freundschaft zu ihrem imaginärem Freund erneuern wollen. Auch das ist leichter gesagt als getan.

Das Konzept eines Imaginären Freundes ist ohne große Erklärungen verständlich und ein Imaginärer Freund kann einem Kind bei seiner Entwicklung helfen. Es scheint sich dabei um eine Idee zu handeln, die in den USA verbreiteter als in Deutschland ist. Jedenfalls zuckten die Eltern, mit denen ich mich in den vergangenen Tagen und Wochen darüber unterhielt, hilflos mit den Schultern. Sie oder ihre Kinder hatten fast alle keine imaginären Freunde. Ob solche imaginären Freunde jetzt etwas gutes oder etwas schlechtes sind, mögen andere beurteilen.

Im Film „IF: Imaginäre Freunde“ sind sie jedenfalls gute, nette, wohlwollende, manchmal tapsige Gesellen und eine Verbindung zur Fantasie der Kindheit. Geschrieben und inszeniert wurde der Film von John Krasinski, der zuletzt Horror- und Science-Fiction-Fans mit seinen beiden „A Quiet Place“-Filmen begeisterte. Jetzt drehte er einen Film, der wohl eine Fantasy-Komödie für Kinder mit Disney-Touch sein soll und bei dem die Schauspieler mit animierten Figuren interagieren. Früher, beispielsweise in „Elliot, das Schmunzelmonster“ oder in „Falsches Spiel mit Roger Rabbit“, agierten Schauspieler mit Zeichentrickfiguren. Heute agieren sie mit CGI-Figuren, die in diesem Fall auf den ersten Blick als Trickfiguren erkennbar sind. Das ist durchaus gut gemacht.

Aber ein Film besteht nicht nur aus bunten Bildern. Und schon sind wir bei den Problemen von „IF: Imaginäre Freunde“. Für eine Komödie gibt es zu wenig zu lachen. Auch schmunzeln fällt schwer. Es herrscht immer ein forcierter Humor. Er missachtet die Regeln die er aufstellt, nach Belieben. So sollen nur Bea, Cal und der Freund des IFs einen IF sehen können. So sind IFs imaginäre Wesen. Trotzdem gibt es immer wieder Szenen, die gegen diese Regeln verstoßen. Die Story ist während des Sehens nicht erkennbar. Es ist einfach unklar, worum es geht und warum es wichtig ist, ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Es ist auch unklar, warum es wichtig ist einen IF zu haben; oder anders gesagt: was tut ein IF für seinen Freund? Die Schlußpointe erklärt dann einiges. Gleichzeitig hat sie ihre eigenen Probleme. Das erkennbare Thema des Films, der Verlust der Kindheit und die Aufforderung sich diese Kindheit zurückzuholen, richtet sich dann nicht an Kinder (die haben ihre IFs ja noch), sondern an Erwachsene; also an die Erwachsenen, die einen IF hatten und jetzt die Gefühle und Freundschaften ihrer Kindheit verdrängt haben.

IF: Imaginäre Freunde“ ist ein Möchtegern-Disney-Film, dem die Magie und der Charme eines guten Disney-Films fehlt.

IF: Imaginäre Freunde (IF, USA 2024)

Regie: John Krasinski

Drehbuch: John Krasinski

mit Cailey Fleming, Ryan Reynolds, John Krasinski, Fiona Shaw, Liza Colón-Zayas, Alan Kim

(im Original den Stimmen von) Steve Carell, Phoebe Waller-Bridge, Louis Gossett Jr., Emily Blunt, Matt Damon, Maya Rudolph, Jon Stewart, Sam Rockwell, Sebastian Maniscalco, John Krasinski, Christopher Meloni, Richard Jenkins, Awkwafina, George Clooney, Keegan-Michael Key, Matthew Rhys, Bradley Cooper, Blake Lively, Amy Schumer, Brad Pitt

(in der deutschen Fassung den Stimmen von) Rick Kavanian, Christiane Paul, Lina Larissa Strahl, herrH

Länge: 104 Minuten

FSK: ab 0 Jahre

Hinweise

Moviepilot über „IF: Imaginäre Freunde“

Metacritic über „IF: Imaginäre Freunde“

Rotten Tomatoes über „IF: Imaginäre Freunde“

Wikipedia über „IF: Imaginäre Freunde“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von John Krasinskis „A quiet Place“ (A quiet Place, USA 2018)

Meine Besprechung von John Krasinskis „A quiet Place 2“ (A Quiet Place: Part II, USA 2021)


TV-Tipp für den 11. Dezember: Das Leben ist eine Baustelle

Dezember 10, 2023

One, 20.15

Das Leben ist eine Baustelle (Deutschland 1996)

Regie: Wolfgang Becker

Drehbuch: Wolfgang Becker, Tom Tykwer

Einen großen Plan vom Rest seines Lebens hat niemand von Wolfgang Beckers jungen und überaus sympathischen Protagonisten. Denn das Leben ist eine Baustelle und immer passiert irgendetwas. Zum Beispiel Jans folgenreiche Begegnung mit der Demonstrantin Vera, die gerade vor zwei Zivilpolizisten wegrennt. Danach ist er seinen Job los und schwer verliebt in Vera, die er später zufällig wieder trifft

Wunderschöne Tragikomödie, der Berlin zum unperfekten Sehnsuchtsort machte (Es muss ja nicht immer Seattle, New York, London oder Paris sein.) und zum Kultfilm wurde.

Wolfgang Becker sagte danach „Good bye, Lenin!“, Tom Tykwer ließ Lola durch Berlin rennen und X Filme Creative Pool wurde schnell zu der angesagten deutschen Produktionsgesellschaft.

mit Jürgen Vogel, Christiane Paul, Ricky Tomlinson, Christiana Papamichou, Rebecca Hessing, Armin Rohde, Martina Gedeck, Meret Becker, Andrea Sawatzki

Wiederholung: Freitag, 15. Dezember, 23.00 Uhr

Hinweise

Filmportal über „Das Leben ist eine Baustelle“

Wikipedia über „Das Leben ist eine Baustelle“

Meine Besprechung von Wolfgang Beckers Daniel-Kehlmann-Verfilmung „Ich und Kaminski“ (Deutschland/Belgien 2015)


TV-Tipp für den 16. Januar: Das Leben ist eine Baustelle

Januar 15, 2023

https://www.youtube.com/watch?v=taakMexI9Yk

One, 20.15

Das Leben ist eine Baustelle (Deutschland 1996)

Regie: Wolfgang Becker

Drehbuch: Wolfgang Becker, Tom Tykwer

Einen großen Plan vom Rest seines Lebens hat niemand von Wolfgang Beckers jungen und überaus sympathischen Protagonisten. Denn das Leben ist eine Baustelle und immer passiert irgendetwas. Zum Beispiel Jans folgenreiche Begegnung mit der Demonstrantin Vera, die gerade vor zwei Zivilpolizisten wegrennt. Danach ist er seinen Job los und schwer verliebt in Vera, die er später zufällig wieder trifft

Wunderschöne Tragikomödie, der Berlin zum unperfekten Sehnsuchtsort machte (Es muss ja nicht immer Seattle, New York, London oder Paris sein.), zum Kultfilm wurde und zuletzt 2014 im Fernsehen lief.

Wolfgang Becker sagte danach „Good bye, Lenin!“ (Uh, wann lief der zuletzt?), Tom Tykwer ließ Lola durch Berlin rennen und X Filme Creative Pool wurde schnell zu der angesagten deutschen Produktionsgesellschaft.

mit Jürgen Vogel, Christiane Paul, Ricky Tomlinson, Christiana Papamichou, Rebecca Hessing, Armin Rohde, Martina Gedeck, Meret Becker, Andrea Sawatzki

Wiederholung: Donnerstag, 19. Januar, 22.50 Uhr

Hinweise

Filmportal über „Das Leben ist eine Baustelle“

Wikipedia über „Das Leben ist eine Baustelle“

Meine Besprechung von Wolfgang Beckers Daniel-Kehlmann-Verfilmung „Ich und Kaminski“ (Deutschland/Belgien 2015)


TV-Tipp für den 24. Juli: Die Welt der Wunderlichs

Juli 23, 2021

BR, 23.30

Die Welt der Wunderlichs (Deutschland/Schweiz 2016)

Regie: Dani Levy

Drehbuch: Dani Levy

Allein unter Irren – das ist für Mimi der gelebte Normalzustand. Sie ist die einzige Normale in der Familie Wunderlich. Als sie bei einem Casting mitmachen will, möchte sie das ohne die Hilfe ihrer Familie tun…

Herrlich unaufgeräumte, gewollt dysfunktionale Komödie, die gerade deshalb gefällt. Auch wenn das Ende schwach ist.

Mehr in meiner ausführlichen Kritik.

mit Katharina Schüttler, Ewi Rodriguez, Peter Simonischek, Christiane Paul, Martin Feifel, Steffen Groth, Hannelore Elsner, Arabella Kiesbauer, Thomas Anders, Sabrina Setlur, Friedrich Liechtenstein

Hinweise

Filmportal über „Die Welt der Wunderlichs“

Moviepilot über „Die Welt der Wunderlichs“

Wikipedia über Dani Levy

Meine Besprechung von Dani Levys „Die Welt der Wunderlichs“ (Deutschland/Schweiz 2016)

Meine Besprechung von Dani Leys Marc-Uwe-Kling-Verfilmung „Die Känguru-Chroniken“ (Deutschland 2020)


TV-Tipp für den 6. April: Steig. Nicht. Aus!

April 5, 2020

ZDF, 22.15

Steig. Nicht. Aus! (Deutschland 2018)

Regie: Christian Alvart

Drehbuch: Christian Alvart (nach dem Drehbuch von Alberto Marini)

Spannender Thriller über einen ganz gewöhnlichen Mann, der in seinem Auto auf einer Bombe sitzt, von einem anonymen Anrufer erpresst wird und versucht, seine Kinder zu retten, während sein wohlgeordnetes bürgerliches Leben langsam zerfällt.

TV-Premiere des Remake des spanischen Thrillers „Anrufer unbekannt“ (El Desconocido, 2015).

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Wotan Wilke Möhring, Hannah Herzsprung, Christiane Paul, Aleksandar Jovanovic, Emily Kusche, Carlo Thoma, Marc Hosemann, Fahri Yardim, Mavie Hörbiger

Wiederholung: Mittwoch, 8. April, 00.45 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

Homepage zum Film

Filmportal über „Steig. Nicht. Aus!“

Moviepilot über „Steig. Nicht. Aus!“

Wikipedia über „Steig. Nicht. Aus!“

Meine Besprechung von Christian Alvarts „Banklady“ (Deutschland 2013)

Meine Besprechung von Christian Alvarts „Halbe Brüder“ (Deutschland 2015)

Meine Besprechung von Christian Alvarts „Steig. Nicht. Aus!“ (Deutschland 2018)

Meine Besprechung von Christian Alvarts Sebastian-Fitzek/Michael-Tsokos-Verfilmung „Abgeschnitten“ (Deutschland 2018)

Meine Besprechung von Christian Alvarts „Freies Land“ (Deutschland 2020)


TV-Tipp für den 8. August: Die Welt der Wunderlichs

August 8, 2018

Arte, 20.15

Die Welt der Wunderlichs (Deutschland/Schweiz 2016)

Regie: Dani Levy

Drehbuch: Dani Levy

Allein unter Irren – das ist für Mimi der gelebte Normalzustand. Sie ist die einzige Normale in der Familie Wunderlich. Als sie bei einem Casting mitmachen will, möchte sie das ohne die Hilfe ihrer Familie tun…

Herrlich unaufgeräumte, gewollt dysfunktionale Komödie, die gerade deshalb gefällt. Auch wenn das Ende schwach ist.

Mehr in meiner ausführlichen Kritik der heutigen TV-Premiere.

mit Katharina Schüttler, Ewi Rodriguez, Peter Simonischek, Christiane Paul, Martin Feifel, Steffen Groth, Hannelore Elsner, Arabella Kiesbauer, Thomas Anders, Sabrina Setlur, Friedrich Liechtenstein

Hinweise

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Filmportal über „Die Welt der Wunderlichs“

Moviepilot über „Die Welt der Wunderlichs“

Wikipedia über Dani Levy

Meine Besprechung von Dani Levys „Die Welt der Wunderlichs“ (Deutschland/Schweiz 2016)


Neu im Kino/Filmkritik: Deutsche Genreversuche: Unhöfliche Erpresserwarnung: „Steig. Nicht. Aus!“

April 12, 2018

Als Karl Brendt (Wotan Wilke Möhring) an seinem 15. Hochzeitstag – um die Ehe steht es nicht zum Besten – ihre beiden Kinder zur Schule fährt, erhält er einen Anruf. Der unbekannte Anrufer behauptet, er habe eine Bombe im Auto deponiert. Er fordert von Brendt etwas über eine halbe Million Euro. Der größte Teil soll von Brendts Firmenkonto und ein kleiner Teil von seinem Privatkonto kommen. Wenn Brendt um Hilfe ruft oder das Auto verlässt oder die Kinder das Auto verlassen lässt, wird die Bombe explodieren. Brendt hat keine Ahnung, ob der Anrufer die Wahrheit sagt oder sich einen Scherz erlaubt. Verzweifelt versucht er das Geld zusammen zu bekommen. Er muss seine Mitgesellschafter in der Baufirma und seine Frau überzeugen, das Geld auf ein Offshore-Konto zu überweisen.

Gleichzeitig überlegt er, wie er aus dieser Situation wieder herauskommen kann. Dass der Anrufer nicht scherzt, begreift Brendt, als er beobachtet, wie die in dem Autos seines Geschäftspartners Omar Cicek eingebaute Bombe explodiert. Ciceks Frau, die auf dem Beifahrersitz saß, glaubte dem Erpresser nicht und löste beim Aussteigen die Bombe aus. Brendts Sohn wird bei der Explosion durch einen lebensgefährlich Splitter verletzt. Trotzdem will der Erpresser ihn, jedenfalls zunächst, nicht zu einem Krankenhaus fahren lasse.

Nach einer Verfolgungsjagd durch die Polizei, endet Brendts Fahrt durch Berlin auf dem Gendarmenmarkt. Die Polizei sperrt den Platz ab und versucht mit Brendt zu verhandeln. Kommissar Fritz Drache (Aleksandar Jovanovic) hält ihn für gefährlich und will ihn dazu zu bewegen, seine Kinder gehen zu lassen und aufzugeben. Notfalls mit Waffengewalt.

LKA-Sprengstoffexpertin Pia Zach (Hannah Herzsprung) zweifelt allerdings schnell an der Version des durchgeknallten Ehemannes, der seine Kinder entführte.

Christian Alvart dürfte nicht beleidigt sein, wenn man ihn Genre-Regisseur nennt. Zuletzt drehte er die actionlastigen Tschiller-“Tatorte“. Davor inszenierte er für das Kino Thriller wie „Antikörper“, „Pandorum“ und „Banklady“. Auch sein neuester Film „Steig. Nicht. Aus!“ ist ein Thriller, der den Vergleich mit ausländischen Genrefilmen nicht scheuen muss. Er ist ein Remake des spanischen Thrillers „Anrufer unbekannt“ (El Desconocido, 2015), den ich nicht kenne. Aber Alvarts Remake ist ein spannender Thriller, der nie die Sehnsucht weckt, unbedingt das Original sehen zu wollen. Und das kann nicht über jedes Remake gesagt werden.

Vor allem die erste Hälfte, in der Brendt verzweifelt versucht, die Forderung des Erpresser zu erfüllen, indem er seine Geschäftspartner und seine Frau versucht zu überzeugen, das Geld möglichst schnell auf ein Offshore-Konto zu überweisen und, gleichzeitig, nach einem Ausweg aus seiner misslichen Situation sucht, ist richtig gelungen.

In der zweiten Hälfte, wenn Brendt auf dem Gendarmenmarkt von der Polizei umzingelt wird und sie den vermeintlichen Entführer mit all dem, was die Polizei an Material im Lager hat, zur Aufgabe bewegen will, erlebt man erstaunlich unprofessionelle Verhandlungen. Aber auch in diesen Minuten bleibt es dank des hohen Erzähltempos und der überraschenden Wendungen und der Konflikte innerhalb der Polizei spannend.

Erst am Ende verschenkt der Thriller viel von seinem Potential. Das Motiv des bis dahin unbekannten Täters erscheint willkürlich aus der aktuellen Tageszeitung gegriffen. Der Plan des Täters ist in Moment nicht mehr der perfekte Plan, als der er bis dahin erschien. Stattdessen ist ein auf absurden Annahmen und Zufällen aufgebautes Luftschloss.

In dem Moment wünschte ich mir einen Bösewicht wie Howard Payne, den von Dennis Hopper in „Speed“ gespielten Bösewicht zurück. Der wollte einfach nur Geld erpressen, das er als sein Geld ansah. Durch die Planung und Ausführung seines verbrecherischen Plans hatte er ja schwer dafür gearbeitet. Und, seien wir ehrlich, für einen Thriller, der während einer kurzen Zeitspanne spielt und in dem es letztendlich nur auf die Konfrontation von Held und Bösewicht ankommt, ist das für den Bösewicht ein vollkommen ausreichendes Motiv. Das von Alvart angebotene und erst am Ende enthüllte Motiv des Bösewichts greift dann, zu seinem Nachteil, eine aktuelle großstädtische Diskussion auf und man beginnt sich Gedanken über Ziel, Zweck und Ausführung des Plans zu machen.

Dabei ist „Steig. Nicht. Aus!“ vor allem ein spannender Thriller über einen ganz gewöhnlichen Mann, der auf einer Bombe sitzt und versucht, seine Kinder zu retten, während sein wohlgeordnetes bürgerliches Leben langsam zerfällt. Sogar die Polizei hält ihn auf dem Gendarmenmarkt für einen Wahnsinnigen, den sie bei der ersten falschen Bewegung gerne erschießen würde.

Steig. Nicht. Aus! (Deutschland 2018)

Regie: Christian Alvart

Drehbuch: Christian Alvart (nach dem Drehbuch von Alberto Marini)

mit Wotan Wilke Möhring, Hannah Herzsprung, Christiane Paul, Aleksandar Jovanovic, Emily Kusche, Carlo Thoma, Marc Hosemann, Fahri Yardim, Mavie Hörbiger

Länge: 109 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Homepage zum Film

Filmportal über „Steig. Nicht. Aus!“

Moviepilot über „Steig. Nicht. Aus!“

Wikipedia über „Steig. Nicht. Aus!“

Meine Besprechung von Christian Alvarts „Banklady“ (Deutschland 2013)

Meine Besprechung von Christian Alvarts „Halbe Brüder“ (Deutschland 2015)


Neu im Kino/Filmkritik: Gar nicht so wunderlich, „Die Welt der Wunderlichs“

Oktober 14, 2016

Familie. Man kann sie sich nicht aussuchen und wenn man sich umhört, scheint es in jeder Familie mindestens eine verhaltensgestörte Person zu geben. Bei den Wunderlichs ist es etwas anders. Da ist Mimi die einzige normale Person. Die alleinerziehender Mutter arbeitet sogar ganz bürgerlich in einem Elektronikgeschäft (so Saturn/Media-Markt-mäßig), wenn sie nicht gerade von der Schuldirektorin angerufen wird, weil ihr hyperaktiver siebenjähriger Sohn mal wieder die Schule ins Chaos stürzte. Zum Beispiel indem Felix die Lehrerin in einen Schrank einsperrt und den Schlüssel in die Toilette wirft. Sie und ihre panischen „Ich will hier raus!“-Schreie sind auch das erste, was wir, während die Leinwand noch schwarz ist, in Dani Levys neuer Komödie „Die Welt der Wunderlichs“ hören.

Mimis Eltern sind für sie keine Hilfe. Ihr in einer Klinik lebender Vater ist manisch-depressiv. Er hat sich mal wieder selbst entlassen und verwettet Mimis Geld beim Pferderennen. Mimis Mutter pflegt dagegen im Bett schon seit Ewigkeiten ihre Depression über die durch ihre Töchter vergeigte Musikerinnenkarriere. Mimis Schwester Manuela führt tagsüber erfolgreich einen Frisörsalon, nachts stürzt sie sich in Sexabenteuer und Alkoholexzesse. Für ihre verkorkste Familie hat Manuela selbstverständlich keine Zeit.

Und dann gibt es noch Mimis Ex-Mann, der als Felix‘ Erzieher ausfällt. Denn er ist, in einem Hotelzimmer lebend, das wandelnde Klischee eines Rockmusikers irgendwo zwischen Udo Lindenberg und Keith Richards. Aber ohne deren gut gefüllte Bankkonten.

Kurz: die Wunderlichs sind ein Katastrophengebiet und Mimi kann höchstens Schadensbegrenzung betreiben.

Da erhält sie einen Anruf aus der Schweiz. Sie soll in der TV-Castingshow „Second Chance“ auftreten. Sie erinnert sich an ihre frühere, eher kurze Karriere als Musikerin und sie beschließt, in der TV-Sendung aufzutreten. Allein. Ohne ihre Familie, die immer alles kaputt macht.

Dass das nicht funktioniert, kann man sich denken. Denn Mimis Reise, zunächst allein, aber schon schnell mit ihrer Familie, die Mimi natürlich nicht im Stich lassen kann und ihr bestmöglich helfen will, und ihr Auftritt in der TV-Sendung stehen im Mittelpunkt von Dany Levys neuem Film.

Und die Schauspieler – Katharina Schüttler als Mimi, Ewi Rodriguez als ihr Sohn, Peter Simonischek als ihr Vater, Hannelore Elsner als ihre Mutter, Christiane Paul als ihre Schwester, Martin Feifel als ihr Ex-Mann und Steffen Groth als über beiden Ohren in sie verliebter Jüngling – hatten sichtbar ihren Spaß mit ihren durchgeknallten Leinwandcharaktere, die sie in einer demaskierenden, aber auch liebevollen Mischung aus Komödie und Tragödie spielen.

Ärgerlich ist dann, nachdem die Welt der Wunderlichs durchgehend als ein wunderschöner funktional-dysfunktionaler Gegenkosmos zur normal-bürgerlichen Welt gezeichnet wurde, Mimis Auftritt in der Castingshow, die sich überhaupt nicht von all den anderen Castingshows unterscheidet. Mit Arabella Kiesbauer als Moderatorin, Thomas Anders, Sabrina Setlur und Friedrich Liechtenstein als Juroren sind dann eigentlich schon die üblichen Verdächtigen versammelt und dass die Rockerbraut Mimi wirklich auch nur einen Cent auf die Meinung von „Modern Talking“-Schlagerfuzzi Thomas Anders gibt, das kann und will ich nicht glauben.

Bis dahin sieht man eine herrlich unaufgeräumte, sozusagen dysfunktionale Komödie über gesellschaftliche Außenseiter, die sich nicht als Außenseiter sehen und deren Leben von „Alles auf Zucker!“-Regisseur Dani Levy mit spürbarer Sympathie und, zwischen den leisen Momenten, einem Hang zum Klamauk und theatralischen Auftritt gezeichnet wird.

die-welt-der-wunderlichs-plakat

Die Welt der Wunderlichs (Deutschland/Schweiz 2016)

Regie: Dani Levy

Drehbuch: Dani Levy

mit Katharina Schüttler, Ewi Rodriguez, Peter Simonischek, Christiane Paul, Martin Feifel, Steffen Groth, Hannelore Elsner, Arabella Kiesbauer, Thomas Anders, Sabrina Setlur, Friedrich Liechtenstein

Länge: 103 Minuten

FSK: ab 0 Jahre

Hinweise

Homepage zum Film

Filmportal über „Die Welt der Wunderlichs“

Moviepilot über „Die Welt der Wunderlichs“

Wikipedia über Dani Levy

und ein längeres Interview mit Dani Levy, von 2011


Neu im Kino/Filmkritik: „Eltern“ und ihre Probleme mit Kindern, Jobs und Au-Pair-Mädchen

November 14, 2013

Die beiden Kinder überzeugten mich von dem Film. Denn sie sind rechte Biester und Plagegeister, die in einer Woche ungefähr alles machen, was Kinder sonst innerhalb eines Jahres machen – und man sie dennoch liebt.

In seinem neuesten Film „Eltern“ erzählt Robert Thalheim nach „Am Ende kommen Touristen“ und „Westwind“ eine Woche im Leben einer normalen, gut situierten, linksliberalen Großstadtfamilie mit berufstätigen Eltern und zwei kleinen Kindern. Es ist eine turbulente Woche. Konrad (Charly Hübner), der jahrelang allseits beliebte und geliebte Traumdaddy für die zehnjährige Käthe (Paraschiva Dragus) und die fünfjährige Emma (Emilia Pieske), will wieder als Regisseur arbeiten. Er soll am Theater die Nibelungen inszenieren.

Seine Frau Christine (Christiane Paul), eine Anästhesistin am Krankenhaus, soll sich währenddessen mehr um die Kinder kümmern. Aber der Schichtdienst, Patienten, die ihre besondere Zuneigung wollen und aasige Chefs, die ihr mit der Aussicht auf die Oberarzt-Stelle hemmungslos die Arbeitszeit ausweiten, verhindert das. Und, so gut Christine auch mit ihren Patienten umgehen kann, mit ihren beiden Mädchen gelingt ihr das nicht.

Zu ihrer Entlastung haben sie ein Au-Pair-Mädchen aus Argentinien eingeladen. Dummerweise ist Isabel (Clara Lago) schwanger, hat ihren Eltern nichts davon gesagt und möchte am liebsten abtreiben, was Konrad für keine grandiose Idee hält.

Außerdem ist die Regiearbeit am Theater mit renitenten Schauspielern und sexy Kolleginnen aufreibender, als er dachte.

Das klingt jetzt nach genug Konfliktstoff für ein halbes Dutzend Filme, aber „Eltern“ ist eine absolut vorhersehbare Familienkomödie, eine RomCom mit Kindern, in der sich alle Konflikte schnell in Wohlgefallen auflösen. Halt wie in einem Fünfziger-Jahre-Film. Nur dieses Mal mit vertauschten Geschlechterrollen, hundsgemeinen Kindern und einem dokumentarischem Gestus, der gerade, weil Thalheim oft etwas zu spät die Szene beendet, immer wieder gnadenlos die Verunsicherung der Eltern dokumentiert, die von der neuen Situation überfordert sind.

Eltern“ ist ein Film für Eltern, die sicher viel von ihrem Leben und ihrem Verhältnis zu ihren Kindern in dem Film entdecken.

Eltern - Plakat

Eltern (Deutschland 2013)

Regie: Robert Thalheim

Drehbuch: Jane Ainscough, Robert Thalheim

mit Charly Hübner, Christiane Paul, Paraschiva Dragus, Emilia Pieske, Clara Lago, Maren Eggert, Alex Brendemühl, Thilo Nest

Länge: 99 Minuten

FSK: ab 0 Jahre

Hinweise

Homepage zum Film

Film-Zeit über „Eltern“

Moviepilot über „Eltern“

Wikipedia über „Eltern“