TV-Tipp für den 28. Mai: Die Ehe der Maria Braun

Mai 27, 2025

Arte, 20.15

Die Ehe der Maria Braun (Deutschland 1978)

Regie: Rainer Werner Fassbinder

Drehbuch: Peter Märtesheimer, Pea Fröhlich (nach einer Idee von Rainer Werner Fassbinder)

Fassbinder-Klassiker über das Leben einer Frau von den Kriegsjahren bis zum 4. Juli 1954 und ihre Ehe, die nur auf dem Papier existierte. Denn wenige Stunden nach ihrer Hochzeit muss ihr Mann an die Front.

mit Hanna Schygulla, Klaus Löwitsch, Ivan Desny, Gottfried John, Gisela Uhlen, Günter Lamprecht, Elisabeth Trissenar, Volker Spengler, Karl-Heinz von Hassel, Michael Ballhaus, Hark Bohm, Günther Kaufmann, Bruce Low, Rainer Werner Fassbinder, Claus Holm

Hinweise

Rotten Tomatoes über „Die Ehe der Maria Braun“

Wikipedia über “Die Ehe der Maria Braun” (deutsch, englisch) und Rainer Werner Fassbinder (deutsch, englisch)

Deutsches Filmhaus über „Die Ehe der Maria Braun“

Rainer-Werner-Fassbinder-Foundation

Meine Besprechung von Annekatrin Hendels Doku „Fassbinder“ (Deutschland 2015)

Meine Besprechung von Werner C. Barg/Michael Tötebergs (Hrsg.) „Rainer Werner Fassbinder Transmedial“ (2020)

Rainer Werner Fassbinder in der Kriminalakte 


TV-Tipp für den 19. Mai: Lili Marleen

Mai 18, 2025

Arte, 20.15

Lili Marleen (Deutschland 1980)

Regie: Rainer Werner Fassbinder

Drehbuch: Manfred Purzer, Rainer Werner Fassbinder, Joshua Sinclair (Mitarbeit)

LV: Lale Andersen: Der Himmel hat viele Farben

Fassbinders Version von Lale Andersens Leben. Gedreht im UFA-Look, aber mit genug Haken und Ösen, um jede blinde Identifikation zu verhindern.

Mit Hanna Schygulla, Giancarlo Giannini, Mel Ferrer, Karl-Heinz von Hassel, Christine Kaufmann, Hark Bohm, Karin Baal, Udo Kier, Erik Schumann, Gottfried John, Elisabeth Volkmann, Barbara Valentin, Adrian Hoven, Willy Harlander, Franz Buchrieser, Rainer Werner Fassbinder, Brigitte Mira, Irm Hermann, Harry Baer, Milan Boor, Volker Spengler

Wiederholung: Donnerstag, 29. Mai, 01.35 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

Filmportal über „Lili Marleen“

Rotten Tomatoes über „Lili Marleen“

Wikipedia über „Lilli Marleen“ (deutsch, englisch) und Rainer Werner Fassbinder (deutsch, englisch)

Rainer-Werner-Fassbinder-Foundation

Meine Besprechung von Annekatrin Hendels Doku „Fassbinder“ (Deutschland 2015)

Meine Besprechung von Werner C. Barg/Michael Tötebergs (Hrsg.) „Rainer Werner Fassbinder Transmedial“ (2020)

Rainer Werner Fassbinder in der Kriminalakte


TV-Tipp für den 20. Juli: Peter von Kant

Juli 19, 2024

One, 22.00

Peter von Kant (Peter von Kant, Frankreich 2022)

Regie: François Ozon

Drehbuch: François Ozon

LV: Rainer Werner Fassbinder: Die bitteren Tränen der Petra von Kant, 1971

François Ozon verfilmt und interpretiert Rainer Werner Fassbinders sehr autobiographisches Stück „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“. Grandios! Und überaus witzig.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Denis Ménochet, Isabelle Adjani, Khalil Gharbia, Hanna Schygulla, Stefan Crépon, Aminthe Audiard

Wiederholung: Montag, 22. Juli, 02.20 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

Moviepilot über „Peter von Kant“

AlloCiné über „Peter von Kant“

Metacritic über „Peter von Kant“

Rotten Tomatoes über „Peter von Kant“

Wikipedia über „Peter von Kant“ (deutsch, englisch, französisch)

Meine Besprechung von Francois Ozons “In ihrem Haus” (Dans la Maison, Frankreich 2012)

Meine Besprechung von Francois Ozons ”Jung & Schön” (Jeune & jolie, Frankreich 2013)

Meine Besprechung von Francois Ozons „Eine neue Freundin“ (Une nouvelle amie, Frankreich 2014)

Meine Besprechung von François Ozons „Frantz“ (Frantz, Deutschland/Frankreich 2016)

Meine Besprechung von François Ozons „Der andere Liebhaber“ (L’Amant Double, Frankreich/Belgien 2017)

Meine Besprechung von François Ozons „Gelobt sei Gott“ (Grâce à Dieu, Frankreich 2019)

Meine Besprechung von François Ozons „Alles ist gutgegangen“ (Tout s’est bien passé, Frankreich 2021)

Meine Besprechung von François Ozons „Peter von Kant“ (Peter von Kant, Frankreich 2022)

Meine Besprechung von François Ozons „Mein fabelhaftes Verbrechen“ (Mon Crime, Frankreich 2023)


Neu im Kino/Filmkritik: Über Yorgos Lanthimos‘ Venedig-Gewinner „Poor Things“

Januar 19, 2024

Ich habe Tränen gelacht, als ich das Drehbuch las – es war teuflisch und voller schrägem und absurdem Humor.“

Mark Rufallo

Ich las es als Krimi, prall gefüllt mit Elementen von Horror und Märchen.“

Hanna Schygulla

Yorgos Lanthimos hat wieder zugeschlagen. Mit „Dogtooth“, „The Lobster“ und „The Killing of a Sacred Deer“ wurde der Grieche zum Kritiker- und Arthausliebling. Mit „The Favourite – Intrigen und Irrsinn“ wurde er auch beim breiteren Publikum bekannt. Mit seinem neuen Film setzt er seinen Weg konsequent fort. „Poor Things“ ist dabei sein freundlichster Film geworden.

In der wunderschön durchgeknallten, warmherzigen Steampunk-Frankenstein-Variante „Poor Things“ erzählt er die Geschichte von Bella Baxter (Emma Stone).

Sie ist das Ergebnis eines Experiments von Dr. Godwin ‚God‘ Baxter (Willem Dafoe), einem genialen Wissenschaftler, der von seinem Vater bei einem Experiment verunstaltet wurde. Er ist ein Geistesverwandter von Dr. Frankenstein und Bella ist sein ‚Monster‘. An ihr will er über den menschlichen Geist forschen. Dafür tauscht er, wie wir erst später erfahren, nach ihrem Suizid ihr totes Gehirn gegen das noch lebende Gehirn ihres noch nicht geborenen Babys. Nach der geglückten Operation beobachtet er, wie Bella laufen und sprechen lernt und die Welt innerhalb ihres Hauses erkundet. Dabei geht einiges zu Bruch und sie uriniert auf den Boden. Baxters Haushälterin Mrs. Prim (Vicky Pepperdine) räumt stoisch hinter ihr auf. Dr. Baxter versucht Bella mit väterlicher Geduld zu erziehen und er bringt ihr sprechen bei. Denn Bella ist ein Kind im Körper einer erwachsenen Frau. Diese Diskrepanz zwischen Körper und Geist, gepaart mit einem bestimmendem Temperament und einer kindlichen Sicht auf die Welt, sorgt für einige Lacher.

Zur kontinuierlichen Beobachtung von Bellas Entwicklung engagiert Baxter den Studenten Max McCandless (Ramy Youssef). Beide Männer beobachten Bella. Sie experimentieren mit ihr. Bringen ihr neue Dinge bei und sind ebenso begeistert wie erstaunt über ihre schnellen Lernfortschritte. Dabei entwickeln sie tiefere Gefühle für ihr Forschungsobjekt.

Als Bella älter wird, will sie nicht mehr im Haus bleiben. Sie will die Welt erkunden. Baxter erlaubt es.

Zusammen mit dem von sich überzeugten, besitzergreifenden Hallodri und Anwalt Duncan Wedderburn (Mark Ruffalo) begibt Bella sich auf eine große Reise, auf der sie vom impulsiven, keine Grenzen kennendem Kind (im Kopf) zur Grenzen kennenden, aber nicht notwendigerweise respektierenden Frau (im Kopf) wird.

Auf dieser, den größten Teil des Films einnehmenden Reise, die sie zuerst nach Lissabon, dann auf einen Ozeandampfer, nach Alexandria und Paris (wo sie in einem Bordell Reisegeld verdient) und wieder zurück nach London führt, begegnet sie der unabhängigen, sehr belesenen und klugen Martha von Kurtzroc (Hanna Schygulla), Marthas Begleiter Harry Astley (Jerrod Carmichael), der Bordellchefin Swiney (Kathryn Hunter) und ihrer revolutionär-sozialistisch gesinnten Arbeitskollegin Toinette (Suzy Bemba). Auf jeder Station dieser Reise lernt Bella eine neue Lektion über ihre von ihr schon in Baxters Haushalt entdeckten Sexualität, die Wirtschaft und die Strukturen der Gesellschaft.

Zurück in London begegnet sie dem Grund für ihren Suizid am Filmanfang. Diese Begegnung führt zu einem köstlich schrägen Finale, das die Verhältnisse auf märchenhafte Weise auf den Kopf stellt. So wie der Film bis dahin schon, höchst unterhaltsam, die Verhältnisse auf den Kopf stellte. Schlließlich spielt er in einer Welt, in der es Wesen gibt, die es nicht geben dürfte.

Lanthimos erzählt die vollständig im Studio gedrehte Geschichte in betont künstlichen Kulissen mit grandiosen Schauspielern, einer konstant mild desorientierenden Kamera und unzähligen visuellen Gags, die die erfundene Steampunk-Welt zu einer glaubwürdigen Welt werden lassen. Am Ende ist „Poor Things“ sein längster, zugänglichster und auch optimistischter und freundlichster Film. Die Schwarze Komödie ist ein großer, wenn auch etwas ausufernder, teils plakativer Spaß.

Nach dem Gewinn des Goldenen Löwen in Venedig gewann „Poor Things“ weitere Preise, wie den Golden Globe als beste Komödie und für die beste Hauptdarstellerin. In den kommenden Wochen dürfte die Komödie zahlreiche weitere Nominierungen und Preise erhalten. Gestern wurde „Poor Things“ für elf BAFTAs nominiert, unter anderem als bester Film, bestes adaptiertes Drehbuch, beste Hauptdarstellerin, beste Kamera, beste Musik und beste Spezialeffekte.

Und wenn am 23. Januar 2024 die Oscar-Nominierungen bekannt gegeben werden, dürfte Lanthimos neuer Film in mehreren Kategorien nominiert sein.

Poor Things (Poor Things, USA 2023)

Regie: Yorgos Lanthimos

Drehbuch: Tony McNamara

LV: Alasdair Gray: Poor Things: Episodes from the Early Life of Archibald McCandless M.D., Scottish Public Health Officer, 1992 (Arme Dinger: Episoden aus den frühen Jahren des schottischen Gesundheitsbeamten Dr. med Archibald McBandless)

mit Emma Stone, Mark Ruffalo, Willem Dafoe, Ramy Youssef, Jerrod Carmichael, Hanna Schygulla, Christopher Abbott, Suzy Bemba, Kathryn Hunter, Vicki Pepperdine, Margaret Qualley

Länge: 141 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „Poor Things“

Metacritic über „Poor Things“

Rotten Tomatoes über „Poor Things“

Wikipedia über „Poor Things“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Yorgos Lanthimos‘ „The Killing of a sacred Deer (The Killing of a sacred Deer, Großbritannien/Irland 2017)

Meine Besprechung von Yorgos Lanthimos‘ „The Favourite – Intrigen und Irrsinn“ (The Favourite, USA 2018)


TV-Tipp für den 3. Juni: Peter von Kant

Juni 2, 2023

One, 22.00

Peter von Kant (Peter von Kant, Frankreich 2022)

Regie: François Ozon

Drehbuch: François Ozon

LV: Rainer Werner Fassbinder: Die bitteren Tränen der Petra von Kant, 1971

TV-Premiere. François Ozon verfilmt und interpretiert Rainer Werner Fassbinders sehr autobiographisches Stück „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“. Grandios! Und überaus witzig.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Denis Ménochet, Isabelle Adjani, Khalil Gharbia, Hanna Schygulla, Stefan Crépon, Aminthe Audiard

Hinweise

Moviepilot über „Peter von Kant“

AlloCiné über „Peter von Kant“

Metacritic über „Peter von Kant“

Rotten Tomatoes über „Peter von Kant“

Wikipedia über „Peter von Kant“ (deutsch, englisch, französisch)

Meine Besprechung von Francois Ozons “In ihrem Haus” (Dans la Maison, Frankreich 2012)

Meine Besprechung von Francois Ozons ”Jung & Schön” (Jeune & jolie, Frankreich 2013)

Meine Besprechung von Francois Ozons „Eine neue Freundin“ (Une nouvelle amie, Frankreich 2014)

Meine Besprechung von François Ozons „Frantz“ (Frantz, Deutschland/Frankreich 2016)

Meine Besprechung von François Ozons „Der andere Liebhaber“ (L’Amant Double, Frankreich/Belgien 2017)

Meine Besprechung von François Ozons „Gelobt sei Gott“ (Grâce à Dieu, Frankreich 2019)

Meine Besprechung von François Ozons „Alles ist gutgegangen“ (Tout s’est bien passé, Frankreich 2021)

Meine Besprechung von François Ozons „Peter von Kant“ (Peter von Kant, Frankreich 2022)


Neu im Kino/Filmkritik: François Ozon interpretiert Rainer Werner Fassbinder in „Peter von Kant“

September 23, 2022

Dass François Ozon ein großer Bewunderer von Rainer Werner Fassbinder ist, dürfte bekannt sein. Bereits 2000 verfilmte er „Tropfen auf heiße Steine“, ein erst posthum aufgeführtes Theaterstück von Fassbinder. Jetzt nahm Ozon sich ein anderes Stück von Fassbinder vor, nämlich „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“. Das Theaterstück wurde 1971 von Peer Raben für die vierte Experimenta inszeniert. Ein Jahr später verfilmte Fassbinder in zehn Drehtagen sein Stück. Es spielt in der wie eine Theaterbühne wirkenden Wohnung von Petra von Kant (Margit Carstensen). Sie ist eine Modeschöpferin, die den Zenit ihrer Karriere hinter sich hat. Vorne und hinten lässt sie sich von Marlene (Irm Hermann) bedienen.

Als Petra von Kant Karin Thimm (Hanna Schygulla) kennen lernt, verliebt sie sich in sie.

In seiner Verfilmung betont Fassbinder das Theaterhafte. Er erzählt eine deprimierende Geschichte von toxischen Beziehungen unter Frauen. Der Film ist, aus heutiger Sicht, eines von Fassbinders Schlüsselwerken und damit einer der Filme, die zuverlässig in jeder Liste der wichtigsten Werke von Fassbinder auftauchen.

Zum fünfzigsten Geburtstag des Films interpretiert Ozon das Stück neu, und wie der Titel „Peter von Kant“ und der auf dem Plakat prominent platzierte Hinweis „frei nach“ verraten, veränderte er einiges. Zum Beispiel die Geschlechter der Figuren. Außerdem kürzte er das Stück. Fassbinders Film dauert über zwei Stunden. Ozons Neuinterpretation keine neunzig Minuten. Und es gibt zahlreiche Anspielungen auf Rainer Werner Fassbinder, seine Person, sein Umfeld und sein Werk.

Dabei hat Ozon kein Enthüllungswerk gedreht.

Schon für Fassbinders Zeitgenossen dürfte offensichtlich gewesen sein, dass das Stück und die dort gezeigten Beziehungen autobiographisch sind. Nur dass Fassbinder aus einer männlichen Diva eine weibliche Diva machte. Ozon macht das wieder rückgängig. Schockierend ist das nicht. Schließlich hat sich Gesellschaft in den vergangenen fünfzig Jahren gewandelt. Da ist eine Liebesgeschichte unter Männern nicht mehr schockierend oder irgendwie Aufsehen erregend. Gleichzeitig wissen wir heute, auch weil alle, die damals mit Fassbinder zusammen arbeiteten, öffentlich über die Arbeit sprachen, viel mehr über das Leben und die Strukturen in der Fassbinder-Familie.

Insofern zeigt Ozon nur, was schon im Original deutlich erkennbar war.

Und natürlich kann durch den Geschlechtertausch viel gefassbindert werden. Mal mehr, mal weniger offensichtlich.

Denis Ménochet, der Peter von Kant spielt, versinkt förmlich in der Rolle der aus dem Leim geratenen, sich selbst gefallenden und bemitleidenden männlichen Diva. In der einen Sekunde ist er ein großspurig auftretender Regisseur, der mit dem Telefon die Welt regiert, im nächsten Moment ein im Selbstmitgleid ertrinkender Tropf und, wenige Sekunden später ein hoffnungslos in einen anderen Mann verliebter Mann. Er zeigt seine Gefühle mit fast schon boulevardesker Offenheit. Er steht im Mittelpunkt, genießt es und will doch ständig bestätigt und umhütet werden. Ménochet spielt diesen Peter von Kant in jeder Sekunde glaubhaft und so, dass wir immer den Menschen hinter all seinen Posen und Manipulationen erkennen.

Neben ihm steht Stefan Crépon zunehmend im Zentrum der Aufmerksamkeit des Zuschauers. Er spielt Karl, den Diener von Peter von Kant. Schweigend erfüllt er die Wünsche seines Chefs und erträgt stoisch seine Launen und ständigen Stimmungsumschwünge. Er sagt kein Wort. Er ist immer im Hintergrund da und er kommentiert stumm das Geschehen.

Khalil Gharbia spielt Amir Ben Salem, das Objekt der Begierde. Isabelle Adjani Peter von Kants vermögende Freundin und ehemalige Muse, den Filmstar Sidonie von Gassenab. Sie stellt ihm Amir vor. Und Hanna Schygulla ist als Peter von Kants Mutter dabei.

Ozon inszeniert seine Version der „bitteren Tränen der Petra von Kant“, wie schon Fassbinder, betont theaterhaft, mit vielen Fassbinder-Anspielungen und zum Lachen reizenden Stellen.

Peter von Kant (Peter von Kant, Frankreich 2022)

Regie: François Ozon

Drehbuch: François Ozon

LV: Rainer Werner Fassbinder: Die bitteren Tränen der Petra von Kant, 1971

mit Denis Ménochet, Isabelle Adjani, Khalil Gharbia, Hanna Schygulla, Stefan Crépon, Aminthe Audiard

Länge: 86 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Moviepilot über „Peter von Kant“

AlloCiné über „Peter von Kant“

Metacritic über „Peter von Kant“

Rotten Tomatoes über „Peter von Kant“

Wikipedia über „Peter von Kant“ (deutsch, englisch, französisch)

Meine Besprechung von Francois Ozons “In ihrem Haus” (Dans la Maison, Frankreich 2012)

Meine Besprechung von Francois Ozons ”Jung & Schön” (Jeune & jolie, Frankreich 2013)

Meine Besprechung von Francois Ozons „Eine neue Freundin“ (Une nouvelle amie, Frankreich 2014)

Meine Besprechung von François Ozons „Frantz“ (Frantz, Deutschland/Frankreich 2016)

Meine Besprechung von François Ozons „Der andere Liebhaber“ (L’Amant Double, Frankreich/Belgien 2017)

Meine Besprechung von François Ozons „Gelobt sei Gott“ (Grâce à Dieu, Frankreich 2019)

Meine Besprechung von François Ozons „Alles ist gutgegangen“ (Tout s’est bien passé, Frankreich 2021)


TV-Tipp für den 9. Juni: Fassbinder

Juni 8, 2022

Anlässlich des vierzigsten Todestages von Rainer Werner Fassbinder zeigen die TV-Sender keinen seiner Filme, aber einen Film über ihn:

SWR, 23.45

Fassbinder (Deutschland 2015)

Regie: Annekatrin Hendel

Drehbuch: Annekatrin Hendel (nach einer Idee von Juliane Maria Lorenz)

Insgesamt sehenswerte Doku über Rainer Werner Fassbinder, die vor allem als Einführung in sein Werk taugt und sich zu sehr seinem Privatleben widmet.

Mehr dazu in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Margit Carstensen, Irm Hermann, Juliane Lorenz, Hanna Schygulla, Harry Baer, Hark Bohm, Hubert Gilli, Wolf Gremm, Günter Rohrbach, Fritz Müller-Scherz, Volker Schlöndorff, Thomas Schühly, Rainer Werner Fassbinder (Archivaufnahmen)

Bonushinweis

Wer danach einige der in der Doku vorgestellten Filme sehen will, wird bei LaCinetek fündig.

Zum vierzigsten Todestag von Rainer Werner Fassbinder – er starb am 10. Juni 1982 mit 37 Jahren – präsentiert LaCinetek zehn seiner Filme. Das Besondere bei dieser Auswahl ist, dass die Filme von anderen Regisseuren ausgewählt wurden. Es sind:

Händler der vier Jahreszeiten, 1971 (u. a. empfohlen von Martin Scorsese, Jutta Brückner, Wim Wenders)

Die bitteren Tränen der Petra von Kant, 1972 (u. a. empfohlen von Ira Sachs, Lodge Kerrigan, Abel Ferrara)

Martha, 1973 (empfohlen von Catherine Corsini)

Angst essen Seele auf, 1974 (u. a. empfohlen von Nadav Lapid, François Ozon, Robert Guédiguian)

Faustrecht der Freiheit, 1974 (empfohlen von Patricia Mazuy, Alain Guiraudie, Robert Guédiguian)

Die Ehe der Maria Braun, 1978 (empfohlen von Agnès Varda, Marjane Satrapi, Elia Suleiman)

In einem Jahr mit 13 Monden, 1978 (u. a. empfohlen von Thomas Arslan, Chantal Akerman, Atom Egoyan)

Berlin Alexanderplatz, 1979 (empfohlen von Martin Scorsese, Leos Carax)

Lola, 1981 (empfohlen von Todd Haynes)

Die Sehnsucht der Veronika Voss, 1982 (empfohlen von Bertrand Bonello, Ira Sachs)

Eine schöne Liste, auch wenn sie vor allem aus den allseits bekannten Klassikern besteht und aufgrund der Beschränkung auf zehn Filme (inclusive einer Serie) natürlich einige Filme fehlen.

Hinweise

Filmportal über „Fassbinder“

Moviepilot über „Fassbinder“

Wikipedia über „Fassbinder“ und Rainer Werner Fassbinder

Rainer-Werner-Fassbinder-Foundation

Meine Besprechung von Annekatrin Hendels Doku „Fassbinder“ (Deutschland 2015)

Meine Besprechung von Werner C. Barg/Michael Tötebergs (Hrsg.) „Rainer Werner Fassbinder Transmedial“ (2020)

Rainer Werner Fassbinder in der Kriminalakte


Neu im Kino/Filmkritik: Über den Animationsfilm „Die Odyssee“

April 30, 2022

Als ein Nachbardorf überfallen wird, beginnt für die dreizehnjährige Kyona und ihren jüngeren Bruder Adriel die titelgebende Odyssee durch eine Welt voller Gefahren. Zuerst mit ihren Eltern, später allein stolpern sie durch ein dystopisches Europa. Die Bilder und die Erlebnisse der beiden Kinder erinnern dabei an die Katastrophen, Diktaturen und Migrationsbewegungen des vergangenen Jahrhunderts in Europa, Osteuropa und der Levante.

Florence Miailhes erzählt in ihrem Langfilmdebüt die Geschichte von Kyona und Adriel. Sehenswert ist der Film wegen seiner Geschichte und seiner Machart. Bekannt ist Miailhe als Regisseurin von animierten Kurzfilmen. „A Summer Night Rendez-Vous“ erhielt 2001 den César als bester Kurzfilm. „Conte de Quartier“ 2006 eine Lobende Erwähnung bei den Filmfestspielen von Cannes. 2015 wurde sie beim Animationsfilmfestival von Annecy für ihr Gesamtwerk ausgezeichnet.

In „Die Odyssee“ erzählt sie eine Geschichte, die von der Flucht ihrer Urgroßeltern aus der jetzt zur Ukrainie gehörenden Hafenstadt Odessa inspiriert ist. Wie viele andere verließen sie zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts wegen antisemitischen Pogromen ihre Heimat Odessa.

Sie könnte wegen ihrer Machart – „Die Odyssee“ ist ein Animationsfilm – fast überall und zu fast jeder Zeit spielen könnte. Denn alles, was auf ein bestimmtes Jahr oder Jahrzehnt deutet, wurde entfernt. Miailhe und ihre Co-Autorn Marie Desplechin ließen sich auch von Ereignissen und Bildern inspirieren, die später stattgefunden hatten. Gleichzeitig benutzten sie viele Märchenmotive. Sie abstrahierten also immer mehr von einem konkreten historischen Hintergrund zugunsten eines märchenhaften Tonfalls. Eines Horrormärchens, das die Welt aus der Sicht der durch mehrere Länder flüchtenden Geschwister betrachtet und in der sie von einem furchterregendem Erlebnis zum nächsten stolpern und sie Monstern, die wie Menschen aussehen, begegnen.

Und damit ist sie heute, während viele Ukrainer ihre Heimat mit unklarem Ziel verlassen müssen, wieder brennend aktuell.

Allerdings ist diese Aktualität ein Zufall. Denn Miailhe begann mit den Arbeiten für den Film schon vor Jahren. Ihre ersten Arbeiten an der Geschichte waren 2006. 2010 erhielten sie und Marie Desplechin den Drehbuchpreis auf dem Festival Premier Plans in Angers. Danach musste der Film noch finanziert werden. Die Produktion dauerte dann drei Jahre. Denn Miailhe erstellte auch ihr Langfilmdebüt mit der von ihr favorisierten Öl-auf-Glas-Technik: „Ich habe schon immer mit animierter Malerei direkt unter der Kamera gearbeitet. Diese Praxis erfordert präzises und intuitives Arbeiten. Ich habe sie im Laufe meiner filmischen Karriere immer weiter verfeinert. Die Animation wird Bild für Bild auf mehreren Glasschichten direkt unter der Kamera ausgeführt. Dieses System ist so aufgebaut, dass so weit wie möglich alles zur gleichen Zeit und von der gleichen Person gemacht wird: die Figuren, das Set, die Effekte, die Farbe. So kann das Bild jederzeit in seiner Gesamtheit konzipiert werden. Für Animator*innen fühlt es sich an, als würden sie ein Gemälde zum Leben erwecken. Es stimmt, dass animierte Malerei etwas länger dauert als andere Animationstechniken, aber vor allem, weil die Arbeit schwieriger zu teilen ist. Wir sind gezwungen, in einem kleinen Team zu arbeiten und die Produktion dauert deshalb viel länger. Abhängig von Aufnahmen und Animator*innen konnten pro Tag mal 6 Sekunden, dann wieder nur eine Sekunde Film entstehen.“

Die so entstehenden Bilder sehen prächtig aus und sie sind auch sehr farbenprächtig. Außerdem unterscheiden sie sich wohltuend von anderen Animationsfilmen, die sich doch sehr oft sehr ähneln.

Zu den eindrucksvollen Bildern kommt eine wirklich furchterregende und Gänsehaut erzeugende Tonspur, die hörbar macht, was in den Zeichnungen nicht zu sehen ist. Das macht „Die Odyssee“ zu einem Trickfilm, der kein Kinderfilm ist.

Die Odyssee (La Traversée, Frankreich/Deutschland/Tschechische Republik 2021)

Regie: Florence Miailhe

Drehbuch: Marie Desplechin, Florence Miailhe

mit Hanna Schygulla (Erzählerin)

Länge: 84 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Homepage zum Film

AlloCiné über „Die Odyssee“

Filmportal über „Die Odyssee“

Moviepilot über „Die Odyssee“

Rotten Tomatoes über „Die Odyssee“

Wikipedia über „Die Odyssee“


Neu im Kino/Filmkritik: „Alles ist gutgegangen“ in François Ozons 20. Spielfilm

April 15, 2022

Um das selbstbestimmte Sterben geht es in François Ozons neuem Film „Alles ist gutgegangen“, der auf einer wahren Geschichte von Emmanuèle Bernheim basiert. Die früh verstorbene Pariserin Emmanuèle Bernheim (30. November 1955 – 10. Mai 2017) war Roman- und Drehbuchautorin. So arbeitete sie mit Ozon bei „Unter dem Sand“ (Sous le Sable, 2000), „Swimming Pool“ (2003) und „5×2 – Fünf mal zwei“ (5×2, 2004) zusammen. Ihre Bücher, zu denen „Das Klappmesser“, „Ein Liebespaar“, „Die Andere“ und „Der rote Rock“ (verfilmt von Claire Denis) gehören, erschienen bei Klett-Cotta und Hanser.

Als der immer noch sehr fidele 84-jährige Kunstsammler und Fabrikant André Bernheim (André Dussollier) einen Schlaganfall hat, bittet er seine Tochter Emmanuèle (Sophie Marceau) ihm beim Sterben zu helfen. Seine andere Tochter Pascale (Géraldine Pailhas), die als Kind ebenfalls unter dem dominantem Vater gelitten hat, ist etwas verkrätzt, weil sie nicht gefragt wurde. Trotzdem raufen sich die beiden Schwestern zusammen.

Emmanuèle Bernheim schrieb anschließend das mit dem „Grand prix des lectrices de Elle“ ausgezeichnete Buch „Alles ist gutgegangen“ (Tout s’est bien passé, 2013) über den Tod ihres Vaters. Schon vor dem Erscheinen des Buches fragte sie François Ozon, ob er es verfilmen möchte. Aber er wusste zunächst nicht, wie er ihre Geschichte zu seiner Geschichte machen könnte. Auch andere Regisseure interessierten sich für die Geschichte. Nach ihrem Tod bemühte er sich wieder um die Geschichte und er fand den für ihn richtigen Zugang.

Chronologisch erzählt er, wie die Schwestern Emmanuèle und Pascale mit dem Wunsch ihres Vaters hadern, ihn vom Gegenteil überzeugen wollen und ihn ihm letztendlich doch erfüllen. Es geht dabei auch um die Beziehungen innerhalb einer wohlhabenden, kunstaffinen französischen Familie, in der der Vater ein Kunstsammler, die Mutter Claude de Soria eine bedeutende Bildhauerin, eine Tochter Organisatorin von Klassik-Festivals und die andere eine bekannte Autorin (und verheiratet mit dem Direktor der Cinémathèque française) ist. Das ist natürlich ein Blick in eine sonst von der Öffentlichkeit abgeschirmte Welt und hat etwas von einer Familienaufstellung. Dabei entfaltet sich das problematische Beziehungsgeflecht innerhalb der Familie Bernheim entlang der Frage, ob der Wunsch des nach dem Schlaganfall gelähmten und von fremder Hilfe abhängigem Patriarchen nach einem selbstbestimmten Tod erfüllt werden soll.

Und damit geht es auch um die Frage der Sterbehilfe. Hier spielt die von Hanna Schygulla gespielte Sterbehelferin eine entscheidende Rolle. Sie erklärt die Gesetze dazu in Frankreich (verboten) und in der Schweiz (erlaubt, wenn auf bestimmte Dinge geachtet wird) und als Vertreterin eines Sterbehilfevereins hat sie eine eindeutige Position dazu.

Im Rahmen der Filmgeschichte sind die unterschiedlichen Regeln in Frankreich und der Schweiz nicht der Auftakt zu einer Diskussion über diese Regeln. Sie dienen am Filmende als spannungssteigerndes Element.

Im Mittelpunkt von Ozons selbstverständlich sehenswertem Abschiedsdrama „Alles ist gutgegangen“ steht die Beziehung der beiden Schwestern Emmanuèle und Pascale zueinander und zu ihrem Vater und wie sie sich von seinem Schlaganfall bis zu seinem Tod entwickelt.

Alles ist gutgegangen (Tout s’est bien passé, Frankreich 2021)

Regie: François Ozon

Drehbuch: François Ozon, Philippe Piazzo (Mitarbeit)

LV: Emmanuèle Bernheim: Tout s’est bien passé, 2013 (Alles ist gutgegangen)

mit Sophie Marceau, André Dussollier, Géraldine Pailhas, Charlotte Rampling, Éric Caravaca, Hanna Schygulla, Grégory Gadebois

Länge: 109 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Französische Homepage zum Film

AlloCiné über „Alles ist gutgegangen“

Moviepilot über „Alles ist gutgegangen“

Metacritic Über „Alles ist gutgegangen“

Rotten Tomatoes über „Alles ist gutgegangen“

Wikipedia über „Alles ist gutgegangen“ (deutsch, englisch, französisch)

Meine Besprechung von Francois Ozons “In ihrem Haus” (Dans la Maison, Frankreich 2012)

Meine Besprechung von Francois Ozons ”Jung & Schön” (Jeune & jolie, Frankreich 2013)

Meine Besprechung von Francois Ozons „Eine neue Freundin“ (Une nouvelle amie, Frankreich 2014)

Meine Besprechung von François Ozons „Frantz“ (Frantz, Deutschland/Frankreich 2016)

Meine Besprechung von François Ozons „Der andere Liebhaber“ (L’Amant Double, Frankreich/Belgien 2017)

Meine Besprechung von François Ozons „Gelobt sei Gott“ (Grâce à Dieu, Frankreich 2019)

 


TV-Tipp für den 31. Mai: Rainer-Werner-Fassbinder-Abend mit „Angst essen Seele auf“, „Katzelmacher“ und „Despair – Eine Reise ins Licht“ – und ein Buchhinweis

Mai 31, 2020

75 Jahre wäre Rainer Werner Fassbinder heute geworden, wenn er nicht bereits, mit 37 Jahren, am 10. Juni 1982 überraschend gestorben wäre. Bis zu seinem Tod legte er in wenigen Jahren ein in seiner Quantität (über vierzig Filme, etliche Hörspiele, Theaterstücke und Inszenierungen) und Qualität – er ist unbestritten einer der wichtigsten deutschen Regisseure – beeindruckendes Werk vor.

Dieser Geburtstag wäre für die TV-Sender eine gute Gelegenheit, einmal so richtig tief in den Archiven zu wühlen und eine umfassende und werkkritische Retrospektive zu präsentieren. Also nicht nur die allseits bekannten und kanonisierten Meisterwerke, sondern auch die selten gezeigten Filme zeigen und diese Filme um einige klug gewählte Dokumentationen über Rainer Werner Fassbinder ergänzen.

Diese Aufgabe bleibt, wie schon bei Ingmar Bergman, bei Tele 5 hängen, der heute mit drei gut gewählten Fassbinder-Filmen einen Einblick in sein Werk liefern.

Tele 5, 20.15

Angst essen Seele auf (Deutschland 1973)

Regie: Rainer Werner Fassbinder

Drehbuch: Rainer Werner Fassbinder

Eine verwitwete Putzfrau verliebt sich in einen deutlich jüngeren marokkanischen Gastarbeiter.

Gleich mehrere Tabus brechendes, von Douglas Sirk inspiriertes Drama. Einer von RWFs bekanntesten und beliebtesten Filme.

Mit Brigitte Mira, El Hedi ben Salem, Barbara Valentin, Irm Hermann, Rainer Werner Fassbinder, Karl Scheydt, Walter Sedlemayr, Marquard Bohm, Hark Bohm, Liselotte Eder

Wiederholung: Montag, 1. Juni, 02.30 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

Rotten Tomatoes über „Angst essen Seele auf“

Wikipedia über „Angst essen Seele auf“ (deutsch, englisch)

Tele 5, 22.10

Katzelmacher (Deutschland 1969)

Regie: Rainer Werner Fassbinder

Drehbuch: Rainer Werner Fassbinder (nach seinem Bühnenstück)

Fassbinders zweiter Spielfilm: eine deprimierende Milieustudie: ein griechischer Gastarbeiter trifft eine Münchner Clique. Die Mädchen finden ihn attraktiv. Die Männer wollen ihn loswerden.

Katzelmacher ist ein bayerisches Schimpfwort für aus dem Süden kommende Gastarbeiter, die deutschen Frauen Kinder machen.

mit Hanna Schygulla, Lilith Ungerer, Elga Sorbas, Doris Mattes, Rainer Werner Fassbinder, Harry Baer, Irm Hermann

Wiederholung: Dienstag, 2. Juni, 03.55 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

Rotten Tomatoes über „Katzelmacher“

Wikipedia über „Katzelmacher“ (deutsch, englisch)

Tele 5, 00.00

Despair – Eine Reise ins Licht (Deutschland/Frankreich 1978)

Regie: Rainer Werner Fassbinder

Drehbuch: Tom Stoppard

LV: Vladimir Nabokov: Otchayanie, 1934 (englischer Titel: Despair) (Verzweiflung)

Berlin, zwanziger Jahre: ein Schokoladenfabrikant (Dirk Bogarde) will vor seinen Problemen flüchten. Ein Doppelgänger (Klaus Löwitsch) soll ihm dabei helfen.

Fassbinders erste internationale Produktion, die in Artikeln über RWF normalerweise übergangen wird, zur DVD-Veröffentlichung gelobt wurde und, weil sie im Fernsehen ungefähr nie gezeigt wird, fast unbekannt ist.

Mit Dirk Bogarde, Andrea Ferréol, Volker Spengler, Klaus Löwitsch, Alexander Allerson, Bernhard Wicki, Peter Kern, Gottfried John, Adrian Hoven, Roger Fritz, Hark Bohm, Y Sa Lo, Ingrid Caven, Liselotte Eder

Hinweise

Rotten Tomatoes über „Despair – Eine Reise ins Licht“

Wikipedia über „Despair – Eine Reise ins Licht“ (deutsch, englisch)

Buchhinweis

Auch auf dem Buchmarkt scheint der 75. Geburtstag von RWF auf kein größeres Interesse zu stoßen. Es gibt nur den von Werner C. Barg und Michael Töteberg herausgegebenen Sammelband „Rainer Werner Fassbinder Transmedial“. Die Aufsätze des Buches beruhen, bis auf einen Text, auf zwei Uni-Veranstaltungen, nämlich einer 2017 stattgefundenen Tagung und einer 2018 stattgefundenen Workshopreihe

In dem Buch geht es um die unbekannten Arbeiten von RWF und wie er zwischen Theater, Hörspiel, Spielfilm, TV-Filmen unterschiedlicher Länge und TV-Serien seinen Stil änderte. So plante er bei seiner Döblin-Verfilmung „Berlin Alexanderplatz“ neben der TV-Serie einen Spielfilm. Dabei folgte er nicht dem bekannt-beliebten Hybrid-Modell, in dem der Kinofilm eine kürzere Fassung der TV-Miniserie ist, wie in Wolfgang Petersens „Das Boot“. RWF plante eine konventionelle TV-Serie und einen experimentellen Spielfilm. Letztendlich wurde nichts aus dem Spielfilm, aber der letzte Teil der durchgehend nicht besonders konventionellen TV-Serie, war dann der zweistündige sehr experimentelle Epilog „Mein Traum vom Traum des Franz Biberkopf“.

Werner C. Barg/Michael Töteberg (Hrsg.): Rainer Werner Fassbinder Transmedial

Schüren, 2020

224 Seiten

24,90 Euro

Hinweise

Wikipedia über Rainer Werner Fassbinder

Homepage der Rainer-Werner-Fassbinder-Foundation

Meine Besprechung von Annekatrin Hendels Doku „Fassbinder“ (Deutschland 2015)

Rainer Werner Fassbinder in der Kriminalakte

 


TV-Tipp für den 7. Dezember: Fontane Effi Briest

Dezember 7, 2019

3sat, 20.15

Fontane Effi Briest (Deutschland 1974)

Regie: Rainer Werner Fassbinder

Drehbuch: Rainer Werner Fassbinder

LV: Theodor Fontane: Effi Briest, 1895

Fassbinders grandiose Fontane-Verfimung heißt eigentlich „Fontane Effi Briest oder Viele, die eine Ahnung haben von ihren Möglichkeiten und Bedürfnissen und dennoch das herrschende System in ihrem Kopf akzeptieren durch ihre Taten und es somit festigen und durchaus bestätigen“.

Die Leidensgeschichte der unglücklich zwangsverheirateten und in einen anderen Mann verliebten Effi Briest bestätigt dann den langen Titel.

Zur Einstimmung zeigt 3sat um 19.20 Uhr die neue Doku „Effi Briest oder die Elastizität der Herzen“ über das Frauenbild in den verschiedenen „Effi Briest“-Verfilmungen.

Mit Hanna Schygulla, Wolfgang Schenck, Karlheinz Böhm, Ulli Lommel, Ursula Strätz, Irm Hermann, Hark Bohm, Rudolf Lenz, Barbara Valentin, Eva Mattes

Hinweise

Filmportal über „Fontane Effi Briest“

Rotten Tomatoes über „Fontane Effi Briest“

Wikipedia über „Fontane Effi Briest“ (deutsch, englisch) und Rainer Werner Fassbinder

Homepage der Rainer-Werner-Fassbinder-Foundation

Meine Besprechung von Annekatrin Hendels Doku „Fassbinder“ (Deutschland 2015)

Rainer Werner Fassbinder in der Kriminalakte

 


TV-Tipp für den 8. Mai: Jagdszenen aus Niederbayern

Mai 8, 2019

3sat, 22.00

Jagdszenen aus Niederbayern (Deutschland 1968)

Regie: Peter Fleischmann

Drehbuch: Peter Fleischmann (nach dem Theaterstück von Martin Sperr)

Der zwanzigjährige Abram kehrt nach einem längeren Aufenthalt in Landshut wieder zurück in das niederbayerische Dorf, in dem er aufwuchs. Die Dorfbewohner glauben, dass er homosexuell ist und deswegen im Gefängnis saß. Sie verachten ihn. Nur Hannelore begegnet ihm ohne Vorurteile. Als sie behauptet, Abram habe sie geschwängert, eskaliert die Situation.

Ein Klassiker des Neuen Deutschen Films, der ein wenig schmeichelhaftes Bild der Provinz zeichnet. Der Verleih nennt Fleischmanns Antiheimatfilm zutreffend „eine verstörende Parabel auf Grausamkeit und den alltäglichen Faschismus“.

mit Martin Sperr, Angela Winkler, Else Quecke, Maria Stadler, Hanna Schygulla

Hinweise

3sat über „Jagdszenen aus Niederbayern“

Filmportal über „Jagdszenen aus Niederbayern“

Wikipedia über „Jagdszenen aus Niederbayern“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Peter Fleischmanns „Der dritte Grad“ (La Faille, Deutschland/Frankreich/Italien 1974)


TV-Tipp für den 7. März: Fassbinder

März 7, 2017

NDR, 00.00
Fassbinder (Deutschland 2015)
Regie: Annekatrin Hendel
Drehbuch: Annekatrin Hendel (nach einer Idee von Juliane Maria Lorenz)
Insgesamt sehenswerte Doku über Rainer Werner Fassbinder, die vor allem als Einführung in sein Werk taugt und sich zu sehr seinem Privatleben widmet.
Mehr dazu in meiner ausführlichen Besprechung.
mit Margit Carstensen, Irm Hermann, Juliane Lorenz, Hanna Schygulla, Harry Baer, Hark Bohm, Hubert Gilli, Wolf Gremm, Günter Rohrbach, Fritz Müller-Scherz, Volker Schlöndorff, Thomas Schühly, Rainer Werner Fassbinder (Archivaufnahmen)

Hinweise
Homepage zum Film
Filmportal über „Fassbinder“
Film-Zeit über „Fassbinder“
Moviepilot über „Fassbinder“
Wikipedia über „Fassbinder“ und Rainer Werner Fassbinder
Homepage der Rainer-Werner-Fassbinder-Foundation
Rainer Werner Fassbinder in der Kriminalakte


TV-Tipp für den 10. Juli: Händler der vier Jahreszeiten

Juli 9, 2016

ZDFkultur, 20.15

Händler der vier Jahreszeiten (Deutschland 1972, Regie: Rainer Werner Fassbinder)

Drehbuch: Rainer Werner Fassbinder

München, fünfziger Jahre: der Obsthändler Hans Epp versucht, nachdem er schon in anderen Berufen scheiterte, über die Runden zu kommen, während er von seiner Frau und seiner Mutter drangsaliert wird.

Ein früher Fassbinder-Klassiker und die erste Auseinandersetzung des Jungen Deutschen Films mit den fünfziger Jahren.

mit Hans Hirschmüller, Irm Hermann, Hanna Schygulla, Kurt Raab, Gusti Kreissl, Klaus Löwitsch, Ingrid Caven, Peter Chatel, Walter Sedlmayer, Hark Bohm

Wiederholung: Montag, 11. Juli, 03.25 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

Filmportal über „Händler der vier Jahreszeiten“

Wikipedia über „Händler der vier Jahreszeiten“ (deutsch, englisch) und Rainer Werner Fassbinder

Homepage der Rainer-Werner-Fassbinder-Foundation

Meine Besprechung von Annekatrin Hendels Doku „Fassbinder“ (Deutschland 2015)

Rainer Werner Fassbinder in der Kriminalakte


TV-Tipp für den 13. Februar: Die Ehe der Maria Braun

Februar 13, 2016

3sat, 20.15

Die Ehe der Maria Braun (Deutschland 1978, Regie: Rainer Werner Fassbinder)

Drehbuch: Peter Märtesheimer, Pea Fröhlich (nach einer Idee von Rainer Werner Fassbinder)

Fassbinder-Klassiker über das Leben einer Frau von den Kriegsjahren bis zum 4. Juli 1954.

Mit Hanna Schygulla, Klaus Löwitsch, Ivan Desny, Gottfried John, Gisela Uhlen, Günter Lamprecht, Elisabeth Trissenar, Volker Spengler, Karl-Heinz von Hassel, Michael Ballhaus, Hark Bohm, Günther Kaufmann, Bruce Low, Rainer Werner Fassbinder, Claus Holm

Wiederholung: Montag, 15. Februar, 01.35 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

Arte über Rainer Werner Fassbinder

Wikipedia über “Die Ehe der Maria Braun” und Rainer Werner Fassbinder

Deutsches Filmhaus über „Die Ehe der Maria Braun“

Filmzentrale: Besprechungen von Ulrich Behrens, Janis El-Bira und Dieter Wenk über “Die Ehe der Maria Braun”

Homepage der Rainer-Werner-Fassbinder-Foundation

Meine Besprechung von Annekatrin Hendels Doku “Fassbinder” (Deutschland 2015)

Rainer Werner Fassbinder in der Kriminalakte


TV-Tipp für den 2. Februar: Fassbinder

Februar 2, 2016

BR, 22.45
Fassbinder (Deutschland 2015)
Regie: Annekatrin Hendel
Drehbuch: Annekatrin Hendel (nach einer Idee von Juliane Maria Lorenz)
Insgesamt sehenswerte Doku über Rainer Werner Fassbinder, die vor allem als Einführung in sein Werk taugt und sich zu sehr seinem Privatleben widmet.
Mehr dazu in meiner ausführlichen Besprechung.
mit Margit Carstensen, Irm Hermann, Juliane Lorenz, Hanna Schygulla, Harry Baer, Hark Bohm, Hubert Gilli, Wolf Gremm, Günter Rohrbach, Fritz Müller-Scherz, Volker Schlöndorff, Thomas Schühly, Rainer Werner Fassbinder (Archivaufnahmen)

Hinweise
Homepage zum Film
Filmportal über „Fassbinder“
Film-Zeit über „Fassbinder“
Moviepilot über „Fassbinder“
Wikipedia über „Fassbinder“ und Rainer Werner Fassbinder
Homepage der Rainer-Werner-Fassbinder-Foundation
Rainer Werner Fassbinder in der Kriminalakte


TV-Tipp für den 31. Mai: Baal

Mai 30, 2015

BR, 22.10
Baal (Deutschland 1970, Regie: Volker Schlöndorff)
Drehbuch: Volker Schlöndorff
LV: Bertolt Brecht: Baal, 1918 (erste Fassung; 1919, 1936 und 1954 folgten weitere Fassungen)
Rainer Werner Fassbinder ist Baal, ein egozentrischer, trunksüchtiger Poet, der alles Bürgerliche ablehnt und rücksichtslos nur seinen eigenen Bedürfnissen folgt.
Volker Schlöndorff modernisierte Brechts Theaterstück, Rainer Werner Fassbinder verkörperte ihn – und die Brecht-Witwe Helene Weigel untersagte, nachdem der Film zweimal im Fernsehen lief (am 7. Januar 1970 in den koproduzierenden Dritten Programmen, die damals nur eine regionale Verbreitung hatten, und am 21. April 1970 in der ARD), jede weitere Vorführung. Es sei keine werkgetreue Interpretation.
Erst 2014 konnte „Baal“ (nachdem man schon glaubte, der Film würde zu den verlorenen Kunstwerken gehören) auf der Berlinale wiederaufgeführt werden. Danach lief er im Kino, kaum auf DVD heraus – und läuft jetzt, nach 45 Jahren, wieder im Fernsehen.
Die Musik ist von Klaus Doldinger. Kameramann war Dietrich Lohmann.
mit Rainer Werner Fassbinder, Sigfried Graue, Margarethe von Trotta, Günther Neutze, Miriam Spoerri, Hanna Schygulla, Irm Hermann, Walter Sedlmayr

Hinweise

Berlinale über „Baal“

Wikipedia über „Baal“ und Rainer Werner Fassbinder

Meine Besprechung von Annekatrin Hendels Dokumentarfilm „Fassbinder“ (Deutschland 2015)

Homepage der Rainer-Werner-Fassbinder-Foundation

Rainer Werner Fassbinder in der Kriminalakte

Homepage von Volker Schlöndorff

Deutsches Filminstitut über Volker Schlöndorff und „Baal“ (viel Stoff) und über die Sammlung Volker Schlöndorff

Kriminalakte über Volker Schlönforff

Kriminalakte gratuliert Volker Schlöndorff zum 75. Geburtstag


TV-Tipp für den 27. Mai: Die Ehe der Maria Braun

Mai 27, 2015

Arte, 20.15

Die Ehe der Maria Braun (Deutschland 1978, Regie: Rainer Werner Fassbinder)

Drehbuch: Peter Märtesheimer, Pea Fröhlich (nach einer Idee von Rainer Werner Fassbinder)

Fassbinder-Klassiker über das Leben einer Frau von den Kriegsjahren bis zum 4. Juli 1954.

Danach, um 22.10 Uhr, läuft die ziemlich brandneue Doku „Fassbinder“ (hier besprochen).

Mit Hanna Schygulla, Klaus Löwitsch, Ivan Desny, Gottfried John, Gisela Uhlen, Günter Lamprecht, Elisabeth Trissenar, Volker Spengler, Karl-Heinz von Hassel, Michael Ballhaus, Hark Bohm, Günther Kaufmann, Bruce Low, Rainer Werner Fassbinder, Claus Holm

Hinweise

Arte über Rainer Werner Fassbinder

Wikipedia über “Die Ehe der Maria Braun” und Rainer Werner Fassbinder

Deutsches Filmhaus über „Die Ehe der Maria Braun“

Filmzentrale: Besprechungen von Ulrich Behrens, Janis El-Bira und Dieter Wenk über “Die Ehe der Maria Braun”

Homepage der Rainer-Werner-Fassbinder-Foundation

Rainer Werner Fassbinder in der Kriminalakte


Neu im Kino/Filmkritik: „Fassbinder“ erzählt über Rainer Werner Fassbinder

Mai 1, 2015

Rainer Werner Fassbinder, 31. Mai 1945 – 10. Juni 1982
Erster Spielfilm 1969: Liebe ist kälter als der Tod
Letzter Spielfilm 1982: Querelle – Ein Pakt mit dem Teufel
Dazwischen insgesamt über vierzig Spielfilme, zwei Fernsehserien, ein TV-Zweiteiler, Theaterarbeiten und einige weitere Werke als Regisseur, Autor, Schauspieler und bei seinen Filmen, teils unter Pseudonym, in weiteren Funktionen.
Unklar ist, wann Rainer Werner Fassbinder schlief. Denn er schrieb bei seinen Filmen, bis auf eine Ausnahme, auch das Drehbuch. Manchmal half ihm ein Co-Autor, meistens nicht. Und obwohl er nicht der einzige Regisseur des Jungen Deutschen Films war, markieren sein erster und letzter Film auch Anfang und Ende des Jungen Deutschen Films. Im Ausland ist er immer noch bekannt. Etliche Regisseure sind von ihm beeinflusst.
Thomas Elsaesser, der Kenner des deutschen Films, leitet sein umfangreiches Buch „Rainer Werner Fassbinder“ (Fassbinder’s Germany. History, Identity, Subject, 1996) mit folgenden, noch heute gültigen Worten ein: „In der Filmgeschichte seit 1945 steht Rainer Werner Fassbinder einzig da. Wenig mehr als ein Jahrzehnt hatte er, um sich durchzusetzen, zwischen 1969 und 1982 veränderte er die Vorstellung, die man vom modernen Kino haben konnte: Dabei musste er die deutsche Filmgeschichte umschreiben, um sich in sie einzuschreiben. Seither hat sein Werk eine eigenartige Metamorphose erlebt. Einige seiner Filme sind Teil des Kanons geworden: ‚Die bitteren Tränen der Petra von Kant‘, ‚Angst essen Seele auf‘ und ‚Die Ehe der Maria Braun‘ gehören zu den Meilensteinen des europäischen Kinos und sichern ihm einen unumstrittenen Platz als Filmkünstler und auteur. Aber das Gesamtwerk ist unsichtbar geworden, verdeckt von Fassbinders ‚Leben‘.“
Immer noch ist in Deutschland sein Werk nicht vollständig erhältlich. Sogar „Querelle“ ist bei uns nicht auf DVD oder Blu-ray erhältlich und lief bislang noch nie im Fernsehen. Sein Mammutwerk „Berlin Alexanderplatz“ lief zuletzt vor, ich schätze mal, ungefähr zehn Jahren auf Arte und 2008 im Spartenkanal Eins Festival. Auch andere seiner Filme laufen fast nie oder nie im Fernsehen, während „Angst essen Seele auf“ und „Die Ehe der Maria Braun“ regelmäßig gezeigt werden.
Bevor in den letzten Jahren seine Filme sukzessiv auf DVD und Blu-ray veröffentlicht wurden, waren sie in den Achtzigern und Neunzigern öffentlich kaum zugänglich. Wahrscheinlich wurde deshalb lieber über sein Leben gesprochen.
Seit 1992 ist Juliane Lorenz, seine letzte Ehefrau, die nicht unumstrittene Direktorin der Rainer Werner Fassbinder Foundation (RWFF) und damit die Verwalterin seiner Filme und des Bildes, das die Öffentlichkeit von ihrem Ehemann haben soll. Sie hatte auch die Idee für die jetzt im Kino anlaufende Dokumentation „Fassbinder“, die von ihr mitproduziert wurde und in der sie auch auftritt. Spätestens in dem Moment wird deutlich, dass „Fassbinder“ eine offizielle Dokumentation ist, die deshalb auch an einem bestimmten Bild des Porträtierten interessiert ist.
Regisseurin Annekatrin Hendel strukturiert in ihrer Dokumentation, obwohl sie weitgehend chronologisch erzählt, das Material etwas thematisch. Es gibt einen Blick auf Fassbinders erste Arbeiten, die er als Schüler im Internat schrieb, einige alte Filmschnipsel von Aufführungen des action-theater, das in München die Keimzelle für Fassbinders spätere Gruppe war, in der sich Beruf und Privatleben vermischten. Eben diese Vermischung und Fassbinders manipulativer Charakter werden dann auch in fast allen Statements angesprochen. Margit Carstensen, Irm Hermann, Hanna Schygulla und Harry Baer, die zur ursprünglichen Fassbinder-Truppe gehörten, sprechen ausführlicher darüber.
Auch die Regisseure Hark Bohm, der in einigen Fassbinder-Filmen mitspielte, und Volker Schlöndorff, der Fassbinder 1969 als „Baal“ inszenierte, werden darauf angesprochen. Sie liefern auch einen Blick von außen und vor allem Schlöndorff ordnet Fassbinders Werk und Wirken etwas ein. Aber eigentlich wäre das die Aufgabe der Regisseurin und von Filmwissenschaftlern, die nicht befragt wurden, gewesen. WDR-Redakteur Günter Rohrbach erzählt von seiner ersten Begegnung mit Fassbinder. Es ist eine Anekdote, bei der der Regisseur eine beträchtliche Menge Alkohol trank. Wolf Gremm, der mit „Kamikaze 1989“ einen der wenigen Filme inszenierte, in denen Fassbinder nur als Schauspieler auftrat, erzählt von seiner letzten Begegnung mit Fassbinder, kurz vor seinem plötzlichen Tod.
Diese Zeitzeugenberichte sind alle sehr nett anzusehen, aber den alten Fassbinder-Fans dürfte die konventionelle Doku nichts Neues erzählen und teilweise sogar ärgern. Jüngeren bietet sie einen hoffentlich neugierig machenden ersten Eindruck von diesem Kraftzentrum des deutschen Films. Denn nach „Fassbinder“ ist das Privatleben des Bürgerschrecks abgehandelt (seine Sexualität, sein Drogenkonsum, seine Steuerprobleme [Uups, das war mir neu, hat mich aber als eine an seinem Werk interessierte Person nie interessiert.]) und man kann sich um sein heute immer noch wichtiges und einflussreiches Werk, in dem er auch die siebziger Jahre und die sozialdemokratische Bundesrepublik porträtiert, widmen.
Denn selbstverständlich ist die Film propagierte These, dass bei Fassbinder sich seine persönlichen Probleme Eins-zu-Eins in seinen Filmen widerspiegeln, dass es in seinen Filmen immer nur, kaum verhüllt, um ihn geht und seine Besetzungsentscheidungen ausschließlich von seinen sexuellen Wünschen getrieben waren, in der Absolutheit Unfug. Es wird auch seinem vielfältigem Werk in keinster Weise gerecht.
Arte zeigt die Doku am Mittwoch, den 27. Mai, um 22.10 Uhr. Davor läuft „Die Ehe der Maria Braun“. Das Erste zeigt sie am Dienstag, den 16. Juni. Die Uhrzeit ist noch unbekannt, aber alles vor 23.00 Uhr wäre eine Sensation.

Fassbinder - Plakat

Fassbinder (Deutschland 2015)
Regie: Annekatrin Hendel
Drehbuch: Annekatrin Hendel (nach einer Idee von Juliane Maria Lorenz)
mit Margit Carstensen, Irm Hermann, Juliane Lorenz, Hanna Schygulla, Harry Baer, Hark Bohm, Hubert Gilli, Wolf Gremm, Günter Rohrbach, Fritz Müller-Scherz, Volker Schlöndorff, Thomas Schühly, Rainer Werner Fassbinder (Archivaufnahmen)
Länge: 92 Minuten
FSK: ?

Hinweise
Homepage zum Film
Filmportal über „Fassbinder“
Film-Zeit über „Fassbinder“
Moviepilot über „Fassbinder“
Wikipedia über „Fassbinder“ und Rainer Werner Fassbinder
Homepage der Rainer-Werner-Fassbinder-Foundation
Rainer Werner Fassbinder in der Kriminalakte

Einige Bilder von der Premiere am 27. April in der Volksbühne


Neu im Kino/Filmkritik: „Vijay & ich – Meine Frau geht fremd mit mir“ und das ist gar nicht witzig

September 9, 2013

Auf den ersten Blick wirkt die Geschichte von „Vijay & ich“ nicht besonders vielversprechend: nachdem man den Protagonisten für tot hält, geht er verkleidet zu seiner Beerdigung und bringt danach das Leben der Hinterbliebenen durcheinander. Gleichzeitig wird es für ihn immer schwieriger, die Charade aufzudecken.

Das ist uralter Verwechslungskomödienstoff.

Auf den zweiten Blick könnte „Vijay & ich“ durchaus ein sehenswerter Film sein. Denn Sam Garbarski inszenierte den Film nach seinem Drehbuch. Er drehte auch den märchenhaften Berlinale-Liebling „Irina Palm“ mit Marianne Faithfull als ältliche Hausfrau, die in einem Soho-Sex-Club das dringend benötigte Geld für eine lebensrettende Operation ihres Enkels erarbeitet, zum Star des Clubs wird und sich mit den Vorwürfen ihres Sohnes, der mit ihrer Arbeit durchaus nachvollziehbare Probleme hat, auseinandersetzten muss. Garbarski inszenierte damals sehr geschmackvoll Anzügliches und gewann der Geschichte von der Mutter, die für ihre Kinder über sich hinauswächst, einige neue Aspekte ab.

Warum also nicht auch jetzt?

Aber nach der hübsch atmosphärisch animierten Titelsequenz im Stil von Komödien aus den fünfziger und sechziger Jahren gelingt es dem Film dann nie, einen auch nur annähernd zeitgenössischen oder auch nur halbwegs originellen Zugriff auf die Geschichte zu entwickeln.

Moritz Bleibtreu spielt den deutschen Schauspieler Wilhelm ‚Will‘ Wilder, der in New York in einer Kinderfernsehsendung das „Grüne Pechkaninchen“ spielt. An seinem vierzigsten Geburtstag hofft er auf eine große Geburtstagsfeier. Aber niemand gratuliert ihm und beim Dreh wird er von den kryptischen Vorschlägen der Regie zu seinem Spiel weiter gedemütigt. Entnervt verlässt er den TV-Sender, bekommt daher nichts von der pompös geplanten Überraschungsgeburtstagsfeier mit, und an einer Tankstelle wird ihm sein Auto geklaut. Wilder hat das Leben gründlich satt und als er bei seinem Freund Rad (Danny Pudi) übernachtet, erfährt er aus den Nachrichten, dass der Autodieb in seinem Auto tödlich verunglückte und bis zur Unkenntlichkeit verbrannte.

Wilder will sich nun an all denen, die ihm nicht zum Geburtstag gratulierten, rächen. Er klärt den Irrtum nicht auf, sondern verkleidet sich als Vijay Singh, einem angeblichen Freund von Wilder, und geht zu Wilders Beerdigung. Daraus entwickelt sich eine Beziehung zu seiner Frau Julia (Patricia Arquette), die sich natürlich sofort in den geheimnisvollen Inder verliebt.

Dieser hoffnungslos veraltete und klischeetriefende Komödienstoff – Garbarski hat wahrscheinlich kein verzopftes Indien-Klischee ausgelassen – könnte unterhaltsam sein, wenn er die Klischees wenigstens ironisch brechen oder ihnen irgendetwas neues hinzu fügen würde. Aber er tut es nicht. Auch Situationskomik gibt es höchstens in homöopathischen Dosen.

Vijay und ich“ sieht wie ein Heinz-Erhardt-Film aus den fünfziger Jahren aus. Aber während man diese Filme und ihre Klischees, Vorurteile, Unwahrscheinlichkeiten und schlecht verkleideten Schauspieler inzwischen durch die nostalgische Brille betrachten kann, trifft das auf „Vijay & ich“ nicht zu. Garbarskis Films ist banal-biederes, witzloses Retrokino, dessen Zeit vor einem guten halben Jahrhundert war.

Vijay und ich - Plakat

Vijay & ich – Meine Frau geht fremd mit mir (Vijay and I, Deutschland/Belgien/Luxemburg 2012)

Regie: Sam Garbarski

Drehbuch: Philippe Blasband, Matthew Robbins, Sam Garbarski (nach einer Idee von Sam Garbaski)

mit Moritz Bleibtreu, Patricia Arquette, Danny Pudi, Catherine Missal, Michael Imperioli, Jeannie Berlin, Moni Moshonov, Hanna Schygulla, Michael Gwisdek

Länge: 96 Minuten

FSK: ab 6 Jahre

Hinweise

Homepage zum Film

Film-Zeit über „Vijay und ich“

Moviepilot über „Vijay und ich“

Rotten Tomatoes über „Vijay und ich“ (derzeit leer)