James Ellroy: „American Dog” (Frankreich 2005, Regie: Clara Kuperberg, Robert Kuperberg)
Drehbuch: Clara Kuperberg, Robert Kuperberg
Okaye Doku über den Thrillerautor. Im Mittelpunkt stehen seine Nachforschungen zum Mord an seiner Mutter, die er später auch in dem Roman „Die Rothaarige“ (1997) verarbeitete, und dem Mord an der „Schwarzen Dahlie“ Betty Short. Das aktuellere Schaffen von Ellroy und sein Werk neben diesen beiden Büchern werden in der Doku sträflich ignoriert.
Eben via Variety erfahren: James Ellroy (ja, genau DER James Ellroy!) verkauft sein in den Hügeln von Hollywood liegendes Haus, in dem er die letzten drei Jahr lebte. Es kostet natürlich eine Kleinigkeit (so 1,4 Millionen), aber, hey, es ist das Haus von Misterrr James Ellroyyy!!!
Die schwarze Dahlie (USA 2006, Regie: Brian de Palma)
Drehbuch: Josh Friedman
LV: James Ellroy: The Black Dahlia, 1987 (Die Schwarze Dahlie)
Hollywood, 1947: Zwei Polizisten versuchen herauszufinden, warum das Starlet Elizabeth Short, die titelgebende schwarze Dahlie, ermordet wurde. Sie stolpern in das typische Ellroy-Gestrüpp aus Mord, Verrat, Sex, Gier, Geld und Gewalt.
Machen wir’s kurz: langatmiges, vollkommen gescheitertes Ausstattungskino. Schade um das Geld.
Mit Josh Hartnett, Aaron, Eckhart, Scarlett Johansson, Hilary Swank, Mia Kirshner, Gregg Henry
Nächste Woche tourt James Ellroy mit seinem neuen Roman „Perfidia“ durch einige deutsche Städte:
KÖLN
Montag, 16. März, 19:30 Uhr
Lit.COLOGNE, Schauspiel Köln Depot 1 (Schanzenstraße 6-20, 51063 Köln)
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HAMBURG
Dienstag, 17. März, 19:30 Uhr
Literaturhaus (Schwanenwik 38, 22087 Hamburg)
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HANNOVER
Mittwoch, 18. März, 20:00 Uhr
Literarischer Salon Hannover (Königsworther Platz 1, 30167 Hannover)
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BERLIN
Donnerstag, 19. März, 19:00 Uhr
Dussmann – Das KulturKaufhaus (Friedrichstr.90, 10117 Berlin) (das bei seiner letzten Lesung übervoll war)
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MÜNCHEN
Freitag, 29. Januar, 19:00 Uhr
Krimifestival, Amerika-Haus (Waldstraße 9, 82211 Herrsching am Ammersee
Ich bin gerade beim Lesen des Romans, der mit gut eintausend Seiten volumös geraten ist. Es dürfte, unabhängig vom Drucksatz (dafür ein Lob: er sieht sehr lesefreundlich aus), sein umfangreichster Roman sein. Also noch länger als die jeweils achthundertseitigen „Ein amerikanischer Thriller“, „Ein amerikanischer Albtraum“ und „Blut will fließen“. Die waren, weil Ellroy in seiner „Underworld USA“-Trilogie die Marotte hatte, seitenlang aus Zeitungsberichten, Aktennotizen und Protokollen zu zitieren und seine Sätze auf möglichst wenige Worte einzudampfen, fast unlesbar. Dass er gleichzeitig das Bild einer großen Verschwörung, in der alle irgendwie beteiligt sind und alles miteinander zusammenhängt, entwarf, half nicht. Stattdessen hatte ich oft den Eindruck, dass er eine Best-of populärer Agententhriller, Privatdetektiv- und Polizeiromane, versetzt mit populären Verschwörungstheorien und exzessivem Name-Dropping, schrieb, in der, weil die Handlung sich über mehrere Jahre quer über den Globus bewegte (halt überall, wo die CIA mitmischte) und keinen erzählerischen Fokus mehr hatte. Jedenfalls keinen Fokus, der auf eine nachvollziehbare Geschichte gerichtet war. Stattdessen ging es ihm eher um das Bild und das Gefühl einer allumfassenden Verschwörung.
Dagegen ist der erste Eindruck von seinem neuen Roman „Perfidia“ schon einmal positiv. James Ellroy kehrt zurück nach Los Angeles. Der Roman spielt in einer begrenzten Zeit (6. – 29. Dezember 1941) und James Ellroy schreibt, endlich wieder ganze Sätze. Ja! James ELLROY schreibt! Gaaaanze Sätze!!!
Er verzichtet auch, wie ein kurzes Blättern im Buch zeigt, auf Zeitungsberichte und Aktennotizen. Es gibt nur viele Ausschnitte aus dem Tagebuch von Kay Lake.
Auch die Geschichte beginnt gut: Eine japanische Familie wird tot aufgefunden. Anfangs ist unklar, ob es sich um Mord oder Selbstmord handelt. Der japanischstämmige, extrem intelligente Hideo Ashida findet schon am Tatort genug Hinweise für einen Mord, um Ermittlungen zu initieren. Als die Japaner Pearl Harbor überfallen, wird aus dem banalen Mordfall ein politisch wichtiger Mordfall, der unbedingt mit der Überführung des richtigen Täters (vulgo eines Japaners) aufgeklärt werden soll.
Aber dann – ich bin jetzt auf Seite 379 und meine Leselust ist inzwischen nicht mehr besonders groß – beginnt James Ellroy ein breites, ungeheuer detailreiches Panorama von Los Angeles nach Pearl Harbor zu entwerfen. Die Mordermittlung bewegt sich nicht mehr wirklich voran. Stattdessen geht es, in einem Gestrüpp von kaum miteinander zusammenhängenden Handlungssträngen, um Korruption in der Polizei. Politische Intrigen. Den Kampf gegen die Kommunisten. Die Angst vor den Japanern. Und natürlich alle möglichen fünften Kolonnen, die als Kämpfer versuchten, möglichst unerkannt im Feindesland zu leben und Sabotage zu betreiben.
Und ungefähr jede zweite Seite werden ein, zwei Knochen gebrochen, was uns – immerhin sind die Knochenbrecher immer Polizisten – sicher einiges über Polizeibrutalität verraten soll, aber nach dem ersten Dutzend gebrochener Arme nur noch langweilt.
Das liest sich immer mehr wie eine Neuauflage von „L. A. Confidential“. Nur schlechter und länger.
Insofern ist die Ankündigung von James Ellroy, dass „Perfidia“ der Auftakt zu einem zweiten „L. A. Quartett“ werden soll, das zeitlich vor dem bekannten „L. A. Quartett“ („Die schwarze Dahlie“, „Blutschatten“, „L. A. Confidential“ und „White Jazz“) spielt und in dem viele aus diesen Romanen bekannte Charaktere wieder auftauchen, fast wie eine Drohung.
Aber vielleicht braucht Ellroy auch nur einen guten Lektor, der beherzt dicke Schneisen in das erzählerische Gestrüpp schlägt und den Roman auf fünfhundert Seiten eindampft.
James Ellroy: Perfidia (übersetzt von Stephen Tree) Ullstein, 2015 960 Seiten
25 Euro
– Originalausgabe
Perfidia
Alfred A. Knopf, 2014
ServusTV, 22.00 Rampart – Cop außer Kontrolle(Rampart, USA 2011)
Regie: Oren Moverman
Drehbuch: James Ellroy, Oren Moverman
Los Angeles, kurz nach dem Rampart-Skandal: der rassistische Streifenpolizist Dave Brown verprügelt vor laufender Kamera einen Mann. Jetzt soll Brown geopfert werden, um das Image der Polizei wieder herzustellen.
Woody Harrelson hält diesen Film zusammen und als erstklassig besetzte Charakterstudie überzeugt „Rampart“, der eindeutig vom US-amerikanischen New Hollywood der siebziger Jahre, als der „Taxi Driver“ und „Der Pate“ das Publikum mit komplexen und wenig vorbildlichen Charakteren konfrontierte, und dem europäischen Kino inspiriert ist. Mehr in meiner ausführlichen Besprechung, die mit vielen O-Tönen von Oren Moverman und Woody Harrelson garniert ist.
mit Woody Harrelson, Robin Wright, Anne Heche, Cynthia Nixon, Steve Buscemi, Ice Cube, Sigourney Weaver, Ben Foster, Ned Beatty, Jon Bernthal, Brie Larson Wiederholung: Samstag, 14. März, 00.40 Uhr (Taggenau!)
LV: James Ellroy: Watchman/The night Watchman (Originalgeschichte)
Die Story klingt nach einem typischen Ellroy – oder dem typischen Cop-Thriller der Marke „Korrupter Cop sitzt in der Scheiße; entdeckt, (Überraschung!) dass die Polizei korrupt ist und stellt sich auf die Seite der Guten“. Denken Sie nur an die Ellroy-Verfilmung „Dark Blue“ (für die Ayer das Drehbuch schrieb), ersetzen Kurt Russell durch Keanu Reeves, lassen den Rookie Scott Speedman weg und wir haben den nächsten düsteren, bleihaltigen LA-Copthriller.
Ellroys Story ist eine nicht veröffentlichte Originalgeschichte und sollte bereits vor Jahren als „Watchman“ oder auch „The night Watchman“ verfilmt werden. David Fincher, Spike Lee und Oliver Stone waren als Regisseure im Gespräch. Für den Film wurde Ellroys Drehbuch dann von mehreren Autoren (zwei schafften es in die Credits, aber Ayer soll und John Ridley hat vor Jahren an dem Drehbuch gearbeitet) bearbeitet.
Mit Keanu Reeves, Forest Whitaker, Hugh Laurie, Chris Evans, Martha Higareda, Cedric the Entertainer, Amaury Nolasco
Druckfrisch und schwer in der Hand liegend: die deutsche Übersetzung von „Perfidia“, dem neuen Opus von James Ellroy, das der Auftakt zu einem neuen „L. A. Quartett“ ist, das zeitlich vor seinen bereits in Los Angeles spielenden Romanen, wie „Die schwarze Dahlie“, „Blutschatten“, „L. A. Confidential“ und „White Jazz“ spielt.
James Ellroy sagt zu seinem neuen Werk: „Besessenheit steht mir gut. Die Liebe zur Sprache definiert mich. Diesbezüglich fordere ich andauernd mein Geburtsrecht ein. Ich bin ein in Los Angeles geborener Amerikaner. Die Geschichte hat mich einmal mehr an meinen Schreibtisch gerufen. Mein Roman heißt “Perfidia“. Der Titel bedeutet auf Spanisch “Verrat“ und verweist auf ein klagendes Lied der späten Dreißigerjahre. Der Roman ist 960 Seiten lang und in jeder Hinsicht groß angelegt. Die Geschichte erstreckt sich vom 6. bis zum 29. Dezember 1941. Männer und Frauen mit großen Seelen geraten in Los Angeles im Monat von Pearl Harbor aneinander. Sie hab en große Überzeugungen, große Träume und ein tief gestörtes Pflichtbewusstsein. Sie arbeiten mit- und gegeneinander, um ein großes Verbrechen aufzuklären , und streben groß und ruchlos nach Liebe. “Perfidia“ ist die Quintessenz dessen, was ich über die Kunst und das Handwerk des Geschichtenerzählens, was ich über Geschichte, über Männer und Frauen weiß, und über die immer wieder drängende Frage, warum Menschen tun , was sie tun. Ich bin in die Vergangenheit hinabgestiegen und mit einem Geschenk für Sie zurückgekehrt. Das ich mit meinen allerbesten Wünschen anzunehmen bitte.“
Auf meiner Leseliste für die nächsten Tage steht das gut tausendseitige Werk.
Dass „Der Hilliker-Fluch – Meine Suche nach der Frau“ eine normale Biographie ist, kann man dem Buch nicht vorwerfen. Immerhin ist es von James Ellroy und er kann sich inszenieren. Außerdem lebte er in seinen düsteren Kriminalromanen voller Sex und Gewalt seine Obsessionen schon breit aus. In Interviews verhehlte er nie, wie wichtig für ihn der Tod seiner Mutter Jean Hilliker war. Sie wurde 1958 ermordet. Der Mord wurde nie aufgeklärt und auch als James Ellroy sich Jahrzehnte später auf die Suche nach dem Täter machte, fand er ihn nicht. Er schrieb darüber „Die Rothaarige – Die Suche nach dem Mörder meiner Mutter“ (My dark places, 1996).
In „Der Hilliker-Fluch – Meine Suche nach der Frau“ erzählt er von seiner Jugend, seinem dysfunktionalem Elternhaus, wie er als kleiner Spanner durch die Vorgärten schlich und wie er später in jeder Frau seine Mutter, die Wahre und Eine, suchte.
„Ich habe fünf Jahrzehnte mit der Suche nach einer bestimmten Frau zugebracht, um einen Mythos zu zerstören. Der Mythos war selbstgeschaffen und willkürlich definiert. Ich habe ihm eine Geschichte aufgezwungen, um mein eigenes Überleben zu sicher. Sie erforderte Schuld, um den Kummer zu unterdrücken und meine verrückte Leidenschaft zu rechtfertigen. Der Fluch war ein halber Segen. Ich habe ganz gut damit gelebt.
Damit mich die Frauen lieben.“
Dabei entsteht, anhand seiner teilweise langjährigen Beziehungen zu verschiedenen Frauen, so etwas wie ein Biographie, die, gerade weil James Ellroy dabei am allerschlechtesten wegkommt, durchaus ungeschönt und nah an der Wahrheit sein dürfte.
„Der Hilliker-Fluch“ ist natürlich in erster Linie ein Buch für den James-Ellroy-Fan und nachdem er in seinen letzten Büchern immer knapper und unlesbarer schrieb, kehrt er jetzt wieder zu einem normalen Satzbau zurück und demontiert sich zuerst gründlich, nur um sich als „der größte Krimiautor, der je gelebt hat“ (Ellroy in seiner üblichen Bescheidenheit) doch wieder aufzubauen. Denn natürlich ist Ellroy auch als von Selbstzweifeln geplagter Spanner und Schürzenjäger der Größte.
Gerade dieser Zwiespalt, verbunden mit einem wohldosiertem Blick hinter die Kulissen, macht den „Hilliker-Fluch“ allerdings auch so lesenswert.
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James Ellroy: Der Hilliker-Fluch – Meine Suche nach der Frau
(übersetzt von Stephen Tree)
Ullstein, 2012
256 Seiten
19,99 Euro
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Originalausgabe
The Hilliker Curse – My Pursuit of Women
Alfred A. Knopf Inc., New York 2010
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Hinweise
James Ellroy stellt „Der Hilliker-Fluch“ vor (Teil 1, Teil 2, Teil 3 – die normale Verlinkung klappt im Moment nicht)