2017 stand das Drehbuch für „Call Jane“ auf der Blacklist. Das ist eine Liste der besten Drehbücher, die in Hollywood zirkulieren, aber noch nicht verfilmt sind.
Jetzt kommt die Verfilmung des Buchs in die Kinos. Und nach einem im Juni 2022 erfolgtem Urteil des Supreme Courts ist die in den späten sechziger Jahren spielende Geschichte wieder brennend aktuell.
Joy Griffin (Elizabeth Banks) ist eine typische Vorstadt-Hausfrau, wie wir sie aus US-Filmen und US-TV-Familienserien, die in den Fünfzigern und Sechzigern spielen, kennen. Ihr Mann ist ein in der Kanzlei beliebter Anwalt, dem eine große Karriere prophezeit wird. Sie erledigt den Haushalt. Sie kocht für ihren Mann und ihre langsam erwachsen werdende Tochter jeden Tag ein großes Abendessen. Sie scheint restlos glücklich zu sein. Alles scheint perfekt zu sein.
Als Joy im August 1968 wieder schwanger wird, sagt ihr Arzt ihr, dass sie die Schwangerschaft wegen einer Erkrankung ihres Herzmuskels wahrscheinlich nicht überleben werde. Durch eine Abtreibung könnte ihr Tod verhindert werden. Aber damals war in den USA eine Abtreibung verboten. Ein männlich besetztes Gremium könnte über eine Ausnahme entscheiden. Sie lehnen ab. Auch andere Möglichkeiten schlagen aus verschiedenen Gründen fehl.
Da entdeckt Joy einen Zettel, der über die Arbeit der Janes informiert. Das ist ihr erster Kontakt zu dieser Frauengruppe. Sie sind – was wir im Film langsam erfahren – eine in den USA bekannte, in mehreren Spiel- und Dokumentarfilmen porträtierte Gruppe. 1968 fanden sie als Untergrund-Selbsthilfegruppe zusammen. Sie vermittelten Abtreibungen. Zunächst wurden die Abtreibungen von Ärzten durchgeführt. Später von Mitgliedern der Gruppe. Im Gegensatz zu irgendwelchen Kurpfuschern, die Frauen bei von ihnen vorgenommenen Abtreibungen schwer verletzten und töteten, geschah das bei den Janes nicht. 1973 legalisierte der Supreme Court mit dem Urteil Roe v. Wade die Abtreibung. Das Jane Kollektiv löste sich auf. Ihre Dienste wurden nicht mehr benötigt. Ärzte und Kliniken konnten es seitdem legal tun.
All das weiß Joy nicht, als sie dort anruft und die Abtreibung vornehmen lässt. Danach könnte die Angelegenheit für sie vorbei sein. Aber Virginia (Sigourney Weaver), die Leiterin der Gruppe, ruft sie kurz darauf an. Sie müsse ihnen helfen und eine Frau zu einer Abtreibung fahren. Joy tut es und engagiert sich danach immer stärker in der Gruppe.
„Call Jane“ ist ein erstaunlich langweiliger Film über ein wichtiges, hochgradig umstrittenes Thema und über das Jane Kollektiv.
Die Drehbuchautorinnen Hayley Schore udnd Roshan Sethi und Regisseurin Phyllis Nagy (Drehbuch für die tolle Patricia-Highsmith-Verfilmung „Carol“) erzählen eine Geschichte, die sich großzügig bei den Fakten bedient. Letztendlich wird eine erfundene Geschichte erzählt. Der historische Hintergrund bleibt diffus. Die Bedrohungen der Janes durch die Mafia und die Polizei sind nicht existent. Es wirkt, als böten sie eine vor dem Gesetz verbotene, aber allgemein akzeptierte und willkommene Dienstleistung an. Auch in der Gruppe gibt es keine nennenswerten Konflikte. Das gleiche gilt für Joys Familie. Über lange Zeit tolerieren ihr Mann und ihre Tochter klaglos, dass Joy neben dem Haushalt andere Dinge tut. Als sie erfahren, dass sie keinen Malkurs besucht, sondern ohne eine medizinische Ausbildung Abtreibungen vornimmt, haben sie nach einer kurzen Schocksekunde keine Probleme damit. Im Gegenteil.
Auch über Joys Motive, also warum sich eine konservative Vorstadthausfrau in einem feministischem Kollektiv engagiert, Straftaten begeht und so ihr gesamtes bisheriges Leben gefährdet, erfahren wir nichts. Sie tut es, weil es so im Drehbuch steht.
Diese durchgehende Abwesenheit von Konflikten führt dazu, dass die Geschichte über zwei Stunden vor sich hin plätschert und niemals auch nur im Ansatz ihr Potential ausschöpft.
Call Jane (Call Jane, USA 2022)
Regie: Phyllis Nagy
Drehbuch: Hayley Schore, Roshan Sethi
mit Elizabeth Banks, Sigourney Weaver, Chris Messina, Kate Mara, Wunmi Mosaku, Cory Michael Smith, Grace Edwards, Aida Turturro
LV: Patricia Highsmith: The Price of Salt, 1952 (Erstveröffentlichung unter dem Pseudonym Claire Morgan; Wiederveröffentlichung unter ihrem Namen als „Carol“, deutsche Titel „Salz und sein Preis“ und „Carol oder Salz und sein Preis“)
New York, 1950: zwei Frauen verlieben sich ineinander – und verstoßen damit gegen die gesellschaftlichen Konventionen.
Gelungene, sehr stilbewusste und sensible Patricia-Highsmith-Verfilmung, die kein Kriminalfilm (was man bei Highsmith ja erwartet), sondern eine tragische Liebesgeschichte ist.
LV: Patricia Highsmith: The Price of Salt, 1952 (Erstveröffentlichung unter dem Pseudonym Claire Morgan; Wiederveröffentlichung unter ihrem Namen als „Carol“, deutsche Titel „Salz und sein Preis“ und „Carol oder Salz und sein Preis“)
New York, 1950: zwei Frauen verlieben sich ineinander – und verstoßen damit gegen die gesellschaftlichen Konventionen.
Gelungene, sehr stilbewusste und sensible Patricia-Highsmith-Verfilmung, die kein Kriminalfilm (was man bei Highsmith ja erwartet), sondern eine tragische Liebesgeschichte ist.
LV: Patricia Highsmith: The Price of Salt, 1952 (Erstveröffentlichung unter dem Pseudonym Claire Morgan; Wiederveröffentlichung unter ihrem Namen als „Carol“, deutsche Titel „Salz und sein Preis“ und „Carol oder Salz und sein Preis“)
New York, 1950: zwei Frauen verlieben sich ineinander – und verstoßen damit gegen die gesellschaftlichen Konventionen.
Gelungene, sehr stilbewusste und sensible Patricia-Highsmith-Verfilmung, die kein Kriminalfilm (was man bei Highsmith ja erwartet), sondern eine tragische Liebesgeschichte ist.
LV: Patricia Highsmith: The Price of Salt, 1952 (Erstveröffentlichung unter dem Pseudonym Claire Morgan; Wiederveröffentlichung unter ihrem Namen als „Carol“, deutsche Titel „Salz und sein Preis“ und „Carol oder Salz und sein Preis“)
New York, 1950: zwei Frauen verlieben sich ineinander – und verstoßen damit gegen die gesellschaftlichen Konventionen.
Gelungene, sehr stilbewusste und sensible Patricia-Highsmith-Verfilmung, die kein Kriminalfilm (was man bei Highsmith ja erwartet), sondern eine tragische Liebesgeschichte ist.
LV: Patricia Highsmith: The Price of Salt, 1952 (Erstveröffentlichung unter dem Pseudonym Claire Morgan; Wiederveröffentlichung unter ihrem Namen als „Carol“, deutsche Titel „Salz und sein Preis“ und „Carol oder Salz und sein Preis“)
New York, 1950: zwei Frauen verlieben sich ineinander – und verstoßen damit gegen die gesellschaftlichen Konventionen.
Gelungene, sehr stilbewusste und sensible Patricia-Highsmith-Verfilmung, die kein Kriminalfilm (was man bei Highsmith ja erwartet), sondern eine tragische Liebesgeschichte ist.
Während der neue „Star Wars“-Film „Das Erwachen der Macht“ diese und die nächsten Wochen die Kinocharts anführen wird (allein schon aufgrund der astronomischen Vorverkaufszahlen sind die Kinos bis Mitte Januar voll), werden alle anderen Filme unter ferner liefen laufen. Dabei haben sie durchaus einen Blick verdient und sie richten sich an ein Nicht-“Star Wars“-Publikum.
Für alle, die zu alt, zu gebildet und zu bildungsbürgerlich für „Star Wars“ sind, laufen diese Woche sogar mehrere Filme an: die Patricia-Highsmith-Verfilmung „Carol“ mit Cate Blanchett und Rooney Mara, die Gustave-Flaubert-Verfilmung „Madame Bovary“ mit Mia Wasikowska und die Akimi-Yoshida-Verfilmung „Unsere kleine Schwester“, inszeniert von Hirokazu Kore-eda, der zuletzt das hochgelobte Drama „Like Father, like Son“ inszenierte.
„Carol“ basiert zwar auf einem Roman von Patricia Highsmith, aber es ist kein Kriminalfilm. 1952 veröffentlichte sie als Claire Morgan „The Price of Salt“. Der Roman, der später auch als „Carol“ erschien, verkaufte sich gut, war unter Lesben eine beliebte Lektüre und wird heute unter „Klassiker“ gelabelt. Erst 1984 enthüllte Highsmith ihr Pseudonym. Denn es war eine lesbische Liebesgeschichte, die, damals schockierend, nicht mit einer Läuterung der beiden ineinander verliebten Frauen endete.
Therese (Rooney Mara) ist im New York der frühen fünfziger Jahre eine schüchterne Verkäuferin. Da lernt sie die wohlhabende, verheiratete Carol (Cate Blanchett) kennen und sie muss langsam erkennen, dass sie für die lesbische Carol mehr als freundschaftliche Gefühle empfindet. Aber damals war das kein gesellschaftlich toleriertes Verhalten.
Todd Haynes inszenierte das sehenswerte Drama nach einem Drehbuch von Phyllis Nagy (die 1998 eine Theaterversion des ersten Ripley-Romans „The talented Mr. Ripley“ schrieb) optisch elegant und zurückhaltend als sei es ein Film aus den Fünfzigern. Ein Douglas-Sirk-Film in braun und beige.
Es ist ein Blick in eine Zeit, als man über ein so ungeheuerliches Verhalten den Mantel des Schweigens legte, Homosexuelle ihre Gefühle verschwiegen und Carol, deren Ehe gerade eine sehr schwierige Phase durchmacht, nicht wirklich an eine Scheidung denkt. Einerseits wegen der gesellschaftlichen Folgen, andererseits wegen ihrer Tochter.
Haynes zeigt allerdings auch, dass diese Zeit und die damaligen Konventionen für uns heute unglaublich fern sind.
Das gilt auf für die Leiden von Madame Bovary, dieser von Gustave Flaubert erfundenen Frau, die er in seinem gleichnamigen Roman, der inzwischen ein Klassiker ist, verewigte und der mehrmals verfilmt wurde, unter anderem von Jean Renoir, Vincente Minnelli und Claude Chabrol. Nun hat Sophie Barthes mit Mia Wasikowskas ihre Interpretation von „Madame Bovary“ abgeliefert, die weniger auf die Dialoge (es wird erstaunlich wenig gesprochen) und mehr auf die Schauspieler und ihr Spiel vertraut.
Die junge Emma heiratet den Landarzt Charles Bovary. Von ihm erhofft sie sich die große Liebe und, über eine kleinen Umweg durch das Dorf, in dem er praktiziert, den Weg nach Paris und damit in das richtige, das glamouröse Leben. Weil Charles Bovary in dieser Hinsicht keine Ambitionen hat, beginnt sie sein Geld für Luxusgüter auszugeben und sie stürzt sich kopflos in Affären mit anderen Männern.
Für eine Literaturverfilmung geht Barthes in ihrem zweiten Spielfilm (nach dem 2009er „Cold Souls“) erstaunlich frei mit der Vorlage um. Aber natürlich folgt sie der bekannten Geschichte und sie rekonstruiert die damaligen Konventionen und gesellschaftlichen Zwänge, die heute schon lange nicht mehr gelten, minutiös. Obwohl die Sehnsüchte, Gefühle und Eigenschaften der porträtierten Figuren zeitlos sind, wirkt ihre „Madame Bovary“-Version musealer als es nötig wäre.
So bleibt am Ende des langsam erzählten Films, das Gefühl, einen zwar gut gespielten, aber niemals berührenden Film gesehen zu haben.
In seinem neuesten Film „Unsere kleine Schwester“ erzählt Hirokazu Kore-eda (zuletzt das sehenswerte Drama „Like Father, like Son“) einen zwar schönen Film, für den man allerdings in der richtigen Stimmung sein muss.
Die drei Schwester Sachi, Yoshino und Chika Koda, die in einem Haus in Kamakura, einer Küstenstadt in der Nähe von Tokio leben, lernen auf der Beerdigung ihres Vaters, den sie seit fünfzehn Jahren nicht mehr gesehen haben, die dreizehnjährige Suzu Asano kennen. Sie ist ihre kleine Schwester, von der sie bis dahin nichts wussten. Spontan bieten sie ihr an, dass sie bei ihnen wohnen könne. Suzu nimmt das Angebot an und zieht zu ihnen.
Und während der normale Zuschauer jetzt beginnt, sich abertausende möglicher Konflikte, hochputschende Emotionen und Enthüllungen lange vergessener Familiengeheimnisse vorstellt, geht Hirokazu Kore-eda, wie die Manga-Vorlage der bei uns eher unbekanntan Akimi Yoshida (vor Jahren erschienen mal einige ihrer Werke auf Deutsch), einen ganz anderen Weg. Konsequent undramatisch erzählt er vom Leben der vier Schwestern und des Dorfes. Das ist immer feinfühlig beobachtet, psychologisch stimmig und vermittelt das Gefühl des wahren Lebens, das normalerweise vollkommen undramatisch ist.
Insofern verbringt man gerne zwei Stunden mit Sachi, Yoshini, Chika und Suzu in ihrer friedlichen Frauen-WG. Man darf halt nur keine Spannung oder ein Drama erwarten.
Für alle, die zu jung für „Star Wars“ sind, – obwohl man nie zu jung für „Star Wars“ sein kann -, läuft „Hilfe, ich hab meine Lehrerin geschrumpft“ an. Ein Kinderfilm, der nicht so respektlos ist, wie man nach dem Trailer vermuten könnte.
Der elfjährige Felix Vorndran (Oskar Keymer) erhält, nachdem er von mehreren Schulen flog, eine letzte Chance auf der Otto-Leonhard-Schule. Dummerweise ist die Direktorin, Frau Doktor Schmitt-Gössewein (Anja Kling), eine ziemliche Schreckschraube, die ihre Schüler mit Regeln, Pedanterie und schlechten Noten quält. Und dann gibt es noch Marios Gang, die von ihm gleich am ersten Tag eine Mutprobe verlangt. Er soll in der Nacht im seit Ewigkeiten abgesperrten alten Lehrerzimmer, in dem es spuken soll, einbrechen. Felix wird im Lehrerzimmer von Frau Doktor Schmitt-Gössewein (die Dame besteht auf jeder Silbe) erwischt. Weil er sich seine ältliche Lehrerin nicht nackt vorstellen will, stellt er sie sich ganz klein vor – und, schwups!, ist sie klein.
Und Felix hat jetzt mindestens ein sehr großes Problem. Denn Marios Vater, der aasige Schulrat Henning (Justos von Dohnányi), will die Schule schließen, was für Felix fatale Folgen hätte und nirgendwo ist Frau Doktor Schmitt-Gössewein, die die Schulschließung verhindern könnte.
Dass der Geist von Schulgründer Otto Leonhard (Otto Waalkes), der alles tun würde, um Gefährdungen von seiner Schule abzuwenden, auch an dem Spuk beteiligt ist, wissen Felix und seine neue Freundin Ella (Lina Hüesker) in diesem Moment noch nicht.
„Hilfe, ich hab meine Lehrerin geschrumpft“ ist ein Kinderfilm, der sich nur an sein Zielpublikum richtet. Nämlich Kinder bis zwölf Jahre. Die werden ihr Vergnügen an den Witzen, den überzeichneten Charakteren und dem Auftritt von Otto Waalkes, der letztendlich Otto spielt, haben.
Für alle anderen ist diese Literaturverfilmung dann doch etwas zu kindisch geraten.