Neu im Kino/Filmkritik: Wes Andersons „Der phönizische Meisterstreich“ ist kein Meisterstreich

Mai 28, 2025

Wenige Tage nach seiner Premiere beim Filmfest in Cannes im Wettbewerb läuft Wes Andersons neuer Film „Der phönizische Meisterstreich“ bei uns im Kino an. Und es ist ein typischer Anderson-Film mit einigen Minuspunkten.

Wie in seinen vorherigen Filmen treten viele bekannte Schauspieler, die teils zum wiederholten Male in einem Wes-Anderson-Film mitspielen, in teilweise absurd kurzen Rollen auf. Es gibt den bekannten Anderson-Humor und die aus seinen vorherigen Komödien bekannten präzisen Bildkompositionen. Sie sind sofort als Bilder aus einem Wes-Anderson-Film erkennbar. Es gibt eine schnell freidrehende Geschichte, die hier noch mehr als früher alle erzählerischen Regeln ignoriert.

Im Mittelpunkt des 1950 spielenden Films steht Anatole ‚Zsa-zsa‘ Korda (Benicio del Toro), einer der reichsten Männer Europas und ein vollkommen skrupelloser Mogul. Jetzt will der Industrielle sein größtes Projekt, den „Korda Land und Meer Phönizische Infrastruktur Meisterstreich“ verwirklichen. Hinter dem umständlich-pompösen Projektnamen, der für den Filmtitel radikal zusammengestrichen wurde, verbirgt sich ein großes Infrastrukturprojekt in einer vergessenen, aber potentiell ertragreichen Region. Viel mehr muss man über das Projekt nicht wissen und mehr erfahren wir auch nicht darüber.

Als die Preise für verformbare Nieten, die für das Projekt von essentieller Wichtigkeit sind, sich plötzlich astronomisch verteuern, muss Korda mit einigen Investoren über ihre Beteiligung an seinem ‚Meisterstreich‘ neu verhandeln.

Dies gelingt ihm immer wieder mit absurden Wettkämpfen. Oder indem sie einfach ihre Meinung ändern.

Begleitet wird er bei dieser Reise von seiner zwanzigjährigen Tochter Liesl (Mia Threapleton), die er seit sechs Jahren nicht gesehen hat und die am Ende des Monats ihr Gelübde als Nonne ablegen will. Korda hat allerdings beschlossen, dass sie und nicht einer ihrer neun Brüder sein Vermögen erben soll. Um Liesl zu überzeugen, das Erbe anzunehmen, schlägt er ihr eine Probezeit bei ihm vor. Sie ist einverstanden.

Natürlich erwartet niemand von einem Wes-Anderson-Film eine konventionell erzählte Geschichte. Aber dieses Mal reiht er nur noch eine absurde Episode an eine weitere, mehr oder weniger absurde Episode. Der titelgebende phönizische Meisterstreich ist bestenfalls ein rudimentär erklärter MacGuffin, der mit zunehmender Laufzeit immer unwichtiger wird. Daran ändern auch die nach jeder Verhandlung Kordas mit einem der Investoren eingeblendeten Prozentzahlen nichts. Es sind einfach Zahlen, die ohne eine Bezugsgröße bedeutungslos sind.

Alle Figuren sind nur eindimensionale Cartoonfiguren, die nicht weiter als einen Gag tragen. Das gilt, leider, auch für den Protagonisten, der ungerührt zahllose Mordanschläge überlebt. Wer sie warum veranlasste ist egal. Sie sind einfach nur ein Running Gag. Gleiches gilt für sein absolut gleichgültiges Verhalten gegenüber seinen Angestellten. Sie sind für ihn Dinge, die er benutzt und wegwirft oder mit dem Schleudersitz aus seinem Flugzeug befördert. Wie in einer Gagshow wird Korda in verschiedene Situationen geworfen, die er stoisch überlebt.

Etwaige Versuche aus der Komödie so etwas wie eine Kritik am Kapitalismus oder am ausbeuterischen Kolonialismus herauszulesen, immerhin geht es um ein Großprojekt, das zum finanziellen Vorteil der Investoren durchgesetzt werden soll, oder Korda mit aktuellen größenwahnsinnigen Milliardären zu vergleichen, sind zum Scheitern verurteilt. Anderson interessiert sich dafür noch weniger als für den titelgebenden MacGuffin.

Der phönizische Meisterstreich“ ist einfach nur ein Planspiel mit verschiedenen Schuhkartons, die nacheinander geöffnet werden und den Schauspielern erinnerungswürdige Auftritte ermöglichen. Ein erinnerungswürdiger Film entsteht so nicht.

Dem phönizischen Meisterstreich fehlt einfach der liebenswürdige Charme des „Grand Budapest Hotel“. Stattdessen erinnert dieser Streich viel zu oft an Wes Andersons vorherigen Film „Asteroid City“.

Der phönizische Meisterstreich (The Phoenician Scheme, USA/Deutschland 2025)

Regie: Wes Anderson

Drehbuch: Wes Anderson (nach einer Geschichte von Wes Anderson und Roman Coppola)

mit Benicio del Toro, Mia Threapleton, Michael Cera, Riz Ahmed, Tom Hanks, Bryan Cranston, Mathieu Amalric, Richard Ayoade, Jeffrey Wright, Scarlett Johannsson, Benedict Cumberbatch, Rupert Friend, Hope Davis, Alex Jennings, Stephen Park, F. Murray Abraham, Charlotte Gainsbourg, Willem Dafoe, Bill Murray

Länge: 102 Minuten

FSK: ab 12 Jahre 

Kinostart: 29. Mai 2025

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Filmportal über „Der phönizische Meisterstreich“ (weil gedreht in Babelsberg)

Moviepilot über „Der phönizische Meisterstreich“

Metacritic über „Der phönizische Meisterstreich“

Rotten Tomatoes über „Der phönizische Meisterstreich“

Wikipedia über „Der phönizische Meisterstreich“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Wes Andersons „The Grand Budapest Hotel“ (The Grand Budapest Hotel, USA/Deutschland 2014)

Meine Besprechung von Wes Andersons „Isle of Dogs – Ataris Reise“ (Isle of Dogs, USA 2018)

Meine Besprechung von Wes Andersons „The French Dispatch“ (The French Dispatch, USA/Deutschland 2021)

Meine Besprechung von Wes Andersons „Asteroid City“ (Asteroid City, USA 2023)


Neu im Kino/Filmkritik: „The First Avenger: Civil War“ – mal wieder munteres Superheldengekloppe

April 28, 2016

Fast alle aus den vorherigen Avengers-Filmen bekannten Charaktere sind wieder dabei. Ergänzt um einige Neuzugänge wie Black Panther und Spider Man, die in den kommenden Jahren im Marvel Cinematic Universe, der erzählerischen Klammer der Marvel-Filme, eine größere Rolle bekommen sollen. Einzelfilme inclusive.

Die Kloppereien sind gewohnt episch und dieses Mal kämpfen sie wieder gegeneinander. Der Grund dafür ist etwas kompliziert.

Nachdem bei ihren vorherigen Aktionen einiges zu Bruch ging und es auch etliche Kollateralschäden gab, sollen in „The First Avenger: Civil War“ die freischaffend und von niemandem kontrollierten Avengers unter eine UN/US-Aufsicht gestellt werden. Ihr Handeln soll kontrolliert werden. Sie sollen Befehlsempfänger werden. Dann dürfen sie weitermachen. Falls jemand von ihnen dieses Angebot ablehnt, so erklärt ihnen ihr künftiger Chef, General Ross, soll er als Gesetzloser verfolgt werden. Einige der Avengers halten das für eine gute Idee. Einige nicht.

Und dann gibt es noch die Bedrohung durch den Winter Soldier, einer im Ostblock hochgezüchteten Kampfmaschine, die in Wirklichkeit Bucky Barnes, der Jugendfreund von Captain America Steve Rogers ist. Captain America war immer das golden glänzende patriotisch-aufrechte Herz der USA. Zunächst kämpfte der All-American-Boy gegen Nazis. Später gegen andere, nicht minder böse Bösewichter.

Bucky wird, wenn ihm eine bestimmte Abfolge von Worten gesagt wird, zu einer eiskalten Killermaschine, die sich danach nicht an ihre Taten erinnert. Weil einige seiner Taten den Weltfrieden gefährden, sollen die Avengers ihn aufhalten. Tot oder lebendig.

Steve glaubt allerdings, dass Bucky unschuldig ist.

Und dann ist da noch Baron Zemo, ein geheimnisvoller Bösewicht, der den Winter Soldier für seine Ziele einspannen will. Er hat sogar ein sehr nachvollziehbares Motiv für seine Taten. Weil wir das erst am Ende von „Civil War“ erfahren, ist er bis dahin einfach nur ein gefährlicher Bösewicht, der im Film nur die Aufgabe hat, etwas Böses zu tun, damit die Avengers sich gegenseitig verkloppen. Wie in den anderen Marvel-Filmen ist auch in „Civil War“ der Bösewicht blass. Dabei hätten die Macher dieses Mal einen einprägsamen Bösewicht schaffen könne. Aber vielleicht darf Baron Zemo in einem weiteren Marvel-Film auftreten. Dann als vollwertiger Gegner der Avengers.

Im Mittelpunkt von „Civil War“ steht nämlich der episch ausgebreitete Kampf der Avengers gegeneinander und so flott, unterhaltsam und auch witzig der über zweistündige Film ist, so unbefriedigend ist die auch in diesem Superheldenfilm geführte Diskussion über Verantwortung, die kaum das Niveau einer gepflegten Kaffeekonversation erreicht. Anstatt sich in tiefere moralphilosophische Diskussion zu wagen, den Utilitarismus zu problematisieren, die Frage zu diskutieren, ob der Zweck die Mittel heiligt, ob man durch sein Handeln erst die Probleme schafft, die dann mühselig beseitigt werden müssen und über die Verantwortung des Einzelnen für sein Handeln zu reden, wird einfach, wieder einmal, auf Grundschulniveau erklärt, dass man tat, was man tun musste.

Nachdem das Thema in einem Gespräch abgehandelt wurde – der Film ist sowieso sehr redselig -, teilen sich die Avengers in zwei Gruppen auf, die in ihrer Zusammensetzung nie besonders glaubwürdig wirken. Da soll auf der einen Seite der egozentrische, niemand gehorchende Milliardär und notorische Unruhestifter Tony Stark (aka Iron Man) sich plötzlich zum fügsamen Befehlsempfänger wandeln, weil er nach dem Kampf gegen Ultron über sein Handeln nachdachte. Auf der anderen Seite steht der immer folgsame Soldat Captain America. Steve Rogers. Der niemals an seinen Vorgesetzten und der US-Regierung zweifelnde Befehlsempfänger, soll jetzt den Befehl verweigern. Er will nämlich keine Befehle von einer neu gegründeten, ihn und die Avengers beaufsichtigende und auch mit Aufträgen versehenden Behörde erhalten. Die könnte sich ja irren. Deshalb will er vollkommen unkontrolliert arbeiten. Das wirkt nie besonders glaubwürdig. Auch nicht durch die nachgeschobene Erklärung, dass er eigentlich nur seinem Jugendfreund helfen will.

Genauso bemüht wie die Begründung für die Teilung der Avengers in zwei sich bekämpfende Gruppen, ist dann der sich zwischen ihnen entwickelnde Kampf, der an ihrer Intelligenz und über mehrere Filme und gemeinsame Kämpfe gegen etliche Bösewichter gewachsene Freundschaft zweifeln lässt. Anstatt miteinander zu reden, wird sich gekloppt in einer niemals auch nur halbwegs glaubwürdigen, dafür unnötig verkomplizierten Geschichte, die eher pointillistisch nach ihren Schauwerten zusammengefügt ist. Wegen des Humors und dem durchgehend spielfreudigem Ensemble fällt das dann gar nicht so sehr auf.

Und als Berliner freut man sich über die zahlreichen Berlin-Aufnahmen, in denen die Gegend um das ICC und den Bundestag ausführlich und auch gut erkennbar gezeigt werden.

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The First Avenger: Civil War (Captain America: Civil War, USA 2016)

Regie: Anthony Russo, Joe Russo

Drehbuch: Christopher Markus, Stephen McFeely

mit Chris Evans, Robert Downey Jr., Anthony Mackie, Sebastian Stan, Paul Rudd, Jeremy Renner, Elizabeth Olsen, Scarlett Johannsson, Don Cheadle, Chadwick Boseman, Paul Bettany, Emily VanCamp, Tom Holland, Daniel Brühl, Frank Grillo, William Hurt, Martin Freeman, Marisa Tomei, Stan Lee (selbstverständlich)

Länge: 148 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „The First Avenger: Civil War“

Metacritic über „The First Avenger: Civil War“

Rotten Tomatoes über „The First Avenger: Civil War“

Wikipedia über „The First Avenger: Civil War“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Anthony und Joe Russos „The Return of the First Avenger“ (Captain America: The Winter Soldier, USA 2014)

Die europäische Pressekonferenz mit dem Avengers-Team, Kevin Feige, Anthony und Joe Russo