Kurz nach Weihnachten sind vier aus der Stadt kommende Mittdreißiger und ein älterer Bergbauer in einer Hütte in Berchtesgadener Land eingeschneit (jaaa, damals gab es noch Schnee im Winter). Das komplizierte Beziehungs- und Liebesgeflecht läuft nach einem tödlichen Autounfall endgültig aus dem Ruder.
Selten gezeigter zweiter Spielfilm von Tom Tykwer. Der große Durchbruch kam mit „Lola rennt“, seinem dritten Spielfilm.
„eine faszinierende Winterreise…Auch formal eine sehenswerte Ballade der einsamen Eingeschneiten“ (Fischer Film Almanach 1998)
Anschließend, um 22.10 Uhr, zeigt Arte die brandneue, gut einstündige Doku „Ulrich Matthes – Leidenschaft und Haltung“.
Mit Ulrich Matthes, Heino Ferch, Floriane Daniel, Marie-Lou Sellem, Josef Bierbichler, Sebastian Schipper, Saskia Vester, Laura Tonke
Ein verborgenes Leben (A hidden life, Deutschland/USA 2019)
Regie: Terrence Malick
Drehbuch: Terrence Malick
TV-Premiere. Malicks meditatives Biopic über Franz Jägerstätter, einen in Oberösterreich lebenden tiefgläubigen Bauern, der 1939 den Treueeid auf Adolf Hitler und irgendeine Teilnahme am Krieg verweigert, ist sein bester und zugänglichster Film seit „Der schmale Grat“ (The thin red Line).
mit August Diehl, Valerie Pachner, Maria Simon, Karin Neuhäuser, Tobias Moretti, Ulrich Matthes, Matthias Schoenaerts, Franz Rogowski, Karl Markovics, Bruno Ganz, Michael Nyqvist, Martin Wuttke, Sophie Rois, Alexander Fehling, Joel Basman, Jürgen Prochnow
Eigentlich ist es noch nicht einmal eine Schnapsidee: In einem Café sagt der Schiffskapitän Jakob Störr (Gijs Naber) zu seinem Freund Kodor, er werde die nächste Frau heiraten, die das Lokal betrete.
Jakob ist ein schweigsamer Seemann, der den Beruf gefunden hat, der perfekt zu ihm passt. Er ist nicht verheiratet; auch weil er noch nie eine Ehefrau, zu der er nach seinen langen Seefahrten zurückkehren kann, vermisst hat. In der Gesellschaft von anderen Menschen ist er eher unbeholfen.
Bei der ersten Frau, die sich der Tür nähert, bereut er schon sein unbedacht abgegebenes Vesprechen. Denn es ist eine ältere, übergewichtige Frau. Sie betritt das Lokal dann doch nicht. Als erste Frau betritt Lizzy (Léa Seydoux) das Café. Sie ist jung, gutaussehend, charmant und gewitzt. Eine bessere Frau hätte, auf den ersten Blick, Jakob nicht finden können. Und, entgegen aller Erwartungen, nimmt sie, leicht amüsiert, den Heiratsantrag des ihr unbekannten Mannes an.
Es ist die sagenumwobene Liebe auf den ersten Blick, die in den folgenden Tagen und, nach der Heirat, Wochen vertieft wird.
Erst später, wenn Jakob von seinen Reisen zurückkehrt, bemerkt er, dass Lizzy ein eigenes Leben hat und ihm nicht alles sagt über ihre Freunde und ihre abend- und nächtlichen Unternehmungen.
„Die Geschichte meiner Frau“ ist die Verfilmung von Milán Füsts bekanntestem Roman. Ildikó Enyedi, die 2017 für „Körper und Seele“ den Goldenen Bären erhielt, bearbeitete den Roman, „ein riesiger, ausschweifender innerer Monolog, ein Strom von Selbstanalyse und Reflektion“ (Enyedi) zu einer strikt chronologisch erzählten Geschichte, die konsequent aus Jakobs Sicht erzählt wird.
Deshalb wissen wir nicht, was Lizzy in Jakobs Abwesenheit treibt. Also ob sie ihn, wie er vermutet, betrügt oder, was sie behauptet, einfach nur eine lebenslustige Frau ist, die gerne mit verschiedenen Männern ausgeht. Eigentlich erfahren wir während des gesamten gut dreistündigen Films nichts über sie, was wir nicht bereits nach den ersten Minuten wissen.
Über ihn erfahren wir auch nicht mehr. Vor allem erfahren wir nicht, warum er Lizzy so abgöttisch liebt und unbedingt mit ihr zusammen bleiben will. Denn er glaubt, dass sie ihn betrügt. Er ist eifersüchtig. Aber er will sich auch nicht aus den Fängen dieser Femme Fatale befreien.
Und umgekehrt ist unverständlich, warum Lizzy unbedingt Jakobs Ehefrau bleiben möchte.
Die in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts spielenden Szenen einer Ehe kranken an dieser zunehmend unglaubwürdigen Liebesgeschichte. Entgegen des Titels „Die Geschichte meiner Frau“ wird nicht die Geschichte von Jakobs Frau erzählt. Das Liebesdrama erzählt höchstens die Geschichte seines Bildes seiner ihm unbekannten Frau, für deren Leben und Vergangenheit er sich niemals interessiert.
Außerdem ist der Film mit gut drei Stunden viel zu lang für seine doch arg redundante und damit auch langweiligen Geschichte.
Die Geschichte meiner Frau(A Feleségem Története, Ungarn/Deutschland/Frankreich/Italien 2021)
Regie: Ildikó Enyedi
Drehbuch: Ildikó Enyedi
LV: Milán Füst: A feleségem története, 1942 (Die Geschichte meiner Frau)
mit Gijs Naber, Léa Seydoux, Louis Garrel, Luna Wedler, Josef Hader, Sergio Rubini, Jasmine Trinca, Ulrich Matthes, Udo Samel
LV: Joachim Fest: Der Untergang – Hitler und das Ende des Dritten Reiches, 2002
LV: Traudl Junge, Melissa Müller: Bis zur letzten Stunde – Hitlers Sekretärin erzählt ihr Leben, 2002
Was geschah in den letzten Kriegstagen in Berlin im Führerbunker? Nach 150 Minuten wissen wir es.
„Der Untergang“ ist gediegen erzähltes, starbesetztes Unterhaltungskino im Hollywoodstil. Historisch akkurat und ohne eine erkennbare Haltung zum Sujet. Deshalb reiht sich eine Episode an die nächste Episode, aber eine Geschichte wird, abseits der strikt chronologischen Anordnung des Materials, nicht erkennbar.
mit Bruno Ganz, Alexandra Maria Lara, Corinna Harfouch, Ulrich Matthes, Juliane Köhler, Heino Ferch, Christian Berkel, Matthias Habich, Thomas Kretschmann, Michael Mendl, André Hennicke, Ulrich Noethen, Birgit Minichmayr, Rolf Kanies, Justus von Dohnányi, Dieter Mann, Christian Redl, Götz Otto, Alexander Held, Bettina Redlich, Heinrich Schmieder, Anna Thalbach, Ulrike Krumbiegel, Jürgen Tonkel, Devid Striesow
Wiederholung: Freitag, 8. Mai, 02.30 Uhr (Taggenau!)
Nachdem die letzten Filme von Terrence Malick immer esoterisch-religiös verschwurbelter wurden und sie nur noch für einen immer kleineren Kreis restlos Überzeugter genießbar sind, waren meine Erwartungen an seinen neuen Film denkbar gering. Auch wenn es hieß, dass „Ein verborgenes Leben“ wieder traditioneller erzählt sei. Malick erzählt die wahre Geschichte von Franz Jägerstätter, einem österreichischen Bauern, der 2007 von der römisch-katholischen Kirche zum Seligen ernannt wurde. Er verweigerte den Kriegsdienst. Dafür wurde er wegen Wehrkraftzersetzung am 9. August 1943 im Zuchthaus Brandenburg hingerichtet.
Das klingt, angesichts von Malicks vorherigen Filmen „The Tree of Life“, „To the Wonder“, „Knight of Cups“ und „Song to Song“, schon auf dem Papier nach einem denkbar ungenießbarem religiösen Traktat. Und das war wahrscheinlich auch genau das, was Terrence Malick vor und während der Dreharbeiten, die im Sommer 2016 waren, plante. Aber irgendwann während des Schnitts scheint sich seine Einstellung zum Glauben zu einer wesentlich distanzierteren, möglicherweise sogar atheistischen Position verändert zu haben.
So ist „Ein verborgenes Leben“ jetzt ein Film über einen zutiefst religiösen Menschen, der sich weigert, die Geschichte eines zutiefst religiösen Menschen zu erzählen. Immer dann, wenn Malick Jägerstätters Glauben thematisieren könnte, immer dann, wenn er Jägerstätters Motive aus seinem Glauben erklären könnte, immer dann, wenn er aus diesem Glauben heraus ein kraftvolles Argument für die Ablehnung des Krieges machen könnte, schreckt er zurück. Sicher. Sein Glaube und die Gründe für seine Kriegsdienstverweigerung werden angesprochen. Es wird auch gebetet und einige Geistliche reden mit Jägerstätter über seine Handlungen. Aber es sind keine tiefgründigen Dialoge. Es sind eher lästige Pflichterfüllungen, die ein überwältigendes Desinteresse am Leben und den Ansichten des Porträtierten zeigen. Weil Malick Jägerstätter zu einem großen Schweiger werden lässt, wird auch kaum deutlich, warum er als Vorbild dienen könnte und warum er Jahrzehnte nach seinem Tod, nachdem sein Schicksal bekannter wurde, andere Menschen inspirierte.
Das spricht jetzt nicht gegen den Film. Im Gegenteil! Schließlich umgeht Malick so die inhaltlichen Fallen eines naiven Faith-based-Films. Optisch spielt Malick sowieso in einer ganz anderen Liga.
Weil Malick dieses Mal seine Geschichte weitgehend chronologisch erzählt, ist der Film deutlich zugänglicher als seine vorherigen Filme. Diese wurden seit „The new World“ immer assoziativer und damit auch offen für jede Interpretation. Das beliebige Potpourri aus Bildern und Tönen war immer schön anzusehen, aber auch todsterbenslangweilig. Das kann über „Ein verborgenes Leben“ nicht gesagt werden.
Trotzdem ist „Ein verborgenes Leben“ meilenweit von einem konventionellem Hollywood-Biopic entfernt. Malick bricht die Chronologie immer wieder auf. Er schweift ab. Immer wieder scheint die Geschichte in einer Wiederholungsschleife gefangen zu sein. Das trifft besonders auf die Szenen im Gefängnis zu, wenn Jägerstätter der Monotonie des Gefängnisalltags ausgesetzt ist. Malick nimmt sich Zeit, Jägerstätter, seine Frau und seine Kinder lange Zeit zu beobachten, wenn sie ihrer alltäglichen Arbeit auf ihrem abgelegenem Hof in St. Radegund, Oberösterreich, nachgehen oder mit ihren drei Töchtern Blinde Kuh spielen. Kameramann Jörg Widmer verfolgt dabei die Schauspieler so schwebend, wie man es aus Malicks vorherigen Filmen „The new World“, „The Tree of Life“, „To the Wonder“, „Knight of Cups“ und „Song to Song“ kennt. Für die war Emmanuel Lubezki der stilbildende Kameramann. Widmer war der Steadicam-Operator. Entsprechend vertraut ist er mit diesem sehr leicht wieder zu erkennendem Stil des Teams Lubezki/Malick.
Es gibt, selbstverständlich, viel Voice-Over und in der Originalfassung wird immer wieder willkürlich zwischen Deutsch und Englisch gewechselt. Im Gegensatz zu anderen Filmen, wo mich das wahnsinnig störte, störte es mich hier nicht. Es passt zu der medidativen Malick-Stimmung.
„Ein verborgenes Leben“ ist Malicks zugänglichster und auch bester Film seit „Der schmale Grat“ (The thin red Line).
Ein verborgenes Leben (A hidden life, Deutschland/USA 2019)
Regie: Terrence Malick
Drehbuch: Terrence Malick
mit August Diehl, Valerie Pachner, Maria Simon, Karin Neuhäuser, Tobias Moretti, Ulrich Matthes, Matthias Schoenaerts, Franz Rogowski, Karl Markovics, Bruno Ganz, Michael Nyqvist, Martin Wuttke, Sophie Rois, Alexander Fehling, Joel Basman, Jürgen Prochnow