Auf der technischen Ebene gibt es bei „Stonewall“ nichts zu meckern. Roland Emmerich hatte mit 13,5 Millionen Dollar zwar nur ein arg überschaubares Budget, das in Hollywood-Kategorien im kleineren Independent-Bereich liegt (sogar Clint Eastwoods „Million Dollar Baby“ kostete 30 Millionen Dollar), aber schon mit seinen ersten Filmen – „Das Arche-Noah-Prinzip“, „Joey“ und „Moon 44“ – zeigte er, dass er mit wenig Geld beeindruckend tricksen kann. Und so sieht „Stonewall“ teurer aus als er war.
Auch über die Schauspieler kann nicht wirklich gemeckert werden. Große Namen fehlen zwar, aber Ron Perlman und Jonathan Rhys Meyers sieht man immer wieder gerne und Hauptdarsteller Jeremy Irvine („Gefährten“, „Die Liebe seines Lebens“, „The Reach“) ist auf dem Weg zum Star.
Aber sie und der gesamte Film haben mit einem extrem schlechten Drehbuch zu kämpfen, das ohne eine wirkliche Geschichte Klischees aneinanderreiht und jede Analyse vermissen lässt. Das wird einem beim Abspann, wenn wir etwas über die wahren Hintergründe wichtiger Figuren des Films erfahren, schmerzhaft bewusst. Denn der Schwule im Anzug, der Schwule auf der Parkbank und die nervige Transe waren später wichtige Figuren der Schwulenbewegung. Im Film gibt es dafür kein Anzeichen. Er verschenkt hier ohne Not sein Potential als wahre Geschichte ohne sich wirklich auf eine andere zu konzentrieren. Es gibt zwar immer wieder Ansätze, aber weder der Krimiplot, noch die Verflechtung zwischen Polizei und Mafia, noch die sozio-politische Analyse, noch die Liebesgeschichte werden auch nur halbwegs vorangetrieben. Jeder dieser Ansätze verpufft letztendlich folgenlos.
Im Mittelpunkt des Films steht Danny Winters (Jeremy Irvine), ein Junge vom Lande, der von seinem konservativen Vater, nachdem Dannys Homosexualität schulbekannt wurde, vor die Tür gesetzt wird. Weil die Columbia Universität Danny aufnehmen würde, macht er sich auf den Weg nach New York. In Greenwich Village trifft er in der Christopher Street dann auch gleich auf das bunte Leben der Ausgestossenen. Sie sind nicht schwul, sondern SCHWUL oder S! C! H! W! U! L! und damit nur noch die schreienden Klischees von Klischees über die verrückten Großstädter, die Landbewohner, die niemals die Grenze ihres Landkreises überschritten haben, über das verruchte Leben in der Großstadt haben. Trotzdem wirkt Danny nicht sonderlich schockiert. Er betritt diese neue Welt, in der Männer mit Männern auch in der Öffentlichkeit, gegen jeden Anstand und Gesetz Sex miteinander haben, als sei deren Leben vollkommen normal. Schockiert ist er dagegen von der Polizeigewalt, die er gleich am ersten Abend erleben muss.
Und weil diese schwule Coming-of-Age-Geschichte 1969 in den Tagen vor den Stonewall-Unruhen spielt, gibt es dann auch, als Höhepunkt, die für die Schwulenbewegung sehr wichtigen Unruhen, für die es in der Realität einige Erklärungen gibt. Im Film wird dagegen letztendlich jede Erklärung vermieden. Es ist einfach eine Randale, die entsteht, weil die Polizei, wieder einmal, eine Razzia in der Kneipe durchführt.
Damit wird im Film die Bedeutung der Stonewall-Unruhen für die Schwulenbewegung allerdings sträflich heruntergespielt.
Diese durchgehende Abneigung gegen jede Analyse zugunsten einer in schönsten Nicholas-Sparks-Bildern inszenierten Schmonzette ohne eine Liebesgeschichte, ohne erinnerungswürdige Charaktere (obwohl die Schauspieler sich bemühen) und damit ohne jegliche Dynamik steht immer auf der Kippe zur unfreiwilligen Komik, bei der man nur noch darauf wartet, dass die Schauspieler plötzlich beginnen zu singen; – was sie bei den hübsch inszenierten Unruhen, die im Film nicht mehrere Tage, sondern nur einige Minuten an einem Sommerabend dauern, tun.
In den USA bekam „Stonewall“ den ganzen Hass der LGBT-Bewegung (Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender) ab, die Kritik stampfte den Film ein und an der Kinokasse war die Schmonzette mit mildem Trash-Potential ein Flop. So schlecht ist „Stonewall“ nicht. Aber es ist auch kein guter Film und es ist, trotz seines Titels, auch nicht der Film, der die Geschichte der Bar „Stonewall Inn“, der Schwulen, Lesben und Transsexuellen in den Sechzigern in den USA, der beginnenden Schwulenbewegung und dem Christopher Street Day, der erstmals ein Jahr nach den Stonewall-Unruhen als Demonstration gegen Polizeiwillkür stattfand, erzählt.
„Stonewall“ erzählt nur von einem Landei, das zufällig im Sommer 1969 in Greenwich Village war.
Eins Festival, 20.15/23.35 Der bewegte Mann(Deutschland 1994, Regie: Sönke Wortmann)
Drehbuch: Sönke Wortmann
LV: Ralf König: Der bewegte Mann, 1987; Pretty Baby, 1988
Nachdem Doro ihren Freund Axel wieder einmal mit einer anderen Frau erwischt, wirft sie den ständig untreuen Frauenhelden aus der gemeinsamen Wohnung. Notgedrungen zieht er in eine schwule Wohngemeinschaft ein.
Komödienkinohit, der Ralf Königs grandiose Bildergeschichten mainstreamtauglich verflachte.
Mit Til Schweiger, Katja Riemann, Joachim Król, Rufus Beck, Armin Rohde, Martina Gedeck, Kai Wiesinger, Christof Wackernagel, Heinrich Schafmeister, Leonard Lansink (ach, waren die damals alle noch jung) Hinweise Filmportal über „Der bewegte Mann“
Wikipedia über „Der bewegte Mann“ und Ralf König Homepage von Ralf König Meine Besprechung von Sönke Wortmanns „Frau Müller muss weg“ (Deutschland 2014)
„Der neue Wilsberg“ – ich hätte nicht gedacht, dass ich das noch einmal schreiben darf. Denn der letzte Wilsberg-Roman „Wilsberg und die dritte Generation“ von Jürgen Kehrer liegt neun Jahre zurück. Danach gab es zwar noch eine Kurzgeschichtensammlung und einen „Wilsberg trifft Pia Petry“-Roman, den Kehrer zusammen mit Petra Würth schrieb; was halt etwas anderes als ein Wilsberg-Roman ist. Und natürlich läuft die beliebte TV-Serie, für die Kehrer auch einige Drehbücher schrieb, immer noch erfolgreich im ZDF. Am Samstag, den 28. November, zeigt das ZDF um 20.15 Uhr den neuen Wilsberg-Krimi „Bittere Pillen“.
Aber insgesamt hatte ich den Eindruck, dass für Jürgen Kehrer das Kapitel „Wilsberg in Romanform“ abgeschlossen ist und er andere Romane, wie die bei rororo erscheinenden Krimis mit Kommissar Bastian Matt und Rechtsmedizinerin Yasi Ana, schreibt.
Und jetzt „Wilsberg – Ein bisschen Mord muss sein“, der schon auf den ersten Blick mit seinen schlanken 192 Seiten an die früheren Wilsberg-Romane anschließt.
Wilsberg soll für seinen Studienkumpel Wolfram Schniederbecke einen Geldkoffer überbringen. Während des Studiums war Schniederbecke ein Frauenschwarm und Punkmusiker. Heute ist er als Wolf Schatz immer noch ein Seitensprüngen nicht abgeneigter, verheirateter Frauenschwarm und ein erfolgreicher Schlagersänger, der Spielschulden bei einem Russen-Mafiosi hat. Wilsberg übernimmt für ein erkleckliches Honorar den Auftrag. In dem Hotel will allerdings niemand den Koffer in Empfang nehmen.
Als Wilsberg das Hotel verlassen will, sieht er Schatz auf dem Hotelparkplatz in seinem Auto sitzen, das auch gleich in die Luft fliegt. Wilsberg überlebt den Anschlag leicht verletzt und er macht sich mit dem Geld aus dem Staub, bevor die Polizei auftaucht.
Überflüssig zu sagen, dass die Polizei doch einige Stunden später bei ihm anklopft, Hauptkommissarin Bauer und Kommissar Langenbeck überhaupt nicht begeistert sind und Wilsberg herausfinden will, wer Wolf Schatz ermordete.
In „Wilsberg – Ein bisschen Mord muss sein“ legt Jürgen Kehrer schnell genug falsche Spuren aus, um Georg Wilsberg ordentlich zu beschäftigen und die Handlung bewegt sich zwischen den falschen Spuren und den zahlreichen Rätseln, die oft neue Fragen aufwerfen, angenehm schnell voran. Das ist eine sehr vergnügliche Krimilektüre und eine sehr willkommene Wiederbegegnung mit dem Buch-Wilsberg, die mir allerdings auch etwas zu sehr mit dem Blick auf eine Verfilmung geschrieben ist und sie das in jeder Beziehung schreckliche Schlager-Milieu nur am Rand streift.
Wobei, das muss auch gesagt werden, die definitive Satire auf die heile Welt des Schlagers bereits 1994 als BR-Tatort „…und die Musi spielt dazu“ (Drehbuch: Ortun Erkener, Regie: Hanns-Christian Müller) mit den Kommissaren Ivo Batic und Franz Leitmayr gemacht wurde.
– Jürgen Kehrer: Wilsberg – Ein bisschen Mord muss sein grafit, 2015 192 Seiten
9,99 Euro
–
Lieutenant Diamond will den Gangsterboss Mr. Brown unschädlich machen. Der Krieg zwischen beiden eskaliert immer weiter.
Dieses späte Noir-Juwel ist vom ersten bis zum letzten Moment mit sexueller Spannung aufgeladen. „Nahezu unverhüllt thematisierte B-Film-Regisseur Joseph H. Lewis den engen Zusammenhang zwischen unterdrückter Sexualität, sexueller Frustration und exzessiver Gewalt. (…) Es ist eine Welt sexueller Perversion und fatalistischer Abhängigkeit.“ (Meinolf Zurhorst: Lexikon des Kriminalfilms, 1985/1993)
Mit Cornel Wilde, Richard Conte, Lee Van Cleef, Brian Donlevy, Jean Wallace, Robert Middleton, Earl Holliman
RBB, 20.15 rbb Reporter: Hauptstadt der Diebe – Berliner Banden auf der Spur(Deutschland 2015, Regie: Adrian Bartocha, Olaf Sundermeyer)
Drehbuch: Adrian Bartocha, Olaf Sundermeyer
45-minütige Reportage über, nun, wie der Titel sagt, Berliner Verbrecherbanden und die Jagd der Polizei nach den Bösewichtern. Hinweis rbb über die Reportage
Für den Dealer Dan ist Deb seit Ewigkeiten ein guter Kunde. Deshalb erklärt er sich auch bereit, für ihn schnell ein Kilo Koks zu besorgen. Was natürlich auch in Paris gar nicht so einfach ist. Dan muss einen Anbieter finden, das Geld vorstrecken, das er sich selbst borgen muss und dann hat er auch noch Ärger mit der Polizei. So wird aus dem schnellen Geschäft für Dan schnell ein Höllentrip.
„Dealer“ wird vom Verleih als französische Antwort auf „Pusher“ beworben und das trifft es ziemlich genau. Denn „Dealer“ ist, auch wenn es nicht laut gesagt wird, ein weiteres Remake von Nicolas Winding Refns inzwischen schon fast zwanzig Jahre altem Semi-Klassiker. Und genau wie die nächste Cover-Version eines Hits sind die Unterschiede zwischen den verschiedenen Versionen überschaubar. Man kennt, wenn man schon eine andere Version von „Pusher“ kennt, die Geschichte und ihre haarsträubenden Wendungen, die den Drogendealer immer weiter ins Verderben schicken. Ebenso das schnelle Erzähltempo, den rotzfrechen Ton und die hysterische Kamera, die ihren zunehmend verzweifelten Protagonisten hautnah begleitet.
Das ist nicht schlecht. Jean Luc Herbulot hat in seinem Spielfilmdebüt Dans Geschichte flott in atemlosen siebzig Minuten inszeniert. Nur habe ich diesen Film mit anderen Hauptdarstellern und in anderen Städten (die aus den gleichen austauschbaren, seelenlosen Betonsiedlungen, Hinterhöfen und Hinterzimmern bestehen) schon einige Male gesehen.
Dealer – Trip in die Hölle(Dealer, Frankreich 2014)
Regie: Jean Luc Herbulot
Drehbuch: Samy Baaroun, Jean Luc Herbulot
mit Dan Bronchinson, Elsa Madeleine, Salem Kali, Bruno Henry, Hervé Babadi, Dimitri Storoge, Fatima Adoum
– DVD Pierrot le Fou
Bild: 2,35:1 (16:9)
Ton: Deutsch, Französisch (DD 5.1)
Untertitel: Deutsch
Bonusmaterial (angekündigt): Trailer, Interview mit Jean Luc Herbulot und Dan Bronchinson, Kurzfilm, Wendecover
Länge: 72 Minuten
FSK: ab 18 Jahre
– Hinweise AlloCiné über „Dealer“ Rotten Tomaotes über „Dealer“ Wikipedia über „Dealer“
Als sie auf ihre Mordtour gingen, ahnten Raymond Fernandez und Martha Beck nicht, wie groß die popkulturellen Nachwirkungen ihrer Taten bis in die Gegenwart sind. Die dicke, eifersüchtige Krankenschwester Martha Beck verliebte sich 1947 in den Heiratsschwindler Ray Fernandez und die beiden, wahrlich ein Pärchen aus der Hölle, taten sich zusammen. Er verführte alleinstehende Frauen, die sie über Zeitungsannoncen für einsame Herzen fanden. Deshalb wurden sie auch „Lonely Hearts Killer“ genannt. Dann ermordeten sie ihre Opfer. Insgesamt wurden ihnen siebzehn Morde vorgeworfen.
1949 wurden sie zum Tode verurteilt und am 8. März 1951 wurde die Todesstrafe vollzogen.
1970 inszenierte Leonard Kastle den Semi-Klassiker „Honeymoon Killers“ über die „Lonely Hearts Killer“. Ein Film, der ungefähr so angenehm wie eine Wurzelbehandlung ohne Betäubung ist.
Jetzt ist diese Geschichte die Inspiration für Fabrice Du Welz‘ „Alleluia“, der in einem ortlosen und trostlosen Belgien spielt. Gloria trifft sich mit Michel und aus dem One-Night-Stand wird eine mehr als schräge Liebe. Sie lässt ihre Tochter zurück und gemeinsam machen sie sich als Geschwisterpaar auf die Suche nach Frauen, die in Michel die Liebe ihres Lebens erblicken. Dummerweise ist Gloria so rasend eifersüchtig, dass sie Marguerite schon in der ersten Nacht umbringt. Dabei wollten sie ihr erstes Opfer zuerst finanziell ausnehmen wollten.
Beim zweiten Mal soll die Sache besser laufen. Gloria soll ihr Temperament zügeln.
„Alleluia“ ist kein angenehmer Film. Gloria und Michel sind Menschen, mit denen man nicht länger als nötig zusammen sein will. Fabrice Du Welz inszeniert ihre Geschichte in vier Akten, die alle nach Frauen benannt sind, die Michel verführt. Dabei verfolgt Du Welz, scheinbar teilnahmslos und in extrem kunstlosen Bildern, die Geschichte des gänzlich moralbefreiten Killerpaares. Die Bilder sind die Antithese zu den gelackten Bildern aus Du Welz‘ ebenso stromlinienförmigen, wie langweiligen Polizeithriller „Colt 45“, den er unmittelbar danach inszenierte.
Verglichen mit „Colt 45“, der ebenfalls vor wenigen Tagen ebenfalls auf DVD erschien, ist „Alleluia“ der bessere, der kompromisslosere und auch unangenehmere Film, der wahrscheinlich genau deshalb nur von einem überschaubaren Publikum gesehen wird.
Arte, 20.15 Hitchcock–Truffaut(Frankreich 2015, Regie: Kent Jones)
Drehbuch: Kent Jones, Serge Toubiana
Achtzigminütige Doku über das legendäre Gespräch zwischen Alfred Hitchcock und Francois Truffaut und wie dieses als „Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht?“ veröffentlichte Gespräch die Arbeit von jüngeren Regisseuren beeinflusste.
Anschließend, um 21.35 Uhr läuft Alfred Hitchcocks „Frenzy“.
Mit Alfred Hitchcock, Francois Truffaut, Wes Anderson, Olivier Assayas, Peter Bogdanovich, Arnaud Desplechin, David Fincher, James Gray, Kiyoshi Kurosawa, Richard Linklater, Paul Schrader, Martin Scorsese
Hinweise Arte über „Hitchcock-Truffaut“
Schon die ersten äußerst verspielten Minuten von „Eisenstein in Guanajuato“, dem neuen Film von Peter Greenaway, der es sogar in die Lichtspielhäuser geschafft hat, zeigen, dass die Geschichte zwar auf Tatsachen basiert, der Film aber eine sehr freie Interpretation der Ereignisse sein wird.
1931 war Sergej M. Eisenstein (1898 – 1948) bereits ein legendärer Regisseur. „Streik“ (1925), „Panzerkreuzer Potemkin“ (1925) und „Oktober“ (1928) sind Klassiker des Formalismus, des sowjetischen Films, des Stummfilms und des Films.
In Mexiko sollte er „Que Viva Mexico“ drehen. Der Film wurde nie vollendet, aber später versuchten einige andere Menschen aus den von Eisenstein aufgenommenen Szenen einen Film zu schneiden. Mit überschaubarem Erfolg, der höchstens zeigte, warum Eisenstein auch „Meister der Montage“ genannt wurde.
Eisenstein selbst ging nach Moskau zurück und drehte „Alexander Newski“ (1938), „Iwan der Schreckliche I“ (1945) und „Iwan der Schreckliche II“ (1958 posthum veröffentlicht).
Greenaway schildert die zehn Tage, die Eisenstein zwischen dem 21. und 31. Oktober 1931 in Guanajuato verbrachte und die, so Eisenstein „Eisenstein erschütterten“. Er versucht, den Film zu drehen, sich mit der ihm fremden mexikanischen Kultur, seiner Sexualität (im Film wird gesagt, dass Eisenstein in Guanajuato seine Homosexualität entdeckte und er so zu einem reiferen Menschen wurde, dessen späteren Filme empathischer seien) und den Finanziers des Films, die ein finanzielles Desaster epischen Ausmaßes befürchteten, auseinandersetzt.
Das inszeniert Greenaway mit der Energie eines jungen Mannes, der die Welt entdeckt, dabei auch nicht vor Klamauk und der großen, raumgreifenden Geste zurückschreckt und alles immer so schön übertreibt, wie wir es von Stummfilmen und frühen Tonfilmen kennen. So sehen die mexikanischen Banditen wie Operettenverbrecher aus, Eisenstein inszeniert sich zwischen Clown und Genie und Mexiko bereitet sich auf den Tag der Toten, einen riesigen Karneval der farbenfroh und lustbetont den Tod und das Leben zelebriert, vor. Immerhin hat Mexiko fließendes Wasser.
„Eisenstein in Guanajuato“ ist eine sehr vergnügliche, faktengesättigte Phantasie mit Eisenstein-Zitaten, die Lust macht, sich wieder (?) die Filme Eisensteins (die in „Eisenstein in Guanajuato“ in Ausschnitten gezeigt werden) anzusehen und sich mit dessen Leben und seinem gescheiterten Mexiko-Projekt (das bereits in mehreren Dokumentarfilmen behandelt wird) zu beschäftigen.
Die Brücken am Fluß (USA 1995, Regie: Clint Eastwood)
Drehbuch: Richard LaGravenese
LV: Robert James Waller: The Bridges of Madison County, 1992 (Die Brücken am Fluß)
Francesca stellt sich auf ihrer abgelegenen Farm auf vier ruhige Tage ohne ihren Mann und die Kinder ein. Da taucht ein Fotograf auf, der sie nach dem Weg zu den titelgebenden Brücken fragt. Sie zeigt ihm den Weg und verliebt sich in den geheimnisvollen Fremden.
Die Vorlage soll furchtbar kitschig sein. Der Film ist es nicht.
„Ein meisterhafter Film der Gefühle ohne Duselei, mit Geist, Charme und Lebenserfahrung.“ (Fischer Film Almanach 1996)
mit Clint Eastwood, Meryl Streep, Annie Carley, Victor Slezak
RTL II, 22.35 Green Zone(USA 2010, Regie: Paul Greengrass)
Drehbuch: Brian Helgeland
LV: Rajiv Chandrasekaran: Imperial Life In The Emerald City, 2006
Bagdad, April 2003: Nach der Invasion suchen US-Offizier Roy Miller und sein Team die Massenvernichtungswaffen von Saddam Hussein, die ja damals der offizielle Kriegsgrund waren.
Gelungener Mix aus Polit-Thriller und Kriegsfilm von Paul Greengrass und Matt Damon, die auch für die „Bourne“-Filme verantwortlich sind.
mit Matt Damon, Jason Isaacs, Amy Ryan, Greg Kinnear, Brendan Gleeson Hinweise Rotten Tomatoes über „Green Zone“
Wikipedia über „Green Zone“ (deutsch, englisch)
Ein Biopic über Steve Jobs, den 2011 verstorbenen Gründer und langjährigen Geschäftsführer von Apple und, später, Pixar Animation Studios? Uh, muss nicht unbedingt sein.
Ein Biopic über Steve Jobs, nach einem Drehbuch von Aaron Sorkin, inszeniert von Danny Boyle? Das ist etwas ganz anderes. Sorkin schrieb auch das Drehbuch für „The Social Network“, David Finchers galligen Film über Facebook. Und Danny Boyle hat noch keinen wirklich schlechten Film gemacht.
Sorkin schrieb für „Steve Jobs“ dann auch kein gewöhnliches Biopic. Er konzentrierte sich in seinem 182-seitigem Drehbuch (hoffentlich bald online) auf drei für Steve Jobs wichtige Produktpräsentationen, die er zu einem Porträt von Steve Jobs verdichtete.
Es sind die Präsentation des ersten Macintosh-Computers 1984. Diese Präsentation ist, im Gegensatz zu den nächsten beiden Präsentation, auch an dem Ort gedreht, an dem sie in der Realität stattfand: dem Flint Auditorium im De Anza Community College in Cupertino. Bei dieser Präsentation sollte der Computer nach Jobs‘ Willen unbedingt sprechen. Was aber nach Meinung des Programmiers nicht gehen werde. Eine Ex-Freundin, mit der Jobs eine von ihm nicht anerkannte Tochter hat, will Geld von ihm. Und es gibt noch einige weitere Kleinigkeiten, die nicht so laufen, wie Jobs es gerne hätte, weil die Realität kein Binärcode ist.
1988 folgt, als zweiter Akt, die Präsentation des perfekt gestylten NeXt-Würfelcomputers im San Francisco Opera House, mit dem Jobs, nachdem er Apple verlassen hatte, mit seinem eigenen Unternehmen durchstarten wollte. Wieder begegnen wir den Menschen, die schon vor der ersten Präsentation dabei waren. Wieder werfen sich die Figuren unangenehme Wahrheiten an den Kopf. Es sind scharfzüngige Dialoge, die so in der Wirklichkeit niemals stattfinden.
Zehn Jahre später, 1998, folgt der dritte Akt. Jobs ist wieder Geschäftsführer von Apple und er will in wenigen Minuten den ersten iMac in der Davies Symphony Hall in San Francisco präsentieren. Auch vor dieser Präsentationen konfrontieren ihn Freunde, Geschäfspartner, Feinde und seine Familie mit ihren Wünschen, Bedürfnissen und Vorwürfen. Unter diesem Druck werden Steve Jobs und sein Umfeld plastisch, dreidimensional und erfahrbar als Menschen. Sorkin verdichtete dabei die wahren Ereignisse in einer hochgradig stilisierten Theatersituation in der Worte Waffen sind.
Danny Boyle inszenierte das Geschehen, mit wenigen, kurzen Rückblenden, als einen Rausch in drei ungefähr gleich langen Akten, in denen er sich stilistisch der Optik der damaligen Zeit anpasste. Es beginnt, gedreht auf 16-mm-Filmmaterial, also mit dem körnigen Look des Siebziger-Jahre-New-Hollywood-Kinos, geht über 35-mm-Film und endet, digital gedreht, in den Visionen der durchgestylten, verspiegelten Bürowelten der Jahrtausendwende und den endlosen visuellen Tricks, die jetzt so einfach möglich sind.
Michael Fassbender, der Steve Jobs spielt, fügt mit dieser Rolle seinem Oeuvre beeindruckender Charakterstudien eine weitere hinzu. Auch die anderen Schauspieler – wie Kate Winslet als Jobs‘ Vertraute Joanna Hoffman, Seth Rogen als Apple-Mitgründer Steve Wozniak und Jeff Daniels als Apple CEO John Sculley – überzeugen.
Mit „Steve Jobs“ inszenierte Danny Boyle grandioses Schauspielerkino, in dem Steve Jobs nicht besonders gut wegkommt. Aber Jobs wurde ja nicht so bekannt, weil er ein Charmebolzen und liebevoller Familienvater war.
Am Ende des zweistündigen Films hat man einiges gelernt und einen Egomanen kennengelernt, dessen Talent als Verkäufer ungleich größer war als sein Talent als Mensch.
„Steve Jobs“ ist ein auf jeder Ebene faszinierender Film, der gerade wegen der Freiheiten, die er sich nimmt, wahrscheinlich Steve Jobs näher kommt als ein biederes Biopic. In jedem Fall ist es der bessere Film und ich bin mir sicher, dass Aaron Sorkins Skript demnächst auf einigen Bühnen gespielt wird.
Eins Festival, 21.05 Oh Boy (Deutschland 2012, Regie: Jan-Ole Gerster)
Drehbuch: Jan-Ole Gerster
Der Endzwanziger und gescheiterte Langzeitstudent Niko driftet durch Berlin. Er trifft seltsame Menschen und fragt sich nach dem Sinn des Lebens.
Wunderschöne Berlin-Komödie, die bei Kritik und Publikum gleichermaßen gut ankam.
mit Tom Schilling, Marc Hosemann, Friederike Kempter, Justus von Dohnány, Ulrich Noethen, Katharina Schüttler, Frederick Lau, Michael Gwisdek Wiederholung: Samstag, 14. November, 01.15 Uhr (Taggenau!) Hinweise Filmportal über „Oh Boy“ Film-Zeit über „Oh Boy“ Moviepilot über „Oh Boy“ Rotten Tomatoes über „Oh Boy“ Wikipedia über „Oh Boy“
Als David Bernet vor fünf Jahren mit den Vorbereitungen für „Democracy – Im Rausch der Daten“ begann, hatte er nur nach einem Gesetzesvorhaben der Europäischen Union gesucht, das auch noch in einigen Jahren relevant sein wird und das in der ganzen Europäischen Union diskutiert wird. Er stieß auf die geplante Reform des Datenschutzes in der Europäischen Union. Die immer noch aktuelle EU-Datenschutzrichtlinie ist von 1995. Eine Reform ist schon seit Jahren überfällig.
In seinem grandiosen Dokumentarfilm schildert er die Verhandlungen über die EU-Datenschutzgrundverordnung zwischen Januar 2012, nachdem EU-Kommissarin Viviane Reding für die Kommission einen Entwurf für ein neues Datenschutzgesetz präsentierte, und März 2014, als das Europäische Parlament mit 95 % Ja-Stimmen dem Vorschlag des EP-Ausschusses zustimmt.
Im Zentrum steht Jan Philipp Albrecht, ein junger grüner Politiker, der vom Europäischen Parlament den Auftrag erhielt, einen Vorschlag des Parlaments zu formulieren. Als Berichterstatter (was ja sehr harmlos klingt) ist er im EU-Gefüge eine wichtige Person. Denn er erstellt als Verhandlungsführer einen ersten Entwurf, der dann in den Ausschüssen und im Parlament besprochen wird. Er muss die Änderungsanträge einpflegen und auch mit der Kommission (die einen eigenen Vorschlag erarbeitet hat) und den EU-Mitgliedsländern (die sie in nationales Recht umsetzen müssen) verhandeln.
Bernet zeigt anhand dieses Gesetzes, wie die Europäische Union funktioniert. Dabei konnte er auch in Gremien und Sitzungen filmen, die bislang verschlossen waren. Er zeigt die langwierigen Gremiensitzungen, das Feilschen um Kommas und auch die Lobbygespräche, die alle Parlamentarier führen. Obwohl die EU für die vielen Lobbyisten und ihren Einfluss bekannt ist, entbrannte um die Datenschutzverordnung eine bis dahin einmalige Schlacht der Lobbyisten, die sogar gestandene EU-Politiker und -Experten erstaunte. Es gab über viertausend Änderungsanträge. Kein EU-Vorhaben erhielt bis dahin mehr Änderungsanträge und die Gefahr bestand, dass die Parlamentarier sich in den Änderungsanträgen und Details verlieren.
Mitten in die stockenden Verhandlungen über die EU-Datenschutzgrundverordnung platzen im Juni 2013 die Enthüllungen von Edward Snowden über die Machenschaften der NSA. Innerhalb kürzester Zeit wird die globale Überwachung und der Schutz der Privatsphäre zu einem Thema, mit dem sich die Parlamentarier beschäftigen. Sie positionieren sich mehrmals eindeutig gegen Überwachung und in dem zuständigen Ausschuss werden die Änderungsanträge sehr schnell abgearbeitet und mit überwältigender Mehrheit beschlossen. Zuerst im Ausschuss und im März 2014 im Europäischen Parlament.
Dadurch veränderte sich, auch wenn seitdem, wegen der Blockadehaltung der EU-Regierungen wieder weitgehend Stillstand herrscht (erst im Juni 2015 beginnen die Trilog-Verhandlungen zwischen Kommission, Europäischem Parlament und EU-Staaten über die Datenschutz-Verordnung), die Filmerzählung hin zu einem positiveren Ende.
Bernet rahmt sie in eine große Rückblende ein, die auch zeigt, wie sehr sich die Diskussion über den Datenschutz durch Edward Snowden veränderte. Von einem Nischenthema, das zwar wichtig ist, aber nur wenige Menschen interessiert, wird es zu einem zentralen Thema der politischen Agenda. Er zeichnet die Diskussion facettenreich nach und er zeigt auch, wie Politik als mühsames und kleinteiliges Geschäft funktioniert in einer Institution, die viel offener ist, als immer behauptet wird (Sowieso sollten alle, die über das verschlossene parlamentarische System meckern, mal einige Sitzungen im nächstgelegenen Parlament besuchen. Eine Anmeldung ist oft nicht nötig und es ist lehrreich.).
Bis jetzt ist die EU-Datenschutzgrundverordnung immer noch nicht verabschiedet. Danach muss sie in nationales Recht umgesetzt werden.
Der große Bremser dabei ist die Bundesrepublik Deutschland. Der selbsternannte Musterknabe bringt immer wieder mehr oder weniger abstruse Argumente vor, die nur ein Ziel haben: weniger Privatsphäre.
Vor einige Jahren – naja, eher schon Jahrzehnten – hätte Woody Allen den vom Leben frustierten Philosophiegelehrten Abe Lucas gespielt. Jetzt wird er von Joaquin Phoenix als bierbäuchigen Post-68er gespielt. Er ist ein Mann, der in seinem Leben schon an allen Krisenherden und in allen politischen Bewegungen nach dem Sinn des Lebens gesucht hat und der mit seinen Taten, sozusagen in die Realität übersetzte Philosophie, einen Unterschied machen wollte. Erfolglos.
Vor einigen Jahren hätte Woody Allen die Geschichte von „Irrational Man“ wahrscheinlich als Subplot verwendet, während er von Verbrechen und anderen Kleinigkeiten erzählt hätte. Heute füllt er mit dieser Skizze einen ganzen Film, der wie eine Mischung aus Marc Lawrences nicht besonders origineller College-Komödie „Wie schreibt man Liebe?“ (The Rewrite, USA 2014) mit Hugh Grant als frustierten Gastprofessor mit ausgeprägtem Liebesleben und einer von Woody Allens zahlreichen Kriminalkomödien wirkt. Vor allem „Manhattan Murder Mystery“ (USA 1993) fällt einem ein. Wer es gerne etwas älter und humorloser hätte, kann sich an Alfred Hitchcocks „Im Schatten des Zweifels“ (Shadow of a Doubt, USA 1943) erinnern. In beiden Filmen macht sich eine neugierige Frau auf die Mörderjagd.
In „Irrational Man“ macht das Jill Pollard (Emma Stone), die mit Abe verschiedene Theorien über die Tat erörtert, ohne zu ahnen, dass Abe der Mörder ist. Abe, ein brillanter Philosoph, der inzwischen vom Leben frustiert ist und für den Sommer eine Gastprofessor an der Universität der Ostküstenkleinstadt Braylin angenommen hat, eilt der Ruf voraus, ein Trinker und ein Casanova zu sein. Schon bei der Begrüßung bestätigt er seinen Ruf als Alkoholiker. Die Avancen der Professorengattin Rita Richards (Parker Posey) wehrt er höchst halbherzig ab, ehe er versucht, ihre sexuellen Wünsche zu befriedigen. Und mit der Studentin Jill führt er ebenso lange wie ziellose Gespräche über Gott und die Welt.
In einem Diner belauschen sie ein Gespräch über eine Sorgerechtsverhandlung, die von einem parteiischen Richter geleitet wird. Plötzlich weiß Abe, was er tun muss, um seinem sinnlosen Leben wieder einen Sinn zu geben: er wird den geachteten Richter töten (ja, das ist eine vollkommen haarsträubende Idee, die nur als Drehbuchbehauptung funktioniert. Falls überhaupt.). Jedenfalls ist Abe überzeugt, dass er das perfekte Verbrechen ausführen wird, weil niemand ihn für den Täter halten wird.
„Irrational Man“ ist höchstens eine Fingerübung, in der Woody Allen bekannte Themen und Obsessionen recycled zu einem bestenfalls mäßig unterhaltsamen Zeitvertreib, der nie versucht, eine interessante und in sich konsistente Geschichte zu erzählen. Stattdessen gibt es Philosophie-Vorlesungen, College-Liebeleien, lange Gespräche über Gott und die Welt zwischen einem Professor und einer Studentin und irgendwann, wenn man sich schon verzweifelt fragt, wann denn endlich die im Trailer versprochene Kriminalgeschichte beginnt, eine verquere Mordgeschichte, während der gesamte Film, trotz Allen-typischer Pointen und Weltbetrachtungen, eine gewisse Lustlosigkeit und Lebensmüdigkeit ausstrahlt.
Es ist ein schlechtes Zeichen, wenn nach „Irrational Man“ eine banale Hugh-Grant-Komödie in einem besseren Licht erscheint. Aber vielleicht sagt das auch etwas über die Möglichkeiten und Grenzen der Hochschulkomödie für ältere Semester aus.
In Köln wird ein Obdachloser mit Frostschutzmittel vergiftet. Die Kommissare Ballauf und Schenk ermitteln im Milieu.
Sehr unterhaltsamer Kölner-Tatort, der erfrischend undidaktisch (Wir reden vom Kölner Tatort) daherkommt und Udo Kier als Penner ist auch die halbe Miete.
mit Klaus J. Behrendt, Dietmar Bär, Joe Bausch, Udo Kier, Christian M. Goebel, Michael Schenk, Catherine Flemming, Peter Millowitsch
Crissa Stone ist nur auf dem Papier eine Frau. Ihre Tochter wird von ihrer Cousine in Texas groß gezogen. Sie hat keinen Mann; jedenfalls keinen Mann an ihrer Seite. Denn ihre große Liebe sitzt seit einigen Jahren im Gefängnis und all die anderen Männern in „Kalter Schuss ins Herz“ nehmen sie nur als Kollegin oder als Teil eines Auftrages wahr. Auch Wallace Stroby verschwendet in seinem Roman keine Zeit darauf, ihre Äußerlichkeiten zu beschreiben. Denn Crissa Stone ist Profi-Einbrecherin und damit steht sie in der Tradition von Parker (erfunden von Richard Stark, der damit die Blaupause für alle Profi-Verbrecher schuf) und Wyatt (erfunden von Garry Disher).
Gemeinsam mit Stimmer und Chance überfällt sie in Broward, Florida, in einem Hotelzimmer ein illegales Kartenspiel. Statt der versprochenen Million erbeuten sie nur eine halbe Million Dollar, was für einige Minuten Arbeit kein schlechter Stundenlohn ist. Dummerweise wird Stimmer nervös und er tötet einen der Spieler. Wie Stone später erfährt, ist es Louis Letteri und sein Schwiegervater, der Mafiosi Tino Conte, engagiert Eddie den Heiligen, einen gerade aus dem Knast entlassenen Psychopathen und skrupellosen Mörder. Eddie soll eigentlich nur Stimmer töten. Aber Eddie will auch die gesamte Beute haben.
Wallace Stroby, der vor „Kalter Schuss ins Herz“ bereits drei hochgelobte, nicht ins Deutsche übersetzte Krimis schrieb, stellt sich mit seinem ersten Crissa-Stone-Roman in die ehrenwerte Tradition des Hardboiled-Gangsterkrimis, der seine Geschichte schnörkellos, ohne Sentimentalitäten oder überflüssige Beschreibungen auf wenigen Seiten erzählt. Das ist, zwischen den dicken Serienkillerthrillern, den braven Ermittlerkrimis, den verschieden gelagerten Romantic Thrillern und den überdrehten, oft nur pseudo-witzigen Post-Tarantino-Gangstergrotesken, angenehm altmodisch. Auch wenn die Welt, in der Stone lebt, aufgrund der zunehmenden Totalüberwachung, immer mehr verschwindet,
„Kalter Schuss ins Herz“ ist ein guter Gangsterkrimi. Auch wenn Stone am Ende für einen Profi einen vollkommen dämlichen Fehler begeht. Sie stellt dem Killer Eddie eine Falle und denkt nicht daran, dass er diese Falle ahnt, sie umgeht und sie so überraschen kann. Das wäre Parker nicht passiert.
Nach „Kalter Schuss ins Herz“ schrieb Wallace Stroby bis jetzt drei weitere Abenteuer mit Crissa Stone, die hoffentlich bald auf Deutsch erscheinen. Anmerkung 1: Das Cover führt ziemlich in die Irre. Denn die Geschichte spielt im Winter, um Weihnachten (obwohl sich niemand für das Fest interessiert) in und um New York herum, garniert mit einem kurzen Ausflug in den Süden. Anmerkung 2: Im Nachwort hat sich auf Seite 344 ein ärgerlicher Fehler eingeschlichen. Denn natürlich ist mit „Peter Rave“ der bei uns fast vollkommen unbekannte Noir-Autor „Peter Rabe“ gemeint.
– Wallace Stroby: Kalter Schuss ins Herz (übersetzt von Alf Mayer) Pendragon, 2015 352 Seiten
15,99 Euro
– Originaltitel
Cold Shot to the Heart
St. Martin’s Press, 2011
– Hinweise Homepage von Wallace Stroby
3sat, 22.25 Le Havre (Le Havre, Finnland/Frankreich/Deutschland 2011, Regie: Aki Kaurismäki)
Drehbuch: Aki Kaurismäki
Die Kaurismäki-Version eines Feelgood-Movies: Schuhputzer Marcel hilft einem afrikanischem Flüchtlingskind und schnell ist das gesamte Stadtviertel involviert.
Aki Kaurismäkis immer noch neuer Film „Le Havre“ ist nach den etwas enttäuschenden „Lichter der Vorstadt“ (zu knappe Dialoge, zu viel ‘going through the motions’) wieder ein richtig guter Kaurismäki-Film, der in vielem an den „Mann ohne Vergangenheit“ erinnert.
mit André Wilms, Kati Outinen, Jean-Pierre Darroussin, Blondin Miguel, Elina Salo, Evelyne Didi, Quoc-Dung Nguyen, Roberto Piazza (aka Little Bob; Denn was wäre ein Kaurismäki-Film ohne Musik?), Jean-Pierre Léaud Hinweise