Neu im Kino/Filmkritik: Über James Camerons „Avatar: The Way of Water“

Dezember 14, 2022

Beginnen wir für die Ungeduldigen und mit einigen Feststellungen. Die Bilder – ich habe „Avatar: The Way of Water“ Im IMAX in 3D gesehen – sind toll. Der 3D-Effekt ist gelungen. Meistens fällt er nicht auf. In einigen Momenten wird er sehr gut eingesetzt. Das ist eher bei den Natur- als bei den Kampfaufnahmen der Fall. Und nur sehr selten stört er. So gibt es am Anfang einige Bilder von Menschengruppen, die wie ein Scherenschnitt-Theater wirken. Die Spezialeffekte überzeugen. Das alles konnte man erwarten. Das war schon bei „Avatar – Aufbruch nach Pandora“ (2009) so. Damals wie heute zeigt Cameron, was möglich ist. Die Bilder in den Trailern vermitteln davon noch nicht einmal eine blasse Ahnung.

Die Story ist wieder einmal vernachlässigbar. Cameron interessiert sich für Bilder einer unberührten Natur und menschenähnlichen Wesen die in Eintracht mit der Natur und allen Lebewesen leben. Dreidimensionale Figuren, tiefergehende Konflikte und sich daraus ergebende Charakterenwicklungen sind ihm egal. Hier liefert Cameron nur das allernötigste.

Am Ende von „Avatar – Aufbruch nach Pandora“ blieb Jake Sully, ein zum Na’vi gewordener US-Marine, mit der Na’vi-Häuptlingstochter Neytiri, auf Pandora, dieser naturbelassenen Welt, auf der die Na’vi mit allen anderen Lebewesen in friedlicher Harmonie leben.

Seitdem sind einige Jahre vergangen. Die Kinder wurden größer und die Menschen kehren zurück. Dieses Mal wollen sie den Planeten erobern. Dafür wird Colonel Miles Quaritch, Sullys ehemaliger und im ersten Film verstorbener Vorgesetzter, wiederbelebt, indem sein Geist in einen geklonten Na’vi-Soldaten implantiert wird. Zusammen mit einigen anderen, letztendlich namenlos bleibenden, auf die gleiche Art geklonten Na’vi-Soldaten soll er Jake Sully finden.

Als er sie in den aus dem ersten „Avatar“-Film bekannten dschungelartigen Wäldern findet, flüchten Sully und seine Familie zu den Metkayina. Sie leben auf unzähligen Südseeinseln am und im Wasser in friedlicher Symbiose mit den im Wasser lebenden Pflanzen und Tieren.

Während die Sullys sich noch in ihrer neuen Welt einleben, hat Quaritch ihre Fährte aufgenommen.

In „Avatar – Aufbruch nach Pandora“ erzählt James Cameron, überraschend naiv, einfach noch einmal die sattsam bekannte Geschichte von Pocahontas. In „Avatar: The Way of Water“ erzählt er jetzt die Geschichte einer Militäroperation gegen einen Fahnenflüchling.

Nur dass wir auf der Seite des Flüchtlings stehen, der vor allem seine Familie, aber auch seinen Stamm und Pandora retten will. Auch wenn Sully in diesem Film noch nicht der Anführer der Na’vis gegen die Menschen ist (das kann in den nächsten „Avatar“-Filmen erzählt werden), hat der Science-Fiction-Fantasyfilm eine eindeutige Botschaft. Er positioniert sich auf der Seite der friedlichen Ureinwohner gegen Naturzerstörung, Kolonialismus und Ausrottung indegener Völker. Das ist ein durchaus sympathischer Blickwechsel. In Western ist das ja normalerweise anders.

Aber vor allem feiert Cameron die Schönheit der Natur. Zuerst den Dschungel, später die Insel- und Wasserwelt. Sobald die einzelnen Mitglieder der Sully-Familie die Welt des Wassers erkunden, kommt die Haupthandlung zum Stillstand. Stattdessen wird deutlich über eine Filmstunde getaucht, sich mit Pflanzen und Tieren verbunden und Sullys Sohn befreundet sich mit einem riesigen Fisch, der ihm in einer brenzligen Situation das Leben rettet. Während hier die Harmonie eines Werbefilms für einen Südseeurlaub herrscht, sucht Quaritch weiterhin Sully. Dabei benimmt er sich wie ein marodierender Soldat, der Einheimische brutal tötet und ihre Dörfer niederbrennt. In der Bildsprache gibt es in diesen Momenten Parallelen und Anspielungen auf Vietnam-Kriegsfilme und US-Western, die während des Vietnamkriegs entstanden und sich kritisch mit der der US-Geschichte und dem Vietnamkrieg auseinandersetzten. Es sind beliebig eingestreute Zitate, die Cameron nicht weiter verfolgt.

Während die Geschichte bestenfalls funktional ist, überzeugen die CGI-Effekte rundum. Cameron zeigt in seinem über dreistündigem Epos, wie gut CGI sein kann. Es gibt im gesamten Film wahrscheinlich kein einziges Bild, das nicht exzessiv bearbeitet wurde. Das beginnt schon damit, dass die Na’vi deutlich größer als normale Menschen sind. Sie haben eine blaue Haut und sehen nur menschenähnlich aus. Pandora ist ein erdähnlicher Planet. Die Tiere erinnern an Tiere, die es auch auf der Erde gibt. Aber sie sind immer etwas anders. Das führt dazu, dass jedes Bild bearbeitet werden musste. Diese Arbeit dauerte länger als die Dreharbeiten. Sie begannen im September 2017. Im November 2018 waren die Dreharbeiten mit dem Hauptcast abgeschlossen. Danach wurde vier Jahre lang an den Bildern gearbeitet, bis eine perfekte, lebensecht aussehende künstliche Welt entstanden war.

Insofern ist „Avatar: The Way of Water“ das Gegenteil von Tom Cruises „Top Gun: Maverick“, in dem Produzent Cruise und Regisseur Joseph Kosinski einen Kult der Authentizität pflegen. Anstatt die Schauspieler im Studio in einen Jet zu setzen, mussten sie alle in den Jets fliegen. Auch diese Mühe sieht man im Film.

Diese beiden Filme, die auch unverkennbar die Handschrift ihres Machers haben, markieren Eckpunkte des aktuellen Blockbuster-Kinos. Aber während „Top Gun: Maverick“ (Ideologie einmal beiseite gelassen) unglaublichen Spaß macht, ist „Avatar: The Way of Water“ doch eine ziemlich bräsige und naive Naturverklärung mit den Mitteln des Computers. Es ist Esoterik-Kitsch, der mit seinen lupenreinen Bildern seine Zuschauer überwältigen will. Und das gelingt ihm ziemlich gut.

Die nächsten beiden Teile, die die Geschichte weitererzählen, sind schon in Arbeit. In zwei Jahren soll der dritte „Avatar“-Film im Kino anlaufen. Bis zum Ende des Jahrzehnts soll es einen vierten und fünften „Avatar“-Film geben. Und Cameron hat schon Ideen für weitere „Avatar“-Filme.

Avatar: The Way of Water (Avatar: The Way of Water, USA 2022)

Regie: James Cameron

Drehbuch: James Cameron, Rick Jaffa, Amanda Silver (nach einer Geschichte von James Cameron, Rick Jaffa, Amanda Silver, Josh Friedman und Shane Salerno)

mit Sam Worthington, Zoe Saldaña, Sigourney Weaver, Stephen Lang, Cliff Curtis, Joel David Moore, CCH Pounder, Edie Falco, Jemaine Clement, Giovanni Ribisi, Kate Winslet

Länge: 193 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „Avatar: The Way of Water“

Metacritic über „Avatar: The Way of Water“

Rotten Tomatoes über „Avatar: The Way of Water

Wikipedia über „Avatar: The Way of Water“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von James Camerons „Terminator 2 – Tag der Abrechnung“ (Terminator 2: Judgment Day, USA 1991)


TV-Tipp für den 22. November: Der Gott des Gemetzels

November 21, 2022

Servus TV, 22.15

Der Gott des Gemetzels (Carnage, Frankreich/Deutschland/Polen/Spanien 2011)

Regie: Roman Polanski

Drehbuch: Roman Polanski, Yasmina Reza (nach ihrem Theaterstück)

Der Sohn von Nancy und Alan Cowan hat dem Sohn von Penelope und Michael Longstreet zwei Zähne ausgeschlagen. Die kultivierten Eltern treffen sich, um, ganz zivilisiert, eine Versöhnung zwischen ihnen und ihren elfjährigen Kindern auszuhandeln. Der gute Wille ist vorhanden, aber nachdem Kaffee und Kuchen gereicht werden, eskaliert der Streit. Immer wieder unterbrochen vom ständigen Klingeln des Telefons.

Großartiges Schauspielerkino (wobei Kate Winslet für meinen Geschmack etwas blass bleibt), das vier Menschen in ein New-Yorker-Apartment einsperrt. Wunderschön pointiert, schwarzhumorig und bissig geschrieben und von Roman Polanski in einer weiterer seiner Theaterverfilmungen auf den Punkt inszeniert. Atempausen gibt es nach dem Film.

„‚Der Gott des Gemetzels‘ ist ein böser, vergnüglicher, kaum subtiler und durch und durch bürgerlicher Spaß.“ (Birgit Glombitza, epd Film 11/2011)

mit Jodie Foster, Kate Winslet, Christoph Waltz, John C. Reilly

Wiederholung: Mittwoch, 23. November, 01.20 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

Rotten Tomatoes über „Der Gott des Gemetzels“

Wikipedia über „Der Gott des Gemetzels“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Roman Polanskis “The Ghostwriter” (The Ghost Writer, Frankreich/Deutschland/Großbritannien 2010)

Meine Besprechung von Roman Polanskis “Venus im Pelz” (La Vénus á la Forrure, Frankreich/Polen 2013)

Meine Besprechung von Roman Polanskis „Nach einer wahren Geschichte“ (D’après une histoire vraie, Frankreich 2017)

Meine Besprechung von Roman Polanskis „Intrige“ (J’accuse, Frankreich/Italien 2019)


TV-Tipp für den 1. Mai: Der Gott des Gemetzels

April 30, 2021

One, 20.15

Der Gott des Gemetzels (Carnage, Frankreich/Deutschland/Polen/Spanien 2011)

Regie: Roman Polanski

Drehbuch: Roman Polanski, Yasmina Reza (nach ihrem Theaterstück)

Der Sohn von Nancy und Alan Cowan hat dem Sohn von Penelope und Michael Longstreet zwei Zähne ausgeschlagen. Die kultivierten Eltern treffen sich, um, ganz zivilisiert, eine Versöhnung zwischen ihnen und ihren elfjährigen Kindern auszuhandeln. Der gute Wille ist vorhanden, aber nachdem Kaffee und Kuchen gereicht werden, eskaliert der Streit. Immer wieder unterbrochen vom ständigen Klingeln des Telefons.

Großartiges Schauspielerkino (wobei Kate Winslet für meinen Geschmack etwas blass bleibt), das vier Menschen in ein New-Yorker-Apartment einsperrt. Wunderschön pointiert, schwarzhumorig und bissig geschrieben und von Roman Polanski in einer weiterer seiner Theaterverfilmungen auf den Punkt inszeniert. Atempausen gibt es nach dem Film.

„‚Der Gott des Gemetzels‘ ist ein böser, vergnüglicher, kaum subtiler und durch und durch bürgerlicher Spaß.“ (Birgit Glombitza, epd Film 11/2011)

mit Jodie Foster, Kate Winslet, Christoph Waltz, John C. Reilly

Wiederholung: Dienstag, 4. Mai, 00.15 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

Rotten Tomatoes über „Der Gott des Gemetzels“

Wikipedia über „Der Gott des Gemetzels“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Roman Polanskis “The Ghostwriter” (The Ghost Writer, Frankreich/Deutschland/Großbritannien 2010)

Meine Besprechung von Roman Polanskis “Venus im Pelz” (La Vénus á la Forrure, Frankreich/Polen 2013)

Meine Besprechung von Roman Polanskis „Nach einer wahren Geschichte“ (D’après une histoire vraie, Frankreich 2017)

Meine Besprechung von Roman Polanskis „Intrige“ (J’accuse, Frankreich/Italien 2019)


TV-Tipp für den 24. Januar: Contagion

Januar 23, 2021

Nach „Der Marsianer – Rettet Mark Watney“ (ab 20.15 Uhr allein im All) und während ich Albert Camus‘ „Die Pest“ lese, gibt es einen Quasi-Dokumentarfilm über einen weltweiten Virus

Sat.1, 23.05

Contagion (Contagion, USA 2011)

Regie: Steven Soderbergh

Drehbuch: Scott Z. Burns

Toller quasi-dokumentarischer Thriller über eine weltweite Pandemie. Ein Ensemblestück, bei dem auch Starpower nicht vor einem vorzeitigen Ableben schützt.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Marion Cotillard, Matt Damon, Laurence Fishburne, Jude Law, Gwyneth Paltrow, Kate Winslet, Bryan Cranston, Jennifer Ehle, Sanaa Lathan, John Hawkes, Armin Rohde, Elliott Gould, Enrico Colantoni, Chin Han

Hinweise

Amerikanische Homepage zum Film

Moviepilot über „Contagion“

Metacritic über „Contagion“

Rotten Tomatoes über „Contagion“

Wikipedia über „Contagion“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Steven Soderberghs “Girlfriend Experience – Aus dem Leben eines Luxus-Callgirls” (The Girlfriend Experience, USA 2009)

Meine Besprechung von Steven Soderberghs „Contagion“ (Contagion, USA 2011)

Meine Besprechung von Steven Soderberghs „Haywire” (Haywire, USA 2011)

Meine Besprechung von Steven Soderberghs “Magic Mike” (Magic Mike, USA 2012)

Meine Besprechung von Steven Soderberghs „Side Effects – Tödliche Nebenwirkungen“ (Side Effects, USA 2013)

Meine Besprechung von Steven Soderberghs “Liberace – Zu viel des Guten ist wundervoll (Behind the Candelabra, USA 2013)

Meine Besprechung von Steven Soderberghs „Logan Lucky“ (Logan Lucky, USA 2017) und der DVD

Meine Besprechung von Steven Soderberghs „Unsane: Ausgeliefert“ (Unsane, USA 2018)

Steven Soderbergh in der Kriminalakte


Neu im Kino/Filmkritik: „Blackbird – Eine Familiengeschichte“ über das Sterben

September 26, 2020

Die gesamte Familie kommt zu einem Wochenende zusammen. Der Mutter Lily geht es nicht gut. Schon die ersten Bilder, wenn sie mühsam aufsteht, sich anzieht und die Treppe zur Küche hinuntergeht, zeigen, dass sie nicht mehr lange Leben wird. Etwas später erfahren wir, dass dies ihr letztes Wochenende ist. Sie will noch einmal ihre Kinder, deren Familien und ihre beste Freundin sehen. Danach will sie sich töten. Sie hat ALS (Amyotrophe Lateralsklerose). Sie weiß, dass sie die Beherrschung über ihren Körper bald vollständig verlieren wird.

Blackbird – Eine Familiengeschichte“ ist das Remake von Bille Augusts Drama „Silent Heart – Mein Leben gehört mir“. Christian Thorpe schrieb wieder das Drehbuch. Roger Michell („Notting Hill“, „Morning Glory“, „Meine Cousine Rachel“) übernahm die Regie. Er entschied sich, seinen Film in einem Haus, mit natürlichem Licht und fast vollständig chronologisch zu drehen. Die Schauspieler waren daher, wie ein Theaterensemble, während des gesamten Drehs anwesend. Außerdem entschied Michell sich, sein Ensemble – Susan Sarandon, Sam Neill, Kate Winslet, Mia Wasikowska, Bex Taylor-Klaus, Rainn Wilson, Lindsay Duncan und Anson Boon – immer möglichst zusammen und in einem Bild zu präsentieren. Das sind, auch wenn in Innenräumen, wie dem großen Wohnzimmer des Anwesens, gedreht wurde, Bilder für eine große Leinwand. Denn nur dort sind alle Schauspieler und ihre Reaktionen aufeinander gut zu sehen. Halt wie in einem Theater.

Die Filmgeschichte dreht sich dann kaum um den von Lily geplanten Suizid, bei dem ihr Mann Paul, ein pensionierter Arzt, ihr helfen wird. Darüber hat die Familie bereits vor längerem gesprochen und den einstimmigen Beschluss gefällt, Lilys Wunsch zu respektieren. Im Film ist Lilys geplanter Suizid und Pauls damit verbundene Sterbehilfe nur noch der MacGuffin, der Lilys Familie dazu bringt, sich an ihrem Totenbett zu versammeln.

Im Mittelpunkt des Dramas stehen die kleinen Konflikte einer gutsituierten Familie. So sind die beiden Schwestern sehr verschieden. Jennifer ist eine stockkonservative, pedantische Vorstadtmutter. Ihre jüngere Schwester Anna ist eine in einer chaotischen Beziehung lebende, sich selbst verwirklichende Künstlerin. Lilys beste Freundin ist selbstverständlich ebenfalls dabei. Sie ist immer dabei. Se sind seit der gemeinsam verbrachten Studienzeit miteinander befreundet. Damals lernte Lily auch ihren Mann Paul kennen. Und Jennifers Sohn ist in dem Alter, in dem er von den Älteren gefragt wird, was er später werden möchte. Da werden dann ein, zwei Geheimnisse aufgedeckt, es geht emotional etwas hoch her und Lilys letzter Wunsch vor ihrem Tod wird erfüllt. Sie möchte, Monate vor Weihnachten, stilecht Weihnachten feiern.

Das plätschert unaufgeregt vor sich hin. Die Stimmung ist heiter bis freundlich, selten dramatisch und eigentlich nie traurig. Auf die Tränendrüse drückende schmalzige Taschentuchmomente gibt es auch nicht. Dafür einige großmütterliche Lebensweisheiten.

Diese Konfliktchen und das größtmögliche Umschiffen aller mit der Sterbehilfe zusammenhängenden Fragen lenken die gesamte Aufmerksamkeit schnell auf das Ensemble und ihr Zusammenspiel. Hier sind großartige Schauspieler versammelt, die sich elegant die Bälle zuspielen. Das ist großes Theater um fast nichs.

Blackbird – Eine Familiengeschichte (Blackbird, USA/Großbritannien 2019)

Regie: Roger Michell

Drehbuch: Christian Torpe

mit Susan Sarandon, Sam Neill, Kate Winslet, Mia Wasikowska, Bex Taylor-Klaus, Rainn Wilson, Lindsay Duncan, Anson Boon

Länge: 98 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

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Moviepilot über „Blackbird“

Metacritic über „Blackbird“

Rotten Tomatoes über „Blackbird“

Wikipedia über „Blackbird“

Meine Besprechung von Roger Michells „Morning Glory“ (Morning Glory, USA 2010)

Meine Besprechung von Roger Michells  Daphne-du-Maurier-Verfilmung „Meine Cousine Rachel“ (My Cousin Rachel, USA/Großbritannien 2017)


TV-Tipp für den 21. Juni: Contagion

Juni 20, 2020

Sat.1, 23.00

Contagion (Contagion, USA 2011)

Regie: Steven Soderbergh

Drehbuch: Scott Z. Burns

Toller quasi-dokumentarischer Thriller über eine weltweite Pandemie. Ein Ensemblestück, bei dem auch Starpower nicht vor einem vorzeitigen Ableben schützt.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Marion Cotillard, Matt Damon, Laurence Fishburne, Jude Law, Gwyneth Paltrow, Kate Winslet, Bryan Cranston, Jennifer Ehle, Sanaa Lathan, John Hawkes, Armin Rohde, Elliott Gould, Enrico Colantoni, Chin Han

Wiederholung: Montag, 22. Juni, 03.15 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

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Moviepilot über „Contagion“

Metacritic über „Contagion“

Rotten Tomatoes über „Contagion“

Wikipedia über „Contagion“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Steven Soderberghs “Girlfriend Experience – Aus dem Leben eines Luxus-Callgirls” (The Girlfriend Experience, USA 2009)

Meine Besprechung von Steven Soderberghs „Contagion“ (Contagion, USA 2011)

Meine Besprechung von Steven Soderberghs „Haywire” (Haywire, USA 2011)

Meine Besprechung von Steven Soderberghs “Magic Mike” (Magic Mike, USA 2012)

Meine Besprechung von Steven Soderberghs „Side Effects – Tödliche Nebenwirkungen“ (Side Effects, USA 2013)

Meine Besprechung von Steven Soderberghs “Liberace – Zu viel des Guten ist wundervoll (Behind the Candelabra, USA 2013)

Meine Besprechung von Steven Soderberghs „Logan Lucky“ (Logan Lucky, USA 2017) und der DVD

Meine Besprechung von Steven Soderberghs „Unsane: Ausgeliefert“ (Unsane, USA 2018)

Steven Soderbergh in der Kriminalakte


TV-Tipp für den 15. Oktober: Steve Jobs

Oktober 14, 2019

ZDF, 00.20

Steve Jobs (Steve Jobs, USA 2015)

Regie: Danny Boyle

Drehbuch: Aaron Sorkin

LV: Walter Isaacson: Steve Jobs, 2011 (Steve Jobs)

Zu einer vollkommen indiskutablen Uhrzeit versendet das ZDF die TV-Premiere von Danny Boyles grandiosem Biopic über Steve Jobs. Das furiose Drama konzentriert sich, wie ein Theaterstück, auf drei wichtige Produktpräsentationen, an denen Jobs‘ Privat- und Berufsleben miteinander kollidieren. Entstanden ist eine zweistündige atemberaubende Tour de force für die Schauspieler und Zuschauer, die den Sorkinschen Wortkaskaden folgen müssen.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Michael Fassbender, Kate Winslet, Seth Rogen, Jeff Daniels, Michael Stuhlbarg, Katherine Waterston, Perla Haney-Jardine, John Ortiz

Hinweise

Moviepilot über „Steve Jobs“

Metacritic über „Steve Jobs“

Rotten Tomatoes über „Steve Jobs“

Wikipedia über „Steve Jobs“ (deutsch, englisch)

History vs. Hollywood über „Steve Jobs“

Meine Besprechung von Danny Boyles „Trance – Gefährliche Erinnerung“ (Trance, GB 2013)

Meine Besprechung von Danny Boyles „Steve Jobs“ (Steve Jobs, USA 2015)

Meine Besprechung von Danny Boyles „T2 Trainspotting“ (T2 Trainspotting, Großbritannien 2017)


TV-Tipp für den 8. Oktober: Die Gärtnerin von Versailles

Oktober 8, 2018

NDR, 23.15

Die Gärtnerin von Versailles (A little Chaos, Großbritannien 2014)

Regie: Alan Rickman

Drehbuch: Alison Deegan, Alan Rickman, Jeremy Brock

Die Gärtnerin von Versailles soll 1682 in Frankreich für den Sonnenkönig einen Garten anlegen. Das sorgt für „a little Chaos“ am Hof.

Nettes Kostümdrama mit überzeugender Besetzung.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Kate Winslet, Matthias Schoenaerts, Alan Rickman, Stanley Tucci, Helen McCrory, Paula Paul, Jennifer Ehle

Hinweise
Deutsche Homepage zum Film
Film-Zeit über „Die Gärtnerin von Versailles“
Moviepilot über „Die Gärtnerin von Versailles“
Metacritic über „Die Gärtnerin von Versailles“
Rotten Tomatoes über „Die Gärtnerin von Versailles“
Wikipedia über „Die Gärtnerin von Versailles“

Meine Besprechung von Alan Rickmans „Die Gärtnerin von Versailles“ (A little Chaos, Großbritannien 2014)


Neu im Kino/Filmkritik: Das „Wonder Wheel“ des Woody Allen

Januar 12, 2018

Der alljährliche Woody-Allen-Film heißt dieses Jahr „Wonder Wheel“. Er spielt in den fünfziger Jahren auf Coney Island, der Jahrmarkt-Vergnügungsmeile der New Yorker mit angrenzendem Badestrand. Der Film hat all die Insignien, die wir von einem Woody-Allen-Film kennen – bekannte Schauspieler, Geschlechterkämpfe, Mafiosi und Witze – und doch erscheint er in der Rezeption anders als seine früheren Filme. Das liegt an der Inszenierung, die mit ihrer fast bewegungslosen Kamera und den wenigen Schnitten, das theaterhafte der Geschichte betont. Es liegt auch an der aktuellen Diskussion über sexuelle Belästigung, in die Woody Allen auch involviert ist. Als Täter. Und gerade im Licht dieser Diskussion erscheinen etliche Szenen aus „Wonder Wheel“ in einem anderen Licht. Ein Licht, in dem es nicht mehr um den offensichtlichen Inhalt der Szene, sondern um die Interpretation der Szene aufgrund bestimmter Informationen und Diskussionen geht. In diesen Momenten ist die Person des Autors als deutlich älterer, kein schlechtes Gewissen oder moralische Bedenken habenden Mann, der eine deutlich jüngere Frau bewundert, sexualisiert und sie sich gefügig macht, überdeutlich zu sehen. Es ist kein schönes Bild.

Dabei steht mit Ginny (Kate Winslet) eine ältere Frau im Mittelpunkt des Films. Sie lebt mit Humpty (Jim Belushi), einem Trinker und Schwätzer, auf Coney Island, träumt noch von ihrer Karriere als Theaterschauspielerin, arbeitet als Bedienung in einem Meeresfrüchte-Imbiss und ist eine Schnapsdrossel. Sie ist eine Variation der „Endstation Sehnsucht“-Schönheit Blanche DuBois. Sowieso erinnert „Wonder Wheel“ immer wieder an das bekannte Tennessee-Williams-Stück.

Ihr Sohn Richie (Jack Gore) legt währenddessen in jeder Mülltonne, die er sieht, Feuer. Aber das ist mehr ein Running Gag als ein für die Handlung wichtiges Element.

Mickey (Justin Timberlake) ist der mehr oder weniger zuverlässige Erzähler der Filmgeschichte (Okay, wie viel Fantasie brauchen wir, um ihn als alter ego des 1935 geborenen Woody Allen zu sehen?). Er arbeitet als Rettungsschwimmer auf Coney Island. Gleichzeitig schreibt der Student, der sich als kommenden Dichter von Weltrang sieht, ein Theaterstück und er verliebt sich Hals über Kopf in die leicht verlebte Ginny.

Bevor er Ginny kennen lernt, taucht Carolina (Juno Temple) auf der Vergnügungsmeile auf. Sie ist die Tochter von Humpty. Vor fünf Jahren heiratete sie einen kleinen Mafiosi und zerstritt sich darüber hoffnungslos mit ihrem Vater. Weil sie mit dem FBI über die illegalen Geschäfte ihres Mannes plauderte, musste sie vor ihm und seinen Mafia-Freunden flüchten. Ihre letzte Hoffnung auf einen Unterschlupf ist ihr Vater. Denn niemand wird glauben, dass sie ihn jemals um Hilfe bitten wird. Genau das tut die verzweifelte Blondine und Humpty hilft seiner zurückgekehrten Tochter in jeder Beziehung und mit überschwänglichen Gefühlen.

Auch Mickey bandelt mit Carolina an. Als Ginny das ahnt, ist sie darüber sehr verärgert. Und dann hören sich Mafiosi nach Carolina um.

Die Geschichte spielt vor allem in Ginnys Ein-Zimmer-Apartment, in dem sie mit Mann und Sohn und Blick auf den Vergnügungspark lebt und das schon von seinem Grundriss an eine Theaterbühne erinnert. Dort prallen die Emotionen aufeinander. In langen Szenen, in denen die Schauspieler, mehr stehend oder sitzend als sich durch den Raum bewegend, mehr in Mono- als Dialogen reden und die ihre wahre Heimat im Theater haben. Die Kamera verharrt in diesen Momenten bewegungslos in der Totalen und Kameramann Vittorio Storaro („Der letzte Tango in Paris“, „Apocalypse Now“, „Einer mit Herz“), der nach „Café Society“ zum zweiten Mal mit Woody Allen zusammen arbeitet, beschränkt sich auf das Aufnehmen schöner Gemälde, in denen die Vergangenheit museal ausgestellt wird.

Die in dem Stoff angelegten burlesken Liebesreigen interessieren Woody Allen nicht. Dafür geht es dann doch zu sehr, ohne jemals auch nur halbwegs in die Tiefe des Stoffes zu gehen, in Richtung Drama.

Das ist nicht wirklich schlecht und Allen-Fans finden genug Details für weitergehende Analysen. Aber er inszenierte die neueste Ausgabe seiner allseits bekannten Themen, Konflikte und Witze viel zu sehr auf Autopilot, routiniert und ohne erkennbares Engagement, um zu begeistern. „Wonder Wheel“ ist ein dialoglastiges Theaterstück, in dem die schnellste Bewegung der Schluck aus der Schnapstasse ist.

Wonder Wheel (Wonder Wheel, USA 2017)

Regie: Woody Allen

Drehbuch: Woody Allen

mit Jim Belushi, Juno Temple, Justin Timberlake, Kate Winslet, Max Casella, Jack Gore, David Krumholtz, Tony Sirico, Steve Schirripa

Länge: 102 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

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Moviepilot über „Wonder Wheel“

Metacritic über „Wonder Wheel“

Rotten Tomatoes über „Wonder Wheel“

Wikipedia über „Wonder Wheel“ (deutsch, englisch)

Homepage von Woody Allen

Deutsche Woody-Allen-Seite

Meine Besprechung von Robert B. Weides „Woody Allen: A Documentary“ (Woody Allen: A Documentary, USA 2012)

Meine Besprechung von Woody Allens “To Rome with Love” (To Rome with Love, USA/Italien 2012)

Meine Besprechung von Woody Allens “Blue Jasmine” (Blue Jasmine, USA 2013)

Meine Besprechung von Woody Allens “Magic in the Moonlight” (Magic in the Moonlight, USA 2014)

Meine Besprechung von John Turturros “Plötzlich Gigolo” (Fading Gigolo, USA 2013 – mit Woody Allen)

Meine Besprechung von Woody Allens “Irrational Man” (Irrational Man, USA 2015)

Meine Besprechung von Woody Allens „Café Society“ (Café Society, USA 2016)

Woody Allen in der Kriminalakte  


Neu im Kino/Filmkritik: Kate Winslet und Idris Elba sind in den Bergen „Zwischen zwei Leben“

Dezember 7, 2017

Fotoreporterin Alex Martin (Kate Winslet) und Neurochirurg Ben Bass (Idris Elba) sitzen auf dem Flugplatz fest. Wegen eines heraufziehenden Sturms wurde ihr Flug gestrichen. Aber weil beide am nächsten Tag an der Ostküste einen wichtigen Termin haben – sie ihre Hochzeit, er eine Operation -, schlägt die aktive, improvisationsfreudige Martin dem ruhig-überlegt handelnden, methodisch vorgehendem Bass vor, dass sie gemeinsam ein Flugzeug chartern und sich nach Denver fliegen lassen sollten. Dort könnten sie wieder auf eine Linienmaschine umsteigen.

Gesagt, getan. Einige Minuten später lassen sich die beiden Wildfremden von einem erkennbar wenig vertrauenswürdigem Piloten (Beau Bridges in einer kleinen Rolle) über die Berge fliegen. Während des Flugs hat er einen Herzinfarkt, die Maschine stürzt ab und Martin und Bass sind ohne die richtige Kleidung, Ausrüstung oder Lebensmittel irgendwo mitten in den verschneiten, menschenleeren zu den Rocky Mountains gehörenden Uinta Bergen im Nordosten von Utah.

Weil ihr Flug nicht angemeldet war und ihre Telefone keinen Empfang haben, weiß niemand, wo sie sind.

Zuerst behandelt Bass die durch den Absturz schwer verletzte Martin. Danach will sie sich sofort auf den Weg in die Zivilisation machen. Er hält es für eine schlechte Idee und würde lieber beim Flugzeugwrack auf Rettung warten. Aber weil sie sich, stur und ungeduldig wie sie ist, allein auf den Weg macht, folgt er ihr. Mit dem Hund des Piloten, der den Absturz ebenfalls überlebte.

Hier kann ich es kurz machen: „Zwischen zwei Leben“ ist die Schnulze der Woche. Nur wegen ihres Drehorts (gedreht wurde im Purcell Gebirge in British Columbia, Kanada) und den beiden Hauptdarstellern unterscheidet sich der Liebesfilm von der TV-Schnulze der Woche. Kate Winslet und Idris Elba heben die banale und in jeder Sekunde vorhersehbare Geschichte auf Kinoniveau. Regisseur Hany Abu-Assad („Paradise Now“, „Omar“) verzichtet auf Subplots. Er konzentriert sich in seiner Inszenierung auf die beiden Überlebenden des Absturzes und wie sie sich in einer Extremsituation näherkommen und ineinander verlieben. Nur am Ende lässt sich er mehr Zeit als nötig.

Wer seinen Vorrat an Taschentücher gerade nicht mit dem erkältungsbedingten Putzen seiner Nase aufbraucht, kann das im Kino „Zwischen zwei Leben“ tun.

Zwischen zwei Leben (The Mountain between us, USA 2017)

Regie: Hany Abu-Assad

Drehbuch: J. Mills Goodloe, Chris Weitz

LV: Charles Martin: The Mountain between us, 2010 (Erzähl mir dein Herz; Zwischen zwei Leben – The Mountain between us)

mit Kate Winslet, Idris Elba, Beau Bridges, Dermot Mulroney

Länge: 112 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

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Moviepilot über „Zwischen zwei Leben“

Metacritic über „Zwischen zwei Leben“

Rotten Tomatoes über „Zwischen zwei Leben“

Wikipedia über „Zwischen zwei Leben“ (deutsch, englisch)


Neu im Kino/Filmkritik: „Verborgene Schönheit“ im Kitsch finden?

Januar 21, 2017

Seit dem Tod seiner sechsjährigen Tochter durch eine unheilbare Krankheit beschäftigt sich Howard (Will Smith), der Chef einer großen New Yorker Werbefirma, nur noch mit dem Aufbau riesiger Gebilde aus Dominosteinen, die er dann zum Einsturz bringt. Gespräche verweigert er. Einbahnstraßen benutzt er mit seinem Fahrrad in die falsche Richtung. Und dass die Firma durch sein erratisches Verhalten kurz vor dem Konkurs steht, kümmert ihn nicht. Aber seine Kollegen Whit (Edward Norton), Claire (Kate Winslet) und Simon (Michael Peña), die alle auch eigene Probleme haben, schon seit Jahren mit Howard zusammen arbeiten und auch mit ihm befreundet sind, wollen ihm helfen. Wenn sie Howard nicht aus seiner Trauer reißen können, wollen sie wenigstens die Firma retten. Dafür müssten sie ihn für unzurechnungsfähig erklären.

Nachdem sie einige Briefe von Howard abgefangen haben, die er, mangels Glauben an einen Gott, an die Liebe, die Zeit und den Tod geschrieben hat, verfallen Whit, Claire und Simon auf einen gewagten Plan. Sie engagieren, wenige Tage vor Weihnachten, eine Gruppe abgebrannter Schauspieler, die gerade ein Stück an einem Off-Theater (eigentlich Off-Off-Theater mit bedeutungsschwangerem Namen) proben. Brigitte (Helen Mirren), die den Tod spielen soll, Amy (Keira Knightley), die die Liebe spielen soll, und Raffi (Jacob Latimore), der den Tod spielen soll, sind nach einem kurzen Zögern einverstanden. Sie konfrontieren Howard auf offener Straße mit den in seinen Briefen erhobenen Anklagen. Sie sollen ihn aus seiner Lethargie reißen.

Die hochkarätige Besetzung – Will Smith, Edward Norton, Kate Winslet, Keira Knightley, Michael Peña, Helen Mirren (die einige bizarre Akzente setzen kann) und Naomie Harris – kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass „Verborgene Schönheit“ zu den vorweihnachtlichen Erbauungsfilmen gehört, die die Qualität einer schlechten Heiligabendpredigt haben. Entsprechend einfach ist die Moral, entsprechend deutlich sind die während des gesamten Films eingestreuten Anspielungen und Zeichen und entsprechend sauber geht am Ende alles auf. Da gibt es keinen losen Faden mehr und alles wird harmonisch miteinander verknüpft. Ob das dann nicht etwas zu viel des Guten ist, ob damit nicht der gesamte vorherige Film desavouiert wird, ist den Machern egal. Immerhin muss in „Verborgene Schönheit“ mit vielen pseudotiefsinnigen Ratschlägen etwas bewiesen werden. Unter dem Einsatz vieler Taschentücher.

Das wissen auch alle. Die Zuschauer, die sich genau für diesen Film eine Kinokarte kaufen (obwohl sie Zeit und Geld besser in „Manchester by the Sea“ investieren sollten). Die Macher und die erstaunlich engagiert spielenden Schauspieler ebenso. Wobei die Ansammlung von Stars bei diesem Schmalzfilm, der keine Preise gewinnen wird, schon überrascht.

Sie machen das banale Kitschfest ansehbar. Mehr aber auch nicht.

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Verborgene Schönheit (Collateral Beauty, USA 2016)

Regie: David Frankel

Drehbuch: Allan Loeb

mit Will Smith, Edward Norton, Kate Winslet, Keira Knightley, Michael Peña, Helen Mirren, Naomie Harris, Jacob Latimore, Ann Dowd

Länge: 97 Minuten

FSK: ab 6 Jahre

Hinweise

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „Verborgene Schönheit“

Metacritic über „Verborgene Schönheit“

Rotten Tomatoes über „Verborgene Schönheit“

Wikipedia über „Verborgene Schönheit“ (deutsch, englisch)


TV-Tipp für den 1. Oktober: Contagion

Oktober 1, 2016

Vox, 20.15

Contagion (Contagion, USA 2011)

Regie: Steven Soderbergh

Drehbuch: Scott Z. Burns

Toller quasi-dokumentarischer Thriller über eine weltweite Pandemie. Ein Ensemblestück, bei dem auch Starpower nicht vor einem vorzeitigen Ableben schützt.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Marion Cotillard, Matt Damon, Laurence Fishburne, Jude Law, Gwyneth Paltrow, Kate Winslet, Bryan Cranston, Jennifer Ehle, Sanaa Lathan, John Hawkes, Armin Rohde, Elliott Gould, Enrico Colantoni, Chin Han

Wiederholung: Sonntag, 2. Oktober, 03.50 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

Amerikanische Homepage zum Film

Deutsche Homepage zum Film

Film-Zeit über „Contagion“

Moviepilot über „Contagion“

Metacritic über „Contagion“

Rotten Tomatoes über „Contagion“

Wikipedia über „Contagion“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Steven Soderberghs “Girlfriend Experience – Aus dem Leben eines Luxus-Callgirls” (The Girlfriend Experience, USA 2009)

Meine Besprechung von Steven Soderberghs „Contagion“ (Contagion, USA 2011)

Meine Besprechung von Steven Soderberghs „Haywire” (Haywire, USA 2011)

Meine Besprechung von Steven Soderberghs “Magic Mike” (Magic Mike, USA 2012)

Meine Besprechung von Steven Soderberghs „Side Effects – Tödliche Nebenwirkungen“ (Side Effects, USA 2013)

Meine Besprechung von Steven Soderberghs “Liberace – Zu viel des Guten ist wundervoll (Behind the Candelabra, USA 2013)

Steven Soderbergh in der Kriminalakte


TV-Tipp für den 9. Juni: Der Gott des Gemetzels

Juni 9, 2016

Eins Plus, 23.05

Der Gott des Gemetzels (Carnage, Frankreich/Deutschland/Polen/Spanien 2011)

Regie: Roman Polanski

Drehbuch: Jodie Foster, Kate Winslet, Christoph Waltz, John C. Reilly (nach ihrem Theaterstück)

Der Sohn von Nancy und Alan Cowan hat dem Sohn von Penelope und Michael Longstreet zwei Zähne ausgeschlagen. Die kultivierten Eltern treffen sich, um, ganz zivilisiert, eine Versöhnung zwischen ihnen und ihren elfjährigen Kindern auszuhandeln. Der gute Wille ist vorhanden, aber nachdem Kaffee und Kuchen gereicht werden, eskaliert der Streit. Immer wieder unterbrochen vom ständigen Klingeln des Telefons.

Großartiges Schauspielerkino (wobei Kate Winslet für meinen Geschmack etwas blass bleibt), das vier Menschen in ein New-Yorker-Apartment einsperrt. Wunderschön pointiert, schwarzhumorig und bissig geschrieben und von Roman Polanski in einer weiterer seiner Theaterverfilmungen auf den Punkt inszeniert. Atempausen gibt es nach dem Film.

‚Der Gott des Gemetzels‘ ist ein böser, vergnüglicher, kaum subtiler und durch und durch bürgerlicher Spaß.“ (Birgit Glombitza, epd Film 11/2011)

mit Jodie Foster, Kate Winslet, Christoph Waltz, John C. Reilly

Hinweise

Rotten Tomatoes über „Der Gott des Gemetzels“

Wikipedia über „Der Gott des Gemetzels“ (deutsch, englisch)

Arte über die Roman-Polanski-Werkschau

Meine Besprechung von Roman Polanskis “The Ghostwriter” (The Ghost Writer, Frankreich/Deutschland/Großbritannien 2010)

Meine Besprechung von Roman Polanskis “Venus im Pelz” (La Vénus á la Forrure, Frankreich/Polen 2013)


Neu im Kino/Filmkritik: „Triple 9“ – Movie down

Mai 7, 2016

Atlanta, USA: ein am helllichten Tag durchgeführter Banküberfall gerät zu einer veritablen Straßenschlacht, die bei Krimifans wohlige Erinnerungen an Michael Manns „Heat“ weckt. Nur wird hier eine dreckige Version präsentiert. Von John Hillcoat, der zuletzt das während der Prohibition spielende Gangsterdrama „Lawless – Die Gesetzlosen“ inszenierte

Kurz darauf erfahren wir, dass die Bankräuber Polizisten sind, die zu einer Sondereinheit gehören, die auch den Fall aufklären sollen. Zu ihnen stößt als neues Mitglied der Sondereinheit Chris Allen (Casey Affleck). Bei dem Neuling ist unklar, wie unehrlich er ist. Sein ihn beschützender Onkel, Sergeant Detective Jeffrey Allen (Woody Harrelson) von der Major-Crimes-Abteilung, soll ebenfalls den Fall aufklären.

Weil Irina Vlaslow (Kate Winslet), die Chefin der örtlichen Russen-Mafia, mit der Beute von dem Überfall nicht zufrieden ist, erpresst sie Chris Allens Vorgesetzten Michael Belmont (Chiwetel Ejiofor) zu einem weiteren, noch riskanteren Raubzug. Die von ihm angeführten verbrecherischen Polizisten glauben, – und damit ist der Titel erklärt -, mit einem Triple-9-Notruf können sie die Polizisten von ihrem eigentlichen Ziel ablenken. 999 sei, so erklären uns die Verbrecher, der Polizeicode für einen erschossenen Polizisten.

John Hillcoat, der mit seinen vorherigen Spielfilmen „The Proposition“, „The Road“ und dem schon erwähnten „Lawless“ immer sehenswerte, nie leichte Kost ablieferte, hat mit „Triple 9“ seinen enttäuschendensten Film vorgelegt. Da hilft auch die hochkarätige Besetzung nicht weiter. Neben den schon erwähnten Casey Affleck (unterfordert), Woody Harrelson (chargierend), Kate Winslet (böse, sehr böse) und Chiwetel Ejiofor sind Anthony Mackie, Norman Reedus, Aaron Paul, Michael Kenneth Williams, Teresa Palmer und Gal Gadot in dem testosterongeschwängertem, nihilistischem Männerfilm dabei, der seine Klischees über Verbrecher und korrupte Cops in einer drögen Geschichte, garniert mit viel Gewalt, kredenzt. Mit vielen langweilenden Nebenstränge, die die Hauptgeschichte nicht voranbringen. Bei der Hauptgeschichte, wobei man locker über den zentralen Konflikt streiten kann, ist kein Zentrum und damit auch kein Protagonist, kein Antagonist und keine sinnvolle Struktur von Haupt- und Nebengeschichten erkennbar. Erzählt wird das in durchgehend viel zu dunklen Bilder, weil Schwarz ja Noir bedeutet und je dunkler die Bilder sind, umso mehr Noir ist der Film. Nur ist Noir eine Haltung und kein Farbton. Das hatte vor wenigen Wochen auch Zack Snyder in „Batman v Superman: Dawn of Justice“ verwechselt.

Und, auch wenn man einen konsequent nihilistischen Kosmos zeichnet, ist es keine gute Idee diesen Kosmos nur mit unsympathischen und, was noch schlimmer ist, gänzlich uninteressanten Gestalten zu bevölkern. Jedes Problem, das sie haben, wirkt wie eine Drehbuchidee. Kein Charakter interessiert – und damit ist es einem herzlich egal, wer warum überlebt. Mit zunehmender Laufzeit hofft man sogar, dass sie sich möglichst schnell gegenseitig erschießen, damit das Elend schnell vorbei ist.

Das ist, wenn man den Regisseur und die beteiligten Schauspieler mag, ein äußerst ernüchterndes Fazit. „Triple 9“ ist ein zerfahrener Möchtegern-Noir-B-Movie-Gangsterfilm, der Schein mit Sein verwechselt; was bei Hillcoat erstaunt.

Triple 9 - Plakat

Triple 9 (Triple 9, USA 2016)

Regie: John Hillcoat

Drehbuch: Matt Cook

mit Casey Affleck, Woody Harrelson, Kate Winslet, Anthony Mackie, Chiwetel Ejiofor, Norman Reedus, Aaron Paul, Clifton Collins Jr., Teresa Palmer, Gal Gadot, Michael Kenneth Williams

Länge: 116 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

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Moviepilot über „Triple 9“

Metacritic über „Triple 9“

Rotten Tomatoes über „Triple 9“

Wikipedia über „Triple 9“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von John Hillcoats Cormac-McCarthy-Verfilmung „The Road“ (The Road, USA 2009)

Meine Besprechung von John Hillcoats „Lawless – Die Gesetzlosen (Lawless, USA 2012)


Neu im Kino/Filmkritik: „Steve Jobs“, Michael Fassbender, Danny Boyle und Aaron Sorkin

November 13, 2015

Ein Biopic über Steve Jobs, den 2011 verstorbenen Gründer und langjährigen Geschäftsführer von Apple und, später, Pixar Animation Studios? Uh, muss nicht unbedingt sein.
Ein Biopic über Steve Jobs, nach einem Drehbuch von Aaron Sorkin, inszeniert von Danny Boyle? Das ist etwas ganz anderes. Sorkin schrieb auch das Drehbuch für „The Social Network“, David Finchers galligen Film über Facebook. Und Danny Boyle hat noch keinen wirklich schlechten Film gemacht.
Sorkin schrieb für „Steve Jobs“ dann auch kein gewöhnliches Biopic. Er konzentrierte sich in seinem 182-seitigem Drehbuch (hoffentlich bald online) auf drei für Steve Jobs wichtige Produktpräsentationen, die er zu einem Porträt von Steve Jobs verdichtete.
Es sind die Präsentation des ersten Macintosh-Computers 1984. Diese Präsentation ist, im Gegensatz zu den nächsten beiden Präsentation, auch an dem Ort gedreht, an dem sie in der Realität stattfand: dem Flint Auditorium im De Anza Community College in Cupertino. Bei dieser Präsentation sollte der Computer nach Jobs‘ Willen unbedingt sprechen. Was aber nach Meinung des Programmiers nicht gehen werde. Eine Ex-Freundin, mit der Jobs eine von ihm nicht anerkannte Tochter hat, will Geld von ihm. Und es gibt noch einige weitere Kleinigkeiten, die nicht so laufen, wie Jobs es gerne hätte, weil die Realität kein Binärcode ist.
1988 folgt, als zweiter Akt, die Präsentation des perfekt gestylten NeXt-Würfelcomputers im San Francisco Opera House, mit dem Jobs, nachdem er Apple verlassen hatte, mit seinem eigenen Unternehmen durchstarten wollte. Wieder begegnen wir den Menschen, die schon vor der ersten Präsentation dabei waren. Wieder werfen sich die Figuren unangenehme Wahrheiten an den Kopf. Es sind scharfzüngige Dialoge, die so in der Wirklichkeit niemals stattfinden.
Zehn Jahre später, 1998, folgt der dritte Akt. Jobs ist wieder Geschäftsführer von Apple und er will in wenigen Minuten den ersten iMac in der Davies Symphony Hall in San Francisco präsentieren. Auch vor dieser Präsentationen konfrontieren ihn Freunde, Geschäfspartner, Feinde und seine Familie mit ihren Wünschen, Bedürfnissen und Vorwürfen. Unter diesem Druck werden Steve Jobs und sein Umfeld plastisch, dreidimensional und erfahrbar als Menschen. Sorkin verdichtete dabei die wahren Ereignisse in einer hochgradig stilisierten Theatersituation in der Worte Waffen sind.
Danny Boyle inszenierte das Geschehen, mit wenigen, kurzen Rückblenden, als einen Rausch in drei ungefähr gleich langen Akten, in denen er sich stilistisch der Optik der damaligen Zeit anpasste. Es beginnt, gedreht auf 16-mm-Filmmaterial, also mit dem körnigen Look des Siebziger-Jahre-New-Hollywood-Kinos, geht über 35-mm-Film und endet, digital gedreht, in den Visionen der durchgestylten, verspiegelten Bürowelten der Jahrtausendwende und den endlosen visuellen Tricks, die jetzt so einfach möglich sind.
Michael Fassbender, der Steve Jobs spielt, fügt mit dieser Rolle seinem Oeuvre beeindruckender Charakterstudien eine weitere hinzu. Auch die anderen Schauspieler – wie Kate Winslet als Jobs‘ Vertraute Joanna Hoffman, Seth Rogen als Apple-Mitgründer Steve Wozniak und Jeff Daniels als Apple CEO John Sculley – überzeugen.
Mit „Steve Jobs“ inszenierte Danny Boyle grandioses Schauspielerkino, in dem Steve Jobs nicht besonders gut wegkommt. Aber Jobs wurde ja nicht so bekannt, weil er ein Charmebolzen und liebevoller Familienvater war.
Am Ende des zweistündigen Films hat man einiges gelernt und einen Egomanen kennengelernt, dessen Talent als Verkäufer ungleich größer war als sein Talent als Mensch.
„Steve Jobs“ ist ein auf jeder Ebene faszinierender Film, der gerade wegen der Freiheiten, die er sich nimmt, wahrscheinlich Steve Jobs näher kommt als ein biederes Biopic. In jedem Fall ist es der bessere Film und ich bin mir sicher, dass Aaron Sorkins Skript demnächst auf einigen Bühnen gespielt wird.

Steve Jobs - Plakat

Steve Jobs (Steve Jobs, USA 2015)
Regie: Danny Boyle
Drehbuch: Aaron Sorkin
LV: Walter Isaacson: Steve Jobs, 2011 (Steve Jobs)
mit Michael Fassbender, Kate Winslet, Seth Rogen, Jeff Daniels, Michael Stuhlbarg, Katherine Waterston, Perla Haney-Jardine, John Ortiz
Länge: 123 Minuten
FSK: ab 6 Jahre

Hinweise
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Film-Zeit über „Steve Jobs“
Moviepilot über „Steve Jobs“
Metacritic über „Steve Jobs“
Rotten Tomatoes über „Steve Jobs“
Wikipedia über „Steve Jobs“ (deutsch, englisch)
History vs. Hollywood über „Steve Jobs“
Meine Besprechung von Danny Boyles „Trance – Gefährliche Erinnerung“ (Trance, GB 2013)

Ein Filmgespräch mit Danny Boyle und Aaron Sorkin

Ein Filmgespräch mit ungefähr allen Verantwortlichen

Ein Gespräch mit Aaron Sorkin über den Film


Neu im Kino/Filmkritik: „Die Gärtnerin von Versailles“ und etwas Herzrasen

Mai 1, 2015

Frankreich, Ende des 17. Jahrhunderts, die Französische Revolution ist noch nicht angedacht, Ludwig XIV, der Sonnenkönig, regiert das Land absolutistisch und er hätte gerne einen schönen Barockgarten. André Le Nôtre soll die richtigen Planer und Gärtner finden. Sabine De Barra hat einen unkonventionellen Vorschlag und gerade deshalb erhält sie, die bislang noch keinen Kontakt mit dem Hof hatte, den Auftrag, ihren Plan in die Realität umzusetzen.
Tja, und nun beginnt das, was im Original treffend „A little Chaos“ heißt. Denn zwischen Baustelle, Gärtnerei, Hof und herrschaftlichen Anwesen gibt es einige Liebesbande und kleinere Kamalitäten, die nett anzusehen sind, aber auch „Viel Lärm um nichts“ sind.
Interessant ist, dass Regisseur Alan Rickman (der Bösewicht aus „Stirb langsam“) in seinen leichten Film immer wieder Szenen einflechtet, die einen Blick auf die rauhe Wirklichkeit werfen. Wenn die Hofdamen im Hinterzimmer erzählen, dass jede von ihnen mindestens ein Kind verloren hat, dann ist das gleichzeitig gespenstisch und, im Rahmen einer Sommerkomödie, unpassend. In „Dido Elizabeth Belle“ gelang dieses Einflechten von ernsten Themen in eine Jane-Austen-Welt besser. Es gibt in „Die Gärtnerin von Versailles“ auch einen pointierten Blick auf höfische Rituale, Zeremonien und das uns heute sehr fremd erscheinden damalige Heiratsgebaren, das von romantischer Liebe nichts wissen will.
Aber am Ende ist Rickmans Film nur ein weiteres Kostümdrama, das viel Lärm um nichts macht. Allerdings mit einem eher stillen Humor und einem abgeklärten Blick auf die Menschen, ihre Eitelkeiten und Fehler. Das ist, weil jede Episode gut für sich steht, durchaus charmant und nett anzusehen, auch wenn am Ende unklar ist, was uns der Film erzählen wollte.

Die Gärtnerin von Versailles - Plakat

Die Gärtnerin von Versailles (A little Chaos, Großbritannien 2014)
Regie: Alan Rickman
Drehbuch: Alison Deegan, Alan Rickman, Jeremy Brock
mit Kate Winslet, Matthias Schoenaerts, Alan Rickman, Stanley Tucci, Helen McCrory, Paula Paul, Jennifer Ehle
Länge: 118 Minuten
FSK: ab 6 Jahre

Hinweise
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Film-Zeit über „Die Gärtnerin von Versailles“
Moviepilot über „Die Gärtnerin von Versailles“
Metacritic über „Die Gärtnerin von Versailles“
Rotten Tomatoes über „Die Gärtnerin von Versailles“
Wikipedia über „Die Gärtnerin von Versailles“

Ein Gespräch mit Alan Rickman über den Film


Neu im Kino/Filmkritik: „Die Bestimmung – Insurgent“ in der zweiten Runde

März 19, 2015

Kann man ohne die Kenntnis von „Die Bestimmung – Divergent“ oder der Lektüre der enorm erfolgreichen „Die Bestimmung“-Jugendbuchromantrilogie von Veronica Roth überhaupt „Die Bestimmung – Insurgent“ verstehen und vollumfänglich genießen? Ich befürchte, obwohl Regisseur Robert Schwentke sich viel Mühe gibt, nicht. Wobei auch der vorherige Film beim Verständnis der Handlung und Konflikte kaum hilft.
„Die Bestimmung – Insurgent“ ist der Mittelteil einer in der Zukunft spielenden Trilogie, die 2016 und 2017 im Kino als Zweiteiler „Allegiant“ (Die Bestimmung – Letzte Entscheidung), wieder inszeniert von Schwentke, ihren Abschluss finden soll. Die Heldin der Serie ist Beatrice ‚Tris‘ Prior (Shailene Woodley). Sie ist ein sogenannter Divergent, eine Unbestimmte. Denn in dieser sektenhaft christlich konnotierten und Dystopie werden die Menschen ausgehend von ihren Fähigkeiten in fünf Fraktionen aufgeteilt: die Altruan sind die Selbstlosen, die Amite die Freundlichen und Friedfertigen, die Candor die Freimütigen, die Ferox die Furchtlosen und die Ken die Gelehrten. Jede Fraktion übt dann in der friedlichen Gesellschaft, die auch keine äußeren Feinde hat, eine bestimmte Tätigkeit aus: zum Beispiel die Landarbeit, die Forschung oder die Verteidigung. Und obwohl die Sechzehnjährigen (in dem Alter wird der Eignungstest gemacht) sich danach freiwillig für eine Fraktion entscheiden können, sind sie implizit verpflichtet, die Fraktion zu wählen, zu der sie nach dem Eignungstest gehören. Ein späterer Wechsel ist ausgeschlossen. Und dann gibt es noch die Fraktionslosen. Sie sind die Ausgestoßenen, die in „Die Bestimmung – Divergent“ als eine Mischung aus Zombie und Obdachloser stumm in der Gegend herumhängen. In „Die Bestimmung – Insurgent“ sind sie dann eine äußerst kämpferische Widerstandsbewegung, die aus nie geklärten Gründen gegen das System kämpft. Naja, die Revolution ist in dem Film auch nur eine vernachlässigbare Nebensache und gegen das System zu kämpfen ist ja prinzipiell in Ordnung.
Im Mittelpunkt steht eine superwichtige, fünfeckige Box mit einem unbekannten Inhalt. Jeanine Matthews (Kate Winslet), die schon im ersten Teil mit blonder Betonfrisur und viel Schminke die Bösewichtin war, hat sie in ihrem Besitz. Sie sucht jetzt Unbestimmte. Denn nur sie haben, so glaubt Jeanine, die Fähigkeit, die Box zu öffnen, weil, – ähem -, die Unbestimmten in ihrem Denken die Fähigkeiten von allen Fraktionen aufnehmen können und nur so kann die Box geöffnet werden.
Jeanine, die zu der Fraktion der Gelehrten zählt (die es in dieser Gesellschaft wohl nicht so mit dem freien Denken haben), schickt die Soldaten (also die furchtlosen Ferox) los. Sie sollen in der gesamten Stadt Unbestimmte suchen und, wenn ihr Unbestimmtheitsgrad (vulgo die Fähigkeit zum freien Denken) hoch genug ist, verhaften und in Jeanines bestens gesichertes Forschungslabor bringen.
Tris, die am Ende von „Die Bestimmung – Divergent“ mit ihren Freunden aus Chicago in das nahe gelegene Umland flüchtete, ist in einer friedlichen Landkommune untergetaucht. Als Eric (Jai Courtney) und seine Soldaten auf der Suche nach Unbestimmten die Kommune verwüsten, können Tris und einige ihrer Freunde, auch weil die Bösewichter alle extrem schlechte Schützen sind, flüchten. In Chicago treffen sie auf eine Gruppe Widerstandskämpfer. Der Kopf der Widerstandsbewegung ist Evelyn (Naomi Watts), die totgeglaubte Mutter von ihrem Freund Tobias ‚Four‘ Eaton (Theo James).
Und dann beginnt ein furchtbar kompliziertes, aber auch furchtbar banales und fürchterlich unlogische Spiel zwischen den verschiedenen Gruppen. Ich hatte immer das Gefühl, dass im Film nur einige Höhepunkte und wichtige Szenen aus dem Roman aneinandergereiht werden. Die jugendlichen, eher weiblichen Fans freuen sich über die Bebilderung des ihnen bekannten Buches. Die anderen runzeln die Stirn über die mangelnde erzählerische Stringenz dieses zweistündigen Trailers zum Buch. Denn obwohl es mehrere Szenen gibt, in denen die Vorgeschichte ausführlich ausgebreitet und die Motivationen angesprochen werden, stolpern die Charaktere kopflos und fremdbestimmt durch den Plot.


Zum Beispiel nachdem Tris und ihre Freunde gerade einen großen Angriff der Ferox auf ihre zeitweilige Unterkunft bei den freimütig-wahrheitsliebenden Candor (fragt nicht warum. Es ist halt so und im Roman wird das sicher schlüssig erklärt) abwehren konnten und, ziemlich früh im Film, ein wichtiger Bösewicht umstandslos erschossen wird (da sieht man, dass der Film nicht der Dramaturgie eines Einzelspielfilms, sondern der Dramaturgie einer TV-Serie oder eines Fortsetzungsromans folgt), begibt Tris sich freiwillig und ohne Not in die Hände von Jeanine. Sie hat nur die irrationale Hoffnung, dass sie, ein ziemlich normales und bis jetzt unwichtiges Mädchen, den Krieg von Jeanine gegen die anderen Fraktionen beenden könne. Natürlich wird sie von Jeanine gezwungen, mit ihren geistigen Kräften die Box zu öffnen, die bis jetzt zum Tod von jeder Person führte, die es vor ihr versuchte. Um die Box zu Öffnen, begeben wir uns mit Tris in eine halluzinatorische Simulation, das SIM. Diese Illusionen sind natürlich ein Fest für die Programmierer, während wir emotional unbeteiligt ein CGI-Effektgewitter bestaunen dürfen.
Währenddessen und off screen stürmt ihr Freund Four die Festung und, gerade als er Tris aus ihrer gefährlichen Lage befreien konnte (Merke: auch Amazonen wollen vor allem von Männern gerettet werden), geht sie freiwillig wieder zurück in das Labor. Dabei hat Tris in dem Moment viele Gründe, das Gebäude, mit oder ohne Box, zu verlassen und keinen in ihm zu bleiben.
Genauso konfus wie die Handlung sind auch die Strukturen der Gesellschaft. Auch wenn man den ersten Teil gesehen hat, kann man mit dieser Welt wenig anfangen. Denn furchtbar viel Sinn ergibt das System nicht. Aber dafür gibt es jetzt auch eine plötzlich aufpoppende Untergrundgewegung und irgendein Beziehungsgeflecht und Konflikte zwischen den Fraktionen, die alle in einem Chicago leben, das ein fotogener Mix aus Ruinenstadt und High Tech ist. Ich meine: hätten sie in den vergangenen Jahrzehnten nicht die Stadt wieder aufbauen und für ein einheitliches Technik-Niveau sorgen können? So ist die „Die Bestimmung“-Welt einer Siedlergemeinschaft um 1900 im Wilden Westen nachempfunden, die unter einer Käseglocke lebt und einige moderne Computer und High-Tech-Spielereien, aber keine Videoüberwachung oder ein anderes Ortungssystem hat.
Und, wenn wir zum Konzept der Fraktionen zurückkehren: einerseits basiert es auf Vorherbestimmung und einer Negation des freien Willens. Diese Prämisse wird aber nicht stringent durchgehalten. Einen freien Willen und einen moralischen Kompass, der uns bestimmte Handlungen verbietet, gibt es immer dann, wenn es den Machern gerade passt. Deshalb müssen am Ende von „Die Bestimmung – Divergent“ die Soldaten auch mit einer Droge infiziert werden, die sie zu willenlosen Werkzeugen von Jeanine machen.
Das Ende von „Die Bestimmung – Insurgent“ ist in ähnlicher Weise idiotisch und hat noch nicht einmal einen vielversprechenden Cliffhanger.
Die schlüssigste Erklärung vor die von der bekennenden Christin Veronica Roth in ihren Romanen entworfene Welt ist, dass sie eine Metapher für ihrer eigenen, widersprüchlichen Gefühle am Beginn ihres Studiums ist. Sie steht, wie Tris, nach einigen Beratungsgesprächen über ihre Interessen vor der Frage, welches Studienfach sie wählen soll und sie glaubt, dass diese Wahl ihr gesamtes Leben bestimmen wird.
Das erklärt dann auch, warum Tris, die keine Probleme hat, Männer zu verkloppen und zu töten, am liebsten die ‚damsel in distress‘ ist, die natürlich immer wieder von ihrem Traumprinz aus der Bredouillie gerettet werden muss. Der kriegt dann dafür einen Augenaufschlag und einen dicken Schmatzer.
Da ist die „The Hunger Games/Die Tribute von Panem“-Heldin Katniss Everdeen erheblich selbstständiger und die Welt von Panem ist auch deutlich schlüssiger.
Immerhin ist die immer unblutige Action in „Die Bestimmung – Insurgent“ von Robert Schwentke kompetent inszeniert. Die Tricks sind gut, aber nicht weltbewegend. Vor allem die Szenen, die im Kopf von Tris spielen, sind ein Fest für die CGI-Crew. Dann darf die Heldin durch Glas springen, aus einem Hochhaus springen und durch die Hochhäuserschluchten fliegen, während um sie herum Hochhäuser fotogen zerfallen. Sie muss auch ihre ‚Mutter‘ aus einem fliegendem Containerhaus retten. Das sieht zwar gut aus, wurde in den vergangenen Jahren, seit „Matrix“, aber auch so oft gezeigt, dass es inzwischen nicht mehr besonders aufregend ist.
Der 3D-Effekt störte mich fast während des gesamten Film. Das lag vielleicht auch an meinem Sitzplatz am linken Rand des Kinosaals.
Aber, das muss konstatiert werden: Regisseur Robert Schwentke, der mit „Tattoo“, „Flightplan“ und „R. E. D.“ kompetente Genrefilme ablieferte, gelingt es, die Geschichte, die nur auf den dritten und abschließenden Teil vorbereiten soll, so zügig zu erzählen, dass es nie wirklich langweilig wird. Und Schwentkes Stammkameramann Florian Ballhaus fand schöne Bilder.
Für die Filmgeschichte sind sie ja nicht verantwortlich.

Die Bestimmung - Insurgent - Plakat

Die Bestimmung – Insurgent (The Divergent Series: Insurgent, USA 2015)
Regie: Robert Schwentke
Drehbuch: Brian Duffiled, Akiva Goldsman, Mark Bomback
LV: Veronica Roth: Divergent #2: Insurgent, 2012 (Die Bestimmung – Tödliche Wahrheit)
mit Shailene Woodley, Theo James, Octavia Spencer, Jai Courtney, Ray Stevenson, Zoë Kravitz, Miles Teller, Ansel Elgort, Maggie Q, Naomi Watts, Kate Winslet, Mekhi Phifer, Ashley Judd, Jonny Feston
Länge: 119 Minuten
FSK: ab 12 Jahre

Hinweise
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Film-Zeit über „Die Bestimmung – Insurgent“
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Metacritic über „Die Bestimmung – Insurgent“
Rotten Tomatoes über „Die Bestimmung – Insurgent“
Wikipedia über „Die Bestimmung – Insurgent“ (deutsch, englisch)


Neu im Kino/Filmkritik: „Labor Day“ praktiziert Familienhilfe mittels Geiselnahme

Mai 11, 2014

1987 geht in der Kleinstadt Holton Mills in New Haven alles seinen geregelten Gang. Die Nachbarn sind höflich, bringen Äpfel rüber, die Türen sind sowieso nie abgeschlossen und manchmal vergißt man vor dem Eintreten auch das Anklopfen. Man kennt sich ja im Dorf. Auch wenn Adele Wheeler (Kate Winslet) und ihr damals dreizehnjähriger Sohn Henry (Gattlin Griffith) wohl so etwas wie Exoten sind. Sie ist geschieden und hat sich seitdem vollständig in ihr Haus, das auch schon etwas heruntergekommen ist, zurückgezogen. Es fehlt halt der Mann für die nötigen Arbeiten am Haus und an ihrer Psyche.
Vor dem Labor-Day-Wochenende überredet Henry seine Mutter, ihn zum Einkaufen in die Shopping Mal zu begleiten. Dort trifft Henry auf einen geheimnisvollen, blutenden Mann, der zuerst ihn und dann seine Mutter als Geisel nimmt und sich bei ihnen in ihrem Haus versteckt. Er ist der flüchtige Schwerverbrecher Frank Chambers (Josh Brolin), der sich schnell als liebevoller Vater- und Ehemann-Ersatz entpuppt, der in Adele wieder die Lebensgeister weckt und Henry das Backen von Obstkuchen beibringt, während vor ihrer Haustür die Polizei ihn sucht und auch über Zeitung und Fernsehen nach ihm fahndet. Kurz: der skrupellose Mörder ist das Ortsgespräch.
Aber trotz des flüchtigen Verbrechers, der eine Frau und ihren Sohn als Geisel nimmt, ist Ivan Reitmans neuer Film „Labor Day“ kein Kriminalfilm, sondern eine Schnulze im Nicholas-Sparks-Stil, veredelt durch die guten Schauspieler und immer wieder auf den nackten Boden der Tatsachen zurückgeholt. Denn es gelingt Reitman nie, die hochgradig künstliche Prämisse glaubhaft zu gestalten. Vor allem weil die eine gute Woche dauernde Geiselnahme mitten in der Kleinstadt stattfindet, freundliche Nachbarn immer wieder an die Tür klopfen, mit einem behinderten Nachbarjungen ein Nachmittag im Garten verbracht wird und der Flüchtling am hellichten Tag einige Reperaturen am Haus durchführt und Henry endlich die richtige Wurftechnik im US-amerikanischen Nationalsport beibringt. Aber die furchtbar aufmerksamen Nachbarn bemerken nicht, dass der gutaussehende Mann der skrupellose Mörder ist, dessen Bild es auf die erste Seite der Tageszeitungen und ins Fernsehen gebracht hat.
Und wenn Henry zur Schule geht, sich mit einer neuen Schulfreundin trifft oder einige Einkäufe erledigen muss, verrät er Frank auch nicht an die Polizei. Immerhin ist der Gast ja ein verständnisvoller Superdaddy, der wirklich alles kann, und ein feinfühliger Liebhaber. Wenn er kein gesuchter Schwerverbrecher wäre (aber auch das Problem wird gelöst), wäre er der perfekte Mann. Und in Rückblenden erfahren wir, was uns nicht wirklich überrascht, dass er kein kaltblütiger Mörder ist. Eigentlich ist er ein Pechvogel.
Nein, wenn die Schauspieler und die Regie nicht so gut wären, wäre „Labor Day“ ein ungenießbares Kitsch-Fest. So ist es ein zäh erzähltes, ironiefreies und wirklichkeitsfernes Kitsch-Fest, das besser ist, als es die im Kern unglaubwürdige Geschichte verdient hat.

Labor Day - Plakat

Labor Day (Labor Day, USA 2013)
Regie: Jason Reitman
Drehbuch: Jason Reitman
LV: Joyce Maynard: Labor Day, 2009 (Der Duft des Sommers)
mit Kate Winslet, Josh Brolin, Gattlin Griffith, Tobey Maguire, Tom Lipinski, Clark Gregg, Brighid Fleming, J. K. Simmons
Länge: 111 Minuten
FSK: ab 6 Jahre

Hinweise
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Film-Zeit über „Labor Day“
Moviepilot über „Labor Day“
Metacritic über „Labor Day“
Rotten Tomatoes über „Labor Day“
Wikipedia über „Labor Day“ (deutsch, englisch)
Meine Besprechung von Jason Reitmans „Young Adult“ (Young Adult, USA 2011)
Homepage von Joyce Maynard

Das DP/30-Gespräch mit Jason Reitman

Das DP/30-Gespräch mit Josh Brolin

Und das ist eher Freestyle mit Kate Winslet, Josh Brolin und Jason Reitman


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