LV: Robert Moore: A Time to Die: The Untold Story of the Kursk Tragedy, 2002 (aktualisierte Neuausgabe unter „Kursk“)
Angenehm unpathetische Rekonstruktion der Tragödie der „Kursk“. Im August 2000 explodiert in dem russischen U-Boot ein Torpedo. Die meisten Besatzungsmitglieder sterben sofort. 23 Männer überleben die Explosion und kämpfen anschließend um ihr Leben, während die Rettungsaktionen erschreckend langsam anlaufen und das russische Militär internationale Hilfe ablehnt.
mit Matthias Schoenaerts, Léa Seydoux, Peter Simonischek, August Diehl, Max von Sydow, Colin Firth, Bjarne Henriksen, Magnus Millang, Artemiy Spiridonov, Joel Basman, Matthias Schweighöfer, Pernilla August, Martin Brambach
„Amrum“ könnte der schlechteste Film von Hark Bohm sein. ‚könnte‘, weil ich nicht alle, aber fast alle Filme von ihm gesehen habe und sie mir durchgängig gefielen. Ich sage das auch schweren Herzens. Denn es könnte sein letzter Film sein und, jedenfalls von der Filmgeschichte, ist diese Filmgeschichte direkt autobiographisch inspiriert. Es geht um einen zwölfjährigen Jungen und seinen Alltag auf der Insel Amrum während der letzten Tage des Zweiten Weltkriegs.
Es ist auch ein weiterer Film von Hark Bohm, in dem Jugendliche, ihre Welt und ihre Probleme, Ziele und Wünsche im Mittelpunkt stehen. In seinemn Debüt „Tschetan, der Indianerjunge“, „Nordsee ist Mordsee“, „Moritz, lieber Moritz“ und „Yasemin“ standen ebenfalls Jugendliche im Mittelpunkt. Am Drehbuch für Fatih Akins „Tschick“ schrieb er mit.
Bohm ist also ein Geschichtenerzähler, der schon einige ausgezeichnete Jugendfilme inszenierte. Was sollte schon schiefgehen? Vor allem wenn es dieses Mal sogar und im Gegensatz zu seinen vorherigen Filmen, wie „Der Fall Bachmeier – Keine Zeit für Tränen“, „Der kleine Staatsanwalt“ und „Vera Brühne“, sogar um eine persönliche Geschichte geht?
Ein großes Problem war Bohms Gesundheitszustand. Er sah sich schon vor Jahren nicht mehr in der Lage, den Film nach seinem Drehbuch zu inszenieren. In diesem Moment kam Fatih Akin ins Spiel. Den Roman „Amrum“ schrieb Bohm später.
Auch Fatih Akin ist ein Geschichtenerzähler, der schon mehrere überzeugende Filme mit jüngeren Protagonisten inszenierte. Außerdem war „Yasemin“ für ihn ein wichtiger Film. Es war der erste Film, der ihm zeigte, dass er als Kind türkischer Einwanderer in Hamburg Filme über sein Leben machen könnte. Bohm erzählt in „Yasemin“ die Liebesgeschichte zwischen einem zwanzigjährigem deutschen Studenten und einer siebzehnjährigen Türkin und den damit zusammenhängenden Culture Clash.
Später wurde Hark Bohm Fatih Akins Mentor und Freund. Und jetzt inszenierte Fatih Akin „Amrum“. Aber in diesem Fall handelt es sich nicht einfach um den häufiger vorkommenden Fall, dass ein Regisseur das Buch eines anderen Regisseurs verfilmt. Schon der Filmanfang mit den Worten „Ein Hark Bohm Film von Fatih Akin“ sagt, dass Fatih Akin sich in diesem Fall als Erfüllungsgehilfen von Hark Bohm sieht. Bei diesem Film ist er in erster Linie ein Handwerker, der die Vision eines anderen möglichst getreu umsetzt.
Dementsprechend ist „Amrum“ der Akin-Film in dem am wenigsten von Akin sichtbar ist. Er wollte und inszenierte einen Hark-Bohm-Film. Basierend auf einem Drehbuch von Hark Bohm, das Akin überarbeitete und von, in der ersten Fassung, der Länge eines TV-Mehrteilers auf Spielfilmlänge kürzte. Die Geschichte basiert auf den Erinnerungen des am 18. Mai 1939 in Hamburg geborenen und auf Amrum aufgewachsenem Hark Bohm.
Im Mittelpunkt des episodischen, im April 1945 während der letzten Kriegstage spielenden Films steht der zwölfjährige Nazi-Junge Nanning (Jasper Billerbeck). Seine hochschwangere Mutter ist immer noch eine fanatische Hitler-Verehrerin. Sein Vater ist in Kriegsgefangenschaft. Zusammen mit seinen jüngeren Geschwistern flohen sie aus Hamburg auf die Insel, wo sie die Fremden sind.
Lose zusammengehalten wird der Film von Nannings Versuch, seiner Mutter ihren größten Wunsch zu erfüllen. Sie möchte ein Honigbrot mit Butter. Dafür muss er in mühevoller Kleinarbeit zuerst die Zutaten besorgen.
Akin erzählt die Filmgeschichte chronologisch als eine in wenigen Tagen spielende Abfolge von weitgehend unabhängigen Episoden, teils mit bekannten Schauspielern, wie Detlev Buck und Matthias Schweighöfer, die dann nur Gastauftritte haben. Die meiste Zeit verbringt Nanning alleine auf der Insel. Potentielle Konflikte werden angetippt, aber nicht weiterverfolgt. Das gilt vor allem für den Umgang der Inselbewohner mit Fremden. Dazu gehören Nanning und seine Familie, die zwar Wurzeln auf der Insel haben, aber jetzt die Hamburger sind, und die am Filmanfang eintreffenden Flüchtlinge aus Schlesien und Ostpreußen. Das gilt auch für den Nationalsozialismus, der nicht mehr als ein folkloristisches Hintergrundrauschen ist. Hier vergibt Akin erzählerische Möglichkeiten zugunsten der Geschichte von der Beschaffung eines Brotes, die auch zu jeder anderen Zeit und an jedem anderen Ort spielen könnte.
Illustrieren tut Akin dies mit Postkartenbildern von der Insel, in die er seine brandneue Kleider tragenden Schauspieler drapiert. Der Horizont ist dabei meist in der Bildmitte, was laut John Ford, zitiert nach Steven Spielbergs Erinnerungsfilm „The Fabelmans“, „boring as shit“ ist. „Amrum“ wirkt wie der Beweis für diese Ansicht.
Natürlich ist „Amrum“ objektiv betrachtet kein schlechter Film. Es ist nur ein weiterer gut gemeinter, niemals packender Film. Früher nannte man solche Filme Auftragsarbeiten. Und das ist viel weniger, als man von einem Film von Hark Bohm und Fatih Akin erwartet.
Amrum (Deutschland 2025)
Regie: Fatih Akin
Drehbuch: Hark Bohm, Fatih Akin
mit Jasper Billerbeck, Kian Köppke, Laura Tonke, Lisa Hagmeister, Diane Kruger, Detlev Buck, Lars Jessen, Matthias Schweighöfer, Jan Georg Schütte, Marek Harloff, Steffen Wink
mit Cillian Murphy, Emily Blunt, Matt Damon, Robert Downey Jr., Florence Pugh, Josh Hartnett, Kenneth Branagh, Benny Safdie, Dylan Arnold, Gustaf Skarsgård, David Krumholtz, Matthew Modine, David Dastmalchian, Tom Conti, Casey Affleck, Rami Malek, Jason Clarke, Alden Ehrenreich, Dane DeHaan, Gary Oldman, James Remar, James D’Arcy, Matthias Schweighöfer
Dieses Mal beginne ich mit einer vielleicht überflüssigen Warnung, die zu einer Empfehlung wird: ich konnte „Elio“ in 3D in der Originalfassung sehen. Ersteres war problematisch. Die 3D-Effekte mit merkwürdig halbtransparent erscheinenden Objekten und im Vordergrund zu schnell durch das Bild huschenden Figuren störten immer wieder den Filmgenuss. Sie wirkten durchgehend falsch. Auch Kollegen, die 3D mögen, bemängelten dies anschließend. Ob das so von den Machern gewünscht war oder ob es bei der Vorführung ein technisches Probleme gab, konnten wir in dem Moment nicht herausfinden. Unabhängig davon rissen mich diese Effekte mich immer wieder aus der Filmgeschichte heraus. In der 2D-Fassung sollte dieses Problem nicht auftreten.
Und nun kommen wir zu dem Film, den ich deswegen nicht so genießen konnte, wie ich wollte.
Im Mittelpunkt steht Elio Solís. Der Elfjährige glaubt, dass es Aliens gibt und er möchte sie unbedingt kontaktieren. Genaugenommen hofft er, dass sie ihn entführen. Denn überall ist es besser als auf der Erde, wo er nach dem Tod seiner Eltern bei seiner Tante Olga lebt. Sie ist Major bei der Air Force und auf der Montez Air Base stationiert. Der Stützpunkt gehört zum Weltraumprogramm des Militärs.
Als sie in der Station ein Signal aus dem Weltraum empfangen, das anscheinend von Außerirdischen gesendet wurde, ergreift Elio die Gelegenheit und antwortet.
Die Außerirdischen hören seine Nachricht, halten ihn für den Herrscher der Welt und nehmen ihn überaus freundlich in ihre Welt, das Communiverse, auf. Dort treffen sich Vertreter aller Alien-Arten um über die Zukunft des Universums zu reden, zum Wohl aller zu Forschen und zum geselligen Miteinander. Während Elio noch beim Erkunden dieser Welt ist, wird sie von Lord Grigon besucht. Der bullige Krieger und Herrscher über den Planeten Hylurg möchte Teil des Communiverse werden. Die anderen Mitglieder lehnen das ab. Sie bevorzugen, im Gegensatz zu Grigon, friedliche Lösungen, Zusammenarbeit und Gutherzigkeit. Deshalb verfügen sie auch über keine Mittel, um gegen die Bedrohung vorzugehen.
Spontan erklärt sich der schüchterne und absolut nicht kampferfahrene Elio bereit, gegen Lord Grigon zu kämpfen.
Kurz darauf trifft er auf Grigons Sohn Glordon, der mit den Plänen seines Vaters für seine Zukunft hadert. Denn Glordon möchte kein furchtloser Krieger werden, sondern einen Freund haben.
„Elio“ ist ein typischer Pixar-Film. Im Mittelpunkt steht ein Kind, das einen großen Traum hat. Es wird eine phantastische Welt präsentiert, in der es viel zu Entdecken gibt. In „Elio“ gibt es Informationen über die Möglichkeiten außerirdischen Lebens und, wie in jedem Pixar-Film, werden ernste Themen kindgerecht angesprochen, ohne sie unzulässig zu vereinfachen. In diesem Fall geht es um Einsamkeit, den Wunsch, irgendwo dazuzugehören, Offenheit gegenüber neuen Erfahrungen und andere Menschen, den Umgang mit (vermeintlichen) Gegnern, Zusammenarbeit und friedliche Konflitklösungen. In Teilen kann „Elio“ sogar als gelungene Einführung in die hohe Schule der Diplomatie gesehen werden. Die Botschaft ist überaus sympathisch und zeitlos aktuell. Außerdem basiert „Elio“nicht auf schon bestehenden Werken oder setzt eine Filmreihe fort. Das ist heute, wo kein Franchise sterben darf, eine erwähnenswerte Seltenheit.
Das Ergebnis ist vielleicht nicht der beste Pixar-Film, aber es ist guter Film mit einer begrüßenswerten Botschaft und vielen witzigen Ideen.
Elio (Elio. USA 2025)
Regie: Madeline Sharafian, Domee Shi, Adrian Molina
Drehbuch: Julia Cho, Mark Hammer, Mike Jones, Jesse Andrews (Mitarbeit), Hannah Friedman (Mitarbeit) (nach einer Geschichte von Adrian Molina, Madeline Sharafian, Domee Shi, Julia Cho)
mit (im Original den Stimmen von) Yonas Kibreab, Zoe Saldaña, Remy Edgerly, Brad Garrett, Jameela Jamil, Shirley Henderson, Matthias Schweighöfer
LV: Robert Moore: A Time to Die: The Untold Story of the Kursk Tragedy, 2002 (aktualisierte Neuausgabe unter „Kursk“)
Angenehm unpathetische Rekonstruktion der Tragödie der „Kursk“. Im August 2000 explodiert in dem russischen U-Boot ein Torpedo. Die meisten Besatzungsmitglieder sterben sofort. 23 Männer überleben die Explosion und kämpfen anschließend um ihr Leben, während die Rettungsaktionen erschreckend langsam anlaufen und das russische Militär internationale Hilfe ablehnt.
mit Matthias Schoenaerts, Léa Seydoux, Peter Simonischek, August Diehl, Max von Sydow, Colin Firth, Bjarne Henriksen, Magnus Millang, Artemiy Spiridonov, Joel Basman, Matthias Schweighöfer, Pernilla August, Martin Brambach
LV: Robert Moore: A Time to Die: The Untold Story of the Kursk Tragedy, 2002 (aktualisierte Neuausgabe unter „Kursk“)
Angenehm unpathetische Rekonstruktion der Tragödie der „Kursk“. Im August 2000 explodiert in dem russischen U-Boot ein Torpedo. Die meisten Besatzungsmitglieder sterben sofort. 23 Männer überleben die Explosion und kämpfen anschließend um ihr Leben, während die Rettungsaktionen erschreckend langsam anlaufen und das russische Militär internationale Hilfe ablehnt.
mit Matthias Schoenaerts, Léa Seydoux, Peter Simonischek, August Diehl, Max von Sydow, Colin Firth, Bjarne Henriksen, Magnus Millang, Artemiy Spiridonov, Joel Basman, Matthias Schweighöfer, Pernilla August, Martin Brambach
Ein verfilmter Wikipedia-Artikel – ein gern benutzter Vorwurf gegen Biopics die das Leben der porträtierten Person chronologisch, detailversessen und langweilig abhandeln – ist Christopher Nolans „Oppenheimer“ nicht. Ein guter Film ist das dreistündige Werk auch nicht.
Er erzählt, weitgehend chronologisch und mit vielen Stars (dazu später mehr) einige wichtige Momente aus dem Leben von J. Robert Oppenheimer, dem „Vater der Atombombe“. Cillian Murphy spielt ihn als hageren Kettenraucher. Es geht um seine Jahre als Leiter des Manhattan-Projekts während des Zweiten Weltkriegs. In Los Alamos, New Mexico, leitete er die Forschungen und Entwicklung der Atombombe. Es geht um die Sicherheitsanhörung, in der 1954 über seine Sicherheitsfreigabe, die ihm die Arbeit an geheimen Rüstungsprojekten ermöglicht, verhandelt wurde. Auch seine Zeit als Student und aufstrebender Wissenschaftler werden kurz beleuchtet. Nolan springt dabei, ohne die Zuschauer zu überfordern, in der Chronologie, zwischen Farbe und Schwarz-Weiß und zwischen Oppenheimers Berufs- und Privatleben hin und her. Auf Jahreszahlen und Ortsangaben verzichtet er, aber Oppenheimers Frisur gibt jederzeit deutliche Hinweise auf die Zeit.
Bis auf wenige Momente, in denen Nolan in Oppenheimers Kopf eintaucht, ist das Biopic ein normales Biopic mit sprechenden Männern und noch mehr sprechenden Männern, die anscheinend auf ihren Stühlen festgewachsen sind, und einigen prächtigen Landschaftsaufnahmen von New Mexico mit reitenden Menschen und fotogenen Sonnenauf- und -untergängen. Irgendwann sind die Forscher im Manhattan-Projekt, die wir eigentlich nie bei der Arbeit sehen, soweit, dass sie den Trinity-Test durchführen können. Diese erste Explosion einer Atombombe wurde schon vorher eifrig beworben. Nolan verzichtete auf computergenerierte Bilder. Also musste es eine echte Explosion geben, die im Film, nun, ziemlich wie eine normale Explosion aussieht. Nur, insgesamt, auch durch die Inszenierung, etwas imposanter.
Um die Bilder und die Kameraarbeit wurde vorher ebenfalls ein großes Bohei gemacht. Nolan und sein Kameramann Hoyte van Hoytema (u. a. die Nolan-Filme „Interstellar“, „Dunkirk“ und „Tenet“) drehten mit Großformatkameras und immer mit einer IMAX-Auswertung im Blick. Für die Schwarz-Weiß-Szenen entwickelte Kodak spezielles Filmmaterial. Das sind technische Aspekte, die mit der Qualität des Films letztendlich nichts zu haben.
Bei den Figuren wollte Nolan keine Filmfiguren erfinden, die aus mehreren realen Personen zusammengefügt sind. Dieser Verzicht auf Composite Characters führt dazu, dass er viele, sehr viele Schauspieler für teils nur sehr kurze Auftritte von ein, zwei Szenen engagieren musste. Er besetzte diese teils immer noch sehr bekannten Menschen, wie Niels Bohr und Werner Heisenberg, mit bekannten Schauspielern, die auch in sehr kurzen Auftritten von oft nur ein, zwei Szenen einen bleibenden Eindruck hinterlassen können. Und niemand würde Matt Damon mit Robert Downey Jr. (schwer erkennbar als Lewis Strauss) mit Kenneth Branagh mit Casey Affleck oder mit Matthias Schweighöfer (der in der Originalfassung etwas deutsch reden darf) verwechseln. Das erleichtert etwas die Orientierung im Wust der Kurzauftritte und auch das spätere Gespräch darüber.
Ein großer Teil des Films, mindestens ein Drittel, wahrscheinlich sogar viel mehr Filmzeit, beschäftigt sich mit zwei Anhörungen, die in den Fünfzigern stattfanden. Die eine ist die Sicherheitsanhörung von J. Robert Oppenheimer. In ihr wird 1954 über die Bestätigung seiner Sicherheitsgarantie verhandelt. Es ist, in einem anonymen, winzigem Besprechungszimmer, ein Schauprozess der übelsten Sorte. Ohne Publikum und ohne die Möglichkeit, sich zu verteidigen. Die andere Anhörung ist 1959 die von Lewis Strauss vor dem US-Senat. Er soll als Handelsminister bestätigt werden. In diesem Teil des Films geht es dann tief in die Hinterzimmer von Washington und die US-amerikanische Paranoia vor dem Kommunismus, die damals zum McCarthyismus führte. In langen Befragungen wird sich auf Details aus Oppenheimers Vergangenheit konzentriert, die ihn als einen Kommunisten überführen sollen. Wann er mal für eine gute Sache Geld spendete oder mit wem er sich irgendwann vor Jahren mal traf.
Nolan inszeniert diesen Reigen sprechender Köpfe, über die wir oft nichts wissen, als eine endlose Abfolge starrer Kameraeinstellungen, die mehr an einen durchschnittlichen TV-Gerichtsfilm als an einen großen Kinofilm erinnert. Wobei sogar jede Gerichtsszene in „Law & Order“ dynamischer inszeniert ist.
Er verzichtet auch auf eine Voice-Over-Kommentar, der Informationen, Hintergründe und Zusammenhänge vermitteln und Lücken der Erzählung ausfüllen könnte. Das muss dann der Wikipedia-Artikel erledigen.
Ärgerlich ist bei einem Film wie „Oppenheimer“, bei dem die Dialoge wichtig sind, Nolans Marotte, die Dialoge bis zur Unverständlichkeit in den restlichen Sound zu mischen. Da wären, wie bei seinem vorherigen Film „Tenet“, Untertitel hilfreich gewesen.
Alles das könnte verziehen werden, wenn Nolan sein Material im Griff hätte. Aber er reiht nur Episoden und Details aus Oppenheimers Leben aneinander. Am Anfang assoziativ und immer wieder in Oppenheimers Kopf, später weitgehend chronologisch und objektiv. Nolan lässt beim Erzählen von Oppeneimer Leben große Lücken. Die größte ist die zwischen dem Ende des Zweiten Weltkriegs und den Jahren danach, in der Oppenheimer die Entwicklung der Wasserstoffbombe ablehnte. Er zerstritt sich darüber mit Lewis Strauss, dem damaligen Vorsitzenden der Atomenergiebehörde (Atomic Energy Commission, AEC). Strauss diffamierte ihn als möglichen sowjetischen Spion. Das führte zu der von Nolan in epischer Breite gezeigten Sicherheitsanhörung. Interessanter wäre es gewesen, wenn Nolan eben die Geschichte des Konflikts zwischen Oppenheimer und Strauss gezeigt hätte. Er zeigt nur einen kleinen, für sich genommen und ohne Hintergrundwissen kaum verständlichen Ausschnitt.
Die Frauen in Oppenheimers Leben bleiben schmückendes Beiwerk. Sein familiärer Hintergrund, Kindheit und Jugend werden ignoriert. Das wäre kein Problem, wenn Nolan aus Oppenheimers Leben einen wichtigen Abschnitt oder eine wichtige Entwicklung vollständig und nachvollziehbar erzählt hätte. So finden die wichtigsten Entwicklungen immer zwischen den Bildern statt.
„Oppenheimer“ ist Christopher Nolans schwächster Film. Nolans Drei-Stunden-Epos wirkt wie eine lieblos auf Spielfilmlänge zusammengeschnittene durchschnittliche TV-Serie.
Oppenheimer(Oppenheimer, USA 2023)
Regie: Christopher Nolan
Drehbuch: Christopher Nolan
LV: Kai Bird/Martin J. Sherwin: American Prometheus: The Triumph and Tragedy of J. Robert Oppenheimer, 2005 (J. Robert Oppenheimer – Die Biographie)
mit Cillian Murphy, Emily Blunt, Matt Damon, Robert Downey Jr., Florence Pugh, Josh Hartnett, Kenneth Branagh, Benny Safdie, Dylan Arnold, Gustaf Skarsgård, David Krumholtz, Matthew Modine, David Dastmalchian, Tom Conti, Casey Affleck, Rami Malek, Jason Clarke, Alden Ehrenreich, Dane DeHaan, Gary Oldman, James Remar, James D’Arcy, Matthias Schweighöfer (da könnte man ein Trinkspiel machen)
Länge: 181 Minuten
FSK: ab 12 Jahre (in den USA gab’s wegen nackter Tatsachen ein R-Rating. Die sind halt arg prüde.)
Zwei Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkriegs kehren Peter Perg (Murathan Muslu) und seine Männer aus dem Krieg zurück in ein Wien, das sie nicht wieder erkennen. Als sie in den Krieg zogen war Österreich ein Kaiserreich. Jetzt gehört Österreich zu den Verlierern, einen Kaiser gibt es nicht mehr, es ist kleiner und eine Republik. Sie kämpften auf der falschen Seite für die falsche Sache. Niemand erwartet diese Verlierer.
In Wien kehrt Perg in seine alte Wohnung zurück. Seine Frau ist mit ihrem Kind zu ihrer Schwester aufs Land gezogen. Noch ehe Perg sich wirklich Gedanken über sein weiteres Leben machen kann, wird der frühere Kriminalinspektor in einen Mordfall verwickelt. Ein Serienkiller ermordet einen Oberleutnant aus Pergs Truppe, verstümmelt ihn und stellt die Leiche aus.
Zusammen mit der Gerichtsmedizinerin Theresa Körner (Liv Lisa Fries), die er von früher kennt, und dem jungen Kommissar Paul Severin (Max von der Groeben) beginnt er den Serienmörder zu suchen.
Gut, die Geschichte von Stefan Ruzowitzkys neuem Film „Hinterland“ ist ein 08/15-Serienkillerthriller, in dem der Mörder munter seine Taten begeht, die Opfer anschließend fotogen ausstellt, der Ermittler tapfer aufklärt und dem Mörder am Schluss die Maske vom Gesicht reißt. Dabei ist seine Identität sekundär. Schließlich ist „Hinterland“ kein klassischer Rätselkrimi, bei dem der Ermittler in einer Schar hochgradig verdächtiger Menschen den Täter finden muss.
Diese Mordermittlung bildet das Rückgrat für die atemberaubende Gestaltung des Films. Denn Ruzowitzky drehte seinen neuen Film fast ausschließlich im Studio vor Blue Screens. D. h. letztendlich, dass die Schauspieler wie in einem Theater vor einem nackten Hintergrund spielten, Benedict Neuenfels das aufnahm und Ruzowitzky, zusammen mit Oleg Prodeus und Ronald Grauer als Digital Designer, später diese einfügte. Dabei ging es ihnen nie um Realismus, sondern um, so Ruzowitzky, „eine digitale Version des Stummfilmklassikers ‚Das Kabinett des Dr. Caligari’“. Diesen expressionistischen Stil hält er vom ersten bis zum letzten Bild durch. Es handelt sich um ein künstliches Wien, das in jedem Bild seine Künstlichkeit betont und zeigt, wie derangiert und auch verrückt Perg, die anderen Kriegsheimkehrer und ganz Österreich sich fühlen.
Es sind Bilder, die auf die große Leinwand gehören – und auch in einem Comic gut aufgehoben wären.
LV: Robert Moore: A Time to Die: The Untold Story of the Kursk Tragedy, 2002 (aktualisierte Neuausgabe unter „Kursk“)
TV-Premiere. Angenehm unpathetische Rekonstruktion der Tragödie der „Kursk“. Im August 2000 explodiert in dem russischen U-Boot ein Torpedo. Die meisten Besatzungsmitglieder sterben sofort. 23 Männer überleben die Explosion und kämpfen anschließend um ihr Leben, während die Rettungsaktionen erschreckend langsam anlaufen und das russische Militär internationale Hilfe ablehnt.
mit Matthias Schoenaerts, Léa Seydoux, Peter Simonischek, August Diehl, Max von Sydow, Colin Firth, Bjarne Henriksen, Magnus Millang, Artemiy Spiridonov, Joel Basman, Matthias Schweighöfer, Pernilla August, Martin Brambach
Wiederholung: Sonntag, 18. April, 00.10 Uhr (Taggenau!)
Nach einer Explosion eines Torpedos sinkt im August 2000 das russische Atom-U-Boot K-141 Kursk auf den Grund der Barentssee. Als kurz darauf bekannt wird, dass es Überlebende gibt, beginnen die Rettungsaktionen. Weil Russland noch dem Denken des Kalten Kriegs verhaftet ist und Angst vor westlicher Spionage hat, wird über mehrere Tage ausländische Hilfe abgelehnt. Auch später verlaufen die internationalen Rettungsversuche, aufgrund der zahlreichen russischen Restriktionen, sehr schleppend.
Die Weltöffentlichkeit verfolgte, soweit es mit den spärlichen offiziellen Informationen möglich war, die Rettungsversuche. Am 21. August bestätigen die norwegischen Rettungstaucher, dass kein Besatzungsmitglied das Unglück überlebte. Damit gehört der Untergang der Kursk mit 118 Toten zu den größten U-Boot-Unglücken.
2002 veröffentlicht Robert Moore das Sachbuch „A Time to Die“ über die erfolglose Rettungsaktion. Das Buch ist die Grundlage für Thomas Vinterbergs Survivaldrama „Kursk“, das sich, teils notgedrungen, künstlerische Freiheiten nimmt. Er konzentriert sich dabei auf die die Explosion überlebenden 23 Besatzungsmitglieder und ihre Angehörigen. Die Marinesoldaten warten in der Kursk in einer vom restlichen U-Boot abgeschlossenen Kammer auf Rettung, während sie um ihr Überleben kämpfen. Von Anfang an sind Nahrung und Luft Mangelware, das kalte Ozeanwasser dringt in das havarierte U-Boot ein und sie können sich nur durch Klopfzeichen bemerkbar machen. Zur gleichen Zeit versuchen ihre Frauen, Kinder und Eltern im Marinestützpunkt herauszufinden, was passiert ist. Auch sie sind zur Untätigkeit verdammt. Und das russische Militär mauert. Zunächst gibt es keine Informationen, später falsche. Auch die Hilfsangeboten verschiedener westlicher Staaten werden aus ziemlich ausführlich geschilderten politischen Motiven abgelehnt.
Vladimir Putin, der damals seit Mai Präsident der Russischen Föderation war, hat allerdings keinen Auftritt in dem Spielfilm. Noch vor den Dreharbeiten wurde seine Rolle aus dem Drehbuch gestrichen zugunsten des menschlichen Dramas im U-Boot und auf dem Marinestützpunkt.
„Kursk“ ist keine patriotische Heldensaga. Das liegt auch daran, dass der Film von Luc Bessons EuropaCorp produziert wurde (Keine Panik. Mit den üblichen Actionfilmen hat er nichts zu tun) und dass es keine russische Beteiligung gibt. Gedreht wurde vor allem in Belgien. Auf Englisch. Deshalb ist auch nichts gegen die deutsche Synchronisation einzuwenden, in der konsequent Deutsch gesprochen wird.
Die Schauspieler kommen aus ganz Europa. Trotzdem spielen erstaunlich viele uns sehr vertraute deutsche Schauspieler mit. Meistens in kleinen Rollen und weil sie international unbekannter sind, erleiden einige von ihnen einen überraschend schnellen Filmtod. Matthias Schweighöfer, August Diehl, Martin Brambach gehören zur U-Boot-Besatzung. Peter Simonischek spielt Admiral Gruzinsky, den russischen kommandierenden Offizier der Marineübung an der die Kursk teilnahm. Er trauert dem Kalten Krieg hinterher. Damals war die Flotte größer und die Übungen imposanter.
Dazu kommen etliche Stars des europäischen Kinos. Matthias Schoenaerts als Mikhail Averin, den kommandierenden Offizier der Kursk. Léa Seydoux als seine schwangere Frau Tanya. Max von Sydow als Admiral Petrenko, der auch das Gesicht der russischen Regierung ist und der die Bedürfnisse des Staates über das Überleben der Soldaten stellt. Und Colin Firth als britischer Commodore David Russell, der den Russen Hilfe bei der Rettung der Kursk-Besatzung anbietet. Der echte David Russell beriet auch das Filmteam und Colin Firth.
Allein schon diese äußeren Umstände sprechen gegen das patriotische Hohelied auf den tapferen russischen Soldaten.
Am wichtigsten ist allerdings Vinterbergs betont nüchterne Erzählweise. Sie bereitet einen schon lange vor dem Ende auf das düstere Ende vor. Sie verhindert allerdings auch einen zu großen emotionalen Überschwang. Die Taschentücher müssen bei diesem Überlebensdrama nicht ausgepackt werden. Pulstreibend spannend wird es bei den zahlreichen russischen Rettungsversuchen, die alle aufgrund des maroden und veralteten Materials scheitern, auch nicht. Gleichzeitig verschont Vinterberg einen vor dem überbordenden Pathos der Michael-Bay-Schule.
Kursk (Kursk, Belgien/Frankreich/Norwegen 2018)
Regie: Thomas Vinterberg
Drehbuch: Robert Rodat
LV: Robert Moore: A Time to Die: The Untold Story of the Kursk Tragedy, 2002 (aktualisierte Neuausgabe unter „Kursk“)
mit Matthias Schoenaerts, Léa Seydoux, Peter Simonischek, August Diehl, Max von Sydow, Colin Firth, Bjarne Henriksen, Magnus Millang, Artemiy Spiridonov, Joel Basman, Matthias Schweighöfer, Pernilla August, Martin Brambach
Wer sich nach einem Blick auf Plakat und Trailer fragt, wie oft man die Herren Schweighöfer und Fitz in einem ab 6 Jahren freigegebenem Film nackt sieht, muss nicht weiterlesen: man sieht sie oft. Vor allem Matthias Schweighöfer läuft erstaunlich oft nackt durch das Bild und er hat irgendwann vor dem Dreh ein umfangreiches Muskelaufbauprogramm absolviert. Das fällt vor allem am Ende des Films auf; nach einer Szene, die jeder Berliner sofort als Fantasie erkennt.
Wer wissen will, ob sich der Film „100 Dinge“ lohnt, kann weiterlesen.
Matthias Schweighöfer und Florian David Fitz (auch Drehbuch und Regie) spielen die Jugendfreunde Toni Katz und Paul Konaske, die kaum gegensätzlicher sein könnten. Während Paul (Florian David Fitz) mühelos jedes Weckerklingeln ignoriert, eine riesige Auswahl nie getragener, brandneuer Sneakers hat und gerade, wie in „Her“, in die Stimme der künstlichen Intelligenz seines Smartphones verliebt ist, ist Toni (Matthias Schweighöfer) das komplette Gegenteil. Er ist schon vor dem ersten Weckerklingeln wach, steckt mehr Zeit und Arbeit in sein Aussehen als jede Frau und er ist der perfekte aalglatte Verkäufer. Sie könnten kaum unterschiedlicher sein. Trotzdem gründeten sie gemeinsam eine Firma. Ihr Start-Up entwickelte eine App, die ihren Kunden mit lieblicher Stimme und persönlicher Ansprache bei der täglichen Lebensgestaltung hilft und Kauftipps gibt. Diese App, die Paul gerade testet, präsentieren sie dem US-Internet-Milliardär David Zuckermann (Artjom Gilz, der wie eine schlechte Mark-Zuckerberg-Kopie aussieht).
Also die beiden Firmengründer präsentieren ihre Idee nicht dem großen Boss, sondern einem Kuratorium gelangweilter Angestellter. Aber weil Zuckemann zuhört und er in ihrer Idee Potential sieht, gibt er ihnen einen millionenschweren Entwicklungsauftrag und er will demnächst Berlin besuchen.
Am Abend feiern Paul und Toni mit ihren Angestellten das Riesengeschäft. Während der Büroorgie beginnen Paul und Toni sich zu streiten. Denn Toni behauptet, Paul sei viel zu konsumsüchtig und unbeherrscht, um nur einen Tag auf etwas zu verzichten. Er sei das perfekte Opfer für ihre App. Ein Wort gibt das nächste, bis Paul eine Wette vorschlägt: er und Toni verzichten jetzt sofort auf alles. In den kommenden 100 Tagen darf jeder sich jeden Tag einen Gegenstand aus einem Lagerraum, in dem ihre persönliche Habe deponiert ist, zurückholen. Wer als erster gegen die Regeln verstößt, hat die Wette verloren. Der Wetteinsatz ist die eigene Hälfte der Firma.
„100 Dinge“ ist eine der Komödien, bei der man viel Zeit auf vollkommen unwichtige Fragen verwenden kann, wie warum einmal Schnee in Berlin liegt und einmal nicht. Es sind Fragen, die in einem besseren Film egal wären. Aber im zweiten gemeinsamen Film von Florian David Fitz und Matthias Schweighöfer stimmt so wenig, dass solche Fragen wichtig werden.
Das beginnt schon mit ihren durchgehend unglaubwürdigen, meist hoffnungslos überdreht agierenden Charakteren. Sie sind so verschieden, dass ihre jahrzehntelange Freundschaft nie auch nur einen Hauch von Glaubwürdigkeit hat. Dazu kommt, dass sie, wie Erzfeinde, ständig versuchen, sich zu betrügen. Sie sind Kunstfiguren mit Problemen, die in diesem Licht auch künstlich erscheinen. So müssen wir einfach glauben, dass Paul sich in die Stimme seiner von ihm programmierten App verliebte. Warum und wieso ist in „100 Dinge“ egal. In Spike Jonzes „Her“ verstanden wir intellektuell und emotional, warum der einsame Theodore Twombly sich in die liebliche Computerstimme verliebte.
Die um Paul und Toni und ihre Wette herumgesponnene Geschichte, in der sie selbstverständlich auch eine Frau kennenlernen und auch einige persönliche Problemchen verarbeiten, streift dann etliche aktuelle und wichtige Themen, ohne sie jemals zu vertiefen. Stattdessen darf ein Kapitalismusjunkie die Liebe seines Lebens entdecken und am Ende wird alles gut, weil der Drehbuchautor es so will. Besser wäre es gewesen, weil die Figuren es so wollen. Garniert wird das ganze mit begrüßenswerter, aber wohlfeiler und nicht besonders glaubwürdiger Konsumkritik.
„100 Dinge“ ist eine langweilig-vorhersehbare Komödie, deren Halbwertzeit schon auf dem Weg vom Kino zum gegenüberliegenden Konsumtempel überschritten wird.
100 Dinge (Deutschland 2018)
Regie: Florian David Fitz
Drehbuch: Florian David Fitz
mit Florian David Fitz, Matthias Schweighöfer, Miriam Stein, Hannelore Elsner, Wolfgang Stumph, Maria Furtwängler, Katharina Thalbach, Artjom Gilz
Die Geschichte von Robinson Crusoe dürfte allgemein bekannt sein. Immerhin ist Daniel Defoes Roman oft genug wieder veröffentlicht und verfilmt worden. Auch als auf dem Mars spielendes Science-Fiction-Abenteuer, das bei uns „Notlandung im Weltraum“, im Original „Robinson Crusoe on Mars“ heißt.
Jetzt erzählen Vincent Kesteloot und das belgische Studio nWave („Das magische Haus“, „Sammys Abenteuer“ und zahlreiche IMAX-Filme) die Geschichte als Animationsfilm und aus der Sicht eines Papageien. Warum auch nicht? Immerhin ist ihre „Robinson Crusoe“-Version ein Kinderfilm und eine altbekannte Geschichte kann neu interpretiert werden. Wobei, und das ist ein Problem des Films, die Filmgeschichte nichts mehr mit Defoes Geschichte zu tun hat. Außer, dass ein Mann auf einer einsamen Insel strandet. Der Rest ist dann freie Erfindung der Macher.
Auf der Insel befreunden sich, nach anfänglichem Misstrauen, die einheimischen Tiere und der Schiffbrüchige. Sie kämpfen gegen zwei biestige Schiffskatzen, die ebenfalls die Katastrophe überlebten, und gegen Piraten, die auf der Insel ein Feuer bemerken und deshalb die Insel ansteuern. Diese Geschichte, und das ist das große Problem des Films, ist nur die Ausgangssituation für nicht enden wollende und schnell ermüdende Slapstick-Actionszenen, die von etwas Klamauk (in der betont norddeutschen Synchronisation besonders klamaukig) unterbrochen werden. Das unterhält über die Filmlänge höchstens sehr kleine Kinder, denen, solange die Pixel sich bewegen, so etwas wie Charakterentwicklung, Plot, Thema und Subtext egal sind
So unbefriedigend „Robinson Crusoe“ auf der erzählerischen Ebene ist, so gelungen sind die Animationen in 3D. Da stimmt jedes Detail. Das Schiff, die Insellandschaften, sich bewegende Blätter und das Wasser, egal, ob es sich um einen Ozean oder eine Pfütze handelt, sind absolut realistisch. Auch die Figuren und ihre Bewegungen sind, innerhalb des Slapstick-Universums, absolut realistisch. Das hat in den 3D-Animationen eine atemberaubende Qualität, die locker mit den Spezialeffekten von Hollywood-Blockbustern mithalten kann.
Nur: wer will sich im Kino eine neunzigminütige Produktwerbung ansehen?
Robinson Crusoe (Robinson Crusoe, Belgien/Frankreich 2015)
Regie: Vincent Kesteloot
Drehbuch: Lee Christoper, Domonic Paris, Graham Welldon (nach einer Idee von Chris Hubbell, Sam Graham, Domonic Paris und Ben Stassen)
mit (in der deutschen Fassung den Stimmen von) Matthias Schweighöfer, Kaya Yanar, Cindy aus Marzahn, Dieter Hallervorden, Aylin Tezel
Länge: 90 Minuten
FSK: ab 0 Jahre
– Hinweise Homepage zum Film Moviepilot über „Robinson Crusoe“ Wikipedia über „Robinson Crusoe“
Ich erwartete wirklich kein Meisterwerk, keine hohe Filmkunst, aber „Vaterfreuden“, der neue Film des so sympathisch verpeilt in die Kamera guckenden Schwiegermutterlieblings Matthias Schweighöfer ist dann doch ungefähr so unterhaltsam wie ein Zugunglück; – was vielleicht die Zuschauerzahlen erklärt.
Denn die Macher erwischen zielsicher in fast jeder Szene den falschen Ton und es gelingt ihnen nie, den gar nicht so komplexen Stoff, immerhin will „Vaterfreuden“ nie mehr als eine RomCom sein, in eine sinnvolle Reihenfolge zu bringen.
Dabei werden die größten Fehler in den ersten Minuten gemacht und der gesamte restliche Film leidet dann an diesen grundlegenden Story-Problemen. Dabei gab es, laut Abspann, fünf Drehbuchautoren, eine Drehbuch-Mitarbeit, einem Script Consultant und eine dramaturgischen Beratung.
„Vaterfreuden“ beginnt nämlich mit einer dieser heißen Sexszenen, in denen sie jugendfrei-züchtig ihren BH anbehält (Oder wird das neuerdings so gemacht?). Während des Geschlechtsverkehrs sagt sie ihm, dass sie ihren Eisprung habe und jetzt ein Kind will. Felix (Matthias Schweighöfer) kriegt eine Panikattacke und versucht sie möglichst schnell aus dem Bett zu werfen. Es gelingt ihm und sie faselt nachher, seltsamerweise überhaupt nicht wütend, etwas von Rodeo-Sex. Später erfahren wir, dass seine Freundin verheiratet ist. Jetzt erscheint ihr Kinderwunsch in einem anderen und die Panikattacke von Felix in einem arg irrationalem Licht.
Jedenfalls wissen wir nach der ersten Szene: Felix will keine Kinder haben.
Danach geht es etwas rein ins schöne Junggesellenleben und der immer wieder – glaubhaft – betonten Freude, kein Vater zu sein und keinen Beziehungsstress zu haben.
Felix wird von seinem blöden, älteren Bruder Henne (Friedrich Mücke) besucht, der auch gleich sein Haustier, ein Frettchen, mitbringt und Felix von einem seiner Jobs erzählt: Samenspender. Felix, chronisch pleite, aber in einer dieser loftartigen Dachwohnungen, hier in der Ausführung mit viel Holz, die in München wohl für ein Taschengeld zu bekommen sind, lebend, spendet ebenfalls seinen Samen. Der Klinikleiter ist begeistert von der hohen Qualität von Felix‘ Samen.
Unsere Lehre nach dieser Szene: Felix hat einen exorbitant guten Samen und, nach anfänglichem Zögern, gefällt ihm diese Arbeit. Denn Samenspenden ist viel Geld für wenig Arbeit und garantiert ohne Verantwortung.
Kurz darauf startet seine Freundin einen zweiten Rodeo-Reiten-Versuch. Sie fesselt Felix, träufelt eine Flasche Honig auf seinen Bauch und geht auf den Balkon, um mit ihrem Freund zu telefonieren. Anschließend verschwindet sie aus der Geschichte.
Während des Telefonats beißt sich das Frettchen in Felix‘ honigverschmiertem Geschlechtsteil fest – und er ist danach impotent.
Eigentlich müsste Felix sich jetzt freuen. Ihm ist zwar eben eine Verdienstmöglichkeit abhanden gekommen (die er eh etwas suspekt beurteilte), aber ab jetzt kann er jederzeit Sex haben und muss sich nicht mehr um die Folgen kümmern.
Aber weil das Drehbuch es so will, will er jetzt unbedingt Vater werden und weil sein gespendeter Samen bereits im Körper der „Sky“-Moderatorin Maren (Isabell Polak) ist, versucht er ihr Herz zu gewinnen. Die ist schon in festen Händen und hält Felix für einen vollkommen unmöglichen Trottel.
Ab jetzt folgt der Film den ausgetretenen RomCom-Pfaden, in denen die Szenen mit den Kindern ganz nett sind und das Product-Placement ungeahnte und oft peinliche Höhen erreicht. Besonders unangenehm wird es, wenn zweimal schamlos im Stil eines Werbeclips für eine Fast-Food-Kette geworben wird. Das ist Werbung als Teil des Films und nicht als Unterbrechung des Films.
Ach, ja: später, viel später, erfahren wir, dass Felix vor zehn Jahren eine schwangere Freundin hatte, die bei einem Autounfall starb. Seitdem fährt er Fahrrad und trauert ihr immer noch nach. Dieses traumatische Erlebnis könnte wirklich als Erklärung für seine Bindungsscheu und seine Panik, als er von seiner Impotenz erfährt, erklären. Aber wenn die Macher dieses Erlebnis wirklich als Erklärung für sein jetziges Leben hätte nehmen wollen, dann hätten die vielen Drehbuchautoren und dramaturgischen Berater die im Abspann genannt werden, das doch sicher am Anfang des Films gesagt.
Eine Komödie hätte es danach immer noch werden können. Wobei „Vaterfreuden“ eine ziemlich witzarme Komödie voller Klischees ist. So sind alle Frauen, die nicht gerade Playmate-taugliche Maße haben, dumm. Bei dem Entsetzen über dieses unstimmige Werk mit Fünfziger-Jahre-Moral und biederem Humor (garniert mit einigen Schimpfworten) blieb mir das Lachen im Hals stecken.
Dabei gehöre ich wirklich nicht zu den Menschen, die einen Film schon allein wegen des Hauptdarstellers ablehnen.
Drehbuch: Sebastian Wehlings, Christian Lyra, Andrea Willson, Murmel Clausen, Matthias Schweighöfer, Simon Verhoeven (Script Consultant), Sarah Altmann (Drehbuch-Mitarbeit)
LV: Murmel Clausen: Frettsack, 2012 (wegen der Verfilmung jetzt „Vaterfreuden“)
mit Matthias Schweighöfer, Isabell Polak, Friedrich Mücke, Tom Beck, Katharina Schüttler, Luise Bähr, Alexander Khuon, Moritz Grove, Margarita Broich, Detlev Buck, Michael Gwisdek
Weihnachten: in allerletzter Sekunde kann ein Mann, der ein Holzkästchen bei sich hat, irgendwo im Nirgendwo einen Zug besteigen. Kurz darauf ist er tot. Seine Mitreisenden erblicken in dem Kästchen Juwelen – und die Gier nach ihnen bestimmt fortan das Handeln der Reisenden.
„Night Train“ ist einer der kleinen Filme, die auf einem begrenzten Raum und mit wenigen Schauspielern eine ordentliche Portion an Thrill herausholen. Früher wäre „Night Train“ als eine Folge der „Twilight Zone“ oder von „Alfred Hitchcock präsentiert“ durchgegangen.
mit Danny Glover, Steve Zahn, Leelee Sobieski, Matthias Schweighöfer, Takatsuna Mukai, Togo Igawa, Richard O’Brien, Jo Marr, Constantine Gregory, Geoff Bell