TV-Tipp für den 5. Januar: Basic Instinct

Januar 4, 2024

3sat, 22.25

Basic Instinct (Basic Instinct, USA 1992)

Regie: Paul Verhoeven

Drehbuch: Joe Eszterhas

San Francisco: Detective Nick Curran (Michael Douglas) soll den Mord an einem ehemaligen Rockmusiker aufklären. Die Hauptverdächtige ist Catherine Tramell (Sharon Stone), Bestsellerautorin von blutigen Sensationsthrillern. Während seiner Ermittlungen verliebt Curran sich in sie.

Der Plot ist 08/15-Noir-Ware. Aber wie Paul Verhoeven das inszeniert und wie er dabei im Rahmen eines Mainstream-Thrillers auf die Skandal- und Sensationslust des notorisch prüden US-amerikanischen Publikums spekuliert, ist große Kunst.

Damals war der Erotikthriller vor allem in den USA ein heftig umstrittener Kinohit und der Beginn einer Welle zahlreicher, bis auf wenige Ausnahmen, schlechterer Erotikthriller.

Heute ist „Basic Instinct“ ein Klassiker.

Mit Michael Douglas, Sharon Stone, George Dzundza, Denis Arndt, Jeanne Tripplehorn

Hinweise

Rotten Tomatoes über „Basic Instinct“

Wikipedia über „Basic Instinct“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Paul Verhoevens „Flesh + Blood“ (Flesh + Blood, USA 1985)

Meine Besprechung von Paul Verhoevens Philippe-Djian-Verfilmung „Elle“ (Elle, Frankreich/Deutschland/Belgien 2016) und der DVD

Meine Besprechung von Paul Verhoevens „Benedetta“ (Benedetta, Frankreich 2021) und der DVD


TV-Tipp für den 27. September: Tatort: Kressin und der Mann mit dem gelben Koffer

September 26, 2022

WDR, 23.45

Tatort: Kressin und der Mann mit dem gelben Koffer (Deutschland 1972)

Regie: Michael Verhoeven

Drehbuch: Wolfgang Menge

Zollfahnder Kressin sucht einen verschwundenen gelben Koffer, in dem Unterlagen über schmutzige Waffendeals sind. Für den Koffer interessiert sich auch der Gentleman-Gangster Sievers, ein alter Bekannter von Kressin.

Damals war Zollfahnder Kressin so etwas wie die deutsche TV-Ausgabe von James Bond. Heute sind die Abenteuer des Jungen mit der lockeren Dienstauffassung immer noch vergnüglich.

Kressin durfte zwischen 1971 und 1973 sieben Mal ermitteln. Vier der Drehbücher sind von Wolfgang Menge. Er schrieb die besten Kressin-Tatorte. Und dann gibt es noch, vollkommen außer Konkurrenz, Sam Fullers durchgeknallten Kressin-Tatort „Tote Taube in der Beethovenstraße“, in dem Fuller den Zollfahnder schnell aus der Handlung verabschiedet und einen aus den USA kommenden Privatdetektiv ermitteln lässt.

mit Sieghardt Rupp, Ivan Desny, Paul Verhoeven, Günther Stoll, Friedrich von Thun, Friedrich Nowottny, Ernst Dieter Lueg, Fritz Eckhardt

Hinweise

Tatort-Fundus über Zollfahnder Kressin

Wikipedia über Zollfahnder Kressin und diesen Fall


DVD-Kritik: Paul Verhoevens „Benedetta“ verführt jetzt im Heimkino

Februar 28, 2022

Zum Kinostart schrieb ich ziemlich begeistert über das neue Werk des Regisseurs von „Türkische Früchte“, „ RoboCop“, „Die totale Erinnerung – Total Recall“ (Dienstag wieder im Kino), „Basic Instinct“, „Showgirls“, „Starship Troopers“, „Black Book“ und „Elle“:

Nachdem die letzten Werke einiger seit Ewigkeiten hochgeachteter Regisseure, wie Ridley Scott, Clint Eastwood und Woody Allen, enttäuschten, ist Paul Verhoevens neuer Film das komplette Gegenteil. „Benedetta“ ist eine in einem Kloster spielende Geschichte, in der es um Glaube, Macht und Sex geht. Im Mittelpunkt steht die titelgebende Benedetta Carlini (Virginie Efira), die im siebzehnten Jahrhundert als Nonne in einem Theatiner-Kloster in Pescia lebt. Sie ist tiefgläubig. Schon als Kind überzeugte sie mit Gottes Hilfe auf dem Weg zum Kloster eine Bande Strauchdiebe, sie und ihre Eltern mit all ihren Besitztümern unverletzt gehen zu lassen. Inzwischen lebt sie schon achtzehn Jahre im Kloster. Ihr Glaube ist immer noch stark. In der Hierarchie des Klosters könnte sie bis zur Äbtissin aufsteigen. Auf ihrem Körper tauchen immer wieder die Wundmale Jesus auf. Sie hat auch Visionen, in denen Jesus auftaucht.

Außerdem hat sie heimlich mit der Nonnenschülerin Bartolomea (Daphné Patakia), um die sich sich kümmern soll, Geschlechtsverkehr. Den zeigt Paul Verhoeven auch ausführlich, ohne dass sein Film in einen Porno im Kloster abdriftet. Zentral sind für ihn Fragen des Glaubens und der Macht; im Kloster, in der Kirche und außerhalb der Kirche. So ist immer unklar, wie sehr Benedetta von ihren Visionen selbst überzeugt ist oder sie nur benutzt, um im Kloster aufzusteigen. Die Wundmale fügt sie sich jedenfalls manchmal (?) selbst bei. Als die Pest im Land wütet, ergreift sie, mit der Hilfe einer Jesus-Vision, die geeigneten Maßnahmen, um die Bewohner der Stadt zu schützen. Sie lässt die Stadttore schließen. Auch dem Nuntius des Papstes, der herausfinden soll, was in dem Kloster geschieht, wird zunächst der Zutritt verwehrt.

Und es geht immer um die Struktur dieser Gesellschaft, Macht, Einfluss und Geld. Schon beim Gespräch über die Aufnahme von Benedetta ins Kloster zeigt Verhoeven, dass ein Kloster ein Wirtschaftsbetrieb ist, der sich rentieren muss. Für Benedettas Ausbildung zur Nonne muss ihr Vater daher viel Geld bezahlen. Später geht es auch immer wieder um Geld und Macht. Altruistisch handelt in dieser Welt niemand.

Verhoeven hält dabei in seinem präzise komponiertem Drama immer die Balance zwischen den verschiedenen Erklärungen. Deshalb habe ich vorher so oft „auch“ geschrieben. Als Zuschauer steht man ständig vor der Frage, wie sehr Benedetta wirklich eine überzeugte Gläubige oder eine eiskalte Manipulatorin und Karrieristin ist, die das Kloster nach ihren Vorstellungen formt. Auch die anderen Figuren sind in ihren Handlungen ännlich ambivalent angelegt.

Daher stört der Text am Filmende, in dem wir erfahren, was nach den im Film geschilderten Ereignissen mit Bendetta geschieht. Dieser Text präferiert eindeutig eine Erklärung für ihr Verhalten. Er vermittelt eine Gewissheit, die in den vorherigen zwei Stunden vermieden wurde.

Die Filmgeschichte beruht auf den umfangreichen Dokumenten des Prozesses gegen Benetta Carlini (1590 – 1661). Judith C. Brown entdeckte sie in einem Archiv in Florenz und verarbeitete sie zu ihrem Sachbuch „Schändliche Leidenschaften: Das Leben einer lesbischen Nonnein in Italien zur Zeit der Renaissance“.

Verhoevens vorherigen Film „Elle“ nannte ich „Meisterwerk“. Das kann ich jetzt bei „Benedetta“ nicht nochmal schreiben. Was soll besser als ein Meisterwerk sein? Also muss ich wohl sagen: „Benedetta“ ist nicht schlechter als „Elle“. Und wieder steht, wie öfter bei Paul Verhoeven, eine Frau im Mittelpunkt, die nicht nach den Regeln spielt.

Jetzt ist „Benedetta“ in verschiedenen Ausgaben als DVD und Blu-ray erschienen – und wer den Film im Kino verpasst hat, sollte ihn sich jetzt unbedingt ansehen.

Benedetta (Benedetta, Frankreich 2021)

Regie: Paul Verhoeven

Drehbuch: David Birke, Paul Verhoeven

LV: Judith C. Brown: Immodest Acts: The Life of a Lesbian Nun in Renaissance Italy, 1986 (Schändliche Leidenschaften: Das Leben einer lesbischen Nonne in in Italien zur Zeit der Renaissance)

mit Virginie Efira, Charlotte Rampling, Daphné Patikia, Lambert Wilson, Olivier Rabourdin, Louise Chevillotte, Hervé Pierre, Clotilde Courau, David Clavel, Guilaine Londez

DVD

Capelight

Bild: 2.39:1 (16:9)

Ton: Deutsch, Französisch

Untertitel: Deutsch

Bonusmaterial: –

Länge: 126 Minuten

Der Film ist außerdem erhältlich als Blu-ray, 2-Disc Limited Collector’s Edition im UHD-Mediabook (4K Ultra HD + Blu-ray) und digital.

Hinweise

AlloCiné über „Benedetta“

Moviepilot über „Benedetta“

Metacritic über „Benedetta“

Rotten Tomatoes über „Benedetta“

Wikipedia über „Benedetta“ (deutsch, englisch, französisch)

Meine Besprechung von Paul Verhoevens „Flesh + Blood“ (Flesh + Blood, USA 1985)

Meine Besprechung von Paul Verhoevens Philippe-Djian-Verfilmung „Elle“ (Elle, Frankreich/Deutschland/Belgien 2016) und der DVD

Meine Besprechung von Paul Verhoevens „Benedetta“ (Benedetta, Frankreich 2021)


Neu im Kino/Filmkritik: „Benedetta“ – Paul Verhoeven erzählt die Geschichte einer lesbischen Nonne

Dezember 5, 2021

Nachdem die letzten Werke einiger seit Ewigkeiten hochgeachteter Regisseure, wie Ridley Scott, Clint Eastwood und Woody Allen, enttäuschten, ist Paul Verhoevens neuer Film das komplette Gegenteil. „Benedetta“ ist eine in einem Kloster spielende Geschichte, in der es um Glaube, Macht und Sex geht. Im Mittelpunkt steht die titelgebende Benedetta Carlini (Virginie Efira), die im siebzehnten Jahrhundert als Nonne in einem Theatiner-Kloster in Pescia lebt. Sie ist tiefgläubig. Schon als Kind überzeugte sie mit Gottes Hilfe auf dem Weg zum Kloster eine Bande Strauchdiebe, sie und ihre Eltern mit all ihren Besitztümern unverletzt gehen zu lassen. Inzwischen lebt sie schon achtzehn Jahre im Kloster. Ihr Glaube ist immer noch stark. In der Hierarchie des Klosters könnte sie bis zur Äbtissin aufsteigen. Auf ihrem Körper tauchen immer wieder die Wundmale Jesus auf. Sie hat auch Visionen, in denen Jesus auftaucht.

Außerdem hat sie heimlich mit der Nonnenschülerin Bartolomea (Daphné Patakia), um die sich sich kümmern soll, Geschlechtsverkehr. Den zeigt Paul Verhoeven auch ausführlich, ohne dass sein Film in einen Porno im Kloster abdriftet. Zentral sind für ihn Fragen des Glaubens und der Macht; im Kloster, in der Kirche und außerhalb der Kirche. So ist immer unklar, wie sehr Benedetta von ihren Visionen selbst überzeugt ist oder sie nur benutzt, um im Kloster aufzusteigen. Die Wundmale fügt sie sich jedenfalls manchmal (?) selbst bei. Als die Pest im Land wütet, ergreift sie, mit der Hilfe einer Jesus-Vision, die geeigneten Maßnahmen, um die Bewohner der Stadt zu schützen. Sie lässt die Stadttore schließen. Auch dem Nuntius des Papstes, der herausfinden soll, was in dem Kloster geschieht, wird zunächst der Zutritt verwehrt.

Und es geht immer um die Struktur dieser Gesellschaft, Macht, Einfluss und Geld. Schon beim Gespräch über die Aufnahme von Benedetta ins Kloster zeigt Verhoeven, dass ein Kloster ein Wirtschaftsbetrieb ist, der sich rentieren muss. Für Benedettas Ausbildung zur Nonne muss ihr Vater daher viel Geld bezahlen. Später geht es auch immer wieder um Geld und Macht. Altruistisch handelt in dieser Welt niemand.

Verhoeven hält dabei in seinem präzise komponiertem Drama immer die Balance zwischen den verschiedenen Erklärungen. Deshalb habe ich vorher so oft „auch“ geschrieben. Als Zuschauer steht man ständig vor der Frage, wie sehr Benedetta wirklich eine überzeugte Gläubige oder eine eiskalte Manipulatorin und Karrieristin ist, die das Kloster nach iihren Vorstellungen formt. Auch die anderen Figuren sind in ihren Handlungen ännlich ambivalent angelegt.

Daher stört der Text am Filmende, in dem wir erfahren, was nach den im Film geschilderten Ereignissen mit Bendetta geschieht. Dieser Text präferiert eindeutig eine Erklärung für ihr Verhalten. Er vermittelt eine Gewissheit, die in den vorherigen zwei Stunden vermieden wurde.

Die Filmgeschichte beruht auf den umfangreichen Dokumenten des Prozesses gegen Benetta Carlini (1590 – 1661). Judith C. Brown entdeckte sie in einem Archiv in Florenz und verarbeitete sie zu ihrem Sachbuch „Schändliche Leidenschaften: Das Leben einer lesbischen Nonnein in Italien zur Zeit der Renaissance“.

Verhoevens vorherigen Film „Elle“ nannte ich „Meisterwerk“. Das kann ich jetzt bei „Benedetta“ nicht nochmal schreiben. Was soll besser als ein Meisterwerk sein? Also muss ich wohl sagen: „Benedetta“ ist nicht schlechter als „Elle“. Und wieder steht, wie öfter bei Paul Verhoeven, eine Frau im Mittelpunkt, die nicht nach den Regeln spielt.

Benedetta (Benedetta, Frankreich 2021)

Regie: Paul Verhoeven

Drehbuch: David Birke, Paul Verhoeven

LV: Judith C. Brown: Immodest Acts: The Life of a Lesbian Nun in Renaissance Italy, 1986 (Schändliche Leidenschaften: Das Leben einer lesbischen Nonne in in Italien zur Zeit der Renaissance)

mit Virginie Efira, Charlotte Rampling, Daphné Patikia, Lambert Wilson, Olivier Rabourdin, Louise Chevillotte, Hervé Pierre, Clotilde Courau, David Clavel, Guilaine Londez

Länge: 131 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

AlloCiné über „Benedetta“

Moviepilot über „Benedetta“

Metacritic über „Benedetta“

Rotten Tomatoes über „Benedetta“

Wikipedia über „Benedetta“ (deutsch, englisch, französisch)

Meine Besprechung von Paul Verhoevens „Flesh + Blood“ (Flesh + Blood, USA 1985)

Meine Besprechung von Paul Verhoevens Philippe-Djian-Verfilmung „Elle“ (Elle, Frankreich/Deutschland/Belgien 2016) und der DVD


TV-Tipp für den 3. September: Elle

September 2, 2021

One, 22.30

Elle (Elle, Frankreich/Deutschland/Belgien 2016)

Regie: Paul Verhoeven

Drehbuch: David Birke

LV: Philippe Djian: Oh…, 2012 (Oh…)

Michèle Leblanc (Isabelle Huppert), die taffe Chefin einer Videogame-Firma, wird vergewaltigt. Danach reagiert sie anders als erwartet. Denn sie verweigert konsequent die Opferrolle.

Grandioser Thriller von „Basic Instinct“ Paul Verhoeven mit einer grandiosen Isabelle Huppert in der Hauptrolle.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Isabelle Huppert, Laurent Lafitte, Anne Consigny, Christian Berkel, Charles Berling, Virginie Efira, Judith Magre, Jonas Bloquet, Alice Isaaz, Vamila Pons

Die Vorlage

djian-oh

Philippe Djian: Oh…

(übersetzt von Oliver Ilan Schulz)

Diogenes, 2017

240 Seiten

12 Euro

Deutsche Erstausgabe

Diogenes, 2014

Originalausgabe

Oh…

Éditions Gallimard, 2012

Hinweise

Moviepilot über „Elle“

Metacritic über „Elle“

Rotten Tomatoes über „Elle“

Wikipedia über „Elle“ (deutsch, englisch, französisch)

Perlentaucher über Philippe Djian

Wikipedia über Philippe Djian (deutsch, englisch, französisch)

Meine Besprechung von Philippe Djians „Die Rastlosen“ (Incidences, 2010 – und der Verfilmung „Liebe ist das perfekte Verbrechen“)

Meine Besprechung von Paul Verhoevens „Flesh + Blood“ (Flesh + Blood, USA 1985)

Meine Besprechung von Paul Verhoevens Philippe-Djian-Verfilmung „Elle“ (Elle, Frankreich/Deutschland/Belgien 2016) und der DVD


DVD-Kritik: Etwas Filmbildung mit „The Movies – Die Geschichte Hollywoods“ und „In Search of the Last Action Heroes“

Juni 28, 2021

Das wird jetzt eine satte Portion Hollywood. Mal besser, mal schlechter erzählt. Mal mit höherem, mal mit niedrigerem Budget. Das eine ist die 140-minütige Doku „In Search of the Last Action Heroes“, einer Doku über den Hollywood-Actionfilm ab den und vor allem über die achtziger Jahren. Das andere ist die zwölfteilige, insgesamt gut neunstündige CNN/HBO-Serie „The Movies – Die Geschichte Hollywoods“ . Produziert wurde sie unter anderem von Tom Hanks. Die Interviewpartner sind hochkarätig. Neben Filmjournalisten, wie die in mehreren Episoden auftretenden Neal Gabler (Filmhistoriker), Renee Graham (The Boston Globe), Ben Mankiewicz (TCM), Amy Nicholson (Variety) und Kenneth Turan (Los Angeles Times), sind viele bekannte Regisseure und Schauspieler dabei. Unter anderem Steven Spielberg, Tom Hanks, Robert Redford, Martin Scorsese, Paul Thomas Anderson, Cameron Crowe, John Landis, Julia Roberts, Alec Baldwin, Robert De Niro und Susanna Hoffs (keine Ahnung warum die „Bangles“-Sängerin und Frau von „Austin Powers“-Regisseur Jay Roach dabei ist).

Konzentriert wird sich auf Hollywood, wobei Hollywood meistens als Ort, aber auch als Synomym für das globale Kino verwandt wird. Das öffnet die Tür, um sich mit dem Independent-Kino (das wenig mit Hollywood zu tun hat) und James Bond zu beschäftigen. Es wird auch beherzt weggelassen. Auch in neun Stunden kann einfach nicht alles vorgestellt werden.

Das ist allerdings nicht das Problem der Serie. Dass Schwerpunkte gesetzt werden, dass nicht alles besprochen wird und dass selbstverständlich der eigene Lieblingsfilm und -regisseur fehlt oder nicht genügend gewürdigt wird, ist selbstverständlich. Zum Problem wird das, wenn man sich ansieht, was weggelassen wird und wie das restliche Material aufbereitet wird. Weggelassen wird zuerst einmal der gesamte Stummfilm. Die nächsten Jahrzehnte werden im Schweinsgalopp in den ersten beiden vierzigminütigen Episoden durchgegangen. Ab der dritten Episode widmet sich dann jede Doppelfolge einem Jahrzehnt. Beginnend mit den sechziger Jahren. Die letzten zwanzig Jahre werden in einer wild zwischen den Jahren hin- und herspringenden Doppelfolge abgehandelt. Die Erklärung für das Weglassen der ersten Hälfte der Geschichte Hollywoods ist wohl, dass die heute noch lebendige Gesprächspartner früher noch nicht aktiv waren. Die prominenten Interviewpartner wie Robert Redford, Steven Spielberg, Martin Scorsese und Ridley Scott können in ihren aktuellen Statements in Erinnerungen an ihre Vergangenheit schwelgen und über ihre Einflüsse reden, die anscheinend nichts mit dem Stummfilm und nur sehr wenig mit dem frühen Hollywood-Tonfilm zu tun haben. Verstorbene Regisseure wie Alfred Hitchcock und Robert Altman haben da schlechte Karten. Und Woody Allen wird nur mal nebenbei erwähnt. Aber Allen verlässt ja fast nie Manhattan.

Noch problematischer als diese Konzentration auf die vergangenen sechzig Jahre, ist die Anordnung des Materials. Da folgt Filmclip auf Kurzstatement auf Filmclip auf Kurzstatement. Nach ungefähr zwei Minuten folgt der nächste Film. So werden in der Doppelepisode über die neunziger Jahre in ungefähr achtzig Minuten atemberaubende 145 Filme in teils nur sekundenlangen Ausschnitten präsentiert.

Warum bestimmte Filme in der Serie erwähnt werden und andere nicht, erschließt sich dem unbefangenem Zuschauer nicht. Eine Filmgeschichte, also eine sinnvolle Verknüpfung verschiedener Ereignisse und ein Aufzeigen von Entwicklungen, ergibt sich daraus nicht. Stattdessen folgt einfach Film auf Film auf Film nach dem Prinzip ‚drin ist ein Film, wenn der Regisseur oder ein Schauspieler dabei ist oder irgendjemand etwas über den Film sagen will‘.

Als Einführung in die Filmgeschichte taugt die Serie deshalb nicht. Es ist keine Struktur, kein Gedankengang, keine Anordnung des Materials erkennbar. Jemand, der sich über die Filmgeschichte informieren möchte, wird danach nicht schlauer als vorher sein.

Cineasten, die die Film- und Interviewschnipsel in die Filmgeschichte einordnen können, brauchen die Serie nicht. Sie können „The Movies“ höchstens als Schwelgen in Erinnerungen und als Anregung, sich mal wieder einen bestimmten Film anzusehen, gebrauchen.

Angesichts der an der Serie beteiligten Personen, des offenkundigen Budgets und des damit verbundenen Potentials ist „The Movies – Die Geschichte Hollywoods“ ein Totaldesaster, das wie ein YouTube-Autoplay-Abend wirkt.

Wobei ich da ein „Trailers from Hell“-Autoplay empfehle. Dort sprechen, während der Trailer gezeigt wird, bekannte Regisseure, wie der immer gut aufgelegte John Landis, über Filme. Meistens sind es B-Pictures, Horrorfilme, liebenswerter, manchmal kultiger Schund, äußerst obskure Filme, aber auch Klassiker. Das ist eine äußert angenehme Mischung aus Fantum und Filmbildung, die manchmal mit persönlichen Erinnerungen der Regisseure angereichert wird. Sie erzählen, wann und wo sie die Filme erstmals sahen oder sie erzählen von Erlebnissen, die sie bei den Dreharbeiten hatten oder was ihnen später von den Dreharbeiten erzählt wurde.

 

Obwohl mit einem deutlich geringerem Budget als „The Movies“ gedreht, ist „In Search of the Last Action Heroes“ von Oliver Harper, dem Macher des YouTube-Kanals „Oliver Harper’s Retrospectives and Reviews“, der gelungenere Dokumentarfilm. In ihm geht es vor allem um den Hollywood-Actionfilm der achtziger Jahre. Damals etablierte sich der Actionfilm als eigenständiges Genre. Vor allem die Filme mit Sylvester Stallone („Rambo“) und Arnold Schwarzenegger („Terminator“, „Commando“ [Das Phantom-Kommando]) waren bahnbrechend. Auch der zweite „Alien“-Film und die „Mad Max“-Filme werden genannt. Nachdem Stallone und Schwarzenegger an der Kinokasse überzeugten, wurden mit Bodybuildern und Kampfsportlern als Hauptdarsteller unzählige, meist billig produzierte Filme mit viel Action und wenig Handlung produziert. Teils fürs Kino, teils für den boomenden Heimvideomarkt. Mit diesen Filmen beschäftigt Oliver Harper sich ausführlicher.

Blockbuster, wie „Robocop“, die „Lethal Weapon“-Filme, „Stirb langsam“, und die damit einher gehenden Änderungen bei den Actionhelden hin zu weniger Muskeln, besseren Schauspielern, höheren Budgets und mehr Tricks werden ebenfalls angesprochen. Während in den 80-Jahre-Actionfilmen alle Kämpfe, Crashs, Explosionen und Stunts live vor der Kamera ausgeführt wurden, werden seit „Jurassic Park“ immer mehr Actionszenen in einer sicheren Studioumgebung oder gleich im Computer inszeniert. Dafür brauchte man die Actionhelden der Achtziger nicht mehr. Sie waren außerdem keine guten Schauspieler und sie wurden älter.

Mit den nur sehr kurz angesprochenen „Bourne“-, „The Raid“- und „John Wick“-Filmen zeichnete sich hier wieder eine Rückkehr zum guten alten Actionhandwerk ab.

Harper unterhielt sich ausführlich mit den Produzenten, Regisseuren, Autoren, Filmkomponisten und Schauspielern, die vor allem in den achtziger und neunziger Jahren auf dem Zenit ihrer Karriere standen. Die großen Stars wie Arnold Schwarzenegger und Sylvester Stallone fehlen. Aber Cynthia Rothrock, Bill Duke und Eric Roberts sind dabei. Und sie alle haben etwas zu erzählen. Vielen, vor allem den Produzenten, Autoren und Regisseuren, wie Shane Black, Steven E. De Souza, Sam Firstenberg, Peter MacDonald, Paul Verhoeven und Mario Kassar, hätte ich gerne noch länger zugehört.

The Movies – Die Geschichte Hollywoods (The Movies, USA 2019)

Regie: ?

Drehbuch: ?

mit Neal Gabler, Renee Graham, Ben Mankiewicz, Amy Nicholson, Kenneth Turan, Steven Spielberg, Tom Hanks, Robert Redford, Martin Scorsese, Paul Thomas Anderson, Cameron Crowe, John Landis, Julia Roberts, Alec Baldwin, Robert De Niro, Brad Bird, Edgar Wright, Bill Hader, Holly Hunter, Julia Roberts, John Singleton, Ron Howard, Julianne Moore, Ridley Scott, Peter Bogdanovich, Tim Burton, Susanna Hoffs, Lawrence Kasdan

DVD/Blu-ray

Studio Hamburg Enterprises

Bild: 16:9

Ton: Deutsch, Englisch (Dolby Digital 2.0)

Untertitel: –

Bonusmaterial: Wendecover

Länge: 540 Minuten (12 x 45 Minuten)

FSK: ab 12 Jahre

In Search of the Last Action Heroes (In Search of the Last Action Heroes, Großbritannien 2019)

Regie: Oliver Harper

Drehbuch: Oliver Harper, Timon Singh

mit Scott Adkins, Stuart Ashen, Shane Black, James Bruner, Stan Bush, Ronny Cox, Boaz Davidson, Steven E. de Souza, Bill Duke, Brad Fiedel, Sam Firstenberg, Mark Goldblatt, Jenette Goldstein, Jeffrey Greenstein, Matthias Hues, Mario Kassar, Al Leong, Mark L. Lester, Sheldon Lettich, Peter MacDonald, Ian Nathan, Zak Penn, Phillip Rhee, Eric Roberts, Cynthia Rothrock, Paul Verhoeven, Vernon Wells, Michael Jai White, Alex Winter, Graham Yost ..

DVD/Blu-ray

Studio Hamburg Enterprises

Bild: 16:9

Ton: Deutsch, Englisch (Dolby Digital 2.0)

Untertitel: –

Bonusmaterial: Wendecover

Länge: 140 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

ARD über „The Movies – Die Geschichte Hollywoods“ (online verfügbar in der deutschen und der Originalversion bis Mitte Oktober 2021 [die einzelnen Episoden gehen an verschiedenen Tagen offline])

Moviepilot über „The Movies“ und „In Search of the Last Action Heroes“

Rotten Tomatoes über „The Movies

Wikipedia über „The Movies“ (mit einer Liste der präsentierten Filme)


TV-Tipp für den 13. August: Elle

August 12, 2020

Zum heutigen Geburtstag von Alfred Hitchcock würde ich gerne einen seiner Filme (irgendeinen) als Tagestipp empfehlen. Weil aber heute kein Alfred-Hitchcock-Film gezeigt wird, empfehle ich einen Film, der ihm sicher gefallen hätte:

MDR, 23.55

Elle (Elle, Frankreich/Deutschland/Belgien 2016)

Regie: Paul Verhoeven

Drehbuch: David Birke

LV: Philippe Djian: Oh…, 2012 (Oh…)

Michèle Leblanc (Isabelle Huppert), die taffe Chefin einer Videogame-Firma, wird vergewaltigt. Danach reagiert sie anders als erwartet. Denn sie verweigert konsequent die Opferrolle.

Grandioser Thriller von „Basic Instinct“ Paul Verhoeven mit einer grandiosen Isabelle Huppert in der Hauptrolle.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Isabelle Huppert, Laurent Lafitte, Anne Consigny, Christian Berkel, Charles Berling, Virginie Efira, Judith Magre, Jonas Bloquet, Alice Isaaz, Vamila Pons

Die Vorlage

djian-oh

Philippe Djian: Oh…

(übersetzt von Oliver Ilan Schulz)

Diogenes, 2017

240 Seiten

12 Euro

Deutsche Erstausgabe

Diogenes, 2014

Originalausgabe

Oh…

Éditions Gallimard, 2012

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Englische Homepage zum Film

Französische Homepage zum Film

Filmportal über „Elle“

Moviepilot über „Elle“

Metacritic über „Elle“

Rotten Tomatoes über „Elle“

Wikipedia über „Elle“ (deutsch, englisch, französisch)

Perlentaucher über Philippe Djian

Wikipedia über Philippe Djian (deutsch, englisch, französisch)

Meine Besprechung von Philippe Djians „Die Rastlosen“ (Incidences, 2010 – und der Verfilmung „Liebe ist das perfekte Verbrechen“)

Meine Besprechung von Paul Verhoevens „Flesh + Blood“ (Flesh + Blood, USA 1985)

Meine Besprechung von Paul Verhoevens Philippe-Djian-Verfilmung „Elle“ (Elle, Frankreich/Deutschland/Belgien 2016) und der DVD


TV-Tipp für den 8. Februar: Elle

Februar 7, 2019

3sat, 22.25

Elle (Elle, Frankreich/Deutschland/Belgien 2016)

Regie: Paul Verhoeven

Drehbuch: David Birke

LV: Philippe Djian: Oh…, 2012 (Oh…)

Michèle Leblanc (Isabelle Huppert), die taffe Chefin einer Videogame-Firma, wird vergewaltigt. Danach reagiert sie anders als erwartet. Denn sie verweigert konsequent die Opferrolle.

Grandioser Thriller von „Basic Instinct“ Paul Verhoeven mit einer grandiosen Isabelle Huppert in der Hauptrolle.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Isabelle Huppert, Laurent Lafitte, Anne Consigny, Christian Berkel, Charles Berling, Virginie Efira, Judith Magre, Jonas Bloquet, Alice Isaaz, Vamila Pons

Die Vorlage

djian-oh

Philippe Djian: Oh…

(übersetzt von Oliver Ilan Schulz)

Diogenes, 2017

240 Seiten

12 Euro

Deutsche Erstausgabe

Diogenes, 2014

Originalausgabe

Oh…

Éditions Gallimard, 2012

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Englische Homepage zum Film

Französische Homepage zum Film

Filmportal über „Elle“

Moviepilot über „Elle“

Metacritic über „Elle“

Rotten Tomatoes über „Elle“

Wikipedia über „Elle“ (deutsch, englisch, französisch)

Perlentaucher über Philippe Djian

Wikipedia über Philippe Djian (deutsch, englisch, französisch)

Meine Besprechung von Philippe Djians „Die Rastlosen“ (Incidences, 2010 – und der Verfilmung „Liebe ist das perfekte Verbrechen“)

Meine Besprechung von Paul Verhoevens „Flesh + Blood“ (Flesh + Blood, USA 1985)

Meine Besprechung von Paul Verhoevens Philippe-Djian-Verfilmung „Elle“ (Elle, Frankreich/Deutschland/Belgien 2016) und der DVD


TV-Tipp für den 1. September: Elle

September 1, 2018

One, 22.00

Elle (Elle, Frankreich/Deutschland/Belgien 2016)

Regie: Paul Verhoeven

Drehbuch: David Birke

LV: Philippe Djian: Oh…, 2012 (Oh…)

Michèle Leblanc (Isabelle Huppert), die taffe Chefin einer Videogame-Firma, wird vergewaltigt. Danach reagiert sie anders als erwartet. Denn sie verweigert konsequent die Opferrolle.

Grandioser Thriller von „Basic Instinct“ Paul Verhoeven mit einer grandiosen Isabelle Huppert in der Hauptrolle.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Isabelle Huppert, Laurent Lafitte, Anne Consigny, Christian Berkel, Charles Berling, Virginie Efira, Judith Magre, Jonas Bloquet, Alice Isaaz, Vamila Pons

Wiederholung: Montag, 3. September, 01.15 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Englische Homepage zum Film

Französische Homepage zum Film

Filmportal über „Elle“

Moviepilot über „Elle“

Metacritic über „Elle“

Rotten Tomatoes über „Elle“

Wikipedia über „Elle“ (deutsch, englisch, französisch)

Perlentaucher über Philippe Djian

Wikipedia über Philippe Djian (deutsch, englisch, französisch)

Meine Besprechung von Philippe Djians „Die Rastlosen“ (Incidences, 2010 – und der Verfilmung „Liebe ist das perfekte Verbrechen“)

Meine Besprechung von Paul Verhoevens „Flesh + Blood“ (Flesh + Blood, USA 1985)

Meine Besprechung von Paul Verhoevens Philippe-Djian-Verfilmung „Elle“ (Elle, Frankreich/Deutschland/Belgien 2016) und der DVD


TV-Tipp für den 22. Januar: Fleisch und Blut

Januar 22, 2018

Arte, 23.50

Flesh + Blood (Flesh + Blood, USA 1985)

Regie: Paul Verhoeven

Drehbuch: Gerard Soeteman, Paul Verhoeven

Verhoevens erster Schritt in Richtung Hollywood ist ein Mittelalterspektakel voller Gewalt, Niedertracht, Triebe, Fleisch und Blut. Nicht umsonst ist der Film von der FSK ab 18 Jahren freigegeben.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

Davor, um 21.45 Uhr zeigt Arte mit „Showgirls“ einen weiteren Paul-Verhoeven-Film.

mit Rutger Hauer, Jennifer Jason Leigh, Tom Burlinson, Jack Thompson, Susan Tyreel, Fernando Hillbeck, Ronald Lacey

auch bekannt als „Fleisch und Blut“

Hinweise

Rotten Tomatoes über „Flesh + Blood“

Turner Classic Movies über „Flesh + Blood“

Wikipedia über „Flesh + Blood“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Paul Verhoevens „Flesh + Blood“ (Flesh + Blood, USA 1985)

Meine Besprechung von Paul Verhoevens Philippe-Djian-Verfilmung „Elle“ (Elle, Frankreich/Deutschland/Belgien 2016) und der DVD


DVD-Kritik: Über Paul Verhoevens Meisterwerk „Elle“

Juli 26, 2017

Zum Kinostart im Februar schrieb ich sehr begeistert über „Elle“:

Im Moment ist Paul Verhoeven Präsident der Berlinale-Jury und gleichzeitig läuft sein neuer Film „Elle“ endlich in unseren Kinos an. Seine grandiose Philippe-Djian-Verfilmung wurde bereits 2016 bei den Filmfestspielen von Cannes gezeigt. Seitdem gab es Preise, wie Golden Globes als bester fremdsprachiger Film und für Isabelle Huppert als beste Darstellerin, eine Oscar-Nominierung für Huppert, elf César-Nominierungen und Nominierungen für den Europäischen Filmpreis in den Kategorien „Bester Film“, „Beste Regie“ und „Beste Darstellerin“, die auf die Qualitäten von Verhoevens neuem Film hinweisen.

Isabelle Huppert spielt Michèle Leblanc, die Chefin einer Videogame-Firma.

Als sie in ihrer Wohnung vergewaltigt wird, kriegt sie keine Panikattacke oder ruft um Hilfe. Stattdessen räumt sie äußerlich ungerührt die Scherben weg. Sie geht zum Arzt und lässt sich auf mögliche Krankheiten und Infektionen testen. Sie kauft sich Pfefferspray. Bei einem Abendessen in einem noblen Restaurant mit ihrem Ex-Mann Richard, einem erfolglosem Schriftsteller, ihrer Geschäftspartnerin und Freundin Anna und deren Mann Robert (mit dem Michèle ein Verhältnis hat), sagt sie ihnen beiläufig, dass sie vergewaltigt wurde. Weiter will sie nicht darüber reden.

Sie ist ein Biest, das sich schon früh einen Panzer zulegte,und ihren Mitmenschen in einer Mischung aus schnippischer Kaltschnäuzigkeit, gnadenloser Ehrlichkeit und offensichtlicher Ungerührtheit über ihre Gefühle begegnet, Sie ist in keinster Weise liebenswert, aber dank Isabelle Hupperts Spiel schließt man sie dann doch ins Herz. Soweit das möglich ist, bei einer Person, die sich nie als Opfer sieht, immer die Kontrolle behält und keine Emotionen zeigt.

Die anderen Menschen und Paul Verhoevens eiskalt-illusionsfreier Blick auf die conditio humana zeichnet ein reichlich misanthropisches Bilder der Menschheit. Kein Mann ist auch nur im Ansatz eine Zierde seines Geschlechts. Es sind Jammerlappen. Robert ist einfach nur ein ständig notgeiler Trottel. Christian Berkel hatte erkennbar seinen Spaß an diesem tumben Mannsbild. Die Frauen sind kaum besser. Michèles Mutter lässt sich ständig liften und hält sich jüngere Liebhaber. Ihre Nachbarin ist eine überzeugte Katholikin, die auf einem Tischgebet besteht und am Ende einen harmlos klingenden Satz sagt, der, weil wir den Hintergrund und die wahre Dimension des Satzes kennen, schlimmer kaum sein könnte. Ob er aus ehrlicher Erkenntnis oder vollkommener Verlogenheit gesagt wurde, bleibt dagegen dem Zuschauer überlassen. Ihre Freundin Anna erscheint da schon fast wie eine moralische Lichtgestalt.

Es sind, wenn auch mit mehr oder weniger großen Abweichungen von der Norm, ganz normale Menschen, die immer ihr Geheimnis bewahren. Das liegt auch an David Birkes Drehbuch, in dem jeder Satz ein Treffer ist, und Paul Verhoevens präziser Regie. Sie haben aus Philippe Djians Roman „Oh…“ vieles übernommen, ihn aber an den entscheidenden Stellen verbessert und Motive und Beziehungen klarer herausgearbeitet. Dem mit dem Prix Interallié ausgezeichneten Roman fehlt die klare Struktur, der ironische Ton und die satirische Schärfe des Films. So ist Michèle im Roman eine Filmproduzentin, die oft zu Hause Drehbücher liest. Im Film ist sie eine Videogame-Produzentin, die vor allem junge Männer angestellt hat, die gerade ein neues, sehr sexistisches und gewaltverherrlichendes Spiel programmieren. Michèles reale Vergewaltigung wird im Spiel mehr als einmal in verschiedenen Facetten reflektiert. Im Roman wird das Verbrechen von ihrem Vater nur angedeutet. Im Film erfahren wir die ganze Wahrheit. Der Katholizismus von ihrer Nachbarin spielt im Film eine größere Rolle. Sowieso wurden etliche Szenen dazu erfunden, die gleichzeitig Konflikte stärker zuspitzen als im Roman, die Charaktere in einem kälteren Licht erscheinen lassen und der gesamten Geschichte eine faszinierende Zwiespältigkeit verleihen. Denn Verhoeven und sein grandioses Ensemble lassen den Charakteren immer einen Hauch ihres Geheimnisses und fast jeder Satz und jede Handlung kann auf mindestens zwei Arten interpretiert werden.

Auch weil Michèle, nachdem sie die Identität ihres Vergewaltigers enthüllte, mit ihm eine Beziehung eingeht.

Elle“ gehört zu den Filmen, die beim zweiten Ansehen besser als beim ersten Ansehen sind. Wie gut wird der Erotik-Thriller dann beim dritten Ansehen sein?

 

Verdammt gut.

Die DVD ist dagegen eine Enttäuschung. Neben der Hörfilmfassung (keine Selbstverständlichkeit!), gibt es kein weiteres Bonusmaterial und das Bild ist, jedenfalls auf dem Screener, den ich bekommen habe, erstaunlich blass und unscharf. Aber da kann auch die Erinnerung an das Kinobild trügen.

Elle (Elle, Frankreich/Deutschland/Belgien 2016)

Regie: Paul Verhoeven

Drehbuch: David Birke

LV: Philippe Djian: Oh…, 2012 (Oh…)

mit Isabelle Huppert, Laurent Lafitte, Anne Consigny, Christian Berkel, Charles Berling, Virginie Efira, Judith Magre, Jonas Bloquet, Alice Isaaz, Vamila Pons

DVD

MFA

Bild: 2.40:1 (16:9)

Ton: Deutsch, Französisch (Dolby Digital 5.1), Deutsche Hörfilmfassung für Blinde und Sehbehinderte

Untertitel: Deutsch, Deutsch für Hörgeschädigte

Bonusmaterial: Trailer

Länge: 125 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Blu-ray identisch

Die Vorlage

djian-oh

Philippe Djian: Oh…

(übersetzt von Oliver Ilan Schulz)

Diogenes, 2017

240 Seiten

12 Euro

Deutsche Erstausgabe

Diogenes, 2014

Originalausgabe

Oh…

Éditions Gallimard, 2012

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Englische Homepage zum Film

Französische Homepage zum Film

Filmportal über „Elle“

Moviepilot über „Elle“

Metacritic über „Elle“

Rotten Tomatoes über „Elle“

Wikipedia über „Elle“ (deutsch, englisch, französisch)

Perlentaucher über Philippe Djian

Wikipedia über Philippe Djian (deutsch, englisch, französisch)

Meine Besprechung von Philippe Djians „Die Rastlosen“ (Incidences, 2010 – und der Verfilmung „Liebe ist das perfekte Verbrechen“)

Meine Besprechung von Paul Verhoevens „Flesh + Blood“ (Flesh + Blood, USA 1985)

Meine Besprechung von Paul Verhoevens Philippe-Djian-Verfilmung „Elle“ (Elle, Frankreich/Deutschland/Belgien 2016)

Und jetzt einige Interviews, die nach der Premiere von „Elle“ entstanden:

Die Cannes-Pressekonferenz

Das Cannes-Interview mit Paul Verhoeven, Isabelle Huppert und Laurent Lafitte

Paul Verhoeven und Isabelle Huppert beim NYFF

Ebenfalls beim NYFF: Paul Verhoeven im HBO Directors Dialogue

BFI Screen Talk mit Paul Verhoeven beim London Film Festival

Isabelle Huppert beim TIFF

DP/30 unterhält sich mit „Elle“ Isabelle Huppert


Neu im Kino/Buch- und Filmkritik: „Oh…“ – Philippe Djians Roman ist jetzt Paul Verhoevens „Elle“

Februar 17, 2017

Im Moment ist Paul Verhoeven Präsident der Berlinale-Jury und gleichzeitig läuft sein neuer Film „Elle“ endlich in unseren Kinos an. Seine grandiose Philippe-Djian-Verfilmung wurde bereits 2016 bei den Filmfestspielen von Cannes gezeigt. Seitdem gab es Preise, wie Golden Globes als bester fremdsprachiger Film und für Isabelle Huppert als beste Darstellerin, eine Oscar-Nominierung für Huppert, elf César-Nominierungen und Nominierungen für den Europäischen Filmpreis in den Kategorien „Bester Film“, „Beste Regie“ und „Beste Darstellerin“, die auf die Qualitäten von Verhoevens neuem Film hinweisen.

Isabelle Huppert spielt Michèle Leblanc, die Chefin einer Videogame-Firma.

Als sie in ihrer Wohnung vergewaltigt wird, kriegt sie keine Panikattacke oder ruft um Hilfe. Stattdessen räumt sie äußerlich ungerührt die Scherben weg. Sie geht zum Arzt und lässt sich auf mögliche Krankheiten und Infektionen testen. Sie kauft sich Pfefferspray. Bei einem Abendessen in einem noblen Restaurant mit ihrem Ex-Mann Richard, einem erfolglosem Schriftsteller, ihrer Geschäftspartnerin und Freundin Anna und deren Mann Robert (mit dem Michèle ein Verhältnis hat), sagt sie ihnen beiläufig, dass sie vergewaltigt wurde. Weiter will sie nicht darüber reden.

Sie ist ein Biest, das sich schon früh einen Panzer zulegte,und ihren Mitmenschen in einer Mischung aus schnippischer Kaltschnäuzigkeit, gnadenloser Ehrlichkeit und offensichtlicher Ungerührtheit über ihre Gefühle begegnet, Sie ist in keinster Weise liebenswert, aber dank Isabelle Hupperts Spiel schließt man sie dann doch ins Herz. Soweit das möglich ist, bei einer Person, die sich nie als Opfer sieht, immer die Kontrolle behält und keine Emotionen zeigt.

Die anderen Menschen und Paul Verhoevens eiskalt-illusionsfreier Blick auf die conditio humana zeichnet ein reichlich misanthropisches Bilder der Menschheit. Kein Mann ist auch nur im Ansatz eine Zierde seines Geschlechts. Es sind Jammerlappen. Robert ist einfach nur ein ständig notgeiler Trottel. Christian Berkel hatte erkennbar seinen Spaß an diesem tumben Mannsbild. Die Frauen sind kaum besser. Michèles Mutter lässt sich ständig liften und hält sich jüngere Liebhaber. Ihre Nachbarin ist eine überzeugte Katholikin, die auf einem Tischgebet besteht und am Ende einen harmlos klingenden Satz sagt, der, weil wir den Hintergrund und die wahre Dimension des Satzes kennen, schlimmer kaum sein könnte. Ob er aus ehrlicher Erkenntnis oder vollkommener Verlogenheit gesagt wurde, bleibt dagegen dem Zuschauer überlassen. Ihre Freundin Anna erscheint da schon fast wie eine moralische Lichtgestalt.

Es sind, wenn auch mit mehr oder weniger großen Abweichungen von der Norm, ganz normale Menschen, die immer ihr Geheimnis bewahren. Das liegt auch an David Birkes Drehbuch, in dem jeder Satz ein Treffer ist, und Paul Verhoevens präziser Regie. Sie haben aus Philippe Djians Roman „Oh…“ vieles übernommen, ihn aber an den entscheidenden Stellen verbessert und Motive und Beziehungen klarer herausgearbeitet. Dem mit dem Prix Interallié ausgezeichneten Roman fehlt die klare Struktur, der ironische Ton und die satirische Schärfe des Films. So ist Michèle im Roman eine Filmproduzentin, die oft zu Hause Drehbücher liest. Im Film ist sie eine Videogame-Produzentin, die vor allem junge Männer angestellt hat, die gerade ein neues, sehr sexistisches und gewaltverherrlichendes Spiel programmieren. Michèles reale Vergewaltigung wird im Spiel mehr als einmal in verschiedenen Facetten reflektiert. Im Roman wird das Verbrechen von ihrem Vater nur angedeutet. Im Film erfahren wir die ganze Wahrheit. Der Katholizismus von ihrer Nachbarin spielt im Film eine größere Rolle. Sowieso wurden etliche Szenen dazu erfunden, die gleichzeitig Konflikte stärker zuspitzen als im Roman, die Charaktere in einem kälteren Licht erscheinen lassen und der gesamten Geschichte eine faszinierende Zwiespältigkeit verleihen. Denn Verhoeven und sein grandioses Ensemble lassen den Charakteren immer einen Hauch ihres Geheimnisses und fast jeder Satz und jede Handlung kann auf mindestens zwei Arten interpretiert werden.

Auch weil Michèle, nachdem sie die Identität ihres Vergewaltigers enthüllte, mit ihm eine Beziehung eingeht.

Elle“ gehört zu den Filmen, die beim zweiten Ansehen besser als beim ersten Ansehen sind. Wie gut wird der Erotik-Thriller dann beim dritten Ansehen sein?

elle-plakat

Elle (Elle, Frankreich/Deutschland/Belgien 2016)

Regie: Paul Verhoeven

Drehbuch: David Birke

LV: Philippe Djian: Oh…, 2012 (Oh…)

mit Isabelle Huppert, Laurent Lafitte, Anne Consigny, Christian Berkel, Charles Berling, Virginie Efira, Judith magre, Jonas Bloquet, Alice Isaaz, Vamila Pons

Länge: 126 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Die Vorlage

djian-oh

Philippe Djian: Oh…

(übersetzt von Oliver Ilan Schulz)

Diogenes, 2017

240 Seiten

12 Euro

Deutsche Erstausgabe

Diogenes, 2014

Originalausgabe

Oh…

Éditions Gallimard, 2012

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Englische Homepage zum Film

Französische Homepage zum Film

Filmportal über „Elle“

Moviepilot über „Elle“

Metacritic über „Elle“

Rotten Tomatoes über „Elle“

Wikipedia über „Elle“ (deutsch, englisch, französisch)

Perlentaucher über Philippe Djian

Wikipedia über Philippe Djian (deutsch, englisch, französisch)

Meine Besprechung von Philippe Djians „Die Rastlosen“ (Incidences, 2010 – und der Verfilmung „Liebe ist das perfekte Verbrechen“)

Meine Besprechung von Paul Verhoevens „Flesh + Blood“ (Flesh + Blood, USA 1985)


TV-Tipp für den 21. November: Tatort: Kressin und der Mann mit dem gelben Koffer

November 21, 2015

HR, 21.40
Tatort: Kressin und der Mann mit dem gelben Koffer (Deutschland 1972, Regie: Michael Verhoeven)
Drehbuch: Wolfgang Menge
Zollfahnder Kressin sucht einen verschwundenen gelben Koffer, in dem Unterlagen über schmutzige Waffendeals sind. Für den Koffer interessiert sich auch der Gentleman-Gangster Sievers, ein alter Bekannter von Kressin.
Damals war Zollfahnder Kressin so etwas wie die deutsche TV-Ausgabe von James Bond. Heute sind die Abenteuer des Jungen mit der lockeren Dienstauffassung immer noch vergnüglich.
Kressin durfte zwischen 1971 und 1973 sieben Mal ermitteln. Vier der Drehbücher sind von Wolfgang Menge, der die besten Kressin-Tatorte schrieb. Und dann gibt es noch, vollkommen außer Konkurrenz, Sam Fullers durchgeknallten Kressin-Tatort „Tote Taube in der Beethovenstraße“, in dem er Zollfahnder sich schnell aus der Handlung verabschiedet.
mit Sieghardt Rupp, Ivan Desny, Paul Verhoeven, Günther Stoll, Friedrich von Thun, Friedrich Nowottny, Ernst Dieter Lueg, Fritz Eckhardt
Hinweise
Tatort-Fundus über Zollfahnder Kressin
Wikipedia über Zollfahnder Kressin


DVD-Kritik: Paul Verhoevens erster Hollywood-Film „Flesh + Blood“

Oktober 16, 2013

Bevor Paul Verhoeven nach Hollywood ging und mit „Total Recall“, „Robocop“ und „Basic Instinct“ zum weltweit bekannten Skandalregisseur wurde, der immer wieder Probleme mit der Zensur hatte und der in seinen Filmen ein veritabler Gesellschaftskritiker ist, war er in seiner Heimat Holland und Europa mit heute fast vergessenen Hits wie „Türkische Früchte“, „Der Soldat von Oranien“ und „Spetters – knallhart und romantisch“ schon bekannt.

Das jetzt mit interessantem Bonusmaterial auf DVD veröffentlichte, nicht mehr auf dem Index stehende Mittelalter-Drama „Flesh + Blood“ ist der Film, der in Verhoevens Karriere das Scharnier zwischen Europa und Hollywood bildet. Damals mit Hollywood-Geld und einem internationalen Cast in Spanien gedreht, war es ein von der Kritik zerrissener Flop, der in den USA nur einen Minimalstart hatte. Die katholische Filmkritik meint im „Lexikon des internationalen Films“ lapidar: „Wir raten ab.“

In dem Film erzählt Verhoeven die Geschichte des Söldners Martin (Rutger Hauer), der von seinem Feldherrn Hawkwood (Jack Thompson) nach der Einnahme einer Stadt verraten wird. Ohne Beute müssen sie abziehen. Kurz darauf kann Martin sich allerdings, mit seiner Bande, an ihrem Auftraggeber, Lord Arnolfini und seinem wissenschaftliche interessiertem Sohn Steven (Tom Burlinson), rächen. Er entführt die Steven versprochene Braut, Prinzessin Agnes (Jennifer Jason Leigh), die kurz darauf beginnt Martin zu becircen. Aus durchaus eigennützigen Motiven.

Sowieso sind in „Flesh + Blood“ die meisten Charaktere vom nackten Überlebensinstinkt und der Gier nach Sex und Reichtum angetrieben. Dafür betrügen und manipulieren sie hemmungslos. So nutzt Martin eine Heiligenfigur und den Glauben seiner Männer an diese Figur aus, um seinen Machtanspruch zu zementieren und Agnes für sich zu behalten. Und Agnes gibt sich Martin willig hin, um nicht von seiner gesamten Bande vergewaltigt zu werden.

In dieser Welt ist Hawkwood dann schon fast eine moralische Instanz. Nachdem er im Gefecht eine junge Nonne irrtümlich schwer verletzt, zieht er sich vom Söldnerhandwerk zurück und wird ein Bauer, bis er von Lord Arnolfini und seinem Sohn, der nach dem Tod seines Vaters ohne zu Zögern dessen Rolle übernimmt, erpresst wird, einen Feldzug gegen Martin zu starten.

Im informativen Audiokommentar, den Paul Verhoeven bereits vor über zehn Jahren aufnahm und der jetzt erstmals auf einer deutschsprachigen Ausgabe des Films erscheint, erzählt er, dass ursprünglich der Konflikt zwischen Martin und Hawkwood, zwei Freunde, die zu Gegnern werden, im Mittelpunkt des Films stehen sollte. Das hätte dann wohlige Erinnerungen an Sam Peckinpah Werks, vor allem natürlich „The Wild Bunch“, heraufbeschwört. Aber die Produzenten wollten, dass die Liebesgeschichte zwischen Steven und Agnes im Mittelpunkt steht. Das tut sie jetzt auch, wobei hier Liebe keinem romantischen Ideal, sondern reinen Zweckbündnissen und Eheversprechen gehorcht. So ist durchaus unklar, ob Steven Agnes unbedingt haben will, weil er in sie verliebt ist (eher unwahrscheinlich; immerhin kennt er sie überhaupt nicht) oder weil Martin ihm etwas gestohlen hat und ein lesekundiger Lord lässt sich nun einmal nichts von einem dahergelaufenem, ungebildeten Söldner stehlen.

Dieser illusionslose Blick auf seine Charaktere verleiht der Geschichte eine düstere Wucht, die von den Bildern unterstrichen wird.

Heute hat der Film, der bis zum März 2013 auf dem Index stand und daher einem Werbeverbot unterlag, nichts von seiner Wirkung verloren hat. Eigentlich hat er, im Gegensatz zu ungefähr zeitgleich entstandenen Filmen wie „Conan, der Barbar“, sogar gewonnen. Denn Verhoevens kompromisslose Version von dem Mittelalter ist düster, pessimistisch, vulgär und, wie der Titel sagt, voller Fleisch und Blut. Er dürfte damit dem wahren Mittelalter als düstere Zeit ziemlich nahe gekommen sein.

Flesh + Blood“ ist ein gnadenlos unterschätzter Paul-Verhoeven-Film, der jetzt in verschiedenen, gut ausgetatteten Ausgaben (wieder)entdeckt werden kann. Wir raten zu.

Flesh and Blood - DVD-Cover

Flesh + Blood (Flesh + Blood, USA 1985)

Regie: Paul Verhoeven

Drehbuch: Gerard Soeteman, Paul Verhoeven

mit Rutger Hauer, Jennifer Jason Leigh, Tom Burlinson, Jack Thompson, Susan Tyreel, Fernando Hillbeck, Ronald Lacey

DVD

Koch Media

Bild: 2.35:1 (16:9)

Ton: Deutsch, Englisch (Dolby Digital 2.0)

Untertitel: Deutsch, Englisch

Bonusmaterial: Audiokommentar von Paul Verhoeven, Bildergalerie, deutscher und englischer Kinotrailer

FSK: ab 18 Jahre

Länge: 123 Minuten

Flesh and Blood - DVD-Cover Limited Edition

Blu-ray ist identisch. Es gibt auch ein Mediabook mit einer zusätzlichen, gut zweistündigen Bonus-DVD.

Hinweise

Rotten Tomatoes über „Flesh + Blood“

Turner Classic Movies über „Flesh + Blood“

Wikipedia über „Flesh + Blood“ (deutsch, englisch)