Estela bewirbt sich in dem in Manhattan liegendem Touristenrestaurant „The Grill“. Sie wird eingestellt und muss sofort mit ihrer Arbeit als Hilfskraft in der Küche des Restaurants beginnen. Diese ist die moderne Form der Hölle. Die Köche fertigen im Akkord aus bereit gestellten Zutaten die immergleichen Speisen an. Der eine macht seit Jahren nur Pizza. Der andere fügt, ähnlich lieblos und hastig, ein anderes Gericht zusammen. Die Kellnerinnen laufen herum und würden die Mahlzeiten am liebsten schon vor der Bestellung an die Gäste verteilen. Jeder wacht dabei eifersüchtig über seinen Arbeitsplatz. Der brüllende Schichtleiter führt wie ein Feldwebel die Aufsicht über die Küche.
Mit Estela tauchen wir in Alonso Ruizpalacios‘ SW-Film „La Cocina – Der Geschmack des Lebens“ in diese auf Ausbeutung und gnadenloser Effizienz beruhende Welt ein. Die Angestellten werden ausgebeutet. Die Kunden, die wir erst am Ende, wenn sich die Geschichte von der Küche in das Restaurant verlagert, werden im Minutentakt abgefertigt. „The Grill“ ist letztendlich ein auf edel getrimmtes Fast-Food-Restaurant.
Als erzählerische Krücke in dem an allen Ecken und Enden ausuferndem Ensemblefilm dienen Ruizpalacios zwei Minimalgeschichten. Die Liebesgeschichte spielt sich zwischen dem leicht verträumten mexikanischen Koch Pedro, der einen prekären Aufenthaltsstatus hat, und der von ihm schwangeren Kellnerin Julia ab. In der Kriminalgeschichte, über die man besser nicht nachdenken sollte, sucht der Buchhalter des Restaurants nach der Person, die einen Teil der Tageseinnahmen vom Vortag gestohlen hat.
Diese Geschichten werden ständig zugunsten von Episoden und Impressionen aus der Akkordarbeit in der Küche und kurzen privaten Gesprächen unterbrochen.
Ruizpalacios erzählt das hochenergetisch als satirisch überspitzte, immer zur Hysterie neigenden und periodisch im Chaos versinkenden Nummernrevue. Das ist über weite Strecken witzig, aber mit hundertvierzig Minuten auch ziemlich lang geraten. Wie eine Schicht im „The Grill“.
La Cocina – Der Geschmack des Lebens(La Cocina, Mexiko/USA 2024)
Regie: Alonso Ruizpalacios
Drehbuch: Alonso Ruizpalacios
LV (Inspiration): Arnold Wesker: The Kitchen, 1957 (Die Küche, Theaterstück)
mit Raúl Briones, Rooney Mara, Anna Diaz, Motell Foster, Oded Fehr, Eduardo Olmos, Laura Gomez, James Waterston
LV: Ben Mezrich: The Accidental Billionaires, 2009 (Milliardär per Zufall: Die Gründung von Facebook – Eine Geschichte über Sex, Geld, Freundschaft und Betrug)
Fincher und Sorkin (The West Wing, The Newsroom), der für sein Drehbuch einen Oscar erhielt, erzählen die Geschichte von Facebook und Mark Zuckerberg.
Rasantes dialoglastiges Drama, bei dem jeder Satz trifft und einige junge Schauspieler ihr Können zeigen können.
Mit Jesse Eisenberg, Andrew Garfield, Justin Timberlake, Rooney Mara, John Getz, Armie Hammer
LV: Patricia Highsmith: The Price of Salt, 1952 (Erstveröffentlichung unter dem Pseudonym Claire Morgan; Wiederveröffentlichung unter ihrem Namen als „Carol“, deutsche Titel „Salz und sein Preis“ und „Carol oder Salz und sein Preis“)
New York, 1950: zwei Frauen verlieben sich ineinander – und verstoßen damit gegen die gesellschaftlichen Konventionen.
Gelungene, sehr stilbewusste und sensible Patricia-Highsmith-Verfilmung, die kein Kriminalfilm (was man bei Highsmith ja erwartet), sondern eine tragische Liebesgeschichte ist.
Don’t worry, weglaufen geht nicht (Don’t worry, he won’t get far on foot, USA 2018)
Regie: Gus Van Sant
Drehbuch: Gus Van Sant (nach einer Geschichte von John Callahan und Gus Van Sant & Jack Gibson & William Andrew Eatman)
LV: John Callahan: Don’t worry, he won’t get far on foot, 1989 (Don’t worry, weglaufen geht nicht)
Nach einem Autounfall ist John Callahan fast vollständig gelähmt. Zurück in seiner Heimatstadt Portland, Oregon, säuft er weiter, bis er mit seinem Rollstuhl in ein Treffen der Anonymen Alkoholiker fährt und zu zeichnen beginnt. Seine schwarzhumorigen Cartoons machen ihn weltweit bekannt.
TV-Premiere. Mit etwas Indie-Feeling erzählt Gus Van Sant in seinem konventionellem Biopic, wie John Callahan vom Trinker zum trockenen Alkoholiker wird.
LV: Patricia Highsmith: The Price of Salt, 1952 (Erstveröffentlichung unter dem Pseudonym Claire Morgan; Wiederveröffentlichung unter ihrem Namen als „Carol“, deutsche Titel „Salz und sein Preis“ und „Carol oder Salz und sein Preis“)
New York, 1950: zwei Frauen verlieben sich ineinander – und verstoßen damit gegen die gesellschaftlichen Konventionen.
Gelungene, sehr stilbewusste und sensible Patricia-Highsmith-Verfilmung, die kein Kriminalfilm (was man bei Highsmith ja erwartet), sondern eine tragische Liebesgeschichte ist.
Side Effects – Tödliche Nebenwirkungen (Side Effects, USA 2013)
Regie: Steven Soderbergh
Drehbuch: Scott Z. Burns
Psychiater Jonathan Banks will Emily Taylor helfen, indem er ihr nach einem missglückten Suizidversuch ein neues, noch nicht erprobtes Medikament verschreibt. Das hat tödliche Nebenwirkungen Emilys Ehemann und der ehrbare Psychiater muss um seine Existenz kämpfen.
Lässig-verschachtelter Neo-Noir mit einem hübsch zynischem Ende, den Soderbergh damals als seinen letzten Spielfilm ankündigte. Inzwischen ist er nach einem TV-Film (der bei uns im Kino lief) und einer TV-Serie wieder, gewohnt produktiv, im Kino angekommen.
Irgendwo im ländlichen Amerika trifft sich eine Gruppe Frauen auf dem Dachboden einer Scheune. Nur ein Mann ist bei dem Treffen zugelassen. August Epp (Ben Whishaw) soll das Treffen protokollieren. Denn die Frauen, die von Rooney Mara, Claire Foy, Jessie Buckley, Judith Ivey, Sheila McCarthy, Michelle McLeod, Kate Hallett, Liv McNeil, August Winter und Frances McDormand (die nur eine kleine, aber einprägsame Rolle hat), gespielt werden, können nicht schreiben. Sie wollen reden über die von Männern an ihnen verübten Vergewaltigungen und was sie jetzt tun sollen. Die Vergewaltigungen geschahen über mehrere Jahre in einer streng religiösen Gemeinde. Vergewaltigut wurden sie im Schlaf von Mitgliedern der tiefreligiösen Gemeinde. Sollen sie ihnen vergeben und weiter mit ihnen zusammen leben oder sollen sie die Gemeinde verlassen und in eine ihnen vollkommen unbekannte Welt aufbrechen?
Was diese Aussprache so erschreckend macht, ist dass sie nicht irgendwann im 18. oder 19. Jahrhundert, sondern fast in der Gegenwart, nämlich 2010 in den USA, spielt. Sarah Polley ließ sich für ihren neuen Film „Die Aussprache“ (Women Talking) von Miriam Toews‘ gleichnamigem Roman inspirieren. Die Inspiration für den Roman und damit auch für den Film waren Vergewaltigungen, die zwischen 2005 und 2009 in Bolivien in Manitoba in einer abgelegen liegenden äußerst konservativen mennonitischen Gemeinde geschahen. Die im Buch und Film geschilderte Aussprache ist dann, wie eine Texteinblendung am Filmanfang verrät, ein „Akt weiblicher Vorstellungskraft“, bei dem es vor allem um das Abwägen von Argumenten und Handlungsoptionen geht.
Sarah Polleys Film, für den sie auch das Drehbuch schrieb, spielt eigentlich nur in einem Raum in der Scheune. Dort sitzen die Frauen zusammen und reden miteinander. Brav werden dabei verschiedene Argumente ausgetauscht und abgewogen. Niemand unterbricht die Rednerin. Niemand schreit oder hat einen filmreifen emotionalen Ausbruch. Die Aussprache verläuft strikt nach dem Modell des herrschaftsfreien Diskurses. Die von den Frauen formulierten Argumente und Sätze gehören ins Thesentheater. In diesem Fall ist es gutes Thesentheater, aber halt auch eine Abfolge von Argumenten, die von diesen Frauen aufgrund ihres bisherigen Lebens so wohl nie gesagt würden.
Aber das stört nicht weiter in dieser klugen, umfassenden und sehr didaktisch aufgebauten Auseinandersetzung mit männlichem Machtstreben und den Möglichkeiten, die Betroffene dagegen haben. Es ist letztlich nur die Wahl zwischen gehen oder vergeben und bleiben. Die dritte Möglichkeit, nämlich bleiben und kämpfen, ist bestenfalls eine theoretische Möglichkeit. Bei diesem Gespräch sprechen die Frauen auch die Machtstrukturen innerhalb der Glaubensgemeinde an. Denn ihre Peiniger sind auch die einzigen Menschen, die dank ihres Kontakts zu Gott, ihnen den Weg in den Himmel ebnen können.
Das verfilmte Theaterstück (denn letztendlich ist es das und mit wenigen Änderungen kann es das auch werden) ist gut geschrieben und gut gespielt von einer Top-Besetzung, die hier als Ensemble agiert. Und natürlich ist das Problem, mit dem die Gläubigen konfrontiert werden, mühelos auf viele andere Situationen übertragbar.
Ärgerlich ist in „Die Aussprache“, wie bei zu vielen anderen neuen Filmen, die Farbgebung. Oder besser Nicht-Farbgebung. Immer sehen die fast vollständig farbentsättigten Bilder wie ausgewaschen an. Jede blühende Wiese wird zu einem grauen Einerlei. Die Scheune versumpft eh in einem grauen Matsch und die dunklen Kleider der Frauen sind ebenfalls matschgrau. Es sieht von der ersten bis zur letzten Minute einfach nur grauenhaft, billig und erschreckend amateurhaft aus.
Die Aussprache (Women Talking, USA 2022)
Regie: Sarah Polley
Drehbuch: Sarah Polley
LV: Miriam Toews: Women talking, 2018 (Die Aussprache)
mit Rooney Mara, Claire Foy, Jessie Buckley, Judith Ivey, Sheila McCarthy, Michelle McLeod, Kate Hallett, Liv McNeil, August Winter, Ben Whishaw, Frances McDormand (eigentlich ein längerer Cameo, der dazu dient, den von ihr mitproduzierten Film besser zu verkaufen)
LV: Patricia Highsmith: The Price of Salt, 1952 (Erstveröffentlichung unter dem Pseudonym Claire Morgan; Wiederveröffentlichung unter ihrem Namen als „Carol“, deutsche Titel „Salz und sein Preis“ und „Carol oder Salz und sein Preis“)
New York, 1950: zwei Frauen verlieben sich ineinander – und verstoßen damit gegen die gesellschaftlichen Konventionen.
Gelungene, sehr stilbewusste und sensible Patricia-Highsmith-Verfilmung, die kein Kriminalfilm (was man bei Highsmith ja erwartet), sondern eine tragische Liebesgeschichte ist.
LV: Ben Mezrich: The Accidental Billionaires, 2009 (Milliardär per Zufall: Die Gründung von Facebook – Eine Geschichte über Sex, Geld, Freundschaft und Betrug)
Fincher und Sorkin (The West Wing, The Newsroom), der für sein Drehbuch einen Oscar erhielt, erzählen die Geschichte von Facebook und Mark Zuckerberg.
Rasantes dialoglastiges Drama, bei dem jeder Satz trifft und einige junge Schauspieler ihr Können zeigen können.
Mit Jesse Eisenberg, Andrew Garfield, Justin Timberlake, Rooney Mara, John Getz, Armie Hammer
Nur ein Narr wird bei dem Titel „Nightmare Alley“ ein Disney-Märchen erwarten. William Lindsay Greshams 1946 erschienener Roman ist ein Noir, der jetzt von Guillermo del Toro verfilmt wurde. Es ist die zweite Verfilmung. Die erste, mit Tyrone Power in der Hauptrolle, ist von 1947. Regie führte Edmund Goulding, Jules Furthman („Geächtet“, „Haben und Nichthaben“. „Tote schlafen fest“ und „Rio Bravo“) schrieb das Drehbuch und der deutsche Titel ist „Der Scharlatan“.
Dabei hat Stanton Carlisle, der titelgebende Scharlatan, der in der neuesten Version von Bradley Cooper gespielt wird, durchaus Talente. Er entdeckt sie bei einem kleinen Wanderzirkus. Dort trifft er auf Zeena (Toni Collette) und Pete Krumbein (David Strathairn), die eine Wahrsage-Show haben. Sie ist eine Mischung aus Betrug und praktisch angewandter Menschenkenntnis. Denn die Wünsche und Ängste der verschiedenen Menschen unterscheiden sich kaum. Nach Petes Tod wird Stanton Zeenas Partner.
Später verlässt Stanton mit der Zirkusartistin Molly Cahill (Rooney Mara) den Zirkus. Zum Abschied legt Zeena ihm die Tarotkarten. Er ist der Gehängte – und das ist keine gute Karte.
Jahre später hat er als „Der große Stanton“ in noblen Establishments eine Wahrsage-Show als umjubelter Mentalist. Bei einem seiner Auftritte trift er auf Dr. Lilith Ritter (Cate Blanchett). Sie wird die dritte wichtige Frau in seinem Leben und sie ist die erste Frau, die ebenso zielgerichtet wie er Menschen manipuliert. Die Psychoanalytikerin schlägt ihm eine Zusammenarbeit vor. Ihre Kundschaft ist vermögend. Sie können also Informationen, die sie während ihrer Analysesitzungen aus deren Leben erfährt, gewinnbringend in Stantons Gedankenleser-Shows einbauen. Zuerst erzählt er seinen nichtsahnenden Kunden Details aus deren Leben, die er unmöglich wissen kann. Danach zieht er ihnen das Geld aus den gut gefüllten Taschen.
Ihr erstes Opfer soll Ezra Grindle (Richard Jenkins) sein. Der stinkreiche und überaus misstrauische Industriemagnat fühlt sich immer noch schuldig für den schon Jahrzehnte zurückliegenden Tod seiner großen Liebe.
Die Geschichte von Stanton Carlisle wird gemeinhin als düstere Versionen vom amerikanischen Traum beschrieben. Es geht um das Streben nach Geld und Ruhm und wie real dieses „Vom Tellerwäscher zum Millionär“-Versprechen ist. Damit dürfte klar sein, wo Stans Geschichte endet; auch wenn einige über das deprimierend bittere Ende erstaunt sein werden. Der Roman und die erste Verfilmung sind kleinere Noir-Klassiker, die bei uns fast unbekannt sind. „Der Scharlatan“ hatte 1954 seinen deutschen Kinostart. Die erste deutsche Überetzung des Romans erschien 2019.
In der aktuellen Heyne-Hardcore-Ausgabe hat der Roman über fünfhundert Seiten. Damit ist er deutlich umfangreicher als ein normaler Noir- oder Pulp-Roman, der oft keine zweihundert Seiten benötigt, um seine Geschichte zu erzählen. Dafür gibt Gresham vor allem im ersten Drittel des Romans einen fundierten, für die Hauptgeschichte eher nebensächlichen, aber höchst kurzweiligen Einblick in das Leben eines Wanderzirkusses und mit welchen Tricks den ahnungslosen Kunden das Geld aus der Tasche gezogen wird.
Es ist allerdings auch ein sich über viele Jahre, die zu Jahrzehnten werden, erstreckender Roman, der teilweise mit großen Zeitsprüngen erzählt wird. Das führt zu einer episodischen Struktur, die auf Erklärungen und klare Ursache-Wirkungs-Mechanismen verzichtet. Stantons Auf- und Abstieg erscheint dabei, trotz einiger Hinweise, die in den verschiedenen Versionen leicht unterschiedlich gewichtet und so auch deutlicher herausgearbeitet werden, weniger in seiner Person angelegt, als dem Willen des Autors zu gehorchen.
Schließlich steht Stantons Ende von Anfang an fest. Er ist, wie Zeena ihm aus den Tarotkarten liest, der Gehängte. Er ist am Ende wieder am Anfang. Stanton ist am Ende sogar in einer schlechteren Lage als am Anfang der Geschichte. Sein schlimmster Alptraum wird wahr. Insofern ist der letzte Satz von del Toros Version grandios. Es ist ein Satz, auf den Gresham verzichtete.
Guillermo del Toro übernimmt, bis auf einige kleine Änderungen, Greshams Geschichte. Es sind hier und da Kürzungen. So tritt Stanton im Roman auch als Geistlicher und Oberhaupt der von ihm gegründeten Kirche der Himmlischen Botschaft auf. Einige Handlungsorte wurden verändert. Dadurch wird die Geschichte filmischer und es gibt in den Momenten auch Anspielungen auf andere Filme.
Über hundertfünfzig Minuten benötigt del Toro dann, um Stantons Geschichte zu erzählen. Er erzählt sie extrem langsam und mit großem pathetischem Ernst; als habe er einen bedeutungsschweren Roman der Hochkultur verfilmt.
Dabei hätte „Nightmare Alley“ von einer kürzeren Laufzeit von unter zwei Stunden, einem eindeutigerem thematischen Fokus und einer damit verbundenen Zuspitzung profitiert, gerne mit mehr Pulp-Gestus und Schwarzem Humor.
Auch die Hauptfiguren Stanton, Lilith Ritter und Molly bleiben blass. Zu sehr müssen sie den Vorgaben der Geschichte gehorchen.
Vor allem Stanton bleibt erstaunlich blass als Scharlatan, der mit seiner Menschenkenntnis und seinen Tricks die Menschen begeistern kann. Ihm fehlt die Faszination des Bösen. Entsprechend unbeteiligt verfolgen wir seine Taten. Seinen Aufstieg vom Wanderzirkus zum Wahrsager und die Probleme, die er dabei hatte, sehen wir nicht. So fehlen – in jeder Version der Geschichte – die Jahre zwischen seinem Abschied aus dem Zirkus und seinem Auftritt im mondänen Nachtclub „Club Copacabana“. Gleichzeitig, wenn später der ihm von Zeena in den Tarotkarten prophezeite und überaus rasante Abstieg beginnt, bedauert man ihn nicht. Auch hier fehlen wieder wichtige Zwischenstationen. Stattdessen ist er in einem Moment „top of the world“ und im nächsten ein in der Gosse liegender Obdachloser. Unklar bleibt, wie es dazu kommt. Als Zuschauer können wir einige Vermutungen anstellen. Gelungen ist in dieser Beziehung Gouldings Version, die von Anfang an auf die verheerende Wirkung des Alkohols hinweist und Stantons Abstieg mit seiner Trunksucht erklärt.
Guillermo del Toro hat viel zu viel Respekt vor der Vorlage, die er nur edel bebildert. Seine „Nightmare Alley“ ist zu sehr von ihrer eigenen Wichtigkeit und Bedeutsamkeit überzeugt, um wirklich zu begeistern.
Nightmare Alley (Nightmare Alley, USA 2021)
Regie: Guillermo del Toro
Drehbuch: Guillermo del Toro, Kim Morgan
LV: William Lindsay Gresham: Nightmare Alley, 1946 (Nightmare Alley)
mit Bradley Cooper, Cate Blanchett, Toni Collette, Willem Dafoe, Richard Jenkins, Rooney Mara, Ron Perlman, Mary Steenburgen, David Strathairn, Jim Beaver, Tim Blake Nelson
Länge: 151 Minuten
FSK: ab 16 Jahre
–
Die Vorlage
Willliam Lindsay Gresham: Nightmare Alley
(übersetzt von Christian Veit Eschenfelder und Anja Heidböhmer)
Side Effects – Tödliche Nebenwirkungen (Side Effects, USA 2013)
Regie: Steven Soderbergh
Drehbuch: Scott Z. Burns
Psychiater Jonathan Banks will Emily Taylor helfen, indem er ihr nach einem missglückten Suizidversuch ein neues, noch nicht erprobtes Medikament verschreibt. Das hat tödliche Nebenwirkungen Emilys Ehemann und der ehrbare Psychiater muss um seine Existenz kämpfen.
Lässig-verschachtelter Neo-Noir mit einem hübsch zynischem Ende, den Soderbergh damals als seinen letzten Spielfilm ankündigte. Inzwischen ist er nach einem TV-Film (der bei uns im Kino lief) und einer TV-Serie wieder, gewohnt produktiv, im Kino angekommen.
LV: Patricia Highsmith: The Price of Salt, 1952 (Erstveröffentlichung unter dem Pseudonym Claire Morgan; Wiederveröffentlichung unter ihrem Namen als „Carol“, deutsche Titel „Salz und sein Preis“ und „Carol oder Salz und sein Preis“)
New York, 1950: zwei Frauen verlieben sich ineinander – und verstoßen damit gegen die gesellschaftlichen Konventionen.
Gelungene, sehr stilbewusste und sensible Patricia-Highsmith-Verfilmung, die kein Kriminalfilm (was man bei Highsmith ja erwartet), sondern eine tragische Liebesgeschichte ist.
LV: Patricia Highsmith: The Price of Salt, 1952 (Erstveröffentlichung unter dem Pseudonym Claire Morgan; Wiederveröffentlichung unter ihrem Namen als „Carol“, deutsche Titel „Salz und sein Preis“ und „Carol oder Salz und sein Preis“)
New York, 1950: zwei Frauen verlieben sich ineinander – und verstoßen damit gegen die gesellschaftlichen Konventionen.
Gelungene, sehr stilbewusste und sensible Patricia-Highsmith-Verfilmung, die kein Kriminalfilm (was man bei Highsmith ja erwartet), sondern eine tragische Liebesgeschichte ist.
LV: Patricia Highsmith: The Price of Salt, 1952 (Erstveröffentlichung unter dem Pseudonym Claire Morgan; Wiederveröffentlichung unter ihrem Namen als „Carol“, deutsche Titel „Salz und sein Preis“ und „Carol oder Salz und sein Preis“)
New York, 1950: zwei Frauen verlieben sich ineinander – und verstoßen damit gegen die gesellschaftlichen Konventionen.
Gelungene, sehr stilbewusste und sensible Patricia-Highsmith-Verfilmung, die kein Kriminalfilm (was man bei Highsmith ja erwartet), sondern eine tragische Liebesgeschichte ist.
Side Effects – Tödliche Nebenwirkungen (Side Effects, USA 2013)
Regie: Steven Soderbergh
Drehbuch: Scott Z. Burns
Psychiater Jonathan Banks will Emily Taylor helfen, indem er ihr nach einem missglückten Suizidversuch ein neues, noch nicht erprobtes Medikament verschreibt. Das hat tödliche Nebenwirkungen Emilys Ehemann und der ehrbare Psychiater muss um seine Existenz kämpfen.
Lässig-verschachtelter Neo-Noir mit einem hübsch zynischem Ende, den Soderbergh damals als seinen letzten Spielfilm ankündigte. Was schon damals nicht glaubwürdig war. Inzwischen ist er nach einem TV-Film (der bei uns im Kino lief) und einer TV-Serie wieder im Kino angekommen.
Regie: Stephen Daldry, Christian Duurvoort (Brasilien)
Drehbuch: Richard Curtis, Felipe Braga (zusätzliches Material)
LV: Andy Mulligan: Trash, 2010 (Trash)
Die jugendlichen Müllsammler Raphael, Gardo und Rato finden in Rio de Janeiro auf einer Müllkippe einen Geldbeutel. Als die Polizei ihnen für den Geldbeutel einen unheimlich hohen Finderlohn verspricht, wissen die Slum-Kinder, dass sie etwas sehr Wertvolles gefunden haben. Nur was und wie können sie damit Geld verdienen, ohne vorher zu sterben?
Fabelhafter, mitreisend inszenierter Jugendfilm, der eine spannende Schnitzeljagd durch die Slums erzählt und einen ziemlich realistischen Einblick in das Leben seiner Protagonisten bietet. Für Erwachsene immer wieder etwas zu plakativ. Aber sie sind auch nicht das Zielpublikum des Thrillers, der für mich im Kino eine sehr erfreuliche Überraschung war.
Side Effects – Tödliche Nebenwirkungen (Side Effects, USA 2013)
Regie: Steven Soderbergh
Drehbuch: Scott Z. Burns
Psychiater Jonathan Banks will Emily Taylor helfen, indem er ihr nach einem missglückten Suizidversuch ein neues, noch nicht erprobtes Medikament verschreibt. Das hat tödliche Nebenwirkungen Emilys Ehemann und der ehrbare Psychiater muss um seine Existenz kämpfen.
Lässig-verschachtelter Neo-Noir mit einem hübsch zynischem Ende, den Soderbergh damals als seinen letzten Spielfilm ankündigte. Was schon damals nicht glaubwürdig war. Inzwischen ist er nach einem TV-Film (der bei uns im Kino lief) und einer TV-Serie wieder im Kino angekommen.
LV: Patricia Highsmith: The Price of Salt, 1952 (Erstveröffentlichung unter dem Pseudonym Claire Morgan; Wiederveröffentlichung unter ihrem Namen als „Carol“, deutsche Titel „Salz und sein Preis“ und „Carol oder Salz und sein Preis“)
New York, 1950: zwei Frauen verlieben sich ineinander – und verstoßen damit gegen die gesellschaftlichen Konventionen.
Gelungene, sehr stilbewusste und sensible Patricia-Highsmith-Verfilmung, die kein Kriminalfilm (was man bei Highsmith ja erwartet), sondern eine tragische Liebesgeschichte ist.
John Callahan trinkt sich in den frühen Siebzigern in Long Beach, Kalifornien, durch den Tag. Als er mit einer Zufallsbekanntschaft von einer wilden Party zu einer noch wilderen Party will, verändert sich sein Leben für immer. Und das ist jetzt nicht Hollywood-Pathos, sondern bittere Realität: Auf dem Weg zur nächsten Party baut der betrunkene Fahrer einen Unfall, den dieser fast unverletzt überlebt. Callahan, der noch betrunkenere Beifahrer, überlebt schwer verletzt. Ärzte können sein Leben retten, aber er ist fast vollständig gelähmt. Er muss bis an sein Lebensende im Rollstuhl sitzen. Auch seine Arme kann er kaum bewegen.
Callahan zieht zurück in seine Geburtsstadt Portland, Oregon. Er trinkt weiter und beginnt zu Malen. Es sind primitive, sarkastisch-schwarzhumorige und immer wieder politisch inkorrekten Cartoons, die zuerst in der örtlichen Tageszeitung abgedruckt werden. Später in den gesamten USA und weltweit.
Am 24. Juli 2010 stirbt der am 5. Februar 1951 geborene John Callahan. Aber diesen Teil, seine letzten Lebensjahre als erfolgreicher Cartoonist, erzählt Gus Van Sant in seinem neuen Film „Don’t worry, weglaufen geht nicht“ nicht. Er baut seinen konventionell erzählten Feelgood-Film nach dem Zwölf-Schritte-Programm der Anonymen Alkoholiker auf. Er erzählt Callahans Weg vom Trinker zur Enthaltsamkeit und Selbsterkenntnis. Mit dem AA-Programm hat Van Sant eine sehr einfache und dramaturgisch sehr tragfähige Struktur. Er kann in der Zeit hin und her springen, ohne den Fluss der Erzählung zu unterbrechen und so auch etwas widerständiges Indie-Feeling in einen sehr konventionellen Film bringen. Das AA-Programm gibt auch eine klare dramaturgische Richtung vor: von rauschenden Drogennächte über die verschiedenen Versuche, abstinent zu Leben und anschließend sein Leben immer mehr in Ordnung zu bringen. Dazu gehören auch Callahans Umgang mit seiner Behinderung und sein beginnender Erfolg als Cartoonist. In seinen Zeichnungen setzt er sich auch ohne falsche Scheu, mit ätzendem Humor und Selbstironie mit seiner letztendlich selbst verschuldeten, beschissenen Situation auseinander. Auch ohne das Bild zu kennen, sagt der Filmtitel ‚Keine Panik, er wird zu Fuß nicht weit kommen‘ einiges über Callahans Haltung zu sich und seinem Leben aus. Callahans spiritueller Helfer auf dem Weg zur Selbsterkenntnis ist dabei Donnie. Ein vermögender AAler, der eine kleine Schar von Jüngern um sich gescharrt hat und in seiner Nobelvilla nicht arm wie Jesus lebt, aber sich so benimmt und aussieht.
Mit den Musikerinnen Kim Gordon („Sonic Youth“) und Beth Ditto („Gossip“) und Udo Kier ist Donnies AA-Gruppe prominent besetzt. Callahans Sozialarbeiterin Suzanne wird ebenfalls von einer Indie-Musikerin gespielt: „Sleater-Kinney“-Gitarristin Carrie Brownstein.
Und Donnie, gespielt von Jonah Hill, ist auch kein Unbekannter. Auch wenn er unter seinem Vollbart kaum erkennbar ist. Joaquin Phoenix spielt, gewohnt überzeugend, John Callahan.
In Gus Van Sants Filmographie, die munter zwischen Arthaus, Experimenten und Mainstream-Hollywood-Erzählkino hin und her springt, gehört „Don’t worry, weglaufen geht nicht“ eindeutig in die letzte Kategorie. Den Ursprung hatte das Projekt vor mehr als zwanzig Jahren. Robin Williams, mit dem Van Sant bei „Good Will Hunting“ zusammen gearbeitet hatte, hatte sich die Rechte an John Callahans Biographie gesichert und er wollte Callahan spielen. Seitdem traf Van Sant sich öfter mit Callahan und arbeitete mit verschiedenen Autoren an verschiedenen Drehbuchversion. Letztendlich baute er das Buchkapitel, in dem Callahan erzählt, wie er seine Alkoholsucht überwand, zum Film aus.
Don’t worry, weglaufen geht nicht (Don’t worry, he won’t get far on foot, USA 2018
Regie: Gus Van Sant
Drehbuch: Gus Van Sant (nach einer Geschichte von John Callahan und Gus Van Sant & Jack Gibson & William Andrew Eatman)
LV: John Callahan: Don’t worry, he won’t get far on foot, 1989 (Don’t worry, weglaufen geht nicht)
mit Joaquin Phoenix, Jonah Hill, Rooney Mara, Jack Black, Mark Webber, Udo Kier, Carrie Brownstein, Beth Ditto, Kim Gordon
Side Effects – Tödliche Nebenwirkungen (Side Effects, USA 2013)
Regie: Steven Soderbergh
Drehbuch: Scott Z. Burns
Psychiater Jonathan Banks will Emily Taylor helfen, indem er ihr nach einem missglückten Suizidversuch ein neues, noch nicht erprobtes Medikament verschreibt. Das hat tödliche Nebenwirkungen Emilys Ehemann und der ehrbare Psychiater muss um seine Existenz kämpfen.
Lässig-verschachtelter Neo-Noir mit einem hübsch zynischem Ende, den Soderbergh damals als seinen letzten Spielfilm ankündigte. Was schon damals nicht glaubwürdig war. Inzwischen ist er nach einem TV-Film (der bei uns im Kino lief) und einer TV-Serie wieder im Kino angekommen.