TV-Premiere eines harten französischen Polizeikrimis über Drogenhandel und den Kampf dagegen.
Das Lexikon des internationalen Films urteilt: „Story und Charaktere [bleiben] im Ganzen wenig originell, doch der Film vermag seine weit verzweigten Handlungsstränge stringent zu entwickeln und spannungsfördernd zu verweben.“
mit Sofia Essaïdi, Assaad Bouab, Alberto Ammann, Simon Abkarian, Carlos Bardem
auch bekannt als „Overdose“ (Amazon-Prime-Titel)
Wiederholung: Samstag, 19. April, 00.05 Uhr (Taggenau!)
Mélanie Brunet (Ana Girardot) und Rémy Pelletier (François Civil) leben in Paris im18. Arrondissement Tür an Tür. Trotzdem laufen sie immer aneinander vorbei, was in einer Großstadt nicht ungewöhnlich ist. Umgekehrt kennt man schnell die Menschen, die den gleichen Bus benutzen, die Verkäufer und Security-Mitarbeiter in den Geschäften, die Postboten und auch die Drogensüchtigen und Obdachlosen. Der Kontakt endet meistens schon vor einem wieder erkennendem und begrüßendem Kopfnicken.
Weil „Einsam Zweisam“ ein Spielfilm ist und weil es ein französischer Spielfilm ist, weiß man schon in den ersten Filmminuten (ach, eigentlich genügt ein Blick auf das Plakat), dass Mélanie und Rémy füreinander bestimmt sind und sie sich spätestens am Filmende begegnen werden.
Bis dahin zeichnet Cédric Klapisch („… und jeder sucht sein Kätzchen“, „L’auberge espagnole – Barcelona für ein Jahr“, „Der Wein und der Wind“) ein äußerst feinfühliges Doppelporträt von zwei schüchternen Menschen und des Stadtviertels, zu dem sie nur zum Schlafen und Einkaufen bei dem gut vernetzten und etwas bauernschlauem Chef eines kleinen Lebensmittelgeschäfts. Weitere Lebenshilfe erhalten Rémy und Mélanie, die beide in einer Depression stecken, von ihren Therapeuten, die auch etwas miteinander verbindet.
Klapisch erzählt in seinem herzerwärmendem Drama die Geschichte vor dem ersten Zusammentreffen, das auch der Beginn einer Liebe sein kann. Es ist, nachdem im Kino die traditionellen Weihnachtsfilme von den Disney-Filmen („Star Wars“!) vertrieben wurden, ein herzerwärmender Weihnachtsfilm ohne den oft unerträglichen Nikolaus-Christkind-Enkel-Kitsch älterer Weihnachtsfilme.
Einsam Zweisam (Deux moi, Frankreich 2019)
Regie: Cédric Klapisch
Drehbuch: Santiago Amigorena, Cédric Klapisch
mit François Civil, Ana Girardot, Camille Cottin, François Berléand, Simon Abkarian, Eye Haidara, Rebecca Marder
Den Tod hat…nun, sagen wir es mal so: Jean-Mis Tod ist eine Verkettung unglücklicher Umstände, bei der die scharfe Kante einer Spindtür in der Umkleidekabine der örtlichen Fisch-Konservenfabrik zu seiner Entmannung führt. Anschließend fällt er eine Treppe hinunter und verletzt sich dabei tödlich. Pech halt. Die an dem Abend zum Putzen eingeteilten Arbeiterinnen – die nach fünfzehn Jahren wieder in das ärmliche nordfranzösische Provinzkaff Boulogne-sur-Mer zurückgekommene Schönheitskönigin Sandra (Cécile de France mit konsequent angepisstem Gesichtsausdruck), ihre ehemalige Klassenkameradin Marilyn (Audrey Lamy), inzwischen alleinerziehende Mutter mit erhöhtem Konsum illegaler Drogen und Ex-Geliebte von Jean-Mi, und Nadine (Yolande Moreau), die ihre Mutter sein könnte – vergessen ihren Plan, den Notruf zu wählen, als sie bei ihrem Chef Jean-Mi eine Tasche voller Geld entdecken. Die drei Damen denken an ihre prekäre finanzielle Lage, ahnen, dass Jean-Mi das Geld gestohlen hat und wollen es jetzt behalten. Dafür muss Jean-Mi verschwinden – in Fischdosen.
Dummerweise wird das Geld doch vermisst. Der örtliche Gangster Simon (Simon Abkarian) benötigt das Geld für ein Geschäft mit der ziemlich mordlustigen belgischen Drogenmafia. Genaugenommen ist es sein Geld und Jean-Mi sollte nur darauf aufpassen.
Außerdem schnüffelt die Polizei bei der Suche nach dem spurlos verschwundenen Jean-Mi in der Fisch-Konservenfabrik herum. Immerhin ist der ermittelnde Kommissar (Samuel Joey) ein fescher Bursche, der wegen eines Korruptionsverfahrens in die Provinz versetzt wurde. In dem Moment hat Sandra schon eine heiße Nacht mit ihm erlebt. Fortsetzung nicht ausgeschlossen.
„Rebelllinnen“-Regisseur Allan Mauduit arbeitete vor seinem Solo-Regiedebüt lange für das Fernsehen. Er entwickelte die bei uns anscheinend nie gezeigte Comedy-Serie „Kaboul Kitchen“. Bei seinem ersten Kinofilm, der schwarzen Komödie „Vilaine“, teilte er sich mit Jean-Patrick Benes die Regie. Später wollte er Iain Levisons „Betriebsbedingt gekündigt“ verfilmen. Aber die Filmrechte für den Kriminalroman über einen Arbeitslosen, der zum Auftragskiller wird, waren bereits vergeben. Währenddessen fragte Mauduit sich, als er eine Thunfischdose in der Hand hielt, wie viele Thunfischdosen man wohl brauche, um eine Leiche in ihnen zu verteilen.
Viele. Sehr viele. Und danach können die Dosen mit dem besonderen Inhalt nicht einfach verkauft werden. Sie müssen entsorgt werden, ohne dass ein Verdacht auf das Damentrio fällt, das im Kampf gegen Verbrecher und Polizisten über sich hinauswächst.
Schon milieubedingt ist „Rebellinnen – Leg‘ dich nicht mit ihnen an!“ nichts für Feingeister. Sandra, Nadine und Marilyn sind Arbeiterinnen mit einfachen Bedürfnissen und, beim Lösen der teilweise von ihnen verursachten Probleme, pragmatisch-einfachen Methoden. Mauduit inszenierte, ohne wohlfeile ironische Brechungen, eine tiefschwarze Komödie über ein Damentrio, das nach einem kurzen Zögern nicht mehr vor Gewalt gegen Männer zurückschreckt. Wobei diese Männer ihre Strafe verdient haben.
Wenn sie bekommen, was sie verdienen.
Rebellinnen – Leg‘ dich nicht mit ihnen an!(Rebelles, Frankreich 2019)
Regie: Allan Mauduit
Drehbuch: Allan Mauduit, Jérémie Guez
mit Cécile de France, Yolande Moreau, Audrey Lamy, Simon Abkarian, Samuel Jouy, Béatrice Agenin, Patrick Ridremont
Türkei, 1915: der armenische Schmied Nazaret sucht viele Jahre seine beiden Töchter, die den Völkermord der Türken an den Armeniern überlebtet haben sollen. Dafür reist er um die halbe Welt bis in die USA.
Gelungenes, episches Unterhaltungskino, das seine TV-Premiere zu einer wahrhaft unchristlichen Zeit erlebt.
mit Tahar Rahim, Simon Abkarian, Makram J. Khoury, Hindi Zahra, Kevork Malikyan, Bartu Kücükcaglayan, Trine Dyrholm, Moritz Bleibtreu, Akin Gazi, George Georgiou
Aus dem benachbarten Frankreich kommt die „Operation Duval – Das Geheimprotokoll“. François Cluzet spielt den Unternehmensberater Duval, der nach einem überstandenen Burn-Out wieder Arbeit sucht. Nur eine mysteriöse Firma bietet ihm einen Job an. In einem leeren Apartment soll er, ohne auf den Inhalt zu achten, Telefongespräche transkribieren. Dabei muss er viele Regeln zu seinen Arbeitszeiten und seinem Verhalten in der Wohnung (kein Lärm, nicht rauchen, nicht am Fenster stehen) exakt einhalten. Eines Tages hört er auf einem der Tonbänder einen Mord. Ein sich nicht an die Regeln haltender Kollege taucht auf und Duval beginnt Fragen zu stellen. Über seinen Arbeitgeber. Über den Inhalt der Tonbänder.
In „Operation Duval“ erzählt Thomas Kruithof in seinem Spielfilmdebüt eine klassische Verschwörungsgeschichte. Denn selbstverständlich ist der allein lebende Duval der perfekte Kandidat für diesen Job und ebenso selbstverständlich stolpert er durch seine Neugierde in ein politisches Komplott, das er nie vollständig überblickt.
Kruithofs Film ist ein hübscher kleiner Noir, bei dem man, schon nachdem Duval das erste Tonband abgehört hat, keinen Cent auf sein Überleben wetten möchte. Dabei sind die ersten Tonbänder scheinbar vollkommen harmlos.
Operation Duval – Das Geheimprotokoll (La Mecanique de l’ombre, Frankreich 2016)
Regie: Thomas Kruithof
Drehbuch: Thomas Kruithof
mit François Cluzet, Alba Rohrwacher, Denis Podalydes, Sami Bouajila, Simon Abkarian
Andrew Foster (Scott Eastwood) und sein Halbbruder Garrett (Freddie Thorp), der nervende Sidekick, sind Autofanatiker und professionelle Autodiebe. Bevorzugt klauen sie im „Fast & Furious“-Stil die besonders teuren Autos, die locker für einige Millionen verkauft werden.
In Südfrankreich verärgern sie mit einem Autodiebstahl die lokale Gangstergröße Jacomo Morier (Simon Abkarian). Er will sie, nach einer dieser pompösen Bösewichtreden, umbringen. Sie schlagen ihm den Diebstahl von wertvollen Autos aus dem Anwesen von seinem Erzfeind Max Klemp (Clemens Schick), einem wirklich, wirklich bösem deutschen Verbrecher, vor. Morier gibt ihnen nur wenige Stunden für die Planung und Ausführung des extrem schwierigen Diebstahls, für den sie einige örtliche Verbrecher anheuern müssen.
Auf den ersten Blick sieht „Overdrive“ wie ein weiteres Werk aus Luc Bessons kommerziell erfolgreicher Firma aus: Frankreich, vor allem das fotogene Südfrankreich, als Handlungsort, eine vertraute Geschichte, viel Action und ein bekannter, aber bezahlbarer Hollywood-Star. Der heißt in diesem Fall Scott Eastwood. Er war zuletzt in „Fast & Furious 8“ (The Fate of the Furious) als Little Nobody der willkommene Watschenmann. Er ist ein Sohn von Clint Eastwood. Und in „Overdrive“ soll er als Hauptdarsteller seinem Vater möglichst ähnlich sehen. Darum muss er durchgehend wie ein junger Clint Eastwood aussehen. Aber er hat nicht das Charisma seines Vaters. In „Overdrive“ hat er noch nicht einmal das Charisma eines Brötchens vom Vortag.
Die Story der von Antonio Negret inszenierten Actionplotte ist von der ersten bis zur letzten Minute einfach nur haarsträubend abstrus. Das beginnt mit dem ersten Autodiebstahl der Foster-Brüder. Andrew will aus einem auf einer Autobahn fahrendem LKW einen sehr wertvollen Oldtimer stehlen. Der Diebstahl ist dann eine Actionsause, die es nur darauf anlegt, möglichst viel Aufmerksamkeit zu erregen und es billigend in Kauf nimmt, dass der Oldtimer als ein Haufen Schrott endet. Wobei schon ein Kratzer oder eine Beule den Wert des Autos drastisch minimieren würde.
Später gibt es dann noch einige Überraschungen, die überraschend wären, wenn man sich wenigstens für einen Charakter interessieren würde. Wobei diese „Überraschungen“ im Rahmen eines Heist-Movies auch gar nicht so überraschend sind. Betrug, Verrat und Doppelspiele sind ein essentieller Bestandteil ihrer DNA. Um den Genrefan zu unterhalten, müssen sie einfach nur richtig ausgespielt werden. In „Overdrive“ wird das noch nicht einmal im Ansatz versucht.
Aber in einem Besson-Film fragt man ja auch nie nach der Logik oder einer feinsinnig durchdachten Geschichte. Solange die ganze Schose Spaß macht, war, siehe „The Transporter“, alles in Ordnung.
Und genau der fehlt in „Overdrive“. Denn „Overdrive“ ist kein Besson-Film. Da hilft auch nicht die Beteiligung von „96 Hours – Taken“-Regisseur Pierre Morel als einer der Produzenten. Er kommt aus Bessons Actionschmiede. Wobei unklar ist, wie sehr Morel trotz Produzentennennung in den jetzigen Film involviert ist. Als die Verfilmung des Drehbuchs von Michael Brandt und Derek Haas („Todeszug nach Yuma“, „Wanted“ [beide Male mit einem weiteren Autor]) im Mai 2011 angekündigt war, wurde Morel als Produzent und Antonio Negret als Regisseur genannt. Seitdem ging der Film durch einige Hände und etliche bekannte Schauspieler waren als Hauptdarsteller im Gespräch.
Regisseur Antonio Negret inszenierte die letzten Jahre Episoden für Serien wie „The Flash“, „Arrow“, „Lethal Weapon“ und „MacGyver“. Und wie ein x-beliebiges Auftragswerk, das man mit minimalem persönlichem Einsatz herunterreißt, wirkt der gesamte Film. Die Teile sind da, aber es fehlt die Besson-Essenz. Selbst in den vielen schlechten, beliebigen, austauschbaren, hemmungslos von Klassikern und Kinohits mehr schlecht als recht stehlenden Besson-Filmen, die hier nicht genannt werden müssen, weil sie ja allgemein bekannt sind, vermitteln Besson als Produzent (seltener als Regisseur) und seine wechselnden Regisseure immer auch ein Gefühl von Dringlichkeit und von Freude am Werk. Sie treten auf, als sei der Film ein Meisterwerk und der beste Film, den man für sein Geld sehen kann. Immer ist auch eine ehrliche, kindische Begeisterung für den Film spürbar.
Und genau dieses Engagement vermisst man bei „Overdrive“. Dann wäre es immer noch kein guter Film, aber ein vergnüglicher Film, der einen mit schönen Landschaften, schönen Autos, schonen Menschen, lauter Action und Klischees über französische Verbrecher unterhält. Man könnte sich sogar über den Film ärgern.
Bei „Overdrive“ langweilt man sich nur.
Overdrive (Overdrive, Frankreich/USA 2017)
Regie: Antonio Negret
Drehbuch: Michael Brandt, Derek Haas
mit Scott Eastwood, Freddie Thorp, Clemens Schick, Ana de Armas, Gaia Weiss, Simon Abkarian
„Colt 45“ von Fabrice Du Welz ist ein franco-belgischer Polizeithriller, der zwar all die Knöpfe drückt, die zu einem actionhaltigen, düsteren Polizeithriller gehören, der aber nie wirklich überzeugt oder emotional mitreißt; was auch am Protagonisten Vincent Milès liegt. Milès (Ymanol Perset) ist ein junger, naiver Polizist, der der beste Scharfschütze der französischen Nationalpolizei ist und einem Hindernisparcour als mit Abstand bester Teilnehmer abschließt. Er ist also der Einzelkämpfer, den alle gerne wollen (was für die Filmgeschichte reichlich egal ist). Aber eigentlich will er nur der Nerd in der Waffenkammer sein, der natürlich auch hier der Beste ist. Innerhalb von Sekunden erstellt er Gutachten (weil die Kriminaltechnik gerade überlastet ist) und er experimentiert in seiner Freizeit mit besonders durchschlagkräftiger Munition.
Eines Tages lernt er auf dem Schießstand Milo Cardena (Joey Starr) kennen. Cardena ist ebenfalls ein verdammt guter Schütze und etwas zwielichtig.
Als Milès kurz darauf von einem anderen Autofahrer angegriffen wird, erschießt er ihn in Notwehr und anstatt seine Kollegen zu rufen, bittet er Cardena um Hilfe. Cardena, der den Angriff auf Milès veranlasste, hilft ihm. Er lässt Auto, Leiche und Waffe verschwinden und verlangt – was uns jetzt nicht sonderlich überrascht – als Gegenleistung dafür einige Waffen aus der von Milès geführten Waffenkammer und dessen Super-Munition. Widerwillig gibt Milès sie ihm. Kurz darauf wird seine Munition bei einem Überfall, der von Männern mit Kampfausbildung durchgeführt wurde, verwandt.
Der an Recht und Gesetz glaubende Milès versucht nun, auf eigene Faust, aus dem selbstverschuldeten Schlamassel wieder herauszukommen. Dummerweise ist Cardena spurlos verschwunden, in der Polizei bekriegen sich zwei Polizeieinheiten (Milès arbeitet wegen seiner Waffenkentnisse aushilfsweise in der von Commandant Christian Chavez [Gérard Lanvin]) und sein Vorgesetzter bemerkt die verschwundenen Waffen.
Das klingt jetzt, vor allem angesichts der vielen guten französischen Kriminalfilme der letzten Jahre, nach einem weiteren guten Genrewerk. Aber in „Colt 45“ wirkt alles immer nur behauptet. Da wird mal schnell ein Verdächtiger herbeigezaubert, der dann doch unschuldig und, weil er bei der Verhaftung flüchten wollte, tot ist. Während einer Beerdigung prügeln sich die verfeindeten Polizeieinheiten, weil verfeindete Polizeieinheiten ein fester Topos in französischen Polizeithrillern sind. Polizisten sagen bedeutungsvolles. Das ist immer fotogen dunkel ausgeleuchtet und eigentlich ist jeder Charakter hier ebenfalls nur Dekor. Wenn am Ende Milès im Alleingang gegen die Bösewichter vorgeht und er sie reihenweise und ohne eine erkennbare Emotion umbringt, wird seine vorherige Weigerung, eben dies im normalen Polizeidienst zu tun, noch rätselhafter. Das gleiche gilt für seine Panikattacke, nachdem er in Notwehr den ihn angreifenden Autofahrer erschoss. Jedenfalls hat er jetzt mit dem Töten von Menschen keine Probleme.
Das Ende ist dann eine verquere Mischung aus klassischem Polit-Thriller und Superheldencomic (mit etwas Noir und Pulp), die, wenn „Colt 45“ besser wäre, der Pilotfilm für eine Serie sein könnte. Aber dafür müssten wir irgendetwas für Milès empfinden.
So ist „Colt 45“ trotz ansprechender Optik und durchaus gelungener Actionszenen (die allerdings an einer Hand abzählbar sind) ein ziemlich logikfreier 08/15-Thriller, bei dem nichts wirklich begeistert.
Colt 45 (Colt 45, Frankreich/Belgien 2014)
Regie: Fabrice Du Welz
Drehbuch: Fathi Beddiar, Fabrice Du Welz
mit Ymanol Perset, Gérard Lanvin, Joey Starr, Alice Taglioni, Simon Abkarian, Antoine Basler, Jo Prestia, Salem Kali
– DVD Pierrot le Fou
Bild: 2,35:1 (16:9)
Ton: Deutsch, Französisch (DD 5.1)
Untertitel: Deutsch
Bonusmaterial (angekündigt): Trailer, Making of, drei Featuretten, Wendecover
Länge: 84 Minuten
FSK: ab 16 Jahre
– Hinweise AlloCiné über „Colt 45“ Rotten Tomatoes über „Colt 45“ Wikipedia über „Colt 45“
Wer sich Fatih Akins neuen Film „The Cut“ ansieht, weil er etwas über den Völkermord an dem Armeniern erfahren will, wird enttäuscht werden. Auch wer eine Neuauflage von „Gegen die Wand“ mit seinen hochschwappenden Emotionen erwartet, wird mit „The Cut“ wenig anfangen können. Denn „The Cut“ ist in erster Linie ein ruhig und mit überschaubarer emotionaler Wucht erzähltes Epos über die jahrelange Suche eines Vaters nach seinen beiden Töchtern, das vor gut hundert Jahren spielt. Es ist ein Fest für das Auge, das ein breites Publikum ansprechen soll. Auf der ganzen Welt. Deshalb wurde der Film auf Englisch gedreht, was auch die Suche nach den richtigen Darstellern erleichterte. Obwohl der von Tahar Rahim (Ein Prophet, Black Gold, Le Passé – Das Vergangene) gespielte Protagonist Nazaret Mannoogian, nach einem Mordversuch, die meiste Zeit stumm ist.
Der Film beginnt 1915 in Mesopotamien in Mardin, als der junge, nette Schmied Nazaret von seiner Familie getrennt wird. Die türkische Gendarmerie treibt alle armenischen Männer zusammen. Fortan müssen sie in der Wüste Frondienste leisten. Die meisten sterben. Nazaret überlebt. Allerdings hört er, dass alle Bewohner seiner Heimatstadt tot sind. Erst später erfährt er, dass seine beiden Töchter die Massaker doch überlebten. Er beginnt, sie zu suchen. Seine Reise, die den Hauptteil des Filmes ausmacht, führt ihn immer weiter nach Westen, bis er, via Havanna, in den USA, in North Dakota, ankommt, wo er – das dürfte jetzt wirklich niemand überraschen – nach einer fast zehnjährigen Suche seine Töchter findet.
Akin erzählt, basierend auf einem von ihm und Mardik Martin („Hexenkessel“, „New York, New York“, „Wie ein wilder Stier“) geschriebenem Drehbuch, eine private Geschichte vor einem historischen Hintergrund, der immer nur die austauschbare Kulisse für die Filmgeschichte bleibt. Akins Film ist eine episodische Reiseerzählung mit vielen gelungenen Episoden, Die verzweifelte Suche von Nazaret nach seinen Kindern erinnert an die manische Suche von Ethan Edwards (John Wayne) nach seiner Nichte in John Fords „Der schwarze Falke“. Auch optisch ist „The Cut“ vom Western inspiriert. Immerhin spielen große Teile des Films in der Wüste, in menschenleeren Landschaften, an und auf Eisenbahngleisen (in den USA ist Nazareth auch Gleisbauarbeiter und er hilft einer Indianerin) und die Cinemascope-Aufnahmen erinnern natürlich an die klassischen Westernbilder.
Es ist auch ein Film, der Akins direkte emotionale Betroffenheit vermissen lässt. „The Cut“ ist kein kleiner, persönlicher Film. Er will es auch in keiner Sekunde sein. Er will ein breites Publikum ansprechen und dafür bedient er sich gelungen der Erzähltopoi und Erzählmechanismen des klassischen Hollywood-Kinos, wie es zuletzt Philipp Stölz mit „Der Medicus“ tat.
„The Cut“ ist gelungenes Unterhaltungskino. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.