Drehbuch: Denis Villeneuve, Jon Spaihts, Eric Roth
LV: Frank Herbert: Dune, 1965 (Dune – Der Wüstenplanet)
TV-Premiere. Erfurchtsvolle Bebilderung der ersten Hälfte von Frank Herberts „Der Wüstenplanet“. Den Fans, dem Publikum und den Kritikern gefiel das Werk.
Die Verfilmung der zweiten Buchhälfte lief dieses Jahr, ebenfalls erfolgreich, im Kino. Und irgendwann demnächst – ein Startdatum gibt es noch nicht, aber das Drehbuch soll schon fertig sein – verfilmt Villeneuve „Dune Messiah“.
mit Timothée Chalamet, Rebecca Ferguson, Oscar Isaac, Jason Momoa, Stellan Skarsgård, Stephen McKinley Henderson, Josh Brolin, Javier Bardem, Sharon Duncan-Brewster, Chang Chen, Dave Bautista, David Dastmalchian, Zendaya, Charlotte Rampling, Babs Olusanmokun, Benjamin Clementine
Wiederholungen:
Pro 7, Donnerstag, 26. Dezember, 14.40 Uhr
Kabel 1, Mittwoch, 8. Januar, 20.15 Uhr
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Die Vorlage
Frank Herbert: Dune – Der Wüstenplanet
(übersetzt von Jakob Schmidt)
Heyne, 2020 (die Filmausgabe)
800 Seiten
12,99 Euro
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Zum Filmstart erschien der Roman mit einem neuen Cover.
Vor dem Filmstart erschien der Roman bereits in mehreren Übersetzungen.
Bürgerkrieg in den USA. Während sich die verschiedenen Kriegsparteien bekämpfen, machen sich die erfahrenen Kriegsjournalisten Joel (Wagner Moura) und Lee (Kirsten Dunst) auf den Weg von New York nach Washington, D. C.. Es sind etwas über dreihundert Kilometer durch ein Kriegsgebiet, in dem die Fronten vollkommen unklar sind und ein Menschenleben nichts zählt.
Joel will in der Hauptstadt den US-Präsidenten interviewen. Lee soll fotografieren. Begleitet werden sie von ihrem älteren, ebenfalls kriegserfahrenen Kollegen Sammy (Stephen McKinley Henderson) und der blutigen Anfängerin Jessie (Cailee Spaeny), die Lee bewundert und sich in die Reisetruppe eingeschlichen hat.
Zwischen Lee und Jessie entwickelt sich während der Reise ein Mentorin/Schülerin-Verhältnis. Gleichzeitig erzählt der Film eine doppelte Entwicklungsgeschichte. Auf der einen Seite ist die zunehmend kriegsmüde Lee, auf der anderen Seite Jessie, die zunehmend in den Job hineinwächst und sich über den Adrenalinschub freut.
Alex Garland, der Autor von „The Beach“ (verfilmt von Danny Boyle), den Drehbüchern „28 Days Later“ (verfilmt von Danny Boyle), „Sunshine“ (verfilmt von Danny Boyle) und „Dredd“ (verfilmt von Pete Travis) und, nach seinen Drehbüchern, der Regisseur von „Ex Machina“, „Auslöschung“ und „Men – Was dich sucht, wird dich finden“, inszenierte jetzt, selbstverständlich nach seinem Drehbuch, „Civil War“. Im Zentrum seiner neuesten Dystopie steht die Fahrt der vier Journalisten durch das Kampfgebiet als eine Abfolge von Episoden, in denen sie immer wieder Soldaten und anderen spärlich uniformierten Kämpfern begegnen. Immer ist unklar, ob sie die Begegnung überleben werden und immer ist unklar, auf welcher Seite die Soldaten kämpfen. Sie kämpfen halt und erschießen alles, was ihnen vor die Flinte gerät.
An einer irgendwie gearteten Durchdringung des Konflikts ist Garland nicht interessiert. Er erwähnt nur, dass der US-amerikanische Präsident gerade in seiner dritten Amtszeit ist (von zwei nach der Verfassung möglichen) und die „Westlichen Streitkräfte“, eine Koalition von Kalifornien und Texas, gegen die Regierung kämpft. Aber wenn die vier Journalisten dann durch das Kriegsgebiet fahren, kämpfen nur Menschen gegen Menschen. Wer auf welcher Seite kämpft ist unklar. Für was gekämpft wird, ist ebenso unklar. Warum sie gegeneinander kämpfen, ist auch unklar. Das ist zwar immer wieder, wenn die Journalisten in einer Garage gerade Gefolterte und Erhängte entdecken, in das Visier eines gesichtslosen Scharfschützen geraten oder einem von Jesse Plemons gespielten sadistischen Soldaten begegnen, als einzelne Episode spannend, aber auch schnell redundant. Im Gegensatz zu Francis Ford Coppolas „Apocalypse Now“ ergibt sich aus den einzelnen Begegnungen kein vielschichtiges Bild des Krieges, sondern nur das immergleiche Bild, in dem US-amerikanische Soldaten andere US-Amerikaner umbringen. Eine tiefere philosophische Bedeutung ist dabei höchstens erahnbar.
Es ist auch unklar, was die Film-USA mit den realen USA zu tun haben. Das ist, zum Beispiel, in den „The Purge“-Filmen anders. Bei dieser Dystopie ist das Ziel der Kritik und Wut der Macher klar erkennbar. Schon im ersten „The Purge“-Film wurde skizziert, wie die „The Purge“-USA aus der real existierenden USA entstehen konnte. Bei den „The Purge“-Filmen ist daher auch klar, welche politischen Einstellung und Akteure angegriffen werden und wer das Kino verärgert verlassen soll. In „Civil War“ dürfte sich niemand in seiner politischen Einstellung angegriffen fühlen, jeder kann sich in seiner politischen Einstellung bestätigt fühlen, weil „Civil War“ als Parabel offen für jede Interpretation des Ursprungs des Konflikts ist. Das führt dazu, dass Garland keine Idee hat, wie der Bürgerkrieg entstanden ist und wie er hätte verhindert werden können. Er zeigt nur noch, überaus fotogen und gut inszeniert, sinnlose, nicht weiter berührende Gewalt.
Die vier Journalisten, die auf der Suche nach der großen Story durch das Kriegsgebiet fahren, dokumentieren diese Gewalt. Ihr moralisches Wertesystem oder ihre Ansichten über die Konfliktparteien werden nicht auf die Probe gestellt, weil sie keine Position zu diesem Konflikt haben. Es reicht gerade so zu einem banalen, allgemein zustimmungsfähigen „Krieg ist schlimm.“. Lee, Joel, Sammy und Jessie stehen vor keinem Dilemma. Wie Katastrophenjournalisten, die nur das eindrucksvolle Bild für ihr Fotoalbum haben wollen, fotografieren Lee und Cassie die Zerstörung, die Leichen und die Täter. Der schreibende Teil des Journalismus wird ignoriert. Recherche ist ein Fremdwort. Die Zusammenarbeit mit der Redaktion und die Frage, welche Meldungen und Bilder einen Nachrichtenwert haben, ebenso. Bei Garland reicht es nur zu einem seht und bewundert die tapferen Journalisten, die sich mitten in das Kampfgeschehen begeben.
„Civil War“ hätte der Film der Stunde, ein Statement zur aktuellen Situaiton in den USA und ein Warnruf werden können. Stattdessen vergeigt er das mit seinem apolitischen Ansatz und dem damit verbundenem Desinteresse an den Motiven der Konfliktparteien. Die so entstehende Kriegspornographie überschüttet er mit oberflächlichem Pathos über tapfere Journalisten.
Garlands neuestes Werk ist eine ziemlich Enttäuschung und ein erschreckend belangloser Film.
Civil War(Civil War, USA 2024)
Regie: Alex Garland
Drehbuch: Alex Garland
mit Kirsten Dunst, Wagner Moura, Cailee Spaeny, Stephen McKinley Henderson, Jesse Plemons, Nick Offerman
Beau Wassermann (Joaquin Phoenix, gewohnt überzeugend) lebt in einer Großstadt in einer heruntergekommenen Bude. Er fühlt sich von allen, unter anderem einem mysteriösem Serienkiller und einem Botschaften unter seiner Tür durchschiebendem Nachbarn, bedroht. Tabletten halten seine Paranoia halbwegs im Schach. Trotzdem ist für ihn der Gang zum gegenüberliegenden Geschäft ein lebensbedrohliches Abenteuer voller menschlicher und nichtmenschlicher Monster. Deshalb verbringt er am liebsten die Zeit in seinem abgeranztem Mini-Apartment, das nichts von seinem Reichtum verrät. Denn er stammt aus einer vermögenden Familie. Sein Vater starb bei seiner Zeugung. Seine erfolgreich das Unternehmen führende Mutter dominiert über sein Leben.
Als sie bei einem bizarren Unfall stirbt, muss er sich, quer durch das Land, auf die Reise zu ihrer Beerdigung begeben. Diese Reise wird, selbstverständlich, zu einer (weiteren) Begegnung mit seinen inneren Dämonen und einer Auseinandersetzung mit seinem Leben und seinen ziemlich alles umfassenden Ängsten. So weit, so gut, so erwartbar.
Ari Aster, der mit seinen beiden vorherigen Horrorfilmen „Hereditary“ und „Midsommar“ Kritiker begeisterte und innerhalb der Horrorfilmgemeinde ebenfalls auf viel Wohlwollen stieß, erzählt in „Beau is afraid“ ein Quasi-Road-Movie, das mehr oder weniger im Kopf des Protagonisten spielt. Der dreistündige Film gliedert sich, so das Presseheft, „in eigenständige Abschnitte, mit vier Hauptkapiteln sowie zwei zusätzlichen Sequenzen, darunter eine Rückblende auf einem Kreuzfahrtschiff, in der die Mutter-Sohn-Dynamik zementiert wird, sowie ein rätselhafte Auflösung“.
Das liest sich jetzt etwas kompliziert, aber wenn die Geschichte gut erzählt ist, fällt die darunter liegende Struktur nicht weiter auf. Sie ist dann etwas für spätere Analysen in Universitätsseminaren. Dort können dann auch alle Anspielungen analysiert werden. Schon beim Ansehen fällt diese Struktur negativ auf. Wenig unterhaltsam, oft quälend langweilig und konfus, zerbröselt „Beau is afraid“ in wenige gelungene und viele einfach langweilige Szenen, die sich teilweise endlos ohne irgendeinen Erkenntnisgewinn ziehen bis hin zu der „rätselhaften Auflösung“.
Dass Asters dritter Film kein Totaldesaster ist, liegt an den wenigen gelungenen Szenen. So ist der Anfang des Episodenfilms, der Beaus Leben in der Großstadt zeigt, grandios. Die an den „Zauberer von Oz“/“ Alice im Wunderland“ erinnernde teilanimierte Szene gefällt ebenfalls. Eigentlich alle anderen Szenen wären meistens überzeugender, wenn sie kürzer wären. Jetzt sind sie oft zu lang, zu platt oder einfach zu rätselhaft.
Mit drei Stunden ist „Beau is afraid“ mindestens eine Stunde zu lang. Denn nach dem starken Anfang wird das schwarzhumorige Drama in dem Moment, in dem Beau seine Wonung verlässt und sich auf den Weg zu seiner Mutter macht, zu einer überlangen, konfusen Ansammlung von Episoden und Notizen mit begrenztem Erkenntnisgewinn. Für Beau ist es ein weiterer Horrortrip voller Demütigungen, Erniedrigungen und panischer Fluchtversuche. Für den Zuschauer eine Geduldsprobe.
Als Warner Bros. Pictures im Dezember 2020 ankündigte, dass sie in den USA „Dune“ und weitere Blockbuster gleichzeitig im Kino und auf ihrem Streamingportal HBO Max veröffentlichen würden, war „Dune“-Regisseur Denis Villeneuve verärgert. Er befürchtete, dass dieser Schritt weitere „Dune“-Kinofilme verhindere.
Damals klang das nach dem Gefühlsausbruch eines gekränkten Regisseurs, der seine Filme lieber im Kino sieht. Heute wissen wir, dass er das auch sagte, weil er in „Dune“ nur die erste Hälfte von Frank Herberts achthundertseitigem SF-Klassiker „Dune – Der Wüstenplanet“ verfilmt hat. Sein Film endet nach hundertfünfzig Minuten einfach mitten in der Geschichte. Das Ende gibt es dann in ein, zwei Jahren und einen dritten „Dune“-Film, der auf „Der Herr des Wüstenplaneten“ (Dune Messiah, 1969) basieren soll, später. Falls es nicht dazu kommt, hat man mit „Dune“ einen halben Film gesehen. Und, ja, ich meine das genau so, wie ich es sage: „Dune“ ist wie ein „Tatort“, den man nach 45 Minuten anhält. Wobei der Vergleich mit Robert Schwentkes „Die Bestimmung – Allegiant“ (The Divergent Series: Allegiant, USA 2016) treffender wäre. Das war die erste Hälfte des zweiteiligen Finales einer vierteiligen Young-Adult-Dystopie, von der der Abschluss des Finales nie gedreht wurde. Das ist nichts Halbes und nichts Ganzes. Auch weil bis jetzt noch nicht bekannt ist, ob es „Dune: Part Two“ geben wird.
Immerhin führt die schon lange vor dem Dreh gefällte Entscheidung, „Dune – Der Wüstenplanet“ in zwei Filmen zu erzählen, dazu, dass Villeneuve viel Zeit hat, die Geschichte zu erzählen. Nämlich, wenn der zweite Teil wieder hundertfünfzig Minuten lang ist, gut fünf Stunden. Er kann also in aller Ruhe Figuren, Konflikte und Themen einführen. Er kann, immerhin soll „Dune“ der Auftakt einer Trilogie sein, das alles so einführen, das es bereits im ersten Film Hinweise auf Entwicklungen gibt, die erst im zweiten oder dritten Film wichtig werden. Genau das scheint Villeneuve mit dem aus der Perspektive der Fremen erzähltem Prolog zu beabsichtigen. Es wird, so der erste Eindruck, nicht die Geschichte von Paul Atreides sondern die der Fremen erzählt. In den nächsten Minuten ändert sich das. Die ersten vierzig Minuten spielen auf dem Wasserplaneten Caladan, dem alten Sitz des Hauses Atreides. Die nächsten fünfzig Minuten spielen dann auf Arrakis, dem neuen Sitz des Hauses Atreides, dem Wüstenplanet. Diese neunzig Minuten sind vor allem eine Einführung der Welt, in der die Geschichte spielt und der wichtigen Figuren. Villeneuve folgt hier zwar Herberts Buch, aber er präsentiert den Protagonisten Paul Atreides (Timothée Chalamet), der schon auf Caladan Visionen von einer in der Wüste lebenden, für ihn wichtigen, jetzt aber noch unbekannten Frau hat und der der Auserwählte ist, seinen Vater Leto Atreides (Oscar Isaac), einem besonnenem Herrscher, und seine Mutter Jessica Atreides (Rebecca Ferguson), einer Bene Gesserit, und die verschiedenen Konflikte so, dass sie nachvollziehbar sind. Besonders wichtig ist der Konflikt mit dem Haus der Harkonnen. Sie sind die bisherigen Kolonialherren von Arrakis und sie wollen den Planeten wieder in ihren Besitz bringen. Auf dem Planeten gibt es das Gewürz, auch Melange oder Spice genannt. Es ist gleichzeitig eine Bewusstseinserweiternde Droge und der Treibstoff für die Raumschiffe. Deshalb ist die Herrschaft über den Wüstenplaneten eine Lizenz zum Gelddrucken.
Die Harkonnen sind die bösen Bösewichter, die als Kolonialherren despotische Unterdrücker waren. Um wieder die Herren über den Planeten zu werden, ermorden sie Leto Atreides und fast alle seine Gefolgsleute.
Paul und seine Mutter flüchten in die Wüste, wo die Fremen leben.
Ab diesem Moment wird der Film zu einer länglichen Abfolge von Episoden, die die Handlung nicht erkennbar voranbringen. Wer das Buch kennt und weiß, wie die Geschichte endet, ist hier im Vorteil. Denn nachdem Villeneuve in der ersten Hälfte des Films die Romanhandlung intelligent auf die Leinwand übertrug, klebt er nach Leto Atreides‘ Tod zu sehr an der episodenhaften Romanhandlung. Ein Thema ist nicht mehr erkennbar. Der den Roman bestimmende Konflikt mit den Harkonnen über die Herrschaft über den Wüstenplaneten verschwindet hier, wie im Roman, aus der Geschichte.
Auffallend ist in dem Moment auch das überkommene Frauenbild des 1965 erschienenen Romans, das hier bruchlos in den Film übertragen wird. Pauls Mutter Jessica Atreides, die ein Mitglied des einflussreichen Frauenordens der Bene Gesserit ist und die deshalb über außergewöhnliche Fähigkeiten verfügt, ist jetzt nur noch ein hilfsbedürftiges Anhängsel von Paul, der sie aus gefährlichen Situationen retten muss und gefährliche Situationen allein meistert. Und die Filmgeschichte ähnelt immer mehr „Lawrence von Arabien“ mit Paul als Retter der Fremen. Aber das ist dann die Geschichte des zweiten „Dune“-Films.
Villeneuve erzählt diese Geschichte, wie schon in seinem vorherigem Film „Blade Runner 2049“, mit teilweise enervierender, prätentiöser Langsamkeit. Natürlich sind die Bilder von dem Wüsten- und dem Wasserplaneten überwältigend. Die Präsentieraufmärsche der Soldaten sind, wie in den „Star Wars“-Filmen, zweckfrei, aber schön anzusehen. Und die Räume, durch die die Menschen gehen müssen, sind oft verschwenderisch groß. Das weckt auch immer wieder Erinnerungen an diverse Bibel-Filme; vielleicht auch weil Paul Atreides der Auserwählte, der Messias, ist,
In jedem Bild ist ein Übermaß an Respekt vor der Vorlage zu spüren. Villeneuve kürzte nicht herzhaft, setzte keine eigenen Schwerpunkte oder veränderte Perspektiven (was hätte aus „Dune“ für ein Film werden können, wenn Villeneuve die gesamte Geschichte aus der Perspektive der Fremen erzählt hätte!). Stattdessen folgt er Frank Herberts Geschichte fast schon sklavisch.
Trotz guter Momente, guter Schauspieler (teils nur in Minirollen), imposanter, für das Kino komponierter Bilder und einer guten ersten Hälfte, ist „Dune“ letztendlich ein enttäuschendes Werk. Das liegt allerdings nicht an der Vorlage, sondern an dem fehlendem Mut, die Geschichte aus den Sechzigern (wo sie mit ihrer Ideologie und ihren Bezügen steht) in die Gegenwart zu bringen und für den Film umfassend umzuarbeiten. Denn so wahnsinnig komplex, wie immer wieder behauptet wird, ist der Roman nicht.
Stattdessen gibt es eine viel zu ehrfurchtsvolle Bebilderung der ersten Hälfte des Romans.
Dune (Dune, USA 2021)
Regie: Denis Villeneuve
Drehbuch: Denis Villeneuve, Jon Spaihts, Eric Roth
LV: Frank Herbert: Dune, 1965 (Dune – Der Wüstenplanet)
mit Timothée Chalamet, Rebecca Ferguson, Oscar Isaac, Jason Momoa, Stellan Skarsgård, Stephen McKinley Henderson, Josh Brolin, Javier Bardem, Sharon Duncan-Brewster, Chang Chen, Dave Bautista, David Dastmalchian, Zendaya, Charlotte Rampling, Babs Olusanmokun, Benjamin Clementine
Länge: 156 Minuten
FSK: ab 12 Jahre
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Die Vorlage
Frank Herbert: Dune – Der Wüstenplanet
(übersetzt von Jakob Schmidt)
Heyne, 2020 (die Filmausgabe)
800 Seiten
12,99 Euro
–
Zum Filmstart erschien der Roman mit einem neuen Cover.
Vor dem Filmstart erschien der Roman bereits in mehreren Übersetzungen.
Anybody who talks about California hedonism has never spent a Christmas in Sacramento.
Joan Didion
Greta Gerwig ist nicht Lady Bird. Sie inszenierte den Film nur nach ihrem Drehbuch und, um jetzt gleich die offensichtliche Frage zu beantworten, obwohl der Film 2002 in Sacramento spielt, ist er nicht autobiographisch. Jedenfalls nicht im strengen Sinn. „Lady Bird“ erzählt eine erfundene Geschichte über eine junge Frau, die, wie Gerwig, in Sacramento lebt, auf eine katholische Mädchenschule geht und nach New York will.
Lady Bird ist Christine McPherson, gespielt von Saoirse Ronan und, nun, sie ist Lady Bird. Ein Teenager im letzten Highschooljahr. Ausgesetzt all den Gefühlsstürmen und Unsicherheiten, die man in diesem Alter hat. Vor allem wenn man aus einer armen Familie kommt und sich als Outcast fühlt. Ihre Mutter verdient als Krankenschwester das Geld für die Familie. Sie will ihrer Tochter die Flausen austreiben und eine realistische Perspektive auf ihr künftiges Leben vermitteln. Sie haben einfach nicht das Geld, um ihrer Tochter das teure Studium in New York zu bezahlen. Ihr gebildeter, arbeitsloser Vater sieht das wesentlich entspannter und verständnisvoller. Und ihr Bruder ist gar nicht ihr Bruder, sondern adoptiert und konkurriert mit ihrem Vater um die gleichen IT-Stellen.
An der Schule kämpft sie sich durch, hängt mit ihrer Freundin ab, wäre gerne bei dem coolen Jungs und Mädchen und natürlich geht es um den ersten Sex.
So gesagt unterscheidet sich „Lady Bird“ nicht von unzähligen anderen Highschool-Komödien. Sie erzählen Episoden aus dem Leben Jugendlicher in einer bestimmten Periode ihres Lebens. Meistens sind die Filme Ensemblefilme. Das ermöglicht es dem Regisseur, viele verschiedene Geschichten, Episoden und auch Perspektiven über das Erwachsenwerden einzubringen. Meistens ist es auch ein rein männlicher Blick, genau gesagt: der Blick des weißen Mannes.
Fast immer enden diese Filme mit einem von Außen bestimmten Ereignis, wie der Abschlussfeier oder dem Tag nach der letzten Nacht in dem geliebt/gehassten, vertrauten Geburtsort, der dann „Dazed and Confused“ in eine fremde Welt verlassen wird. Und, auch wenn wir die US-amerikanischen Schulen nur aus den Filmen kennen, sind die Filme immer wie ein Blättern in einem Bildband oder dem Karton mit den Jugendfotos, die Erinnerungen wecken.
Greta Gerwig erzählt ihren Film dagegen aus der weiblichen Perspektive und das eröffnet dem Genre neue Perspektiven. Sie hat einen sehr wahrhaftigen und authentischen Blick auf ihre Charaktere, die fast durchgängig Frauen sind. Auch die Lehrer sind, immerhin besucht Lady Bird eine katholische Mädchenschule, weiblich. Und wann hat man zuletzt eine Nonne als Lehrerin und als durchaus positive Respektsperson in einem Film gesehen? Die Männer, vor allem die jungen Männer, müssen sich da als Objekt der Begierde mit Nebenrollen begnügen.
Keine Nebenrolle haben dagegen, – auch hier unterscheidet „Lady Bird“ sich von anderen Highschool-Komödien -, die Eltern von Lady Bird. Vor allem ihre Beziehung zu ihrer Mutter, mit der sie eine wahre Hassliebe verbindet, nimmt viel Leinwandzeit in Anspruch.
So werden die Episoden aus Lady Birds chaotischem (Gefühls)Leben mehr als in anderen Highschool-Komödien zu einer Geschichte. Gerwig zeichnet eine Entwicklung nach, die erst in New York endet. Jedenfalls in diesem Film. Wer will kann nämlich in „Frances Ha“ (wo Gerwig Co-Autorin war und die Hauptrolle spielte), ohne große Anstrengungen, eine Art Weiterzählung von „Lady Bird“ sehen.
Am Ende von „Lady Bird“ erscheint Sacramento gar nicht so schlimm, wie Joan Didion, eine andere bekannte gebürtige Sacramentoerin (Ist das ein Wort?), behauptet. Jedenfalls nicht schlimmer als irgendein x-beliebiges Provinzkaff.
Lady Bird (Lady Bird, USA 2017)
Regie: Greta Gerwig
Drehbuch: Greta Gerwig
mit Saoirse Ronan, Laurie Metcalf, Tracy Letts, Lucas Hedges, Timothée Chalamet, Beanie Feldstein, Stephen McKinley Henderson, Lois Smith, Odeya Rush, Jordan Rodrigues, Marielle Scott
August Wilson, der nach seinem Theaterstück das Drehbuch schrieb, hat – wenn er in wenigen Tagen den Drehbuch-„Oscar“ gewinnt – eine überzeugende, bislang noch nie benutzte Entschuldigung für seine Abwesenheit. Er ist tot. Seit dem 2. Oktober 2005.
Am 16. Oktober 2005 wurde am Broadway das Virginia Theatre in August Wilson Theatre umbenannt. Es ist das erste Broadway-Theater, das nach einem Afroamerikaner benannt wurde. Und das sagt für den Anfang genug über seine Bedeutung für die Theaterwelt aus.
Vor seinem Tod schrieb der am 27. April 1945 in Pittsburgh geborene Schriftsteller unter anderem den aus zehn Stücken bestehenden, mehrfach ausgezeichneten „The Pittsburgh Cycle“ über die verschiedenen Facetten des afroamerikanischen Lebens im zwanzigsten Jahrhundert. „Fences“ schrieb er in den frühen achtziger Jahren und es ist Teil des „Pittsburgh Cycle“.
Im Mittelpunkt des 1957 spielenden Stückes (mit einem Epilog 1965) steht der 53-jährige Troy Maxson, ein im Hill District von Philadelphia lebender Müllarbeiter. Ein Schwarzer, wie man damals Afroamerikaner nannte, der nicht lesen kann, keinen Führerschein hat und trotzdem darüber räsoniert, dass kein Schwarzer den Müllwagen fahren darf.
Der Spielfilm „Fences“ basiert auf dem gleichnamigen Theaterstück, das 1985 seine Premiere am Yale Repertory Theatere in New Haven, Connecticut, hatte, 1987 erstmals am Broadway aufgeführt wurde und einen Pulitzer Preis, einen Tony Award und den New York Drama Critics‘ Award erhielt. 2010 traten Denzel Washington und Viola Davis, die auch die Hauptrollen in der Verfilmung spielen, in einer Neuinszenierung des Stückes am Broadway auf. Davis und Washington wurden als beste Darsteller mit Tonys ausgezeichnet. Die Inszenierung gewann weitere Tonys.
Jetzt verfilmte Denzel Washington Wilsons Stück, das seine Herkunft als Theaterstück nie verleugnen kann und auch überhaupt nicht will. Die Beschränkung auf wenige Handlungsorte und die Dialoge sind reinstes Theater. In der Bühnenfassung spielt das gesamte Stück im Hinterhof. Im Film gibt es mehrere Szenen im Haus von Maxson und, für die Fliegenbeinzähler, an wenigen anderen Orten, die aber nichts daran ändern, dass „Fences“ eindeutig ein Theaterstück ist.
Die Dialoge sind auch reine Theaterdialoge, in denen die Menschen sich Dinge erklären, die sie entweder wissen oder sich niemals gegenseitig sagen würden. Sie haben auch eine Tendenz zum Monologisieren. Wobei man Wilsons Monologen und Dialogen gerne zuhört.
„Fences“ ist vor allem die Charakterstudie eines enttäuschten Mannes, der frustriert, verärgert, bestimmend, herrisch, aber auch liebevoll ist. Sonst hätte seine Frau Rose (Viola Davis, die bereits einen Golden Globe für diese Rolle erhielt und für einen Oscar nominiert ist) ihn schon lange verlassen. Sie bleibt auch bei ihm, nachdem er von einer anderen Frau ein Kind erwartet.
Als junger Mann hatte Maxson von einer Baseball-Karriere geträumt. Aber in der Zeit vor Jackie Robinson war Schwarzen der Aufstieg in die Major League und damit zur großen Karriere verwehrt. Jetzt träumt sein zweiter Sohn Cory (Jovan Adepo) von einer Karriere als Sportler. Maxson will ihm die Flausen austreiben, während er einen Zaun um sein Haus errichten will.
Für den hundertvierzigminütigen Film, der keine Minute zu lang ist, verließ Denzel Washington sich auf die ihm von seinen zahlreichen Auftritten mit Viola Davis vertraute 2010er Broadway-Inszenierung.
Das Stück inszenierte er als reinstes Schauspielerkino, das sich auf den Text und die Schauspieler verlässt und, was vielleicht auch an der Handlungszeit liegt, „Fences“ eine ordentliche Portion Fünfziger-Jahre-Patina verleiht. Das ändert nichts daran, dass die Themen und Fragen des Stückes noch heute aktuell sind.
In den vergangenen Wochen erhielt Washingtons Film viel verdientes Kritikerlob, zahlreiche Nominierungen und Preise. Wichtig sind, neben den schon erwähnten Oscar-Nominierungen für das Drehbuch und Viola Davis als beste Nebendarstellerin, ist Denzel Washington als bester Schauspieler und der Film als bester Film nominiert. Gegen „La La Land“ stehen hier allerdings die Chancen schlecht.
Fences (Fences, USA 2016)
Regie: Denzel Washington
Drehbuch: August Wilson, Tony Kushner (ungenannt) (basierend auf August Wilsons Theaterstück „Fences“)
mit Denzel Washington, Viola Davis, Jovan Adepo, Stephen McKinley Henderson, Russell Hornsby, Mykelti Williamson, Saniyya Sidney