Neu im Kino/Filmkritik: „28 Years later“ und der Rage-Virus tobt immer noch durch England

Juni 19, 2025

Wie geht die Geschichte mit dem Rage-Virus weiter? Nach seinem Ausbruch aus einem Labor infizierte er rasend schnell die in Großbritannien lebenden Menschen, die Sekunden später in blinder Raserei andere Menschen töteten. Genaugenommen waren sie keine ‚rennenden Zombies‘, aber letztendlich wurden sie 2002 vom Kinopublikum so wahrgenommen. Es wurde tiefgründig darüber diskutiert, ob Zombies immer langsam auf ihre Opfer zuschlurfen müssen oder sie auch rennen können. Und was bedrohlicher ist.

Der von Danny Boyle nach einem Drehbuch von Alex Garland rüde inszenierte Horrorfilm „28 Days later“ trug, neben der von Robert Kirkman und Tony Moore erfundenen Comicserie „The Walking Dead“ (die später zu einer langlebigen TV-Serie mit mehreren Ablegern wurde), zu einer Wiederbelegung des Zombies in der populären Kultur bei. 2007 folgte mit „28 Weeks later“ eine von Juan Carlos Fresnadillo nach einem Drehbuch von ihm, Rowan Joffé, Enrique López Lavigne und Jesús Olmo inszenierte eigenständige Fortsetzung.

Seitdem gab es immer wieder Gespräche über eine mögliche Fortsetzung.

Die gibt es jetzt. Danny Boyle und Alex Garland sind wieder dabei. Nach zwei Einzelfilmen ist ihr Film als Beginn einer Trilogie angekündigt, über deren Inhalt wenig bekannt, aber einiges erahnbar ist. Den Auftakt macht jetzt „28 Years later“.

Wie der Titel schon verrät, spielt der Film 28 Jahre nach dem Ausbruch des Rage-Virus. Großbritannien steht immer noch unter Quarantäne. Im Nordosten von England haben sich einige Menschen auf die Insel Holy Island zurückgezogen. Bei Ebbe können sie zum Festland gehen. Bei Flut treibt die Strömung etwaige Schwimmer in die Nordsee in den Tod. Auf Holy island leben die Menschen wie im 19. Jahrhundert. Eines Tages nimmt Jamie (Aaron Taylor-Johnson) seinen zwölfjährigen Sohn Spike (Alfie Williams) mit auf das Festland. Dort soll er als Initiationsritus einen Infizierten töten. Zurück lassen sie Spikes kranke, zunehmend wahnsinnig werdende Mutter Isla (Jodie Comer).

28 Years later“ ist halb gelungen. Die Schauspieler überzeugen. Die hochenergetische, atemlos-ruppige Inszenierung zwischen wunderschönen Landschaftsaufnahmen, den kontrastreich-ruckelig inszenierten Actionszenen und eingestreuten, oft im ersten Moment nicht zuordenbaren Bildern aus verschiedenen Quellen erinnert an „28 Days later“ und zieht einen in das Filmgeschehen. Die Geschichte ist schwarzhumorig mit popkulturellen Referenzen. Das Leben in der Gemeinschaft und die Welt, in der sie leben, wird in wenigen Szenen etabliert.

Das funktioniert alles, aber es funktioniert besser als Auftakt einer Miniserie als als eigenständiger Spielfilm. Spike ist, so lassen die wenigen vorhandenen Informationen über die geplante Trilogie vermuten, der Protagonist der Trilogie. In der Fortsetzung „28 Years later: The Bone Temple“ ist er wieder dabei. Einige Schauspieler aus dem aktuellen Film und Cillian Murphy, der Protagonist des ersten Films, sind ebenfalls dabei. Nia DaCostas sich in der Postproduktion befindender Film soll im Januar 2026 in den Kinos anlaufen. Boyle soll dann den Abschluss der Trilogie inszenieren. Wann die Dreharbeiten für diesen Film starten, ist unklar. Alex Garland ist der alleinige Autor der Trilogie, die wirklich interessant werden könnte.

Als Serienauftakt besteht der knapp zweistündige Horrorfilm „28 Years later“ aus zwei Episoden. In der ersten Episode soll Spike einen Initiationsritus überstehen. In der zweiten Episode kehrt er mit seiner kranken Mutter auf das Festland zurück. Bei dem Ausflug mit seinem Vater hat er in der Nacht ein Feuer gesehen, das, wie er später erfährt, von Dr. Ian Kelson (Ralph Fiennes), angezündet wurde. Anscheinend wurde Kelson wahnsinnig und baut jetzt Erinnerungsstätten, die aus Totenköpfen errichtet sind. Aber er ist ein ausgebildeter Mediziner und vielleicht kann er, so hofft Spike, seiner Mutter helfen.

Neben diesen beiden Episodengeschichten malen Garland und Boyle die von ihnen geschaffene Dystopie mit weiteren Zombietypen, wie die auf dem Boden herumkriechenden Slow-Lows und die besonders widerstandsfähigen, intelligenten und andere Zombies anführenden Alphas aus. Spike begegnet auch einem jungen Soldaten, der mit seinen Kameraden eine jedenfalls in diesem Film unklar bleibende, für sie tödlich verlaufende Mission ausführen musste.

Es passiert viel in den knapp zwei Stunden, aber trotzdem bleibt Zeit, über den Sinn und Zweck einiger Szenen für die Filmgeschichte, einige Logiklöcher und erzählerische Schlampereien nachzudenken. So sammeln Spike und die anderen Inselbewohner nie ihre handgefertigten Pfeile, mit denen sie die Infizierten töten, ein. Jeder Treffer mit einem Pfeil in den Brustbereich oder Kopf tötet den Infizierten sofort. Die Helden haben sowieso, wie in einem Western, immer genug Pfeile, um die Angreifer abzuwehren. Und sie laufen schneller als die atemberaubend schnell rennenden Zombies. Das Auftauchen des Militärs in einer großen Actionszene wird nie erklärt und könnte umstandlos gestrichen werden. Spike hätte den NATO-Soldaten Erik auch ohne diese Actionszene als einen orientierungslos durch das Land streifenden Mann kennen lernen können. Es wird nicht erklärt, warum 28 Jahre nach dem Ausbruch des Virus immer noch Menschen und Zombies in England leben. Eigentlich müssten sie alle schon lange tot sein. In der offiziellen Synopse wird gesagt, dass die auf dem Festland lebenden Infizierten und Überlebenden mutiert seien und es Geheimnisse, Wunder und Schrecken gebe. Im Film sehen wir davon außer einem Alpha und einem Doktor nicht viel. Da sollte es im nächsten Film mehr Auftritte von mutierten Zombies und Menschen und mehr Informationen über ihr Zusammenleben im ‚dunklen Inneren des Festlandes‘ (so die Synopse) geben.

Bis dahin ist „28 Years later“ der vielversprechende Auftakt einer Trilogie.

28 Years later (28 Years later, Großbritannien/USA 2025)

Regie: Danny Boyle

Drehbuch: Alex Garland

mit Jodie Comer, Aaron Taylor-Johnson, Alfie Williams, Ralph Fiennes, Jack O’Connell, Edvin Ryding

Länge: 116 Minuten

FSK: ab 18 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Moviepilot über „28 Years later“

Metacritic über „28 Years later“

Rotten Tomatoes über „28 Years later“

Wikipedia über „28 Years later“ (deutsch englisch)

Meine Besprechung von Danny Boyles „Trance – Gefährliche Erinnerung“ (Trance, GB 2013)

Meine Besprechung von Danny Boyles „Steve Jobs“ (Steve Jobs, USA 2015)

Meine Besprechung von Danny Boyles „T2 Trainspotting“ (T2 Trainspotting, Großbritannien 2017)

Meine Besprechung von Alex Garlands „Ex Machina“ (Ex Machina, USA/Großbritannien 2014)

Meine Besprechung von Alex Garlands Jeff-VanderMeer-Verfilmung „Auslöschung“ (Annihilation, USA 2018)

Meine Besprechung von Alex Garlands „Men – Was dich sucht, wird dich finden“ (Men, Großbritannien 2022)

Meine Besprechung von Alex Garlands „Civil War“ (Civil War, USA 2024)

Meine Besprechung von Alex Garland/Ray Mendozas „Warfare“ (Warfare, USA/Großbritannien 2025)


Neu im Kino/Filmkritik: „Blood & Sinners“ – Schwarzes Leben und Sterben in Mississippi 1932

April 17, 2025

Uh, das wird jetzt etwas schwierig. Plakat, Trailer und Synopse verraten wenig, die Gerüchteküche schon mehr und ich frage mich, was ich verraten möchte. Denn ein großer Teil des Vergnügens ist dieses Nichtwissen. Die einfachste Möglichkeit mit dem Problem umzugehen, ist eine geteilte Kritik: vor dem Trailer im Text allgemein über den Film, nach dem Trailer mit Spoilern.

Also: „Blood & Sinners“ ist der neue Film von Ryan Coogler. Wie bei seinen vorherigen Filmen „Nächster Halt: Fruitvale Station“, „Creed“ und den beiden „Black Panther“-Filmen spielt Michael B. Jordan. Wieder die Hauptrolle. Er spielt überzeugend und ohne es jemals wie einen Gimmick wirken zu lassen (wie Robert De Niro in „The Alto Knights“) in einer Doppelrolle die Zwillinge Smoke und Stack. Die vergangenen sieben Jahre lebten sie in Chicago. Was sie genau taten, bleibt wie bei dem Großen Gatsby, unklar. Jetzt, 1932, kehren sie in in ihre alte Heimat Clarksdale, Mississippi, zurück. Es ist eine dieser Gegenden, in der Bluesmusiker an einsam gelegenen Kreuzungen den Teufel treffen und mit ihm Geschäfte machen. Die Zwillinge wollen einen Juke Joint eröffnen. Die Eröffnungsnacht soll eine Nacht werden, die sie und die hoffentlich zahlreich erscheinenden Gäste nicht vergessen. Wenige Stunden später ist die Hütte voll und sie kämpfen um ihr Leben.

Blood & Sinners“ badet im Blues, vor allem dem damals dort gespielten Country Blues, und der afromarikanischen Kultur. Coogler schöpft aus dem Vollen und legt dann, wie ein guter Prediger, noch eine Schippe drauf.

Die Story selbst, – nun, sie hat wenige Wendungen und Überraschungen, aber sie malt jedes Detail detailfreudig aus.

Das Ergebnis ist unbedingt sehenswert. „Blood & Sinners“ ist in jedem Fall einer von Ryan Cooglers besten, möglicherweise sogar sein bester Film. Es ist ein Film mit einer klaren künstlerischen Handschrift und einer Vision, die kompromisslos durchgezogen wurde.

Außerdem sollte man, wie bei einem Marvel-Film, unbedingt sitzen bleiben bis das Saallicht angeht und der Film wirklich vorbei ist. Im Gegensatz zu den zunehmend beliebig und vollkommen uninteressant werdenden Mid- und Post-Credit-Szenen der Superheldenfilme ist hier jede Szene wichtig.

So, und jetzt kommen wir zu dem Teil meiner Kritik, in dem es Spoiler gibt.

Coogler erzählt nach seinem Drehbuch eine Südstaatenhorrorgeschichte.

In der ersten Filmminute stolpert ‚Preacher Boy‘ Sammie, krampfhaft den Hals einer zerstörten Gitarre festhaltend, in den Gottesdienst einer dieser kleinen ländlichen Kirchen. Sein Vater, der Prediger, fordert ihn zum Beten auf. Preacher Boy hat Flashbacks. In diesen Flashbacks deutet Coogler schlimme, in dem Moment nicht identifizierbare Ereignisse an. Dann springt die Filmgeschichte einen Tag zurück. Die aus Chicago kommenden Zwillinge Smoke und Stack kaufen von einem Weißen eine geräumige Scheune, die sie innerhalb weniger Stunden zu einem Lokal herrichten wollen. Den Schnaps haben sie schon. Die anderen Dinge, wie Musiker, Bedienungen, Türsteher und Schilder, besorgen sie innerhalb weniger Stunden. Coogler zeigt dies ausführlich. Es sind Minuten, in denen wir die Figuren kennen lernen und erfahren, wie das Leben im ländlichen Mississippi funktioniert.

Auch die anschließende Eröffnungsnacht in dem Juke Joint der Zwillinge zeigt Coogler ausführlich. Anfangs ist es eine normale Feier mit Alkohol, Blues, Sex, schwitzenden Körpern und überbordenden Emotionen. Personal und Gäste sind Schwarze und einige wenige Asiaten. Die Trennung der Rassen bestimmte damals in den Südstaaten das Leben noch mehr als heute.

Als ziemlich spät in der Filmgeschichte eine Gruppe Weißer anklopft und gerne in das Lokal hineingebeten würde, ist Ärger vorprogrammiert. In dem Moment wissen wir schon aufgrund einer vorherigen Szene, dass diese Weißen Vampire sind. Weiße Vampire, die Folk Music, also Weiße Musik, spielen, und die die Schwarzen aussaugen wollen. Das ist ein ebenso einfaches wie aussagekräftiges Bild für die Situation in den USA.

Sicher, später verwischt Coogler etwas die Grenzen. Dann wird der Juke Joint auch von zu Vampiren gewordenen Schwarzen angegriffen. Und die in der Hütte eingeschlossenen wehren sich mit brachialer Gewalt. Blut spritzt. Gedärme liegen auf dem Boden neben zerfetzten Leichen. Da werden Erinnerungen an „John Carpenters Vampire“ wach. Wobei hier die Vampire und andere Bösewichter in der Black-Power-Variante (bevor es Black Power gab) bekämpft werden.

Blood & Sinners“ ist, mit etwas Quentin Tarantino, ein überaus gelungener Beitrag zur afroamerikanischen Mythenbildung.

Schade ist, dass die Mitglieder des Mississippi-Choctaw-Indianerstammes nur einen, rein expositorischen Auftritt haben. Von ihnen hätte ich gerne mehr gesehen. Vielleicht in einem zweiten Film.

P. S.: Wer nach „Blood & Sinners“ die früheren Werke von Ryan Coogler sehen möchte, kann dies während der Ostertage tun:

Pro7 zeigt am Samstag, den 19. April, um 20.15 Uhr „Black Panther“; Wiederholung am Montag, den 21. April, um 9.10 Uhr.

Sat 1 zeigt am Montag, den 21. April, um 00.40 Uhr (Taggenau!) „Creed – Rocky’s Legacy“; Wiederholung am Dienstag, den 22. April, um 03.20 Uhr (Taggenau!)

Pro7 zeigt am Montag, den 21. April, um 20.15 Uhr, als TV-Premiere, „Black Panther: Wakanda forever“; Wiederholung am Freitag, den 25. April, um 22.25 Uhr.

Blood & Sinners (Sinners, USA 2025)

Regie: Ryan Coogler

Drehbuch: Ryan Coogler

mit Michael B. Jordan, Hailee Steinfeld, Miles Caton, Jack O’Connell, Wunmi Mosaku, Jayme Lawson, Omar Miller, Li Jun Li, Delroy Lindo, Buddy Guy (erst im Abspann – und das ist ein Grund, sich den Abspann anzusehen)

Länge: 138 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „Blood & Sinners“

Metacritic über „Blood & Sinners“

Rotten Tomatoes über „Blood & Sinners“

Wikipedia über „Blood & Sinners“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Ryan Cooglers „Creed“ (Creed, USA 2015)

Meine Besprechung von Ryan Cooglers „Black Panther“ (Black Panther, USA 2018)

Meine Besprechung von Ryan Cooglers „Black Panther: Wakanda forever“ (Black Panther: Wakanda forever, USA 2022)


Neu im Kino/Filmkritik: Das Amy-Winehouse-Biopic „Back to Black“

April 11, 2024

Ihre erste CD „Frank“ veröffentlicht die am 14. September 1983 London geborene Amy Winehouse 2003. Der große weltweite Erfolg kommt 2006 mit ihrer zweiten und letzten CD „Back to Black“. 2008 erhält die Retrosoul-Sängerin bei den Grammy Awards rekordverdächtige fünf Preise. 2007 heiratet sie Blake Fielder-Civil. 2009 erfolgt die Scheidung. Er macht sie drogenabhängig. Die Beziehung ist von Gewalt und Drogen und öffentlicher Aufmerksamkeit geprägt. Winehouse ist, mit ihrem unberechenbarem Verhalten, ihrer Drogensucht und psychischer Probleme, ein wandelndes Katastrophengebiet. Die Boulevardpresse belagert sie. Am 23. Juli 2011 stirbt sie an einer Alkoholvergiftung. Amy Winehouse wurde 27 Jahre alt.

Ihr kurzes Leben bietet, abseits der ausgetretenen Biopic-Pfade, in denen einfach ihre Lebensstationen und Skandale chronologisch abgehandelt werden, viele Anknüpfungspunkte für einen aufregenden Film.

Back to Black“ ist es nicht. Es ist bestenfalls eine mit Amy-Winehouse-Songs garnierte Liebesgeschichte unter Drogenabhängigen. Die biographischen Stationen aus Amy Winehouses Leben werden so kryptisch, elliptisch und bezuglos abgehandelt, dass man danach den Wikipedia-Artikel liest, um zu erfahren, was man gerade gesehen hat. Da springt der Film von Konzerten in Bars vor kleinem Publikum zu Arena-Konzerten. Da beschließt Amy Winehouse in der einen Minute, sich in eine Drogentherapie zu begeben. Es folgen ein Bild eines ländlich gelegenen Nobelsanatoriums und schon ist die Therapie beendet. Währenddessen wird ausführlich und in langen Szenen die erste Begegnung von Winehouse und Blake Fielder-Civil, deren Ausprobieren verschiedenster Drogen und ihre vor allem für sie sehr ungute Beziehung zelebriert. Dazwischen tritt der immer zuverlässige Eddie Marsan als ihr Vater Mitch Winehouse auf. Er versucht ihr selbstlos und uneigennützig zu helfen.

Drehbuchautor Matt Greenhalgh („Control“ [über „Joy Division“-Frontman Ian Curtis], „Nowhere Boy“ [über den jungen John Lennon]) und Regisseurin Sam Taylor-Johnson („Nowhere Boy“, Razzie-Liebling „Fifty Shades of Grey“) erzählen Amy Winehouses Lebensgeschichte oberflächlich und alle möglichen Tiefen und interessanten Aspekte vermeidend. Das Ergebnis ist eine Junkie-Liebesgeschichte, in der wir wenig über Amy Winehouse erfahren und das wie die harmlose Spielfilmversion von Asif Kapadias mit dem Dokumentarfilm-Oscar ausgezeichnetem Porträt „Amy“ (GB 2015) wirkt. Sein Film ist zwar auch nur gefälliges, auf Analysen und historische Einordnungen verzichtendes Doku-Handwerk für den Amy-Winehouse-Fan, aber immerhin wird die problematische Beziehung zu ihrem Vater Mitch Winehouse und zu Blake Fielder-Civil tiefgehender thematisiert und es gibt eine Idee, warum Amy Winehouse so jung starb. Insofern ist Kapadias Dokumentarfilm der bessere Einstieg in ihr Leben.

Back to Black“ ist dagegen nur ein Biopic für den Amy-Winehouse-Fan, der sich freut, ihre Songs im Kino zu hören.

Vor wenigen Wochen lief Reinaldo Marcus Greens „Bob Marley: One Love“ (Bob Marley: One Love, USA 2024) an. Er konzentriert sich in seinem ebenfalls eher misslungenem Biopic (das immerhin die Musik von Bob Marley hat) auf einen kurzen Ausschnitt aus dem Leben des 1981 verstorbenen Reggae-Musiker. Im direkten Vergleich ist Greens Musiker-Biopic das bessere Musiker-Biopic. Er hat immerhin eine Idee davon, was er erzählen möchte.

Back to Black (Back to Black, Großbritannien 2024)

Regie: Sam Taylor-Johnson

Drehbuch: Matt Greenhalgh

Filmmusik: Nick Cave, Warren Ellis

mit Marisa Abela, Jack O’Connell, Eddie Marsan, Lesley Manville, Juliet Cowan, Sam Buchanan

Länge: 123 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Moviepilot über „Back to Black“

Metacritic über „Back to Black“

Rotten Tomatoes über „Back to Black“

Wikipedia über „Back to Black“ (deutsch, englisch) und Amy Winehouse (deutsch, englisch)

AllMusik über Amy Winehouse

Meine Besprechung von Asif Kapadias „Amy“ (Amy, Großbritannien 2015)


TV-Tipp für den 7. November: Jean Seberg – Against all Enemies

November 6, 2023

Servus TV, 20.15

Jean Seberg – Against all Enemies (Seberg, USA 2019)

Regie: Benedict Andrews

Drehbuch: Joe Shrapnel, Anna Waterhouse

1968 trifft die Schauspielerin Jean Seberg („Außer Atem“) den Black-Panther-Aktivisten Hakim Jamal. Sie verlieben sich. Sie werden vom FBI beobachtet, das eine Rufmordkampagne gegen sie startet.

Biopic mit einer gewohnt überzeugenden Kristen Stewart in der Hauptrolle, das ziemlich schnell zu einem mutlosen Film über die Gewissenskonflikte eines fiktiven FBI-Agenten wird. Da wäre mehr möglich gewesen.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Kristen Stewart, Jack O’Connell, Margaret Qualley, Zazie Beetz, Yvan Attal, Stephen Root, Colm Meaney, Anthony Mackie, Vince Vaughn

Wiederholung: Mittwoch, 8. November, 00.45 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Moviepilot über „Jean Seberg – Against all Enemies“

Metacritic über „Jean Seberg – Against all Enemies“

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Wikipedia über „Jean Seberg – Against all Enemies“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Benedict Andrews‘ „Jean Seberg – Against all Enemies“ (Seberg, USA 2019)


TV-Tipp für den 25. September: Jean Seberg – Against all Enemies

September 24, 2022

Servus TV, 20.15

Jean Seberg – Against all Enemies (Seberg, USA 2019)

Regie: Benedict Andrews

Drehbuch: Joe Shrapnel, Anna Waterhouse

1968 trifft die Schauspielerin Jean Seberg („Außer Atem“) den Black-Panther-Aktivisten Hakim Jamal. Sie verlieben sich. Sie werden vom FBI beobachtet, das eine Rufmordkampagne gegen sie startet.

TV-Premiere. Biopic mit einer gewohnt überzeugenden Kristen Stewart in der Hauptrolle, das ziemlich schnell zu einem mutlosen Film über die Gewissenskonflikte eines fiktiven FBI-Agenten wird. Da wäre mehr möglich gewesen.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Kristen Stewart, Jack O’Connell, Margaret Qualley, Zazie Beetz, Yvan Attal, Stephen Root, Colm Meaney, Anthony Mackie, Vince Vaughn

Wiederholung: Montag, 26. September, 00.55 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

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Meine Besprechung von Benedict Andrews‘ „Jean Seberg – Against all Enemies“ (Seberg, USA 2019)


TV-Tipp für den 16. Juni: Money Monster

Juni 15, 2022

Super RTL, 20.15

Money Monster (Money Monster, USA 2016)

Regie: Jodie Foster

Drehbuch: Jamie Linden, Alan DiFiore, Jim Kouf (nach einer Geschichte von Alan DiFiore und Jim Kouf)

Kyle Budwell will wissen, warum der ihm von Lee Gates im TV als todsicher versprochenen Aktie ein desaströser Flop sind. In Gates‘ Live-TV-Sendung nimmt der einfache Arbeiter den aalglatten Moderator als Geisel. Kyle will Antworten und sein mühsam zusammengespartes Geld zurück.

Spannender, viel zu unbekannter, schwarzhumoriger Echtzeit-Thriller, der einige wichtige Fragen anspricht und auch zum Nachdenken anregen kann.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit George Clooney, Julia Roberts, Jack O’Connell, Dominic West, Caitriona Balfe, Giancarlo Esposito, Christopher Denham, Lenny Venito, Chris Bauer, Dennis Boutsikaris, Emily Meade, Condola Rashad

Hinweise

Moviepilot über „Money Monster“

Metacritic über „Money Monster“

Rotten Tomatoes über „Money Monster“

Wikipedia über „Money Monster“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Jodie Fosters „Money Monster“ (Money Monster, USA 2016)


Neu im Kino/Filmkritik: „Jean Seberg – Against all Enemies“ ins Kino

September 16, 2020

Monate später als geplant richtet Kristen Stewart ihren Zeige- und Mittelfinger im Kino auf das Publikum. Sie spielt in „Jean Seberg – Against all Enemies“ die titelgebende Jean Seberg.

Cineasten kennen Seberg vor allem aus der Rolle, die sie 1960 zum Star machte. In „Außer Atem“ spielt sie die in Paris lebende, Zeitungen verkaufende Studentin Patricia, die sich in den Kleinkriminellen Michel Poiccard verliebt. Der hat während einer Verkehrskontrolle einen Polizisten erschossen und ist jetzt auf der Flucht. Der stilistisch einflussreiche Krimi markiert auch den Beginn der Karrieren ihres Filmpartners Jean-Paul Belmondo und des Regisseurs Jean-Luc Godard. Außerdem ist „Außer Atem“ einer der essenziellen Nouvelle-Vague-Filme, ein Kultfilm und ein Klassiker. Danach war Seberg, die Frau mit der damals vollkommen unweiblichen Kurzhaarfrisur, ein Star. In den nächsten Jahren spielte sie in einigen prestigeträchtigen und auch Big-Budget-Produktionen mit. Aber letztendlich und rückblickend gelang es ihr nicht, an den Erfolg von „Außer Atem“ anzuknüpfen.

Benedict Andrews‘ Biopic „Jean Seberg – Against all Enemies“ beginnt im Mai 1968 in Paris. Die in Frankreich lebende Seberg ist seit 1962 mit dem Schriftsteller Romain Gary verheiratet, gemeinsam haben sie einen Sohn und jetzt möchte sie wieder als Schauspielerin arbeiten.

Auf dem Flug in die USA lernt sie Hakim Jamal kennen. Die blonde Hollywood-Schauspielerin ist von dem afroamerikanischen Polit-Aktivisten, der sich wie ein Popstar durch das Flugzeug bewegt, fasziniert. Sie will ihn näher kennen lernen. In den USA organisiert sie Spendenpartys. Außerdem beginnt sie mit dem ebenfalls verheirateten Aktivisten eine Affäre – und wird dabei vom FBI auf Schritt und Tritt beobachtet.

Die Beobachtung ist Teil der hochgradig illegalen Operation COINTELPRO, in der das FBI Schmutz gegen vermeintliche Staatsfeinde, wie die Black-Panther-Sympathisantin Seberg, sammelt.

Jean Seberg – Against all Enemies“ hat also alles, was ein Film braucht: eine in mehrfacher Hinsicht skandalträchtige wahre Geschichte, Stars (Kristen Stewart als Jean Seberg, Anthony Mackie als Hakim Jamal, Yvan Attal als Romain Gary, Zazie Beetz als Jamals Frau, Jack O’Connell und Vince Vaughn als FBI-Agenten) , Glamour, 60er-Jahre-Zeitkolorit, Revolution und Pop.

Und dann scheitert das Biopic an seiner eigenen Mutlosigkeit. Die ersten an Jean-Luc Godard erinnernden Minuten, zeigen, was für ein Film hätte entstehen können. Ein Pop-Pamphlet, das an den Stil der sechziger Jahre anknüpft, zugleich spielerisch und strukturiert ist, auf mehreren Ebenen herausfordert und zum Nachdenken anregt.

Diese Experimentierfreude erschöpft sich schon nach wenigen Minuten. Danach folgt Benedict Andrews („Una und Ray“) brav den Konventionen. Er verfolgt Seberg, wenn sie sich mit Jamal trifft und für die Black-Power-Bewegung engagiert. Gleichzeitig erzählt er von einem jungen, stockbürgerlichen, verheirateten Vater und FBI-Agenten, der Seberg beobachtet und abhört. Während seiner Arbeit beginnt dieser Ermittler, eine erfundene Figur, seine Meinung über die ‚Terroristin‘ Seberg zu ändern.

Am Ende kriegen wir statt experimentierfreudigem Godard und politaktivistischem Popkino biederes Besinnungskino über einen FBI-Agenten mit Gewissensbissen.

Das sieht mit Nostalgie-Bonus hübsch aus und Kristen Stewart überzeugt als durch die Überwachung und die Schmutzkampagne des FBI zunehmend psychisch lädierte Jean Seberg. Insgesamt ist der Film aber zu mutlos um nachhaltig zu beeindrucken.

Jean Seberg – Against all Enemies (Seberg, USA 2019)

Regie: Benedict Andrews

Drehbuch: Joe Shrapnel, Anna Waterhouse

mit Kristen Stewart, Jack O’Connell, Margaret Qualley, Zazie Beetz, Yvan Attal, Stephen Root, Colm Meaney, Anthony Mackie, Vince Vaughn

Länge: 103 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

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Rotten Tomatoes über „Jean Seberg – Against all Enemies“

Wikipedia über „Jean Seberg – Against all Enemies“ (deutsch, englisch)


TV-Tipp für den 8. September: ’71 – Hinter feindlichen Linien

September 7, 2019

3sat, 00.35

71 – Hinter feindlichen Linien (’71, Großbritannien 2014)

Regie: Yann Demange

Drehbuch: Gregory Burke

Der junge englische Soldat Gary Hook muss 1971 noch nicht einmal sein Land verlassen, um mitten in einem Krieg zu landen. Damals herrschte in Nordirland Bürgerkrieg. Bei einem Routineeinsatz in Belfast wird Gary von seiner Einheit getrennt und er muss sich, zwischen allen Fronten, in einer Nacht zu seiner Einheit durchschlagen. Dabei weiß er nicht, wem er vertrauen kann.

Ein hochspannender, wortkarger Thriller, der bei der Berlinale gut ankam und dann doch nur eine DVD-Veröffentlichung erlebte.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Jack O’Connell, Paul Anderson, Richard Dormer, Sean Harris, Barr Keoghan, Martin McCann, Charlie Murphy, Sam Reid, Killian Scott, David Wilmot

Hinweise
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Moviepilot über „’71“
Metacritic über „’71“
Rotten Tomatoes über „’71“
Wikipedia über „’71“ (deutsch, englisch)
Berlinale über „’71

Meine Besprechung von Yann Demanges „’71 – Hinter feindlichen Linien“ (’71, Großbritannien 2014)


Neu im Kino/Buch- und Filmkritik: „Tulpenfieber“, eine außereheliche Affären, ein uneheliches Kind und viel Liebe

August 27, 2017

 

Heute ist es, außer man hat sich mal mit Volkswirtschaft und Spekulationsblasen beschäftigt, unvorstellbar, dass Tulpenzwiebeln ein begehrtes Gut, ein Spekulationsobjekt mit unglaublichen Gewinnaussichten sind. Aber in den Niederlande kam es zwischen 1634 und 1637 zu einer Tulpenmanie, die noch heute in ökonomischen Lehrbüchern besprochen wird. Die Preise stiegen in kurzer Zeit ins Unermessliche. Auch weil schon damals an der Börse alles das gemacht wurde, was vor zehn Jahren zur Banken- und Finanzkrise führte.

Insofern ist „Tulpenfieber“, das während der Tulpenmanie in Amsterdam spielt, auch ein Lehrstück über das Funktionieren von Börsen und Spekulation. Im Film mehr als in Deborah Moggachs Roman.

Im Zentrum der von ihr erfundenen Geschichte steht die Mittzwanzigerin Sophia (Alicia Vikander). Sie ist mit dem deutlich älteren Gewürzhändler Cornelis Sandvoort (Christoph Waltz) verheiratet. Als er von ihnen ein Porträt malen lässt, verliebt sie sich in den Maler Jan van Loos (Dane DeHaan).

Im Haushalt der Sandvoorts ist auch das Dienstmädchen Maria (Holliday Grainger). Sie ist in den Fischhändler Willem (Jack O’Connell) verliebt. Als er glaubt, dass Maria ihn betrügt, begibt er sich auf große Seefahrt. Im Film wird er schanghait, im Buch ist es sein eigener Entschluss. Für die Handlung ist das Detail unerheblich. Tom Stoppard und Deborah Moggach veränderten in ihrem Drehbuch noch einige weitere Details. Wichtig ist vor allem, die Hinzuerfindung einer Äbtissin (Judi Dench), die Sophia erzog und die in ihrem Klostergarten Tulpenzwiebeln züchtet. Und Dr. Sorgh (Tom Hollander) hat im Film als Doktor eine größere Präsenz als im Film. Er hilft bei der Geburt und bei der Durchführung des verwegenen Plans von Sophia, Maria und Jan. Denn Maria will sich von Cornelis trennen, aber er würde niemals einer Scheidung zustimmen und er will unbedingt ein Kind haben. Und Maria will kein uneheliches Kind von dem Mann haben, der spurlos verschwunden ist.

Aber das sind kleinere Änderungen, die die Hauptgeschichte kaum beeinflussen. Wichtiger ist, obwohl Buch und Film zwischen verschiedenen Handlungssträngen und Erzählperspektiven wechseln, der Wechsel der Ich-Erzählerin. Im Roman ist es Sophia, die ja auch die Hauptperson der Geschichte ist. Im Film ist es die Dienstmagd Maria, die eine unglückliche Position zwischen direkt Beteiligte und unbeteiligte Beobachterin hat. Dadurch vergrößert sich die Distanz zwischen dem Geschehen auf der Leinwand und der emotionalen Involvierung des Zuschauers. Immer dann, wenn man ungehemmt mit Sophia mitfühlen möchte, unterbricht die Erzählerin den Handlungsfluss, die vieles nicht weiß, was wir als Zuschauer sehen. Gleichzeitig sinkt die Sympathie gegenüber Sophia. Sie ist zwar mit einem alten Mann verheiratet (laut Roman ist er 61 Jahre alt) und es war keine Liebesheirat; wobei die Idee einer Liebesheirat erst in der Romantik populär wurde. Aber Cornelis ist kein schlechter Mensch. Der Witwer ist vielleicht etwas unbeholfen und eitel, aber er hat seine erste Frau und seine beiden Kinder verloren. Von Maria will er nur einen Erben haben. Dafür erfüllt er ihr jeden Wunsch und ein Leben im Wohlstand. Denn Maria wuchs mittellos in einem Kloster auf. Diesen Menschen betrügt Maria dann und sie will ihm noch mehr Leid zufügen. Sie ist damit der Bösewicht des Films. Allerdings wird das im Film nicht thematisiert. Stattdessen sollen wir für sie Sympathie empfinden, weil sie verliebt ist und Liebe alles rechtfertigt. Das ist, wie in dem Science-Fiction-Film „Passengers“, eine problematische Ausgangslage, die im Film nie thematisiert wird.

Dazu kommt, dass Justin Chadwick („Mandela: Der lange Weg zur Freiheit“) nie die richtige Balance zwischen Liebes-, Krimi- und Finanzdrama findet und damit die Möglichkeiten verschenkt, die die Geschichte hätte. Aber diese Unentschlossenheit ist schon im Drehbuch angelegt, das sich nicht zwischen Liebes- und Finanzdrama entscheiden will und eine problematische Haltung zur Protagonistin Sophia hat.

Fans von historischen Liebesschmonzetten werden dagegen gut bedient. Die Schauspieler sind gut. Die Kulisse gefällt (auch wenn nur in Großbritannien gedreht wurde). Danny Elfman schrieb die Musik. Sie müssen nur akzeptieren, dass die Geschichte nicht das typische Schmonzettenende hat.

Tulpenfieber (Tulip Fever, USA/Großbritannien 2017)

Regie: Justin Chadwick

Drehbuch: Tom Stoppard, Deborah Moggach

LV: Deborah Moggach: Tulip Fever, 1999 (Tulpenfieber)

mit Alicia Vikander, Christoph Waltz, Judi Dench, Dane DeHaan, Cara Delevingne, Zach Galifianakis, Holliday Grainger, Tom Hollander, Jack O’Connell

Länge: 105 Minuten

FSK: ab 6 Jahre

Die Vorlage

Deborah Moggach: Tulpenfieber

(übersetzt von Ursula Wulfekamp)

Insel Verlag, 2016

288 Seiten

10 Euro

Frühere deutsche Ausgaben bei Verlag Fretz & Wasmuth (1999) und S. Fischer Verlag (2007)

Originalausgabe

Tulip Fever

Verlag William Heinemann, London, 1999

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Moviepilot über „Tulpenfieber“

Metacritic über „Tulpenfieber“

Rotten Tomatoes über „Tulpenfieber“

Wikipedia über „Tulpenfieber“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Justin Chadwicks „Mandela – Der lange Weg zur Freiheit“ (Mandela: Long Walk to Freedom, USA 2013)

Homepage von Deborah Moggach

 


TV-Tipp für den 9. Februar: ’71 – Hinter feindlichen Linien

Februar 9, 2017

3sat, 23.00

71 – Hinter feindlichen Linien (’71, Großbritannien 2014)

Regie: Yann Demange

Drehbuch: Gregory Burke

Der junge englische Soldat Gary Hook muss 1971 noch nicht einmal sein Land verlassen, um mitten in einem Krieg zu landen. Damals herrschte in Nordirland Bürgerkrieg. Bei einem Routineeinsatz in Belfast wird Gary von seiner Einheit getrennt und er muss sich, zwischen allen Fronten, in einer Nacht zu seiner Einheit durchschlagen. Dabei weiß er nicht, wem er vertrauen kann.

Ein hochspannender, wortkarger Thriller, der bei der Berlinale gut ankam und dann doch nur eine DVD-Veröffentlichung erlebte.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Jack O’Connell, Paul Anderson, Richard Dormer, Sean Harris, Barr Keoghan, Martin McCann, Charlie Murphy, Sam Reid, Killian Scott, David Wilmot

Hinweise
Homepage zum Film
Film-Zeit über „’71“
Moviepilot über „’71“
Metacritic über „’71“
Rotten Tomatoes über „’71“
Wikipedia über „’71“ (deutsch, englisch)
Berlinale über „’71

Meine Besprechung von Yann Demanges „’71 – Hinter feindlichen Linien“ (’71, Großbritannien 2014)


Neu im Kino/Filmkritik: „Money Monster“ – Geiselnahme im TV-Studio

Mai 27, 2016

Lee Gates (George Clooney) präsentiert im Fernsehen eine Finanzshow, die vor allem eine Show ist. Laut, schrill, mit Gags und Tanzeinlagen, die zwar unterhaltsam sind, aber nicht in das Umfeld einer seriösen Show gehören. Auch die Fachkompetenz von Lee Gates scheint vor allem im Entertainment zu liegen. Trotzdem ist die Sendung beliebt und Zuschauer vertrauen seinen Aktientipps. So auch Kyle Budwell (Jack O’Connell), ein einfacher Arbeiter, der sein gesamtes Vermögen in Ibis Clear Capital investierte, weil Gates es eine bombensichere Geldanlage nannte. Dummerweise verlor die Aktie aufgrund eines unerklärlichen Computerfehlers, so die offizielle Erklärung, rapide an Wert.

Budwell ist ruiniert, aber er will Antworten haben. Denn er hat doch immer das Richtige getan. Während einer Live-Sendung nimmt er Gates als Geisel.

Mit dieser Geiselnahme beginnt Jodie Fosters neuer Film „Money Monster“ und in den folgenden neunzig Minuten entfaltet sich die hochenergetisch erzählte Geschichte ungefähr in Echtzeit, vor allem im Fernsehstudio und vor laufender Kamera. Zunächst versucht Gates den Geiselnehmer zur Aufgabe zu bewegen. Er tut also, was er am besten kann: er redet. Als das nicht hilft und er bemerkt, dass die Erklärung von Ibis Clear Capital für den Aktieneinbruch nicht stimmig ist, will er Antworten haben.

Dabei hilft ihm sein Team, angeführt von seiner langjährigen Produzentin Patty Fenn (Julia Roberts), die innerhalb weniger Minuten herausfinden, was weder die Börsenaufsicht, noch die echten Journalisten herausfinden, die natürlich auch alle wissen wollen, warum die Aktie implodierte. Dieser auch aus der Not geborene Gesinnungswandel kommt etwas plötzlich. Immerhin sagte Fenn am Anfang des Thrillers: „Wir sind noch nicht einmal echte Journalisten.“

Ihnen zur Seite springt Diane Lester (Caitriona Balfe), die PR-Dame von Ibis Clear Capital, die sich fragt, warum der CEO Walt Camby (Dominic West) spurlos verschwunden ist und während der größten Krise der Firma sprichwörtlich über den Wolken schwebt in einem Flugzeug, das telefonisch nicht erreichbar ist.

Währenddessen wird die Polizei auf die Zuschauerränge verbannt.

Wenn man sich nicht an dem Aufklärungstempo von Fenns Team und der Erklärung für den Kurseinbruch der Aktie stört, sondern sich von dem Film mitreisen lässt, bekommt man einen hochspannenden Thriller, der konsequent auf Nebenstränge verzichtet. Jede Szene, jeder Satz, jedes Bild treibt die Handlung voran oder komplettiert das Bild einer von Gier und Geld geprägten Gesellschaft. So läuft „Money Monster“ anfangs im Restaurant als Hintergrundprogramm zur Mittagspause, bis die Zuschauer bemerken, dass sie gerade eine echte Geiselnahme sehen und schon erwacht ihr Interesse; die Sensationsgier. Etliche aus anderen Filmen bekannte Situationen enden vollkommen anders als gewohnt. Es gibt grandiose Einzeiler und Pointen. Sowieso ist der Film arg schwarzhumorig geraten.

Dabei vermittelt er keine wahnsinnig neuen Einsichten. Über das Funktionieren der Börse erfährt man auch nichts und im Gegensatz zu „The Big Short“, wo gezeigt wurde, wie das System funktioniert und es deshalb keine individuellen Schuldigen gab, die man einfach anklagen konnte, gibt es in „Money Monster“ am Ende einen Schuldigen, den man für seine Verbrechen vor Gericht anklagen und verurteilen kann.

Money Monster“ ist halt einfach nur ein spannender Thriller, der einige wichtige Themen unterhaltsam anspricht, der Gesellschaft einen Spiegel vorhält und auch zum Nachdenken anregt.

Money Monster - Plakat

Money Monster (Money Monster, USA 2016)

Regie: Jodie Foster

Drehbuch: Jamie Linden, Alan DiFiore, Jim Kouf (nach einer Geschichte von Alan DiFiore und Jim Kouf)

mit George Clooney, Julia Roberts, Jack O’Connell, Dominic West, Caitriona Balfe, Giancarlo Esposito, Christopher Denham, Lenny Venito, Chris Bauer, Dennis Boutsikaris, Emily Meade, Condola Rashad

Länge: 99 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „Money Monster“

Metacritic über „Money Monster“

Rotten Tomatoes über „Money Monster“

Wikipedia über „Money Monster“ (deutsch, englisch)

Ein Gespräch mit Jodie Foster über den Film und den ganzen Rest

Ein Gespräch mit Jodie Foster und Jack O’Connell (dem Geiselnehmer)

und, aus Cannes, ein „Interview“(mit französischer Simultanübersetzung)

und die Pressekonferenz (dito)

 


DVD-Kritik: Eine Nacht in Belfast „’71“

August 20, 2015

Ich kann euch wirklich nicht sagen, warum „’71“ bei uns, nachdem er schon letztes Jahr auf der Berlinale im Wettbewerb seine Premiere hatte, von der Kritik gelobt wurde und eine spezielle Erwähnung bei der Vergabe des Preises der Ökumenischen Jury erhielt, nicht im Kino lief. Denn dass der Nordirland-Konflikt mit seinen unübersichtlichen Frontlinien bei uns nicht mehr so bekannt ist, kann es nicht sein. Eher schon, dass „’71“ sich etwas unglücklich zwischen Blockbuster-Unterhaltung und Arthouse-Kino positioniert. Aber das war bei „Herz aus Stahl“ (Fury, USA 2014) nicht wirklich anders.
In seinem Spielfilmdebüt (nach mehreren TV-Arbeiten) erzählt Yann Demange die Geschichte von Gary Hook (Jack O’Connell) und seinem ersten Einsatz in Belfast 1971. Gary ist ein junger englischer Soldat, der gerade seine Ausbildung abgeschlossen hat. Er ist ein Waisenkind, das sich um seinen in einem Heim lebenden kleineren Bruder kümmert und der vor allem, wie viele junge Männer, wegen der gesicherten Arbeitsperspektive, Soldat wurde. Er hofft, nach der Ausbildung in Deutschland stationiert zu werden. Aber er und seine Kameraden werden nach Nordirland, mitten in den blutig geführten Bürgerkrieg, geschickt. Dort sollen sie die Polizei unterstützen. Aber schon ihr erster Einsatz geht schief: die Polizei agiert äußerst brutal, die Bevölkerung wirft Steine, ein Soldat wird kaltblütig erschossen und Gary wird von seiner Truppe getrennt. Auf der Flucht vor IRA-Männern, die auch ihn ermorden wollen, kann er sich in einer Toilette (yep, damals gab es noch Außentoiletten) verstecken. In der Nacht versucht er, mitten im Kriegsgebiet, zurück zu seiner Einheit zu kommen, während er von allen gesucht wird und er nicht weiß, wem er vertrauen kann. Denn fast niemand will ihm helfen.
An seiner Oberfläche ist „’71“ ein packender Kriegsthriller, der seine Geschichte vor allem durch seine die frühen Siebziger heraufbeschwörenden Bilder erzählt. Das ist insofern erstaunlich, weil Demange ein TV-Regisseur und Drehbuchautor Gregory Burke ein Theaterautor ist und beide daher vor allem mit wortlastigen Stoffen vertraut sind. In „’71“ gibt es allerdings nur wenige Dialoge, aber viel Action und einen geschickten Spannungsaufbau. Und es gelingt ihnen, die Ansichten der schon damals fast unüberschaubaren Zahl beteiligter Gruppen und Splittergruppen und die moralischen Dilemma, in die sie die plötzliche Anwesenheit eines Soldaten stürzt, aufzuzeigen.
So grandios der für keine der beteiligten Gruppen Partei ergreifende Film auch ist, so vernachlässigbar ist das Bonusmaterial. Etwas B-Roll und kurze, nicht sonderlich informative Interviews mit zwei Darstellern, die während des Drehs entstanden. Hätte man nicht wenigstens die Berlinale-Pressekonferenz oder Interviews mit dem Regisseur und dem Autor besorgen können?

71 - DVD-Cover

’71 – Hinter feindlichen Linien (’71, Großbritannien 2014)
Regie: Yann Demange
Drehbuch: Gregory Burke
mit Jack O’Connell, Paul Anderson, Richard Dormer, Sean Harris, Barr Keoghan, Martin McCann, Charlie Murphy, Sam Reid, Killian Scott, David Wilmot

DVD
Ascot-Elite
Bild: 2,39:1 (16:9)
Ton: Deutsch, Englisch (Dolby Digital 5.1)
Untertitel: Deutsch
Bonusmaterial: Interviews mit Jack O’Connell und Jack Lowden, B-Roll, Trailer, Wendecover
Länge: 96 Minuten
FSK: ab 16 Jahre

Hinweise
Homepage zum Film
Film-Zeit über „’71“
Moviepilot über „’71“
Metacritic über „’71“
Rotten Tomatoes über „’71“
Wikipedia über „’71“ (deutsch, englisch)
Berlinale über „’71“ (die Pressekonferenz in voller Länge)