Dass Kevin Costner ein großer Western-Fan ist, ist schon bei ein Blick in seine Filmographie offensichtlich. Erinnert sei nur an „Der mit dem Wolf tanzt“, „Open Range“, „Silverado“, „Wyatt Earp“, die Western-Miniserie „Hatfield & McCoys“ und die TV-Serie „Yellowstone“. Die von ihm inszenierten Western „Der mit dem Wolf tanzt“ und „Open Range“ wurden von der Kritik gelobt und werden von Western-Fans geschätzt wegen ihrer historischen Detailgenauigkeit. „Der mit dem Wolf tanzt“ war auch ein weltweiter Publikumshit.
Dass Kevin Costner kein ökonomisch knapper, sondern ein epischer, sich Zeit nehmender Erzähler ist, verrät schon ein Blick auf die Länge seiner Filme. „Open Range“ ist mit 139 Minuten sein kürzester Film.
Und wenn er jetzt mit „Horizon“ die Geschichte des Wilden Westens in vier jeweils dreistündigen Spielfilmen erzählen will, die innerhalb weniger Monate im Kino anlaufen sollen, dann sind die Erwartungen selbstverständlich ziemlich hoch. Und sie werden größtenteils enttäuscht.
Der während dem Bürgerkrieg spielende Auftaktfilm von „Horizon – Eine amerikanische Saga“ dauert drei Stunden. Es werden viele Figuren und Handlungsstränge eingeführt, die im zweiten, dritten und vierten Film weitererzählt werden und die irgendwie irgendwann zusammenkommen. Wahrscheinlich in dem titelgebenden Ort Horizon. Falls einzelne Figuren nicht vorher auf ihrem Weg nach Horizon sterben oder sie vom Weg abkommen. Im ersten Teil irren sie alle noch durch den Wilden Westen und Horizon ist für sie noch nicht einmal am Horizont sichtbar.
Im ersten „Horizon“-Film spielt nur ein kleiner Teil des Film in dem titelgebenden Ort. In der ersten Stunde wird er, nachdem einige Siedler sich dort ansiedelten, während einer Feier der Siedler von einer Horde Indianer überfallen und niedergebrannt. Diese Schlacht bildet den Actionhöhepunkt des Films. Den Überfall überleben nur wenige. Zu ihnen gehören Frances Kittredge (Sienna Miller) und ihre Tochter Elizabeth (Georgia MacPhail). Sie gehen zu dem nahe gelegenem Militärstützpunkt Camp Gallant und verschwinden für einen großen Teil der weiteren Films aus dem Film. Am Ende deutet sich eine Beziehung zwischen Frances und First Lt. Trent Gephart (Sam Worthington) an.
In den anderen Plots geht es um einen Wagentreck, der sich langsam durch den Wilden Westen bewegt und die Konflikte, die es zwischen den Siedlern gibt. Ein anderer Plot dreht sich um den einzelgängerischen Revolverhelden Hayes Ellison (Kevin Costner, der nach einer Stunde seinen ersten Auftritt hat). Er rettet die Prostituierte Marigold (Abbey Lee) vor den mordlüsternen Sykes-Brüdern. Anschließend flüchten Hayes und Ellen vor den weiteren Mitgliedern der Sykes-Familie mit unbekanntem Ziel durch die fotogene Landschaft.
Und, allerdings erst nach dem Überfall auf Horizon, erzählt Costner in einem weiteren Handlungsstrang von den Apachen und ihren internen Streitigkeiten über den Umgang mit den weißen Menschen, die ihr Land ungefragt besetzen. Bis zu diesem Punkt sind sie hinterhältig und bestialisch Kinder, Frauen, einen Geistlichen und harmlose Siedler ermorden.
Das sind alles altbekannte Westernplots, die mit einigen weiteren Plots, in einem Western-Best-of in episch gedehnten Szenen aneinandergereiht werden. Denn ein Kevin Costner hat immer Zeit. Und die einzelnen Szenen funktionieren als einzelne Szenen auch gut. Nur ergeben sie keinen Film. Sie sind bestenfalls der Auftakt, der neugierig auf die nächsten Teile machen soll.
„Horizon – Eine amerikanische Saga“ ist aber nur ein Western-Mash-Up, ein Best-of, bei dem auch nach drei Stunden kein Hauptplot, keine Hauptfigur und kein zentraler Konflikt erkennbar ist. Das ist auch in einem Ensemblefilm oder einer TV-Serie wichtig. Es ist auch keine Figur und keine Geschichte dabei, von der ich unbedingt wissen möchte, wie sie weitergeht. Das alles sollte aber nach drei Stunden etabliert sein. In einer TV-Serie gelingt das nach neunzig oder weniger Minuten.
Weil „Horizon“ das nicht gelingt, endet der Film in einer minutenlange Montage mit Bildern aus dem nächsten Teil. Wie bei einer TV-Serie sollen diese Bilder neugierig auf die nächste Episode machen.
Von der Art der Präsentation seiner einzelnen Geschichten ist „Horizon“ ein revisionistischer revisionistischer Western. Costners neuer Film ist keine Rückbesinnung zum klassischen Hollywood-Western mit dem Wissen der seitdem in Filmen, Büchern und gesellschaftlichen Diskussionen stattgefundenen Entwicklungen. Dabei trug Costner mit seinem Regiedebüt „Der mit dem Wolf tanzt“ und wie er die Native Americans zeigte, zu dieser Neubetrachtung der US-amerikanischen Geschichte bei. Mit „Horizon“ hätte er den klassischen Hollywood-Western neu betrachten können. Stattdessen versucht er alle Entwicklungen, die es seit den fünfziger Jahren gab, zu ignorieren. Er will wieder so naiv wie damals erzählen und die alten Legenden wieder vollumfänglich bestätigen. Aber die Zeit ist vorbei. Wir sind weiter.
Aus diesem ‚zurück in die Vergangenheit‘-Gedanken ergibt sich auch das gewählte Bildformat. Gedreht wurde im US-Breitwandformat (1,85:1), das wie ein heutiges TV-Bild aussieht und dem Film von der ersten Minute wie einen TV-Western wirken lässt. Quentin Tarantino ging in seinem grandiosen Schneewestern „The hateful 8“ den entgegengesetzten Weg. Das Bild konnte nicht breit genug sein.
Der Auftakt von Costners lange gehegtem und jetzt mit eigenem Geld finanziertem Traumprojekt enttäuscht. Als Einzelfilm funktioniert „Horizon“ nicht, weil er kein Ende, sondern nur eine Menge Anfänge hat, Als Auftakt von einem Epos, das die Menschen in einigen Monaten wieder in die Kinos treibt, funktioniert der Film auch nicht. Keine Geschichte macht wirklich neugierig auf die nächste Episode der Saga. Von keiner Figur will man unbedingt erfahren, was ihr zustoßen wird.
Der zweite „Horizon“-Film läuft am 7. November 2024 in Deutschland an.

Horizon – Eine amerikanische Saga (Horizon – An American Saga Chapter 1, USA 2024)
Regie: Kevin Costner
Drehbuch: Jon Baird, Kevin Costner
mit Sienna Miller, Sam Worthington, Danny Huston, Michael Rooker, Kevin Costner, Jena Malone, Michael Angarano, Abbey Lee, Jamie Campbell Bower, Jon Beavers, Owen Crow Shoe, Tatanka Means, Liluye, Luke Wilson, Ella Hunt, Tom Payne, Will Patton, Isabelle Fuhrman, Hayes Costner, Georgia MacPhail
Länge: 181 Minuten
FSK: ab 12 Jahre
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Hinweise
Moviepilot über „Horizon – Eine amerikanische Saga“
Metacritic über „Horizon – Eine amerikanische Saga“
Rotten Tomatoes über „Horizon – Eine amerikanische Saga“
Wikipedia über „Horizon – Eine amerikanische Saga“ (deutsch, englisch)
Veröffentlicht von AxelB 


