Neu im Kino/Filmkritik: Einige Worte zu „Weisheit des Glücks“, „Die Witwe Clicquot“, „Bekenntnisse des Hochstaplers Thomas Mann“, „Martin liest den Koran“, „Marianengraben“ und „Red Rooms – Zeugin des Bösen“

November 7, 2024

Und was läuft außerdem im Kino?

Weisheit des Glücks – Eine inspirierende Begegnung mit dem Dalai Lama“ ist eine spielfilmlange Predigt des 14. Dalai Lama über all die Dinge, die er in wahrscheinlich jeder seiner Reden über den Frieden, die Welt und das Zusammenleben sagt. Unterlegt werden seine Worte mit einigen wenigen historischen Aufnahmen und vielen schönen Naturbildern, die wir so ähnlich aus anderen esoterisch angehauchten essayistischen Dokumentarfilmen kennen.

Das ist erbaulich, aber in dieser Form auch arg weltfremd. Denn nach dem allgemein zustimmungsfähigen Satz ‚wir wollen alle Frieden‘ führt er nicht aus, wie wir zu diesem Zustand kommen. Der Übergang von der Theorie in die Praxis ist der schwierige und wirklich interessante Punkt.

So bleibt nach neunzig Minuten Predigt nur Glückskeks-Wunschdenken, das seinen Jüngern gefallen wird.

Weisheit des Glücks – Eine inspirierende Begegnung mit dem Dalai Lama (Wisdom of Happiness, China/USA 2024)

Schweiz 2024)

Regie: Barbara Miller, Philip Delaquis

Drehbuch: –

mit Dalai Lama

Länge: 95 Minuten

FSK: ab 6 Jahre

Hinweise

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Moviepilot über „Weisheit des Glücks“

Wikipedia über „Weisheit des Glücks“

Nach dem Tod ihres Mannes übernimmt die titelgebende ‚Witwe Clicquot‘ 1805 als 27-jährige in der französischen Provinz Champagne die Leitung der familieneigenen, damals unbedeutenden Weinkellerei. In den folgenden Jahren revolutioniert sie umfassend die Art, wie Champagner hergestellt wird. Ihre Verfahren werden noch heute angewandt. Sie legte den Grundstein für die heute noch bestehende Champagnermarke Veuve Clicquot Ponsardin.

Über diese Verfahren erfährt man in Thomas Nappers Biopic „Die „Die Witwe Clicqout“ nichts. Wie sie sich genau gegen die rein männliche Konkurrenz durchsetzte und ihren Hof behielt, erfährt man fast nichts. Die dafür entscheidenden Momente erzählt Napper zwischen den Bildern oder in nichtssagenden Bildern von einer Frau, die in einem Labor steht und mit Flüssigkeiten gefüllte Gefäße missvergnügt anschaut. Und so ist das Biopic eine Ansammlung wenig beeindruckender, meist beliebiger Szenen, in denen nie klar wird, warum wir uns für sie interessieren sollten. Aber wir erfahren einiges über ihr Liebesleben und, in Rückblenden, die Beziehung zu ihrem Mann. Beides wird ebenfalls an den interessanten Punkten nicht vertieft.

Barbe Nicole Clicquot-Ponsardin (16. Dezember 1777 – 29. Juli 1866), die „Grande Dame de Champagne“, hätte einen besseren Film als diese halbgare, auf zwei Zeitebenen spielende Schmonzette verdient.

Die Witwe Clicquot (Widow Clicquot, USA 2023)

Regie: Thomas Napper

Drehbuch: Erin Dignam (nach einer Geschichte von Christopher Monger und Erin Dignam)

LV: Tilar J. Mazzeo: The Widow Clicquot, 2008 (Veuve Clicquot – Die Geschichte eines Champagner-Imperiums und der Frau, die es regierte)

mit Haley Bennett, Tom Sturridge, Sam Riley, Leo Suter, Natasha O’Keeffe, Anson Boon, Ben Miles

Länge: 90 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

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Moviepilot über „Die Witwe Clicquot“

Metacritic über „Die Witwe Clicquot“

Rotten Tomatoes über „Die Witwe Clicquot“

Wikipedia über „Die Witwe Clicquot“ (deutsch, englisch)

Gleiches gilt für den Dokumentarfilm „Bekenntnisse des Hochstaplers Thomas Mann“. „Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“ gehören immer noch zu Manns bekanntesten und beliebtesten Werken. Mann begann mit der Arbeit an dem Roman 1905. Der Roman sollte der Auftakt für eine monumentale Trilogie sein. 1954 veröffentlichte er den Roman. Ein Jahr später starb er.

André Schäfer geht in seinem Dokumentarfilm, der auch mit nachgestellten Szenen arbeitet, der Verbindung zwischen Mann und Krull nach und wie sehr Krull ein alter ego von Mann ist. Allerdings kratzt sein Film nur an der Oberfläche. Am Ende hat man den Eindruck, weder über den Autor noch über den von ihm erfundenen Hochstapler viel erfahren zu haben.

Jedenfalls wenn man kein Mannianer ist.

Bekenntnisse des Hochstaplers Thomas Mann (Deutschland 2024)

Regisseur: André Schäfer

Drehbuch: Jascha Hannover, Hartmut Kasper

mit Sebastian Schneider

Länge: 95 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

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Filmportal über „Bekenntnisse des Hochstaplers Thomas Mann“

Moviepilot über „Bekenntnisse des Hochstaplers Thomas Mann“

Ein Jahr nach einem islamistischen Anschlag fährt Martin Harirat (Zejhun Demirov) an die Universität. Der 35-jährige Familienvater will mit Professor Doktor Neuweiser (Ulrich Tukur) über den Koran reden. Der Universitätsgelehrte soll ihm die aus dem Koran hergeleitete Absolution für einen von ihm geplantes Bombenattentat erteilen. Schnell entspinnt sich zwischen den beiden Männern ein Dialog über die richtige und falsche Interpretation des Korans.

Das Zwei-Personenstück „Martin liest den Koran“ ist, auch wenn es auf einem Originaldrehbuch basiert, abgefilmtes Thesentheater, bei dem die Interpretation des Korans zu sehr an den Worten der Schrift kleben bleibt und sich dann verschiedene Koranzitate mit triumphierender Stimme um die Ohren gehauen werden. Dabei sollte gerade Prof. Neuweiser wissen, wie wichtig bei den Worten auch immer der konkrete historische und kulturelle Hintergrund ist. Denn kein Werk entsteht im luftleeren Raum. Jedes Werk reagiert auf sein Umfeld.

Jurijs Saule inszenierte das Gespräch mit einem guten Gefühl für die Räume. Vor allem der große Hörsaal und die Mensa geben auch für das Auge etwas her. Störend sind allerdings die immer wieder aufmerksamkeitheischende, oft subjektive Kamera und die überlaute Geräuschkulisse.

Martin liest den Koran“ ist ein klitzekleiner Baustein in der Diskussion über Islam, Islamismus und Terrorismus, die sich auf das akademische Spiel mit Koranzitaten konzentriert.

Das Drehhbuch erhielt 2022 die Goldene Lola für das beste unverfilmte Drehbuch.

Martin liest den Koran (Deutschland 2024)

Regie: Jurijs Saule

Drehbuch: Michail Lurje, Jurijs Saule

mit Ulrich Tukur, Zejhun Demirov, Sarah Sandeh, Alissia Krupsky, Prince Chughtai

Länge: 106 Minuten

FSK: ab 16 Jahre (wegen kurzer Visionen und Fotos von Attentaten; – aber nichts, was nicht auch in der „Tagesschau“ gezeigt wird)

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Filmportal über „Martin liest den Koran“

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In dem Road-Movie „Marianengraben“ fahren Helmut (Edgar Selge) und Paula (Luna Wedler) nach Italien. Getroffen haben sie sich mitten in der Nacht auf einem Friedhof. Paula besuchte das Grab ihres jüngeren Brüders. Helmut grub die Urne mit der Asche seiner Frau aus. Als sie vom Wachpersonal entdeckt werden, flüchten sie gemeinsam.

Helmut will nach Südtirol fahren, dabei die Asche seiner Frau verstreuen und, nun, sterben. Er hat seine letzte Reise zu den Orten, an denen er mit seiner Frau schöne Tage verbrachte, akribisch geplant. Paula will dagegen, von Schuldgefühlen geplagt, nur an einem bestimmten Tag in Triest sein. Dort ertrank ihr kleiner Bruder, der jetzt zehn Jahre alt geworden wäre, vor einem Jahr.

Weil er seinen Camper nicht mehr alleine fahren kann und sie keinen Zug benutzen kann, fahren sie gemeinsam Richtung Süden.

Eileen Byrnes Bestsellerverfilmung über zwei Trauernde, die sich auf einer gemeinsamen Reise langsam öffnen und dabei ihre Trauer überwinden, bewegt sich auf vertrauten Pfaden. Nur der konstant mangelnde Respekt vor der Friedhofsordnung und der damit verbundenen Totenruhe überrascht.

Marianengraben (Luxemburg/Italien/Österreich 2023)

Regie: Eileen Byrne

Drehbuch: Eileen Byrne

LV: Jasmin Schreiber: Mariannengraben, 2020

mit Luna Wedler, Edgar Selge, William Vonnemann, Martin Maria Abram, Katharina Grabher, Markus Stolberg

Länge: 87 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

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Kelly-Anne (Juliette Gariépy) und Clementine (Laurie Babin) verfolgen in Montreal im Gericht gespannt den Prozess gegen den Serienmörder Ludovic Chevalier (Maxwell McCabe-Lokos). Sie sind Serienkiller-Groupies, die den Dämon von Rosemont für unschuldig halten. Während der langen Gerichtstage lernen sie sich kennen. Auch außerhalb des Gerichtssaal verbringen sie Zeit miteinander.

Vor allem Kelly-Anne will immer mehr über den brutalen Mädchenmörder Chevalier, der seine Taten aufgenommen hat, erfahren. Sie möchte das bislang unbekannte Video von seinem dritten Mord, den an der dreizehnjährigen Camille, sehen und begibt sich dafür ins Darknet.

Pascal Plantes psychologischer Horrorfilm „Red Rooms – Zeugin des Bösen“ beginnt wie ein karg, quasi-dokumentarisch in langen, oft stummen Szenen inszenierter, das Geschehen kühl und distanziert beobachtender Gerichtsfilm. Er wird, ohne seinen Stil zu ändern, zu einem Film über die beginnende Freundschaft zwischen zwei einsamen Frauen, der im letzten Drittel wieder zu einem anderen Film wird. Dabei reduziert Plante die Zahl der handelnden Personen mit zunehmender Laufzeit immer mehr. Die schon anfangs einsame Kelly-Anne isoliert sich immer weiter von der Gesellschaft und taucht immer tiefer in die Welt des Darknets ein. Dabei deutet Plante die schlimmsten Bilder nur an. Wir sehen die Reaktionen auf grausame Bilder aber keine grausamen Bilder.

Red Rooms – Zeugin des Bösen (Les chambres rouges, Kanada 2023)

Regie: Pascal Plante

Drehbuch: Pascal Plante

mit Juliette Gariépy, Laurie Babin, Elisabeth Locas, Natalie Tannous, Pierre Chagnon, Guy Thauvette, Maxwell McCabe Lokos

Länge: 119 Minuten

FSK: ab 16 Jahren

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Metacritic über „Red Rooms“

Rotten Tomatoes über „Red Rooms“

Wikipedia über „Red Rooms“ (deutsch, englisch)


TV-Tipp für den 6. November: Kong: Skull Island

November 5, 2024

Kabel 1, 20.15

Kong: Skull Island (Kong: Skull Island, USA 2017)

Regie: Jordan Vogt-Roberts

Drehbuch: Dan Gilroy, Max Borenstein, Derek Connolly (nach einer Geschichte von John Gatins)

1973 wird ein von Militärs begleitetes Forschungsteam auf die bislang unentdeckte Südpazifik-Insel Skull Island geschickt. Dort treffen sie auf den Riesenaffen Kong (aka King Kong).

Rückblickend betrachtet ist „Kong: Skull Island“ der beste der neuen King-Kong-Filme. Dabei ist das starbesetzte blöde Kriegsspektakel nur ein „Apocalypse Now“-Monsterfilm-Mashup mit Zitaten aus den allerersten King-Kong-Film.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Tom Hiddleston, Samuel L. Jackson, John Goodman, Brie Larson, John C. Reilly, Jing Tian, Toby Kebbell, John Ortiz, Corey Hawkins, Jason Mitchell, Shea Whigham, Thomas Mann, Terry Notary, Marc Evan Jackson, Eugene Cordero

Wiederholung: Donnerstag, 7. November, 00.45 Uhr (Taggenau!)

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Moviepilot über „Kong: Skull Island“

Metacritic über „Kong: Skull Island“

Rotten Tomatoes über „Kong: Skull Island“

Wikipedia über „Kong: Skull Island“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Gareth Edwards‘ „Godzilla“ (Godzilla, USA 2014)

Meine Besprechung von Jordan Vogt-Roberts‘ „Kong: Skull Island“ (Kong: Skull Island, USA 2017)

Meine Besprechung von Michael Doughertys „Godzilla II: King of the Monsters“ (Godzilla II: King of Monsters, USA 2019) (inzwischen auch: Godzilla: King of the Monsters)

Meine Besprechung von Adam Wingards „Godzilla vs. Kong“ (Godzilla vs. Kong, USA 2021)

Meine Besprechung von Adam Wingards „Godzilla x Kong: The New Empire“ (Godzilla x Kong: The New Empire, USA 2024)

 


TV-Tipp für den 23. Mai: Hänsel und Gretel, Hexenjäger

Mai 22, 2024

Vox, 20.15

Hänsel und Gretel: Hexenjäger (Hansel and Gretel: Witch Hunters, USA/Deutschland 2012)

Regie: Tommy Wirkola

Drehbuch: Tommy Wirkola

Hänsel und Gretel, inzwischen erwachsen, jagen Hexen und blutiger Schmodder fliegt durch den Raum.

Der herrlich abgedrehte Film ist ungefähr so tiefsinnig wie ein Kinderkarneval und macht, wenn man sich darauf einlässt, auch genausoviel Spaß. Außerdem gibt es mindestens eine wichtige Lebensweisheit: „Don’t eat the fucking Candy.“

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Jeremy Renner, Gemma Arterton, Famke Janssen, Peter Stormare, Derek Mears, Pihla Viitala, Thomas Mann, Zoë Bell, Rainer Bock, Kathrin Kühnel

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Metacritic über „Hänsel und Gretel: Hexenjäger“

Rotten Tomatoes über „Hänsel und Gretel: Hexenjäger“

Wikipedia über „Hänsel und Gretel: Hexenjäger“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Tommy Wirkolas „Hänsel und Gretel: Hexenjäger“ (Hansel and Gretel: Witch Hunters, USA/Deutschland 2012)

Meine Besprechung von Tommy Wirkolas „What happened to Monday?“ (What happened to Monday?, Großbritannien 2017)

Meine Besprechung von Tommy Wirkolas „The Trip – Ein mörderisches Wochenende“ (I onde dager, Norwegen 2021)

Meine Besprechung von Tommy Wirkolas „Violent Night“ (Violent Night, USA 2022) (mit dem Weihnachtsmann)


Neu im Kino/Filmkritik: „Halloween Kills“, aber nicht Laurie Strode und Michael Myers

Oktober 21, 2021

Nein, das ist kein Spoiler: Michael Myers überlebt diesen Film und er darf nächstes Jahr zurückkehren in „Halloween Ends“, dem Abschluss einer Trilogie, die David Gordon Green 2018 mit „Halloween“ begann. Mit dem Horrorfilm knüpfte er an John Carpenters „Halloween“ von 1978 an und ignorierte alle weiteren „Halloween“-Filme, die es seitdem gab.

Inzwischen ist Carpenters Film ein Horrorfilmklassiker, ein stilbildender Film und der Beginn eines äußerst langlebigen Franchises. John Carpenter beteiligte sich daran nur noch höchst peripher; Scream-Queen Jamie Lee Curtis, die im ersten „Halloween“-Film erfolgreich gegen den maskierten Mörder kämpfte, war mal dabei, mal nicht. Jetzt ist sie wieder dabei und jetzt ist die von ihr gespielte Laurie Strode eine von der damaligen Mordnacht, in der der Mörder Michael Myers aus Smith’s Grove Sanitarium ausbrechen und in Haddonfield mehrere Menschen ermordete, zutiefst traumatisierte Frau, deren Trauma niemals auch nur im Ansatz behandelt wurde. Stattdessen bereitete sie sich auf die Rückkehr des maskierten Mörders vor und nervte die Nachbarschaft mit Warnungen vor seiner Rückkehr. Die war dann 2018. Kritiker und Fans waren begeistert. Auch mir gefiel der Horrorfilm.

Halloween Kills“ schließt nahtlos an „Halloween“ an und schlägt in Rückblenden einen Bogen zum ersten Film, der damit endete, dass die Strode-Familie Myers in ihr Haus lockt, ihm eine Falle stellt und in den Keller des brennenden Hauses einsperrt. Die im Kampf schwer verletzte Laurie Strode wird von ihrer Tochter und Enkeltochter zum städtischen Krankenhaus gefahren.

Zu Beginn von „Halloween Kills“ wird Laurie Strode schwerverletzt ins Krankenhaus eingeliefert. Michael Myers ist immer noch im Keller von Strodes brennendem Haus gefangen. Eigentlich sollte er in den nächsten Minuten verbrennen. Aber die Feuerwehr rückt an. Während sie das Haus löscht, kann er aus seinem Kellergefängnis entkommen und alle anwesenden Feuerwehrleute umbringen. Das ist der Auftakt von einem neunzigminütigem Schlachtfest in dem wahrscheinlich mehr Menschen getötet werden als in allen bisherigen „Halloween“-Filmen zusammen.

Nach dem grandiosen „Halloween“ (2018) ist „Halloween Kills“ eine ziemliche Enttäuschung, die erkennbar als Mittelteil einer Trilogie konzipiert ist. Die Hauptfiguren dürfen nicht sterben. Also werden einige uninteressante Figuren, die teilweise bereits Myers‘ 1978er Mordnacht erlebten, eingeführt und schnell abgeschlachtet. Dazwischen gibt Jamie Lee Curtis als Laurie Strode den Jack Bauer. Kaum sind ihre Wunden versorgt und eigentlich sollte sie jetzt die nächsten Wochen, mit Tonnen Schmerzmittel, das Bett hüten, steht sie mit einem Ich-verstehe-keinen-Spaß-und-bin-sehr-verärgert-Gesichtsausdruck auf und zieht in ihre nächste Schlacht gegen Myers.

Dieser wird, davon ist sie überzeugt, zu ihr in Krankenhaus kommen.

In dem Krankenhaus hat sich inzwischen auch halb Haddonfield versammelt. Die einen, weil sie verletzt sind, Die anderen, weil sie Angehörige der Verletzten sind.

Die anderen Bewohner von Haddonfield beginnen mit einer von Panik getriebene Menschenjagd auf Myers. Denn diese Nacht soll der Bösewicht sterben.

Als dieser dann im Krankenhaus vermutet wird, liefert Green, wenn der Mob die Beute durch die Krankenhausgänge jagt, Bilder von panischen Menschenmassen, die an George A. Romeros „Zombie“ (Dawn of the Dead, 1978) erinnern.

Aber während bei Romero immer auch satirische und kapitalismuskritische Töne erkennbar sind, gibt es in „Halloween Kills“ nur eine platte Das-Monster-macht-uns zu Monstern-Botschaft. Im Wesentlichen wird sich in „Halloween Kills“ einfach die Zeit bis zum Abschluss der Trilogie mit sinnlosem Mord & Totschlag vertrieben. Denn Michael Myers bringt einfach jeden um, den er trifft (und er trifft viele Menschen). Dabei wird er zunehmend unbesiegbarer.

Halloween Kills“ ist eine ziemlich stupide und damit auch langweilige Angelegenheit.

Halloween Kills (Halloween Kills, USA 2021)

Regie: David Gordon Green

Drehbuch: Scott Teems, Danny McBride, David Gordon Green (basierend auf Figuren von John Carpenter und Debra Hill)

mit Jamie Lee Curtis, Judy Greer, Andi Matichak, Will Patton, Thomas Mann, Anthony Michael Hall, Robert Longstreet, Dylan Arnold, Nancy Stephens, Kyle Richards

Länge: 106 Minuten

FSK: ab 18 Jahre

Hinweise

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Moviepilot über „Halloween Kills“

Metacritic über „Halloween Kills“

Rotten Tomatoes über „Halloween Kills“

Wikipedia über „Halloween Kills“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von David Gordon Greens „Die Wahlkämpferin“ (Our Brand is Crisis, USA 2015)

Meine Besprechung von David Gordon Greens „Halloween“ (Halloween, USA 2018)

 


Neu im Kino/Filmkritik: „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“, bieder verfilmt

September 2, 2021

Was haben wir? Einen Klassiker der deutschen Literatur, der schon einmal fürs Kino verfilmt verfilmt. Aber das war vor fast 65 Jahren und in Schwarzweiß. Daniel Kehlmann als Drehbuchautor. Detlev Buck als Regisseur. Sie arbeiteten schon bei „Die Vermessung der Welt“ (Deutschland/Österreich 2012) zusammen. Eine prominente Besetzung, bestehend aus Jannis Niewöhner als Felix Krull, David Kross als Marquis Louis de Venosta, Liv Lisa Fries als ihre Freundin Zaza und, in Nebenrollen, Maria Furtwängler, Joachim Król, Nicholas Ofczarek, Annette Frier, Dominique Horwitz, Martin Wuttke und Desirée Nosbusch.

Das klingt nach einer Klassikerverfilmung, die interessant sein könnte.

Felix Krull ist ein Hochstapler, der in Paris zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts in einem noblen Straßencafé an einem Abend Marquis Louis de Venosta die Geschichte seines Lebens erzählt. Er erzählt von seiner Kindheit im Rheingau als Sohn eines auf großem Fuß lebenden Inhabers einer Sektfirma. Als die Firma bankrott geht, begeht Krulls Vater Suizid. Danach eröffnet seine Mutter in Frankfurt eine kleine Pension. Aus diesem Leben flüchtet Krull nach Paris, dem Land seiner Träume. In Paris heuert er im Grandhotel als Page an. Schnell steigt der allseits beliebte Schlawiner und anpassungsfähige Charmeur auf.

In Paris trifft er auch wieder Zaza. Mit ihr verbrachte er in Frankfurt glückliche Stunden. Sie ist, wie er, eine Hochstaplerin.

Zaza ist auch die große Liebe des Marquis. Er weiß allerdings nicht, dass Krulls große Liebe auch seine große Liebe ist. Allerdings kann er Zaza wegen ihres Standes nicht heiraten. Außerdem will sein Vater ihn auf eine Weltreise schicken. Der Marquis möchte nicht. Aber der Erhalt seines Erbes ist an diese Reise geknüpft.

Diese väterliche Erpressung, von der wir erst ziemlich spät im Film erfahren, ist dann auch der Grund für Krulls Redseligkeit. Denn Krull würde sehr gerne eine Weltreise unternehmen. Sehr gerne auch unter falschem Namen und mit einer gut gefüllten Reisekasse.

Nach den grandiosen, wagemutigen, sehr eigenständigen neuen Literaturverfilmungen „Fabian oder Der Gang vor die Hunde“ und „Martin Eden“ ist Detlev Bucks „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“ mehr als fünf Schritte zurück zu den sattsam bekannten Literaturverfilmungen, die brav die Vorlage bebildern und jegliche eigene Handschrift vermissen lassen. Wenn Detlev Buck nicht als Regisseur genannt würde, würde man es nicht einmal erahnen, dass hier der Regisseur von „Wir können auch anders…“ am Werk war.

Felix Krull“ ist selbstverständlich kein grottenschlechter Film. Dafür sind die Schauspieler zu gut. Die Kostüme und die Ausstattung ebenfalls. Und natürlich ist alles gut aufgenommen. Auch wenn das im Film gezeigte Paris der Jahrhundertwende verdächtig nach einer missglückten Mischung aus Kulisse und CGI aussieht.

Das Drehbuch krankt an seiner Rückblenden-Struktur, die keine Spannung aufkommen lässt. Schließlich ist Krull jeder gefährlichen Situation entkommen. Sonst könnte er dem Marquis jetzt nicht seine Lebensgeschichte erzählen. Warum er das tut, wird erst viel zu spät im Film deutlich und das Erzählen der eigenen Untaten ist sicher nicht die geeignetste Methode, um einen anderen Menschen zu einem Identitästausch anzustiften.

Krulls in Rückblenden erzählte Lebensgeschcihte wird so präsentiert, als gäbe es nur eine Wahrheit und als ob der passionierte Schwindler sie genau jetzt erzählt. Mit dieser Erzählhaltung fällt Bucks „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“ erzählerisch hinter Alfred Hitchcocks „Die rote Lola“ (1950) zurück. In dem Film zeigte Hitchcock eine Rückblende, die eine Lüge war. Dabei galt bis dahin die Regel, dass in Rückblenden, weil sie bebildert sind, die Wahrheit erzählt wird. Heute, auch nach Filmen wie „Rashomon“ (ebenfalls 1950), betrachten wir eine Rückblende als die subjektive Sicht des Erzählenden auf die Ereignisse.

Auch Krull könnte uns belügen. Es gibt im Film allerdings keinen entsprechenden Hinweis. Außer vielleicht, dass Krull nur von schönen Frauen und honorigen Männern begehrt wird.

Und so ist „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“ als langweiliges, niemals herausforderndes oder irritierendes Bildungsbürgertumskino nur die nächste Klassikerverfilmung für den Deutschunterricht.

Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull (Deutschland 2021)

Regie: Detlev Buck

Drehbuch: Daniel Kehlmann, Detlev Buck

LV: Thomas Mann: Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull, 1954

mit Jannis Niewöhner, Liv Lisa Fries, David Kross, Maria Furtwängler, Nicholas Ofczarek, Joachim Król, Christian Friedel, Harriet Herbig-Matten, Dominique Horwitz, Annette Frier, Martin Wuttke, Anian Zollner, Désirée Nosbusch, Detlev Buck, Heinrich Schafmeister

Länge: 114 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Filmportal über „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“

Moviepilot über „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“

Wikipedia über „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“

Meine Besprechung von Daniel Kehlmann/Detlev Bucks „Die Vermessung der Welt – Das Buch zum Film“ (2012)


Neu im Kino/Filmkritik: „Kong: Skull Island“ ist nur der Anfang

März 9, 2017

Nachdem vor drei Jahren Godzilla in die Kinos zurückkehrte, ist jetzt King Kong an der Reihe. Auch wenn der Riesenaffe in „Kong: Skull Island“ nur Kong heißt. Und das Godzilla-Kong-Produzententeam, was die peinliche Post-Credit-Szene und alle bekannten Statements verraten, ein Aufeinandertreffen der beiden Riesentiere in einem Film plant. Dem können, abhängig vom Einspielergebnis, weitere Filme folgen.

Bis dahin ist Kong der Herrscher auf Skull Island, einer bislang unentdeckten Insel im Südpazifik.

1973 begibt sich eine Forschungsmission mit viel militärischer Unterstützung auf die Insel. Als erstes werfen die US-Soldaten aus ihren Hubschraubern einige Bomben ab. Um, so wird uns gesagt, die Insel zu vermessen. Danach werden sie von Kong vom Himmel geholt. Die Überlebenden machen sich, mehr oder weniger getrennt, auf den Weg zum vorher festgelegten Ort am anderen Ende der Insel, an dem sie in einigen Tagen abgeholt werden sollen.

Die Überlebenden sind eine kleine Schar Soldaten und Zivilisten, die von einem kleinen Who’s Who der aktuellen Stars gespielt werden. Tom Hiddleston als freischaffender Ex-SAS-Soldat, Samuel L. Jackson als hochdekorierter Lt. Colonel, John Goodman als ziviler Leiter der Expedition mit Kindheitstrauma und Hintergedanken, Brie Larson als taffe Kriegsfotografin im Janis-Joplin-Look und John C. Reilly als seit Jahrzehnten auf der Insel lebender Weltkrieg-II-Veteran, der für den Humor zuständig ist. Sie und die zahlreichen unbekannteren Schauspieler, die vor allem US-Soldaten mit niederen militärischen Rängen spielen (vulgo Kanonenfutter), sind alle blasse Pappfiguren, die nur austauschbares Kongfutter sind.

Der Weg zum Ziel ist mit vielen gefährlichen Ur- und Riesenviechern und stummen Einheimischen gepflastert und weil „Kong: Skull Island“ sich auf seine einfache Geschichte verlässt, werden wir nicht mit einem hyperkomplexen Plot gelangweilt, der nicht nacherzählbar und vollkommen unlogisch ist. In diesem Umfeld ist die größte Überraschung, dass Kong letztendlich der Beschützer der Insel und seiner Bewohner ist. Deshalb schließt er auch die Eindringlinge, solange sie ihn nicht umbringen wollen, in sein riesiges Herz. Vor allem natürlich die hübsche Fotojournalistin. Bei den anderen Monstern bleibt der Konflikt zwischen ihnen und den Menschen dann auf dem seit „Predator“ bekanntem „Wenn es blutet, kann es sterben“-Landserniveau; – was auch eine Form des Kulturaustausches ist. Der Schlusskampf gehört dann Kong, der die Menschen beschützt.

Auf der visuellen Ebene wird vor allem Francis Ford Coppolas „Apocalypse Now“ so lange zitiert, bis man glaubt, eine Neufassung des Films mit Kong und einer Affenliebe zur Zeitlupe zu sehen. Das sieht gut aus, belässt es aber beim Zitat, garniert mit dem entsprechenden Soundtrack. In „Kong: Skull Island“ haben die Soldaten immer einen tragbaren Plattenspieler mit den angesagten LPs von Band wie Creedence Clearwater Revival dabei. Das erfreut das Ohr des Rockmusikfans, ist aber komplett sinnfrei. In Momenten, in denen die Soldaten in gefährlichen Umgebung auf mögliche Feinde achten sollten, beschallen sie den Urwald mit „Bad Moon Rising“, ehe es in Richtung „Run through the Jungle“ geht.

Als nur auf Überwältigung zielendes, weitgehend strunzdummes Kriegspektakel voller Siebziger-Jahre-Zitate und computergenerierter Spezialeffekte funktioniert „Kong: Skull Island“ leidlich.

Aber bei all dem Talent wäre mehr als ein „Apocalypse Now“-Monsterfilm-Mashup mit Zitaten aus den allerersten King-Kong-Film drin gewesen.

P. S.: Ich habe den Film in 2D mit 3D-Sound gesehen und er sah gut aus. Es gibt ihn auch in 3D (dann hätte er mir wahrscheinlich weniger gefallen) und im IMAX-Format (was sicher ein Gewinn ist; – wobei er dort auch in 3D läuft).

Kong: Skull Island (Kong: Skull Island, USA 2017)

Regie: Jordan Vogt-Roberts

Drehbuch: Dan Gilroy, Max Borenstein, Derek Connolly (nach einer Geschichte von John Gatins)

mit Tom Hiddleston, Samuel L. Jackson, John Goodman, Brie Larson, John C. Reilly, Jing Tian, Toby Kebbell, John Ortiz, Corey Hawkins, Jason Mitchell, Shea Whigham, Thomas Mann, Terry Notary, Marc Evan Jackson, Eugene Cordero

Länge: 119 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

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Moviepilot über „Kong: Skull Island“

Metacritic über „Kong: Skull Island“

Rotten Tomatoes über „Kong: Skull Island“

Wikipedia über „Kong: Skull Island“ (deutsch, englisch)