TV-Tipp für den 7. Mai: La Grande Bellezza – Die große Schönheit

Mai 7, 2018

Arte, 21.50

La grande Bellezza – Die große Schönheit (La grande Bellezza, Italien/Frankreich 2013)

Regie: Paolo Sorrentino

Drehbuch: Paolo Sorrentino, Umberto Contarello

Kurz vor seinem 65. Geburtstag streift Jep Gambardella (Toni Servillo, grandios!) durch sein geliebtes Rom und denkt über sein Leben als gescheiterter Romancier und erfolgreicher Klatschreporter und Chronist einer sich nur um sich selbst drehenden, sich an ihrer Dekadenz und Überflüssigkeit berauschenden Gesellschaftsklasse nach.

Ein wundervoller Film, ein Abgesang und eine Liebeserklärung an Rom in all seinen Facetten und an Federico Fellini.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Toni Servillo, Carlo Verdone, Sabrina Ferilli, Carlo Buccirosso, Iaia Forte, Pamela Villoresi

Hinweise

Film-Zeit über „La grande Bellezza“

Rotten Tomatoes über „La grande Bellezza“

Wikipedia über „La grande Bellezza“ (englisch, italienisch) und über Paolo Sorrentino (deutsch, englisch, italienisch)

Meine Besprechung von Paolo Sorrentinos „Cheyenne – This must be the Place“ (This must be the Place, Italien/Frankreich/Irland 2011)

Meine Besprechung von Paolo Sorrentinos „La grande Bellezza – Die große Schönheit“ (La grande Bellezza, Italien/Frankreich 2013)

Meine Besprechung von „Paolo Sorrentino – Director’s Collection“


Die Glauser-Gewinner 2018

Mai 6, 2018

Irgendwo im Osten, gestern nach Sonnenuntergang: Das Syndikat, die ehrenwerte Vereinigung deutschsprachiger Krimiautoren und -autorinnen, verleiht ihren jährlichen Friedrich-Glauser-Preis:

Bester Kriminalroman

Jutta Profijt: Unter Fremden, dtv

nominiert

Raoul Biltgen: Schmidt ist tot, Verlag Wortreich

Alfred Bodenheimer: Ihr sollt den Fremden lieben, Nagel & Kimche

Ellen Dunne: Harte Landung, Insel Taschenbuch

Monika Geier: Alles so hell da vorn, Ariadne

Bestes Debüt

Harald J. Marburger: Totengräberspätzle, Emons

nominiert

Hannah Coler: Cambridge 5, Limes Verlag

Kerstin Ehmer: Der weiße Affe, Pendragon

Gereon Krantz: Unter pechschwarzen Sternen, ProTalk Verlag

Takis Würger: Der Club, Kein & Aber

Bester Kurzkrimi

Karr & Wehner (Reinhard Jahn und Walter Wehner) mit Hier in Tremonia, in: Killing You Softly, KBV

nominiert

Klaus Berndl mit Feueralarm, in: Feuerspuren, edition karo

Thomas Kastura mit Der Zuschauer, in: Kerzen, Killer, Krippenspiel, Knaur

Henry Kersting mit Der Blaue, in: Rache brennt, Verlag am Schloss

Cécile Ziemons mit Dünensingen, in: Feinste Friesenmorde, Leda Verlag

Hansjörg-Martin-Preis

Ortwin Ramadan: Glück ist was für Anfänger, Coppenrath

nominiert

Tanya Lieske: Mein Freund Charlie, Beltz & Gelberg

Christian Linker: Der Schuss, dtv

Lea-Lina Oppermann: Was wir dachten, was wir taten, Beltz & Gelberg

Martin Schäuble: Endland, Hanser


TV-Tipp für den 6. Mai: Boiling Point – Die Bombe tickt

Mai 6, 2018

https://www.youtube.com/watch?v=0owzv-D9eKo

3sat, 00.40 Uhr

Boiling Point – Die Bombe tickt (Boiling Point, USA 1993)

Regie: James B. Harris

Drehbuch: James B. Harris

LV: Gerald Petievich: Money men, 1981 (Sumpfblüten, Boiling Point)

Innerhalb einer klassischen Genre-Geschichte (ein Cop jagt den Mörder seines Partners) präsentiert Harris eine melancholische und desillusionierte Charakterstudie über Männer, deren gescheiterte Beziehungen und großspurigen Pläne. Dabei laufen die Geschichten weitgehend unverbunden nebeneinander. Kein Klassiker, aber ein unterschätzter Film, der im Trailer zu Unrecht als Action-Film verkauft wird und viel zu wenig von Dennis Hopper zeigt. Aber Wesley Snipes war damals mit den erfolgreichen Filmen „New Jack City“, „Weiße Jungs bringen’s nicht“ und „Passagier 57“ der aufstrebende Star. „Demolition Man“ und „Die Wiege der Sonne“ starteten kurz darauf und festigten seinen Status; – auch wenn das angesichts der letzten Filme von Wesley Snipes heute schwer vorstellbar ist.

James B. Harris produzierte die frühen Kubrick-Filme, wie “Die Rechnung ging nicht auf” und “Lolita”.

Mit Wesley Snipes, Dennis Hopper, Viggo Mortensen, Lolita Davidovich, Seymour Cassel, Tony Lo Bianco, Tobin Bell, Dan Hedaya, Paul Gleason

Hinweise

Homepage von Gerald Petievich

Rotten Tomatoes über „Boiling Point“

Wikipedia über „Boiling Point“ (deutsch, englisch)


Neu im Kino/Filmkritik: „No Way Out – Gegen die Flammen“kämpfen die „Granite Mountain Hotshots“

Mai 6, 2018

Hach, das ist wieder ein deutscher Titel, der für Verwirrung sorgen wird. Also: „No Way Out – Gegen die Flammen“ ist ein Film über Feuerbekämpfer, der nichts, aber auch absolut nichts mit dem Kevin-Costner-Thriller „No Way Out – Es gibt kein Zurück“ zu tun hat. Außerdem ist der Originaltitel von „No Way Out – Gegen die Flammen“ „Only the Brave“. Aber die Werbeabteilung hat sich sicher etwas dabei gedacht. Und gegen Flammen müssen die „Granite Mountain Hotshots“ kämpfen.

In den USA erreichten die Feuerbekämpfer am 30. Juni 2013 traurige Berühmtheit. Mit anderen Feuerwehrmännern bekämpften sie nahe der Kleinstadt Yarnell Hill, Arizona einen durch einen Blitzschlag verursachten Brand. Es war ein Routine-Einsatz, bei dem die Flammen, aufgrund starker Windböen, unvorhergesehene Wege einschlugen und das Feuer sich schneller als gedacht bewegte. Neunzehn der aus zwanzig Männern bestehenden Hotshot-Einheit starben in den Flammen. Es war der größte Verlust von Feuerwehrmännern nach 9/11.

Kurz nach dem Unglück schrieb Sean Flynn für die „GQ“ die Reportage „No Exit“. Sie war die Grundlage für Joseph Kosinskis beeindruckendes Drama „No Way Out – Gegen die Flammen“. Er erzählt die Geschichte der „Granite Mountain Hotshots“, der ersten kommunalen Hotshot-Einheit. Normalerweise unterstehen sie Bundesbehörden. Aktuell gibt es in den USA 107 Hotshot-Crews. Jede Einheit besteht aus 20 Feuerwehrleuten. Die Hotshots sind Feuerbekämpfer, die vor allem deshalb als Eliteeinheit bezeichnet werden, weil sie in den USA tagelang gegen die riesigen Brandherde kämpfen. Dabei geht es vor allem um das Schlagen von Schneisen und Anlegen von Hindernissen, die das Feuer in geordnete Bahnen lenken. Auch gezielte Brände gehören dazu. Es ist harte, körperliche Arbeit, die meistens von jungen Männern durchgeführt wird. In der mehrere Monate dauernden Brandsaison sind sie fast ununterbrochen unterwegs.

In „No Way Out“ wird die Geschichte der „Granite Mountain Hotshots“ chronologisch erzählt. Vor ihrer Hotshot-Zertifizierung ist die von Eric Marsh (Josh Brolin) geleitete Einheit die Feuerwehr der Kleinstadt Prescott, Arizona, die vor allem ihren Ort vor Feuer beschützt. Vor ihrer Hotshot-Zertifizierung 2008 trainieren sie jahrelang, erfüllen die Anforderungen für eine Zertifizierung und werden erfolgreich geprüft. Es ist ein hartes Verfahren für eine harte und gefährliche Arbeit.

Im Verlauf des über zweistündigen Films lernen wir die Feuerwehrleute und ihre Familien kennen. Vor allem Eric Marsh und Brandon ‚Donut‘ McDonough (Miles Teller) stehen im Mittelpunkt. McDonough hatte vorher eine lange Karriere als vorbestrafter Junkie hinter sich. Die Einheit ist für ihn die letzte Chance auf ein Leben, das sich vollkommen von seinem Junkie-Leben unterscheidet. Wir begleiten die Feuerwehrmänner auf verschiedenen Einsätzen, die vor allem auf der großen Leinwand ihre gesamte Wirkung entfalten.

Kosinski („Tron: Legacy“, „Oblivion“) erzählt diese Geschichte ganz traditionell als eine sich über mehrere Jahre erstreckende, für den Film etwas komprimierte Chronik. Es ist schnörkelloses, klassisches Hollywood-Erzählkino. Chronologisch werden Episoden aus dem Berufs- und Privatleben der Feuerwehrmänner erzählt, bis es zu dem katastrophalen letzten Einsatz kommt. Den inszeniert Kosinski dann auch so, dass schon von der ersten Minute an – wenn die „Granite Mountain Hotshots“ noch an einen Routine-Einsatz glauben – als einen Einsatz, der in einer Katastrophe enden wird.

No Way Out“ ist ein würdiges Denkmal für diese Einheit.

No Way Out – Gegen die Flammen (Only the Brave, USA 2017)

Regie: Joseph Kosinski

Drehbuch: Ken Nolan, Eric Warren Singer

LV: Sean Flynn: No Exit (GQ, 27. September 2013, Reportage)

mit Josh Brolin, Miles Teller, Jeff Bridges, Taylor Kitsch, Jennifer Connelly, James Badge Dale, Andie MacDowell, Alex Russell, Ben Hardy, Scott Haze, Geoff Stults

Länge: 134 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „No Way Out“

Metacritic über „No Way Out“

Rotten Tomatoes über „No Way Out“

Wikipedia über „No Way Out“ (deutsch, englisch)

History vs. Hollywood sucht in den Flammen nach den Fakten

GQ: Sean Flynn: No Exit

Meine Besprechung von Joseph Kosinskis „Oblivion“ (Oblivion, USA 2013)

Ein etwas überfülltes Gespräch mit Brandon McDonough (dem überlebenden Mitglied der Granite Mountain Hotshots), den Schauspielern und dem Regisseur in der Build-Gesprächsreihe


TV-Tipp für den 5. Mai: Der Unbestechliche – Mörderisches Marseille

Mai 5, 2018

ARD, 01.10

Der Unbestechliche – Mörderisches Marseille (La French, Frankreich/Belgien 2014)

Regie: Cédric Jimenez

Drehbuch: Audrey Diwan, Cédric Jimenez

Marseille, siebziger Jahre: Richter Pierre Michel will den lokalen Drogenlord Gaetano Zampa zur Strecke bringen.

Toller Franco-Thriller, der die französische Seite der „French Connection“ zeigt.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechungen.

mit Jean Dujardin, Gilles Lellouche, Céline Sallette, Mélanie Doutey, Benoît Magimel, Guillaume Gouix, Bruno Todeschini, Féodor Atkine, Moussa Maaskri

Hinweise

AlloCiné über „Der Unbestechliche“

Rotten Tomatoes über „Der Unbestechliche“

Wikipedia über „Der Unbestechliche“ (deutsch, englisch, französisch)

Meine Besprechung von Cédric Jimenez‘ „Der Unbestechliche – Mörderisches Marseille“ (La French, Frankreich/Belgien 2014)

Bonushinweis

Der neue Film von Cédric Jimenez, „Die Macht des Bösen – The Man with the Iron Heart“, erscheint am 17. Mai auf DVD. Davor ist er im Verleih und digital erhältlich. Meine Besprechung gibt es demnächst.


Neu im Kino/Filmkritik: „7 Tage in Entebbe“: deutsche Flugzeugentführer, israelische Geisel und eine Befreiung

Mai 5, 2018

Am 27. Juni 1976 entführen Mitglieder der deutschen Terrorgruppe „Revolutionäre Zellen“ und der „Volksfront zur Befreiung Palästinas“ die Air-France-Maschine 139, Das Linienflugzeug landet mit 270 Menschen (12 Besatzungsmitglieder, 258 Passagiere) in Entebbe, wo sie von dem ugandischen Diktator Idi Amin aufgenommen werden. Er quartiert sie in einem leerstehenden Bereich des Flughafens ein.

Die Entführer versuchen in den nächsten Tagen ihre Geisel in der heißen und stickigen Flughafenhalle ruhig zu halten. Sie fordern die Freilassung von 53 in Israel, Frankreich, Deutschland und der Schweiz inhaftierten Terroristen und fünf Millionen US-Dollar.

In Israel fragen sich Premierminister Yitzhak Rabin und sein Verteidigungsminister Shimon Peres, der eine harte Keine-Verhandlungen-Linie verfolgt, wie sie mit der Geiselnahme umgehen sollen. Letztendlich – und das ist für alle, die sich auch nur oberflächlich mit der Geschichte des internationalen Terrorismus in den siebziger Jahren beschäftigten, eine vertraute und bekannte Geschichte – schickt Israel, unter der Leitung von Brigadegeneral Dan Schomron, eine Einheit des Militärs zur Befreiung der über hundert Geisel.

Diese erfolgreiche Befreiung, bei der alle sieben Geiselnehmer, ungefähr zwanzig ugandische Soldaten, ein israelischer Soldat und drei Geisel starben, wurde anschließend mehrmals verfilmt. Wenige Monate nach der Befreiung konkurrierten drei hochkarätig besetzte Filme um die Aufmerksamkeit des Publikums. Am bekanntesten ist heute noch Irvin Kershners „…die keine Gnade kennen“ (mit Charles Bronson, Peter Finch und Horst Buchholz). Unbekannter sind Marvin J. Chomskys „Unternehmen Entebbe“ (mit Burt Lancaster, Elizabeth Taylor und Anthony Hopkins) und Menahan Golans „Operation Thunderbolt“ (mit Klaus Kinski und Sybill Danning).

7 Tage in Entebbe“-Regisseur José Padilha kämpft in seiner Version der damaligen Ereignisse nicht nur gegen diese Filme an, sondern auch gegen die zahlreichen anderen Thriller, die Flugzeugentführungen schildern und dabei mehr oder weniger dicht an zahllosen weiteren wahren Fällen bleiben. Zum Beispiel der Chuck-Norris-Trash „Delta Force“, der von der Entführung des TWA Flug 847 am 14. Juni 1985 inspiriert war und durchaus eindrucksvoll das Leid der entführten Passagiere und Besatzungsmitglieder schildert. Oder Roland Suso Richters überzeugender Thriller „Mogadischu“ über die Entführung der Lufthansa-Maschine „Landshut“ am 13. Oktober 1977 und die erfolgreiche Geiselbefreiung durch die GSG 9. Um nur zwei Filme zu nennen, in denen eine Flugzeugentführung mit anschließender erfolgreicher Befreiung durch eine Spezialeinheit im Mittelpunkt stehen.

Gegenüber diesen Werken muss ein Remake gerechtfertigt werden. Es muss der bekannten Geschichte neue Facetten abgewinnen.

Drehbuchautor Gregory Burke und Regisseur José Padilha schienen dafür eine gute Wahl zu sein. Gregory Burke schrieb das Drehbuch für den grandiosen, dialogarmen IRA-Thriller „71 – Hinter feindlichen Linien“. José Padilha bewies mit „Tropa de Elite“, „Elite Squad – Im Sumpf der Korruption“ und der Netflix-Serie „Narcos“, dass er in einer Actiondramaturgie gut komplexe Sachverhalte erzählen kann. Mit seinem „Robocop“-Remake setzte er selbstbewusst eigene Akzente. Auch weil er konsequent die naheliegenden Actionszenen vermied. Mit ihnen als Macher und den neuen Erkenntnissen, die sie in ihrem Film verarbeiteten, durfte man auf eine faszinierende, spannende und informative Nacherzählung der damaligen Ereignisse erwarten.

Umso enttäuschender ist dann der Film. Er folgt den historisch verbürgten Ereignissen. Aber er hat überhaupt kein Interesse daran, sie für ein breites Publikum verständlich zu machen. Die Zuschauer, die nichts über den damaligen Linksterrorismus wissen, verstehen nichts. Die Motive der Entführer bleiben rätselhaft. Mehr als einige Soundbytes aus einer Filterblase, deren Bedeutung man nur mit dem nötigen Hintergrundwissen erfasst, bleiben nicht übrig. Entsprechend blass bleiben die Entführer. Das gilt vor allem für Daniel Brühl als Wilfried Böse und Rosamund Pike als Brigitte Kuhlmann. Die anderen Entführer sind noch nicht einmal bessere Nebendarsteller. Die Geisel bleiben eine austauschbare und geduldige Verfügungsmasse, über die man nichts erfährt und für die man sich daher nicht weiter interessiert.

Nur bei den Diskussionen und Machtkämpfen zwischen Yitzhak Rabin und Shimon Peres wird es spannend. In diesen Szenen duellieren sich Lior Ashkenazi (zuletzt, neben Richard Gere, in „Norman“) als Yitzhak Rabin und, gewohnt brillant, Eddie Marsan als Shimon Peres. Sie ringen mit der Frage, wie sie auf die Entführung reagieren sollen und gleichzeitig kämpfen sie um ihre politische Machtposition.

Ein dritter Erzählstrang ist die Vorbereitung und Durchführung der Geiselbefreiung. Für diesen Plot und die Befreiung, die in einem anderen Film die große Actionsequenz wäre, interessiert Padilha sich kaum. Noch konsequenter als in „Robocop“ vermeidet er hier die üblichen Bilder. Anstatt im Detail zu zeigen, wie die Befreiung abläuft, schneidet er in diesen Momenten immer wieder zu dem Stuhltanz aus Ohad Naharins von der Batsheva Dance Company gespieltem Tanzstück „Echad Mi Yodea“. Der Tanz verarbeitet den Zuzug jüdischer Menschen vor und nach dem Zweiten Weltkrieg nach Palästina. Während der Performance legen die Tänzer immer mehr Kleider ab. Ein Tänzer legt seine Kleidung nicht ab. Er rutscht immer wieder von seinem Stuhl herunter. Der Tanz ist selbstverständlich eine Metapher, die im Rahmen des Films verschieden interpretiert werden kann. Das ist eine interessante Idee, die nicht funktioniert. Der Tanz bleibt ein Fremdkörper im Film.

Dem Film selbst gelingt es nie, die Relevanz der damaligen Ereignisse für die Gegenwart deutlich zu machen. Und als Geschichtsstunde funktioniert er auch nur bei den Menschen, die über ein ordentliches Hintergrundwissen zu den damaligen Ereignissen, Diskussionen und Auswirkungen verfügen.

Für alle anderen bleibt nur ein beliebiger Entführungsthriller mit viel 70-Jahre-Patina und etwas Revolutionärskitsch.

7 Tage in Entebbe (7 Days in Entebbe, USA/Großbritannien 2018)

Regie: José Padilha

Drehbuch: Gregory Burke

mit Daniel Brühl, Rosamund Pike, Eddie Marsan, Lior Ashkenazi, Denis Menochet, Ben Schnetzer, Nonso Anozie

Länge: 107 Minuten

FSK: ?

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „7 Tage in Entebbe“

Metacritic über „7 Tage in Entebbe“

Rotten Tomatoes über „7 Tage in Entebbe“

Wikipedia über „7 Tage in Entebbe“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von José Padilhas „Tropa de Elite“ (Tropa de Elite, Brasilien/USA 2007)

Meine Besprechung von José Padilhas „Robocop“ (Robocop, USA 2014)

Meine Besprechung von José Padilhas „Narcos – Die komplette erste Staffel“ (Narcos, USA 2015)


Neu im Kino/Filmkritik: „HERRliche Zeiten“ werden angekündigt

Mai 4, 2018

Betrunken verfasst Claus Müller-Todt eine Anzeige, in der er einen Hausangestellten sucht. Er schreibt allerdings nicht ‚Mädchen für alles gesucht‘, sondern ‚Sklave gesucht‘ und – Überraschung! – es melden sich viele Interessenten. Nachdem Müller-Todt die halbe städtische SM-Szene abgewiesen hat, bleibt nur noch Bartos übrig. Ein sehr höflicher, konservativ gekleideter Mann mit guten Manieren, einer überzeugenden CV und noch überzeugenderen Gehaltsvorstellungen. Er will eigentlich, wie es sich für einen Sklaven gehört, nur ein Dach über dem Kopf und etwas zu Essen haben. Für sich und seine jüngere, gut aussehende Frau, die ebenfalls den Müller-Todts als Sklavin dienen will.

Schon während der Probezeit sind Claus und seine Frau Eva Müller-Todt restlos begeistert von ihrem Sklaven Bartos, der ihnen jeden Wunsch erfüllt. Meist schon, bevor sie ihn äußern.

Diese Idee einer in die Gegenwart verlegten spätrömischen Dekadenz-Sklavenhaltergesellschaft werden einige von Thor Kunkels tiefschwarzer Satire „Subs“ kennen. Vor allem in den Nuller-Jahren sorgten seine Romane, auch außerhalb der engen Grenzen des Feuilletons, immer wieder für heftige Diskussionen. Kritisiert wurden sein Umgang mit der NS-Vergangenheit und die in den Romanen durch seine Figuren transportierten politischen Ansichten. Er erhielt auch viel Kritikerlob und wurde vielfach ausgezeichnet. Nach „Subs“ veröffentlichte er keine weiteren Romane. Zuletzt wurde ausführlich über seine Beratertätigkeit für die Bundestagswahlkampagne der AfD berichtet. Mit dieser Arbeit und verschiedenen politischen Äußerungen schoss er sich ins Abseits. Die Neuauflage von „Subs“ erschien, laut Ankündigung, jetzt im rechten Manuscriptum-Verlag. Und das ist ein eindeutiges, etwaige Unklarheiten beseitigendes Statement.

Auch Oskar Roehler, der jetzt Kunkels Roman als „HERRliche Zeiten“ verfilmte, ist nie um eine Provokation verlegen. Seine Filme sind nicht immer gelungen, aber sie haben immer eine persönliche Handschrift, eine Vision und sie sind nicht langweilig.

Vor dem Kinostart kam es hinter den Kulissen zu einem Streit, der bei der „Zeit“ (mit kostenpflichtiger Anmeldung) nachgelesen werden kann. Es ging um die Nennung von Kunkel als Drehbuchautor und als Autor der Vorlage. Als Drehbuchautor werde er nicht genannt, weil Jan Berger („Der Medicus“) ein neues Drehbuch schrieb, das mit dem Roman nur noch wenig zu tun hat. Und in der Werbung wird nur noch im Kleingedruckten auf die Vorlage hingewiesen. Das ist angesichts Kunkels derzeitiger Prominenz nachvollziehbar.

Insgesamt haben die Beteiligten in den letzten Wochen, mehr oder weniger geplant, alle Signale in Richtung „Provokation“ gestellt und, wie das so ist mit geplanten Skandalen: sie funktionieren nicht wie geplant.

Das liegt vor allem an dem Film, der jetzt endlich im Mittelpunkt der Besprechung stehen soll. Immerhin geht es um ihn. Da sind die politischen Ansichten der Macher und ihre in den Medien geäußerten Provokationen erst einmal und auf lange Sicht egal. Schließlich sind Autor und Werk nicht unbedingt identisch. Und das Werk kann intelligenter als der Autor sein.

Oskar Roehler und sein Drehbuchautor Jan Berger übernahmen für ihren Film „HERRliche Zeiten“ letztendlich nur die Prämisse und einige Szenen aus dem Roman „Subs“. Vor allem ab der Mitte erzählen sie eine vollkommen andere Geschichte, die aus Kunkels bitterböser, schwarzhumoriger Vision einer dekadenten Gesellschaft einen handelsüblichen Rachekrimi macht. Mit einer netten Idee am Anfang („Sklave gesucht“), einer römischen Dekadenzparty in der Mitte und viel langweiligem Klamauk.

Anstatt eine künstlerische Vision zu entwickeln, die als Satire provoziert und den Zuschauern eine Spiegel vorhält, wagt Roehler hier nichts. Das Kammerspiel ist unauffällig inszeniert und gut gespielt. Samuel Finzi als distinguierter Sklave und Katja Riemann als nervige Ehefrau sind gewohnt gut. Und Oliver Masucci geht wieder vollkommen in seiner Rolle auf. Bekannt wurde er als Adolf Hitler in „Er ist wieder da“. Zuletzt spielte er in „Spielmacher“ einen Gangsterboss. Jetzt ist er der Sklavenhalter und Schönheitschirurg Claus Müller-Todt. Ein einfältiger Unsympath, der sich rührend und überaus besorgt um seine Frau kümmert und ansonsten das Sinnbild des kleinbürgerlichen Großkotzes ist, der fasziniert die Partys seines Nachbarn verfolgt, aber niemals auf die Idee käme, selbst eine Party zu veranstalten.

HERRliche Zeiten“ ist keine provozierende Satire über die deutsche Gesellschaft, sondern ein pseudokritischer TV-Film, der konsequent auf eine beruhigende 20.15-Uhr-TV-Dramaturgie für Über-Sechzigjährige eingedampft wurde. Da provoziert nichts. Da regt nichts zum Nachdenken an. Die Komödie ist ein Kammerspiel, das so auch jeder andere Regisseur hätte inszenieren können.

Für einen Film von Oskar Roehler ist das eindeutig zu wenig. Denn eines konnte man bislang nicht über einen Roehler-Film sagen: dass er langweilig ist. Und genau das ist „HERRliche Zeiten“.

HERRliche Zeiten (Deutschland 2018)

Regie: Oskar Roehler

Drehbuch: Jan Berger (frei nach Motiven des Romans „Subs“ von Thor Kunkel)

mit Katja Riemann, Oliver Masucci, Samuel Finzi, Lize Feryn, Yasin El Harrouk, Margarita Broich, Andrea Sawatzki, Alexander Beyer, Katy Karrenbauer, Aslan Aslan

Länge: 110 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Homepage zum Film

Filmportal über „HERRliche Zeiten“

Moviepilot über „HERRliche Zeiten“

Wikipedia über „HERRliche Zeiten“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Oskar Roehlers „Tod den Hippies – Es lebe der Punk!“ (Deutschland 2015)

Meine Besprechung von Thor Kunkels „Kuhls Kosmos“ (2008)

Meine Besprechung von Thor Kunkels „Schaumschwester“ (2010)

Meine Besprechung von Thor Kunkels „Subs“ (2011)


TV-Tipp für den 4. Mai: Sugarland Express

Mai 4, 2018

3sat, 22.25

Sugarland Express (The Sugarland Express, USA 1974)

Regie: Steven Spielberg

Drehbuch: Hal Barwood, Matthew Robbins (nach einer Geschichte von Steven Spielberg, Hal Barwood und Matthew Robbins)

Die junge Mutter Lou Jean befreit ihren Mann aus dem Gefängnis. Gemeinsam wollen sie ihr Baby vor einer Zwangsadoption bewahren. Auf ihrer Fahrt zu den Pflegeeltern werden sie, verfolgt von einer Polizeiarmada, zu Volkshelden.

Steven Spielbergs erster Spielfilm (denn „Duell“ war ein Fernsehfilm, der auch im Kino ausgewertet wurde) ist einer seiner schönsten Filme.

„‘The Sugarland Express’ ist größtenteils eine ausgelassene, verrückte, kapriolenreiche Verfolgungskomödie – eine lebendige Situationskomödie nach Art der Roadrunner-Zeichentrickfilme, nur in Spielfilmlänge.“ (Variety)

Sein nächster Film war „Der weiße Hai“ und der Rest ist Geschichte.

mit Goldie Hawn, Ben Johnson, Michael Sacks, William Atherton, Gregory Walcott, Harrison Zanuck, Louise Latham

Hinweise

Wikipedia über „Sugarland Express“ (deutsch, englisch)

Rotten Tomatoes über „Sugarland Express“

Meine Besprechung von Steven Spielbergs “Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels” (Indiana Jones and the kingdom of the skull, USA 2008)

Meine Besprechung von Steven Spielbergs “Gefährten” (War Horse, USA 2011)

Meine Besprechung von Steven Spielbergs “Lincoln” (Lincoln, USA 2012)

Meine Besprechung von Steven Spielbergs „Bridge of Spies – Der Unterhändler“ (Bridge of Spies, USA 2015)

Meine Besprechung von Steven Spielbergs „BFG – Big Friendly Giant (The BFG, USA 2016)

Meine Besprechung von Steven Spielbergs „Die Verlegerin“ (The Post, USA 2017)

Meine Besprechung von Steven Spielbergs „Ready Player One“ (Ready Player One, USA 2018)

Steven Spielberg in der Kriminalakte


TV-Tipp für den 3. Mai: Einsatz in Hamburg: Rückkehr des Teufels

Mai 3, 2018

ZDFneo, 20.15

Einsatz in Hamburg: Rückkehr des Teufels (Deutschland 2002, Regie: Lars Becker)

Drehbuch: Fabian Thaesler, Lars Becker

Diesen Fall hat Kommissarin Jenny Berlin schnell gelöst: In der Nähe einer in einem Müllcontainer liegenden Frauenleiche wird ein Mann gesehen. Kurz darauf wird er verhaftet. Doch nachdem er sich beim Verhör aus dem Fenster stürzt, zweifelt Berlin. Sie rollt den Fall wieder auf.

Dritter „Einsatz in Hamburg“-Krimi, inszeniert von dem immer zuverlässigen Lars Becker.

Mit Aglaia Szyszkowitz, Hannes Hellmann, Rainer Strecker, Harald Schrott, Christoph Bach, Hans Diehl, Ercan Durmaz, Oliver Franck, Sonja Kirchberger, Jessica Schwarz

Hinweise

Wikipedia über „Einsatz in Hamburg“

Lexikon der deutschen Krimi-Autoren über Lars Becker

Lars Becker in der Kriminalakte


„201 x 2001“ – Fragen und Antworten zur „Odyssee im Weltraum“

Mai 3, 2018

Der Untertitel von Nils Daniel Peilers „201 x 2001“ „Fragen und Antworten mit allem Wissenswerten zu Stanley Kubricks ‚Odyssee im Weltraum’“ fasst das jetzt im Schüren Verlag erschienene Büchlein gut zusammen: es gibt 201 Fragen und Antworten zu dem Filmklassiker.

Nils Daniel Peiler setzt damit seine Beschäftigung mit Kubricks Meisterwerk „2001: Odyssee im Weltraum“ fort. Der Film schildert, nachdem auf dem Mond ein von Außerirdischen geschaffener Monolith entdeckt wurde, das Schicksal einer aus dem Ruder laufenden Weltraumexpedition. Denn der Bordcomputer entwickelt ein für die Raumfahrer bedrohliches Eigenleben.

Peiler schrieb seine Promotion über die künstlerische Rezeption von „2001“, ist Kokurator der bis zum 23. September laufenden „2001“-Jubiläumsaustellung im Deutschen Filmmuseum in Frankfurt am Main und hat jetzt ein kleines Büchlein voller mehr oder weniger bedeutender Fakten über den Film zusammengetragen. Diese präsentiert er als alphabetisch sortiertes Frage-Antwort-Spiel. Da steht dann erschreckend Banales neben Interessantem. Fakten, die man durch eine schnelle IMDB-Recherche erfährt, stehen neben Informationen, die wahrscheinlich sogar „2001“-Aficionados nicht kennen. Oder schon wieder vergessen haben.

Am Ende ist „201 x 2001“ ein informatives Buch zum Rumblättern. Leider ohne Bilder. Aber die sieht man beim nächsten Genuss von „2001: Odyssee im Weltraum“. Je nach Wunsch: mit oder ohne Drogen.

Nils Daniel Peiler: 201 x 2001

Schüren, 2018

108 Seiten

9,90 Euro

Der Film, der das Buch inspirierte

2001: Odyssee im Weltraum (2001: A Spacy Odyssey, Großbritannien/USA 1968)

Regie: Stanley Kubrick

Drehbuch: Stanley Kubrick, Arthur C. Clarke

LV: Arthur C. Clarke: The Sentinel, 1951 (Der Wachposten, Kurzgeschichte, abgedruckt unter anderem in “Verbannt in die Zukunft” und “2001: Aufbruch zu verlorenen Welten“)

Buch zum Film: Arthur C. Clarke: 2001: A Space Odyssey, 1968 (2001: Odyssee im Weltraum)

Buch über die Dreharbeiten: Arthur C. Clarke: The lost worlds of 2001, 1972 („2001“ Aufbruch zu verlorenen Welten – Das Logbuch der Kapitäne Clarke und Kubrick)

Auf dem Mond wird ein schwarzer Monolith entdeckt. Er sendet Signale zum Jupiter. Um das Rätsel zu lösen, wird die „Discovery“ losgeschickt. Während des Flugs beginnt der Bordcomputer HAL sich über seine menschliche Besatzung so seine Gedanken zu machen.

Ein zeitloser Klassiker und ein Film, der für die große Leinwand gemacht wurde.

2001: Odyssee im Weltraum war ohne Zweifel der einflussreichste Science-Fiction-Film der sechziger Jahre. Von nun an gewann das Science-Fiction-Kino einen wahrhaft spekulativen Aspekt und folgte damit der Science-Fiction-Literatur.“ (Phil Hardy, Hrsg.: Die Science Fiction Filmenzyklopädie) Denn: „Nach all dem Kinoschwachsinn, den Heerscharen unbedarfter SF-Filmer dem Publikum bis 1969 vorgesetzt hatten, ging 2001: Odyssee im Weltraum den SF-Fans herunter wie die reinste Götterspeise.“ (Ronald M. Hahn/Volker Jansen: Lexikon des Science Fiction Films).

Mit Keir Dullea, Gary Lockwood, William Sylvester, Daniel Richter, Daniel Richter, Margaret Tyzack

Hinweise

Schüren über „201 x 2001“

Rotten Tomatoes über „2001“

Wikipedia über „2001“ (deutsch, englisch)


TV-Tipp für den 2. Mai: Rockpalast Kult: Faith No More

Mai 1, 2018

MDR, 00.35

Rockpalast Kult: Faith No More

In der gut sortierten „Rockpalast“-Mediathek ist das Konzert nicht zu finden und um die Uhrzeit dürfte es, in der richtigen Lautstärke genossen, für Ärger mit den Nachbarn sorgen. Dennoch ein Leckerbissen für Musikfans: „Faith No More“ rocken 2009 das Area4-Festival.

Hinweise

WDR über den Rockpalast

Wikipedia über Faith No More (deutsch, englisch)

Homepage von Faith No More


Cover der Woche

Mai 1, 2018