La belle saison – Eine Sommerliebe (La belle saison, Frankreich/Belgien 2015)
Regie: Catherine Corsini
Drehbuch: Catherine Corsini, Laurette Polmanss
1971 trifft die 23-jährige Delphine in Paris die Aktivistin Carole. Sie verlieben sich ineinander. Aber dann muss Delphine zurück auf den Hof ihrer Eltern. Carole folgt ihr in eine für sie vollkommen fremde Welt.
Wunderschöne, politisch grundierte Sommerromanze, die auch viel über die frühen Siebziger Jahre in Frankreich erzählt
TV-Premiere. Komödie über eine 17-jährige, die 1983 in der Provinz zwischen Politengagement, erstem Sex, eigenen und fremden Ansprüchen versucht ihren Weg zu finden und sich hoffnungslos in einen charismatischen, linksalternativen, auf einem Öko-Bauernhof lebenden, sexuell überaus aktiven Junglehrer verliebt.
Unwitziger Provinzklamauk über fremdgehende Männer und Frauen, etwas Coming of Age, ein, zwei Witze über die damals noch lebenden Nazis, mehr oder weniger passendes, oft beliebig wirkendes Zeitkolorit und viele verpasste Chancen.
Cyrus Haven, Psychologe und polizeilicher Berater, will herausfinden, vor wem Evie Cormac sich versteckt. Die Minderjährige lebt inzwischen in Langford Hall, einem sicheren Kinderheim, was eine Umschreibung für Geschlossene Anstalt für Kinder und Jugendliche ist. Vor sieben Jahren wurde sie von der Polizistin Sacha Hopewell in London in einem Haus in einer Geheimkammer entdeckt. Sieben Jahre später ist ihr richtiger Namen immer noch ist unbekannt. Auch über ihre Herkunft weiß man nichts. Man weiß noch nicht einmal, ob sie eine Engländerin oder eine Ausländerin ist. Niemand vermisst sie. Und sie schweigt eisern über ihre Vergangenheit.
Als ein pensionierter Polizist ermordet aufgefunden wird, hat Cyrus einen ersten handfesten Ermittlungsansatz. Denn der tote Polizist hatte einen seiner alten Fälle, in dem es um einen geständigen, inzwischen im Gefängnis getöteten Pädophilen und mehrfachen Kindermörder geht, wieder aufgerollt. Dabei entdeckte er eine bislang unbekannte Verbindung zwischen dem Kindermörder, der möglicherweise die Taten, die er gestanden hat, nicht begangen hat, und Evie Cormac. Es könnte also sein, dass der wahre Täter noch frei ist und von einflussreichen Menschen geschützt wird.
Das ist die Prämisse von Michael Robothams zweitem Cyrus-Haven-Roman. Sein erster Cyrus-Haven-Roman „Schweige still“ (Good Girl, Bad Girl) wurde im November mit dem Gold Dagger ausgezeichnet.
„Fürchte die Schatten“ schließt an den ersten Band an. Und, auch wenn der gestandene Krimileser schnell einen großen Teil, um nicht zu sagen die gesamte Handlung vorhersagen kann, könnte „Fürchte die Schatten“ ein vergnüglicher Thriller sein, in dem ein Psychologe und seine Freunde gegen einen scheinbar übermächtigen Pädo-Ring, der über Leichen geht, kämpfen.
Dazwischen könnte Robotham einige Informationen über wahre Fälle, die ihm sicher als Inspiration dienten, einstreuen und so die Geschichte realistischer wirken lassen. In Großbritannien gab es einige Vorfälle mit bekannten Persönlichkeiten, wie dem BBC-Moderator Jimmy Savile, über die vor allem die dortigen Medien ausführlich berichteten. Robotham könnte auch den Fall Jeffrey Epstein, der für weltweites Aufsehen sorgte, erwähnen.
Aber der Psychothriller ist, auch sprachlich, eine ziemlich dröge Angelegenheit. Robotham bedient sich beim Erzählen der Geschichte zweier Ich-Erzähler, Cyrus Haven und Evie Cormac, die von ihrer Sprache nicht zu unterscheiden sind. Er erzählt parallel von Havens Ermittlungen und seinem Leben (Wollen wir das wirklich wissen? Muss heute jeder Held eine ach so interessante Biographie und seltsame Schrullen haben? So hat der 31-jährige Single Haven kein Smartphone, sondern benutzt einen Pager und Telefonzellen, die in Großbritannien anscheinend immer noch an jeder Ecke stehen.) und von Evies Leben und, nachdem in Langford Hall ein Mordanschlag auf sie verübt wird, ihrer Flucht quer durch England. In Rückblenden erzählt Evie auch von ihrer Kindheit und ihrem damaligem Beschützer.
Am Ende des Thrillers gibt es genügend lose Enden für einen weiteren Roman mit Cyrus Haven, Evie Cormac (die jede Lüge sofort erkennt) und ihren Freunden, wozu dann auch Havens Freundin Sacha Hopewell, die ihm ein Mobiltelefon schenkt, gehört.
Wahrscheinlich werden sie dieses Abenteuer ohne mich erleben.
The Kindergarten Teacher (The Kindergarten Teacher, USA/Israel/Großbritannien/Kanada 2018)
Regie: Sara Colangelo
Drehbuch: Sara Colangelo (basierend auf dem israelischem Film „Ich habe ein Gedicht“ von Nadav Lapid)
Die New Yorker Kindergärtnerin Lisa Spinelli glaubt, in Jimmy, einem ihrer Schützlinge, ein überragendes dichterisches Talent entdeckt zu haben. Sie will Jimmy fördern. Und überschreitet dabei alle professionellen Grenzen.
TV-Premiere. Hochgelobtes Drama, das nach seiner Premiere auf dem 2018er Sundance Festival zum Netflix-Film wurde. Bei uns wurde das Drama 2019 auf DVD veröffentlicht.
„Ein ruhig und präzise, mit großem Gespür für zwischenmenschliche Interaktionen inszeniertes Psychodrama um eine komplexe, ebenso faszinierende wie abgründige Frauenfigur.“ (Lexikon des internationalen Films)
mit Maggie Gyllenhaal, Parker Sevak, Gael Garcia Bernal, Anna Baryschnikov
Andrew und der mit ihm befreundete Fotoreporter Carlos sind gerade auf dem Rückweg von einem Routineauftrag, als sie bei Poza Rica eine besonders grausam zugerichtete Leiche entdecken. Carlos will einige Fotos machen. Sie werden von der Guardia Civil erwischt und nach Hause geschickt. Weil die Polizisten anschließend die Leiche vom Tatort entfernen, möchte Carlos mehr erfahren.
Kurz darauf ist er tot. Gefoltert und bestialisch ermordet.
Andrew, der seit Ende 2012 als freier Journalist in Mexiko arbeitet und um seinen Freund trauert (ja, sie waren ein Paar), beginnt mit Recherchen in der Ölhauptstadt Poza Rica. Er stochert in dem dortigen Geflecht von Polizei, Organisiertem Verbrechen, Wirtschaft und Söldnern, die als Angestellte von Sicherheitsfirmen den dortigen internationalen Unternehmen helfen, herum. Denn der Tote, Julián Gallardo, war Student und Umweltaktivist. Mit seinen öffentlichkeitswirksamen Aktionen war er eine Bedrohung für die umweltverschmutzende, vom Drogenhandel profitierende und die Umwelt verschmutzende Wirtschaft.
„Der erste Tote“ ist ein überzeugendes Debüt, das von Tim MacGabhanns schnörkelloser Hardboiled-Sprache, seiner Ortskenntnis und seinem Wissen über die Situation in Mexiko profitiert. Mac Gabhann ist, wie sein Ich-Erzähler Andrew, Ire und in Mexico City lebender Journalist.
Der Kriminalfall selbst bietet wenige Überraschungen. Einerseits, weil wir dank zahlreicher Reportagen, Bücher (unter anderem von Don Winslow und Sam Hawken), Spielfilme (zum Beispiel „Sicario“) und Serien (zum Beispiel „Narcos“) einen halbwegs guten Überblick über die Situation in Mexiko und den in den vergangenen Jahren blutig eskalierenden Drogenkrieg haben. Andererseits weil vieles von Andrew schnell aufgedeckt wird. Eigentlich alle Menschen, mit denen er während seiner Recherche redet, erzählen ihm ausführlich von ihrem kriminellem Leben und sie haben nichts dagegen, dass der Journalist, den sie nicht kennen, ihre Gespräche aufnimmt und später in einer Reportage verwendet. Das erscheint mir etwas unglaubwürdig. Aber so gelingt es Tim MacGabhann, schnell viele Informationen zu vermitteln. Er zeigt auch, wie die Verbrechensökonomie funktioniert und wie die USA seit Jahrzehnten darin involviert ist.
Nach schlanken zweihundertfünfzig Seiten (ein weiterer Pluspunkt von „Der erste Tote“) ist Andrews erstes Abenteuer vorbei. Sein nächstes Abenteuer „How to be Nowhere“ erschien im Original bereits im Sommer 2020. Ein deutscher Erscheinungstermin steht noch nicht fest.
Wegen dem Internatiolem Frauentag am 8. März und weil es einfach gute Filme sind, empfehle ich in den nächsten Tagen einige Filme mit starken Frauen. Beginnend mit
Tele 5, 20.15
Nichts als die Wahrheit(Nothing but the truth, USA 2008)
Regie: Rod Lurie
Drehbuch: Rod Lurie
Journalistin Rachel Armstrong veröffentlicht eine Story über die in ihrer Nachbarschaft lebende CIA-Agentin Erica Van Doren und ihr Memo, das die Begründung der US-Regierung für einen Anschlag gegen Venezuela als Lüge entlarvt. Kurz darauf lässt der von der Regierung mit der Suche nach der undichten Stelle beauftragte Staatsanwalt Dubois die Journalistin im Gerichtssaal in Beugehaft nehmen. Sie soll ihre Quelle (und damit ihre Berufsstandards) verraten.
Top besetztes und gespieltes, zum Nachdenken anregendes Drama über Pressefreiheit und Staatsmacht.
Die von Rod Lurie erfundene Geschichte ist lose inspiriert von dem wahren Fall der von der Bush-Regierung enttarnten CIA-Agentin Valerie Plame.
mit Kate Beckinsale, Matt Dillon, Angela Bassett, Alan Alda, Vera Farmiga, David Schwimmer, Courtney B. Vance
Leichen pflastern seinen Weg (Il grande silenzio, Italien/Frankreich 1968)
Regie: Sergio Corbucci
Drehbuch: Sergio Corbucci, Mario Amondola, Vittoriani Petrilli, Bruno Corbucci
Kultiger Schneewestern, den Quentin Tarantino auch als eines der Vorbilder für seinen Schneewestern „The Hateful 8“ nennt. Der Plot für das, den Zeitgeist treffenden, muntere Töten mit gesellschafts- und kapitalismuskritischer Agenda: der stumme Silenzio (Trintignant), der nur in Notwehr tötet, soll den skrupellosen Kopfgeldjäger Loco (Kinski) töten.
„Mit ‚Leichen pflastern seinen Weg‘ schuf Corbucci im Übergang zu den 70er-Jahren den ebenso melancholischen wie bitteren Abgesang auf ein bereits im Verfall begriffenes Genre, den Italo-Western. In jeder Einstellung merkt man Corbucci die Bemühung an, ein letztes, ultimatives Bild zu finden für eine erstarrende, in Korruption und Hass erstickende Welt, überzogen von einer endlosen, eher stumpfen als glitzernden Schneedecke.“ (Marcus Stigglegger in Filmgenres: Western)
Die Musik ist von Ennio Morricone.
Und eigentlich sollte man den Film auf der großen Leinwand sehen.
mit Jean-Louis Trintignant, Klaus Kinski, Frank Wolff, Vonetta McGee
Joe Hill, Sohn eines durchaus bekannten Schriftstellers und inzwischen auch selbst ein bekannter und mehrfach verfilmter Horrorautor, veröffentlichte seinen letzten Roman „The Fireman“ (Fireman) 2016. Seitdem konzentrierte er sich auf andere Dinge, wie die Comic-Anthologie-Reihe „Hill House Comics“. In ihr erscheinen seit Dezember 2019 in sich abgeschlossene Horrorgeschichten von ihm und anderen Autoren. Auch die Zeichner wechseln mit jeder Geschichte.
Den Auftakt machte „Ein Korb voller Köpfe“, geschrieben von Joe Hill, gezeichnet von Leomacs und Riccardo la Bella. In diesem 1983 spielendem Thriller mit einem übernatürlichem Element sind vier verurteilte Straftäter auf der in Maine liegende Insel Brody Island flüchtig. Sofort beginnt die vom örtlichen Sheriff angeführte Jagd.
Für Liam Ellsworth, der während des Sommers als Praktikant für die Inselpolizei arbeitete, ist es der letzte Arbeitstag. Seine Freundin June Branch besucht ihn und gemeinsam sollen sie, während der Sheriff und seine Männer die Flüchtlinge jagen, das Haus des Sheriffs bewachen. Dort, so glaubt der Sheriff, seien sie sicher.
Da brechen die Flüchtlinge in das Haus ein und verwüsten es. Sie foltern Liam und verschleppen ihn in den Wald. Als June aus ihrem Versteck kommt, trifft sie auf einen der Flüchtlinge, der das Haus bewachen soll. Er greift sie an. Sie schnappt sich eine historische Wikinger-Axt und schlägt ihm den Kopf ab. Und entgegen aller Erwartungen ist der Verbrecher danach nicht tot. Sein Kopf ist weiterhin quicklebendig und redselig.
Auf der Suche nach ihrem Freund trifft June in der stürmischen Nacht auf weitere Männer, die sie angreifen, von ihr geköpft werden und in dem titelgebenden „Korb voller Köpfe“ landen.
Im Grunde ist „Ein Korb voller Köpfe“ ein klassischer Survival-Thriller mit Noir-Elementen. Denn Hill zeichnet eine Welt, in der jeder jeden betrügt und alle hinter einem belastenden Tonband her sind. Auf dem Tonband soll Liam als Undercover-Agent seine Gespräche mit seinen Kollegen aufgezeichnet haben. Dazu kommen als Horrorelement die sprechenden Männerköpfe mit teilweise äußerst witzigen Dialogen. Das ergibt einen spannenden Thriller mit feministischen Untertönen und einer gelungenen Schlußpointe.
Auch in den anderen auf deutsch veröffentlichten „Hill House Comics“ haben Frauen eine zentrale Rolle und es gibt eine feministische Botschaft.
In „Das Puppenhaus“, geschrieben von M. R. Carey (aka Mike Carey), gezeichnet von Peter Gross, die bereits bei „Lucifer und „The Unwritten“ zusammen gearbeitet haben, erhält die kleine Alice 1979 von ihrer verstorbenen Großtante ein 1828 angefertigtes Puppenhaus mit besonders echt aussehenden Bewohnern.
Alice beginnt mit den Puppen zu spielen. Und erfährt von ihnen einen Zauberspruch, der es ihr ermöglicht zu schrumpfen und im Puppenhaus mit den Bewohnern Zeit zu verbringen. Dummerweise hat das Puppenhaus ein düsteres Geheimnis. Und das Haus hat einen mörderischen Einfluss auf Alice.
Carey und Gross erzählen die Geschichte des Hauses und seiner Bewohner über mehrere Jahrhunderte. Dieser komplexe Aufbau führt dazu, dass die Geheimnisse des Hauses, die hier noch nicht einmal angedeutet werden sollen, nur langsam enthüllt werden.
Von den drei „Hill House Comics“-Geschichten ist „Das Puppenhaus“, auch weil große Teile der Geschichte im 19. Jahrhundert in England spielen, am nächsten an einer traditionellen Gothic-Horror-Story.
Im bislang letzten Band der „Hill House Comics“-Reihe „Im tiefen, tiefen Wald“ geht es in das Kaff Shudder-to-Think in Pennsylvania. Shudder-to-Think war eine prosperierende Kohlestadt. Die gesamte Gegend atmete Kohle und schwitzte sie aus. Heute ist das nur noch eine Erinnerung zwischen dampfenden Erdspalten, leer stehenden und verfallenen Häusern und Anwesen, die als Party-Location für die wenigen Jugendlichen dienen. Die meisten Menschen sind weg gezogen.
Die Teenager Octavia und Eldora sind beste Freundinnen. Kennen lernten sie sich vor Jahren im Wald, in den sie nicht allein gehen sollten. Als Octavia von einem Wesen, das wie ein enthäuteter Mensch aussieht, angefallen wird, kann Eldora ihr helfen. Seitdem sind sie beste Freundinnen, die viel Zeit miteinander verbringen.
Jahre nach der Begegnung mit dem Waldwesen gehen sie als Teenager zusammen ins Kino und verschlafen den Film. Sie glauben, dass in dieser Zeit etwas mit ihnen geschehen ist. Sie wollen herausfinden, was mit ihnen geschehen ist.
Auf ihrer Suche nach Antworten müssen sie sich mit der Geschichte der Stadt, Mythen, Aberglaube und verdrängten Erinnerungen.
„Im tiefen, tiefen Wald“ wurde von Carmen Maria Machado (die Autorin gibt hier ihr Comicdebüt) geschrieben und von Dani gezeichnet. Sie erzählen eine Coming-of-Age-Geschichte, die auch von Stephen King stammen könnte; – der hätte sie natürlich vollkommen anders erzählt.
Die ersten drei in der „Hill House Comics“-Reihe veröffentlichten Geschichten sind, bei allen Unterschieden gelungene Horrorgeschichten mit überraschenden Wendungen und starken Heldinnen.
So fürchterlich kann es weitergehen.
Joe Hill/Leomacs/Dave Stewart: Ein Korb voller Köpfe
(übersetzt von Gerlinde Althoff)
Panini, 2020
188 Seiten
20 Euro
–
Originalausgabe
Basketful of Heads # 1 – 7
DC Black Label/Hill House Comics, Dezember 2019 – Juli 2020
M. R. Carey/Peter Gross: Das Puppenhaus
(übersetzt von Gerlinde Althoff)
Panini, 2020
164 Seiten
19 Euro
–
Originalausgabe
The Dollhouse Family # 1 – 6
DC Black Label/Hill House Comics, Januar – Juni 2020
Carmen Maria Machado/Dani: Im tiefen, tiefen Wald
(übersetzt von Gerlinde Althoff)
Panini, 2020
164 Seiten
19 Euro
–
Originalausgabe
The low, low Woods # 1 – 6
DC Black Label/Hill House Comics, Februar – August 2020