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Schon vor zwei Jahren, als „City on Fire“ erschien, sagte Don Winslow, dass die Trilogie um Danny Ryan seine letzten Romane seien. Er höre mit dem Schreiben auf, um als politischer Aktivist den Trumpismus zu bekämpfen. „City in Ruins“, der fulminante Abschluss der Trilogie, ist somit sein letztes Buch.
Der Thriller beginnt sechs Jahre nach „City of Dreams“, dem zweiten Band der Trilogie. In dem Roman flüchteten Danny Ryan und seine verbrecherischen, ebenfalls zur irischen Mafia von Providence, Rhode Island, gehörenden Freunde quer durch die USA. Nach den Ereignissen aus „City on Fire“ mussten sie ihre Heimat verlassen. Die italienische Mafia, die Polizei, das FBI und andere Gangster wollten sie aus verschiedenen Gründen tot sehen. Und die große, spurlos verschwundene Heroinlieferung haben.
Am Ende von „City of Dreams“ hatten die Mafiosi an verschiedenen Orten in den USA einen mehr oder weniger sicheren Unterschlupf gefunden. Sie begannen, entgegen ihres Lebensplans, ein bürgerliches Leben.
1997 lebt Danny in Las Vegas. Er ist alleinerziehender Vater, Multimillionär und offiziell Geschäftsführer der in Las Vegas erfolgreich mehrere Casinos betreibenden Tara Group. In Wirklichkeit ist er, gegen die Glücksspielgesetze verstoßend, Teilhaber. Er will weiter expandieren und ein neues Hotel mit noch nie gesehenen Attraktionen bauen. Im Alltagsgeschäft konzentriert er sich in seinen Casinos nicht auf das Glücksspiel, sondern auf Familien-Entertainment und eine Rundum-Versorgung der Gäste, die wieder kommen sollen. Verbrechen, illegale Geschäfte und Verflechtungen mit der Mafia werden in diesen Jahren in Las Vegas unwichtiger. Dannys Las Vegas ist das Las Vegas, das in Martin Scorseses „Casino“ für den Mafiosi Sam „Ace“ Rothstein (Robert de Niro) am Ende des Films der Alptraum, der Untergang seiner Welt, ist.
Don Winslow beschreibt in kurzen Kapiteln, wie Danny versucht, seine Pläne zu verwirklichen und er dabei in immer größere Schwierigkeiten gerät. Obwohl Konkurrenten jetzt primär mit legalen Mitteln bekämpft werden, stapeln sich die Leichen.
Neben Dannys Geschichte erzählt Winslow auch weiter über das Leben der anderen aus „City on Fire“ bekannten Figuren; – solange sie nicht verstorben sind. Sie sind älter, aber ihre damaligen Taten als Kriminelle beeinflussen immer noch ihr Leben.
Für Spannung ist also gesorgt. Und während „City of Dreams“ ohne Kenntnis des ersten Bands kaum verständlich war, kann „City in Ruins“ auch vollkommen separat gelesen werden. Winslow versorgt die Leser mit den nötigen Informationen. Trotzdem ist eine chronologische Lektüre der gesamten Trilogie besser und befriedigender.
Winslows in Las Vegas spielender faktengesättigter Thriller ist der fulminante Abgesang auf das Ende einer Ära. Danach war die traditionelle, aus zahlreichen Romanen und Filmen bekannte Mafia tot. Gleichzeitig zeigt Winslow in seinem zwischen 1986 und 1998 spielendem Epos (mit einem kurzen 2023 spielendem Epilog) wie das Leben weitergeht und wie sich Einstellungen und Lebensstile verändern. Dabei stellt Winslow auf jeder Seite des dritten Bandes der Trilogie die Frage, wie sehr jeder für seine Sünden büßen muss, ob Erlösung möglich ist und wie Zufälle Leben bestimmen.
„City in Ruins ist ein grandioser Abschluss einer überzeugenden Trilogie und ein verdammt gelungener Kriminalroman, der die Regeln des Genres gleichzeitig befolgt und dehnt. Trotzdem ist „City in Ruins“ für mich kein „Roman“, sondern ein waschechter Krimi, ein Thriller und Pageturner, der den Leser mit der ersten Seite packt und knapp 450 Seiten später wieder entlässt.
Das ergibt, wenig überraschend, eine unbedingte Leseempfehlung.
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Don Winslow im Maschinenhaus der Kulturbrauerei, Berlin, 26. Mai 2022 (Foto: Axel Bussmer)
Ob „City in Ruins“ wirklich Don Winslows letzter Roman ist? Das wissen wir erst in einigen Jahren. Im Moment ist für ihn das Verhindern einer zweiten Trump-Präsidentschaft wichtiger. Möge er erfolgreich sein.
Für alle, die erst jetzt Don Winslow entdecken, bricht dennoch eine tolle Zeit an. Denn sie können in den kommenden Monaten alle seine vorherigen Werke entdecken. Auch sein schlechtester Roman ist immer noch verdammt gut. Ein guter Einstieg ist „Tage der Toten“ (The Power of the Dog), seine umfangreiche, faktengesättigte Chronik des ‚war on drugs‘ und sein Durchbruch beim großen Publikum. Wem der Roman zu lang ist, kann mit einem seiner in Florida spielenden Romane beginnen. Sie sind alle sehr gut, wurden mit vielen wichtigen Krimipreisen ausgezeichnet und sie begründeten unter Krimifans seinen exzellenten Ruf. Und dann gibt es noch die Neal-Carey-Serie. Diese fünf Privatdetektiv-Krimis, die gleichzeitig seine ersten Krimis sind, sind witziger und absurder als seine später geschriebenen Romane. Sie sind gelungene Mischungen aus pulpigen Abenteuergeschichten und Krimikomödien.
Die anderen können natürlich noch einmal die Bücher von Don Winslow lesen. Oder sie werfen einen Blick auf die Werke der Autoren, die Don Winslow in seiner Danksagung als die Kollegen nennt, die ihm halfen und mit denen er freundschaftlich verbunden ist. Es sind: „Michael Connelly, Robert Parker, Elmore Leonard, Lawrence Block James Ellroy, T. Jefferson Parker, Adrian McKinty, Steve Hamilton, Lee Child, Lou Berney, Anthony Bourdain, Ian Rankin, John Katzenbach, John Sandford, Joseph Wambaugh, Gregg Hurwitz, David Corbett, TJ Newman, Mark Rubenstein, Jon Land, Richard Ford, Pico Iyer, Meg Gardiner, Dervla McTiernan, Reed Farrel Coleman, Ken Bruen, Jake Tapper, John Grisham, David Baldacci und so viele andere. (…) Mein besonderer Dank gilt natürlich dem großen Stephen King. Wie freundlich, gütig und großzügig du zu mir warst.“
Auch wenn gestandene Krimifans die meisten der hier genannten Autoren bereits seit einigen Jahren kennen sollten, kann die Danksagung mühelos als Post-Don-Winslow-Leseliste gelesen werden.
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Don Winslow: City in Ruins
(übersetzt von Conny Lösch)
HarperCollins, 2024
448 Seiten
24 Euro
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Originalausgabe
City in Ruins
William Morrow, New York, 2024
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Hinweise (ein gewisses Fantum ist unübersehbar)
Perlentauscher über „City in Ruins“
Book Marks über „City in Ruins“
Homepage von Don Winslow
Wikipedia über Don Winslow (deutsch, englisch)
Meine Besprechung von Don Winslows “London Undercover – Neal Careys erster Fall” (A cool Breeze on the Underground, 1991)
Meine Besprechung von Don Winslows “China Girl – Neal Careys zweiter Fall” (The Trail to Buddha’s Mirror, 1992)
Meine Besprechung von Don Winslows „Way Down on the High Lonely – Neal Careys dritter Fall“ (neue Übersetzung von „Das Schlangenmaul“; Way Down on the High Lonely, 1993)
Meine Besprechung von Don Winslows „A long Walk up the Water Slide – Neal Careys vierter Fall“ (A long Walk up the Water Slide, 1994)
Meine Besprechung von Don Winslows „Palm Desert – Neal Careys fünfter Fall“ (While Drowning in the Desert, 1996)
Meine Besprechung von Don Winslows „Bobby Z“ (The Death and Life of Bobby Z, 1997)
Meine Besprechung von Don Winslows „Die Sprache des Feuers“ (California Fire & Life, 1999)
Meine Besprechung von Don Winslows „Tage der Toten“ (The Power of the Dog, 2005)
Meine Besprechung von Don Winslows „Pacific Private“ (The Dawn Patrol, 2008)
Meine Besprechung von Don Winslows „Pacific Paradises“ (The Gentlemen’s Hour, 2009)
Meine Besprechung von Don Winslows “Savages – Zeit des Zorns” (Savages, 2010)
Meine Besprechung von Don Winslows „Satori“ (Satori, 2011)
Mein Interview mit Don Winslow zu “Satori” (Satori, 2011)
Meine Besprechung von Don Winslows “Kings of Cool” (The Kings of Cool, 2012)
Meine Besprechung von Don Winslows „Vergeltung“ (Vengeance, 2014 – noch nicht erschienen)
Meine Besprechung von Don Winslows „Missing. New York“ (Missing. New York, 2014 – noch nicht erschienen)
Meine Besprechung von Don Winslows „Das Kartell“ (The Cartel, 2015)
Meine Besprechung von Don Winslows „Germany“ (Germany, 2016 – noch nicht erschienen)
Meine Besprechung von Don Winslows „Broken – Sechs Geschichten“ (Broken, 2020)
Meine Besprechung von Don Winslow „City of Dreams“ (City of Dreams, 2023)
Mein Hinweis auf Don Winslows „London Undercover – Neal Careys erster Fall“ (A Cool Breeze on the Underground, 1991)
Mein Hinweis auf Don Winslows „Jahre des Jägers“ (The Border, 2019)
Mein Hinweis auf Don Winslows Lesereise zu „City on Fire“ (City on Fire, 2022) – und ein Bild von der Lesung
Meine Besprechung von Oliver Stones Don-Winslow-Verfilmung „Savages“ (Savages, USA 2012)
Don Winslow in der Kriminalakte
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