Neu im Kino/Filmkritik: „Lady Bird“, eine Jugend in der Provinz

April 20, 2018

Anybody who talks about California hedonism has never spent a Christmas in Sacramento.

Joan Didion

Greta Gerwig ist nicht Lady Bird. Sie inszenierte den Film nur nach ihrem Drehbuch und, um jetzt gleich die offensichtliche Frage zu beantworten, obwohl der Film 2002 in Sacramento spielt, ist er nicht autobiographisch. Jedenfalls nicht im strengen Sinn. „Lady Bird“ erzählt eine erfundene Geschichte über eine junge Frau, die, wie Gerwig, in Sacramento lebt, auf eine katholische Mädchenschule geht und nach New York will.

Lady Bird ist Christine McPherson, gespielt von Saoirse Ronan und, nun, sie ist Lady Bird. Ein Teenager im letzten Highschooljahr. Ausgesetzt all den Gefühlsstürmen und Unsicherheiten, die man in diesem Alter hat. Vor allem wenn man aus einer armen Familie kommt und sich als Outcast fühlt. Ihre Mutter verdient als Krankenschwester das Geld für die Familie. Sie will ihrer Tochter die Flausen austreiben und eine realistische Perspektive auf ihr künftiges Leben vermitteln. Sie haben einfach nicht das Geld, um ihrer Tochter das teure Studium in New York zu bezahlen. Ihr gebildeter, arbeitsloser Vater sieht das wesentlich entspannter und verständnisvoller. Und ihr Bruder ist gar nicht ihr Bruder, sondern adoptiert und konkurriert mit ihrem Vater um die gleichen IT-Stellen.

An der Schule kämpft sie sich durch, hängt mit ihrer Freundin ab, wäre gerne bei dem coolen Jungs und Mädchen und natürlich geht es um den ersten Sex.

So gesagt unterscheidet sich „Lady Bird“ nicht von unzähligen anderen Highschool-Komödien. Sie erzählen Episoden aus dem Leben Jugendlicher in einer bestimmten Periode ihres Lebens. Meistens sind die Filme Ensemblefilme. Das ermöglicht es dem Regisseur, viele verschiedene Geschichten, Episoden und auch Perspektiven über das Erwachsenwerden einzubringen. Meistens ist es auch ein rein männlicher Blick, genau gesagt: der Blick des weißen Mannes.

Fast immer enden diese Filme mit einem von Außen bestimmten Ereignis, wie der Abschlussfeier oder dem Tag nach der letzten Nacht in dem geliebt/gehassten, vertrauten Geburtsort, der dann „Dazed and Confused“ in eine fremde Welt verlassen wird. Und, auch wenn wir die US-amerikanischen Schulen nur aus den Filmen kennen, sind die Filme immer wie ein Blättern in einem Bildband oder dem Karton mit den Jugendfotos, die Erinnerungen wecken.

Greta Gerwig erzählt ihren Film dagegen aus der weiblichen Perspektive und das eröffnet dem Genre neue Perspektiven. Sie hat einen sehr wahrhaftigen und authentischen Blick auf ihre Charaktere, die fast durchgängig Frauen sind. Auch die Lehrer sind, immerhin besucht Lady Bird eine katholische Mädchenschule, weiblich. Und wann hat man zuletzt eine Nonne als Lehrerin und als durchaus positive Respektsperson in einem Film gesehen? Die Männer, vor allem die jungen Männer, müssen sich da als Objekt der Begierde mit Nebenrollen begnügen.

Keine Nebenrolle haben dagegen, – auch hier unterscheidet „Lady Bird“ sich von anderen Highschool-Komödien -, die Eltern von Lady Bird. Vor allem ihre Beziehung zu ihrer Mutter, mit der sie eine wahre Hassliebe verbindet, nimmt viel Leinwandzeit in Anspruch.

So werden die Episoden aus Lady Birds chaotischem (Gefühls)Leben mehr als in anderen Highschool-Komödien zu einer Geschichte. Gerwig zeichnet eine Entwicklung nach, die erst in New York endet. Jedenfalls in diesem Film. Wer will kann nämlich in „Frances Ha“ (wo Gerwig Co-Autorin war und die Hauptrolle spielte), ohne große Anstrengungen, eine Art Weiterzählung von „Lady Bird“ sehen.

Am Ende von „Lady Bird“ erscheint Sacramento gar nicht so schlimm, wie Joan Didion, eine andere bekannte gebürtige Sacramentoerin (Ist das ein Wort?), behauptet. Jedenfalls nicht schlimmer als irgendein x-beliebiges Provinzkaff.

Lady Bird (Lady Bird, USA 2017)

Regie: Greta Gerwig

Drehbuch: Greta Gerwig

mit Saoirse Ronan, Laurie Metcalf, Tracy Letts, Lucas Hedges, Timothée Chalamet, Beanie Feldstein, Stephen McKinley Henderson, Lois Smith, Odeya Rush, Jordan Rodrigues, Marielle Scott

Länge: 95 Minuten

FSK: ab 0 Jahre

Hinweise

Deutsche Facebook-Seite zum Film

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „Lady Bird“

Metacritic über „Lady Bird“

Rotten Tomatoes über „Lady Bird“

Wikipedia über „Lady Bird“ (deutsch, englisch)

History vs. Hollywood über „Lady Bird“ (oder Wie autobiographisch ist Greta Gerwigs fantastisches Regiedebüt?)

Realizing Lady Bird (Achtung: enthält Spoiler und nervige Musik)

https://www.youtube.com/watch?v=xT23PMOSnAk


TV-Tipp für den 20. April: Jade

April 20, 2018

3sat, 22.25

Jade (Jade, USA 1995)

Regie: William Friedkin

Drehbuch: Joe Eszterhas

Staatsanwalt Corelli soll den Mord an einem Kunstsammler aufklären. Der verdiente sein Geld, zusammen mit dem verschwundenen Callgirl Jade, als Erpresser. Eine heiße Spur führt Corelli zu seiner jetzt mit einem Studienkollegen verheirateten College-Liebe. Einer Psychologin.

Jade“ ist im Endeffekt ein schlechtes Remake von „Basic Instinct“, das auch „French Connection“-Regisseur William Friedkin nicht retten kann.

enttäuschender Abklatsch früherer Erfolge, mit viel Aufwand allerdings auf Hochglanzformat gebracht.“ (Fischer Film Almanach 1997)

Eszterhas und Caruso waren für jeweils einen Razzie nominiert.

Joe Eszterhas war damals der höchstbezahlte Drehbuchautor. „Flashdance“, „Das Messer“, „Verraten“, „Music Box, „Basic Instinct“ (sein bekanntester Film), „Sliver“ und „Showgirls“ sind seine bekanntesten Werke. Seit über zwanzig Jahren wurde, abgesehen von „Children of Glory“ (wo er sich den Drehbuchcredit mit drei anderen Autoren teilt), keines seiner Drehbücher mehr verfilmt.

David Caruso war damals mit „NYPD Blue“ zum Star geworden und verließ die Polizeiserie (die nach seinem Ausstieg noch viele, viele Jahre sehr erfolgreich im US-TV lief) zugunsten einer Kinokarriere. „Jade“ sollte der Beginn sein. Der Thriller war kein Erfolg. Die Kinokarriere ebenfalls nicht. 2002 kehrte er ins Fernsehen zurück. Zehn Jahre spielte er in „CSI: Miami“ Horatio Caine. Seit dem Ende der Serie 2012 ist er im Ruhestand.

mit David Caruso, Linda Forentino, Chazz Palminteri, Michael Biehn, Richard Crenna

Hinweise

Rotten Tomatoes über „Jade“

Wikipedia über „Jade“ (deutsch, englisch)


Neu im Kino/Filmkritik: Denzel Washington ist „Roman J. Israel, Esq. – Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit“

April 19, 2018

Roman J. Israel hat sich in Los Angeles sein Reich geschaffen. Er ist ein brillanter Anwalt und Bürgerrechtler, der in seiner bis zur Zimmerdecke mit juristischen Texten vollgestopften Gelehrtenkammer Schriftsätze formuliert, die sein Kanzleipartner William Henry Jackson vor Gericht verteidigt. In der Szene ist er bekannt. In der Öffentlichkeit ist er ein Sonderling. Allein in einem 1-Zimmer-Apartment mit Erinnerungen an die Helden der Bürgerrechtsbewegung und vielen Schallplatten aus den siebziger Jahren (Herrje, ich will diese Wohnung haben!) in einer schlechten Gegend lebend, nicht an Äußerlichkeiten interessiert, kontaktscheu, introvertiert, mit einem enzyklopädischen Gedächtnis und einem untrüglichen Gerechtigkeitssinn. Er lebt noch in den sechziger und siebziger Jahren, als Männer selbstverständlich aufstanden, um einer Frau ihren Platz anzubieten.

Als Jackson nach einem Schlaganfall in ein Koma fällt, wird die Kanzlei aufgelöst. Einerseits, weil sie sowieso schon seit Jahren defizitär war, andererseits weil Israel keine Erfahrung als Verteidiger in Prozessen hat und er aufgrund seiner Persönlichkeit auch der denkbar schlechteste Anwalt für ein öffentliches Verfahren ist. George Pierce, ein Student von Jackson und Leiter einer großen, modernen, profitorientierten Anwaltskanzlei, übernimmt Jacksons restliche Mandanten und, nach kurzem Zögern, auch Israel. Einige Pro-Bono-Fälle sind gut für das Image, denkt er sich, und Israel scheint dafür der geeignete Mann zu sein.

Dummerweise hat Israel Probleme, sich anzupassen. Er kann und will die Regeln in Pierces Firma nicht befolgen. Er lernt Maya Alston kennen. Sie ist eine junge, engagierte Verfechterin von Gleichberechtigungsklagen, die eine Zweigstelle einer landesweit organisierten Freiwilligenorganisation für Bürgerrechtsklagen ist.

Roman J. Israel, Esq. – Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit“, der neue Film von „Nightcrawler“-Regisseur Dan Gilroy, ist vor allem ein Denzel-Washington-Solo. Washington spielt Roman J. Israel überzeugend als menschenscheuen, nicht auf seine Umwelt achtenden Sonderling. Für seine Darstellung wurde er unter anderem, als bester Hauptdarsteller, für den Oscar, den Golden Globe, den Screen Actors Guild Award (chancenlos gegen „Churchill“ Gary Oldman) und den Black Reel Award (chancenlos gegen „Get out“ Daniel Kaluuya) nominiert.

Auch die anderen Schauspieler, wie Colin Farell als George Pierce und Carmen Ejogo als Maya Alston, sind gut.

Aber das Drehbuch mäandert ziellos vor sich hin. Die einzelnen Szenen sind zwar gelungen, aber eine richtige Geschichte ist nicht erkennbar. Haupt- und Nebengeschichten werden niemals sinnvoll und sich verstärkend angeordnet. Die Anklage gegen ein überfordertes Justizsystem, das sich nicht für den einzelnen Menschen, sondern für reibungslose Verfahren interessiert, ist erkennbar, aber sie steht nicht im Mittelpunkt.

Der Noir-Krimiplot, in dem Israel das Gesetz in die eigenen Hände nimmt und, obwohl er es nicht dürfte, eine versprochene Belohnung kassiert, ist ebenfalls eher nebensächlich.

Seine Wandlung von einem Außenseiter zu einem sich wenigstens äußerlich in Pierces Firma anpassend und seinen unverdienten Reichtum genießenden Mann kommt zu plötzlich und ist auch nicht aus dem Charakter heraus motiviert.

Alles das könnte mit einem starken Ende geheilt werden. Aber anstatt die Geschichte von Roman J. Israel, Esq. mit einem Ende enden zu lassen, das der vorherigen Geschichte eine eindeutige ihre Botschaft verleiht, präsentiert Gilroy mehrere, sich mehr oder weniger im Weg stehende Enden, die teilweise sogar die vorherige Geschichte konterkarieren.

Gilroys menschelnde Charakterstudie „Roman J. Israel, Esq.“ erreicht niemals die Kraft von seinem hochkonzentrierten und auch zynischem Spielfilmdebüt „Nightcrawler“.

Aber als Denzel-Washington-Solo überzeugt das Drama restlos.

Roman J. Israel, Esq. – Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit (Roman J. Israel, Esq., USA 2017)

Regie: Dan Gilroy

Drehbuch: Dan Gilroy

mit Denzel Washington, Colin Farrell, Carmen Ejogo, Lynda Gravátt, Amanda Warren, Hugo Armstrong, Sam Gilroy, Esperanza Spalding

Länge: 123 Minuten

FSK: ab 6 Jahre

Hinweise

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Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „Roman J. Israel, Esq.“

Metacritic über „Roman J. Israel, Esq.“

Rotten Tomatoes über „Roman J. Israel, Esq.“

Wikipedia über „Roman J. Israel, Esq.“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Dan Gilroys „Real Steel“ (Real Steel, USA 2011, Regie: Shawn Levy)

Meine Besprechung von Dan Gilroys „Das Bourne-Vermächtnis“ (The Bourne Legacy, USA 2012, Regie: Tony Gilroy)

Meine Besprechung vom Dan Gilroys „Nightcrawler – Jede Nacht hat ihren Preis“ (Nightcrawler, USA 2014)

Heute online gegangen: Der Trailer zu Denzel Washingtons nächstem Film


Neu im Kino/Filmkritik: Drei „Ghost Stories“ in einem very british Horrorfilm

April 19, 2018

Professor Philip Goodman ist ein Skeptiker. Geister und übersinnliche Begegnungen gibt es in seiner Welt nicht. Wer das behauptet, irrt sich oder will gutgläubigen Menschen das Geld aus der Tasche ziehen. Goodmans Lebensaufgabe ist das Enttarnen von Scharlatanen. Am liebsten vor laufender Kamera in seiner TV-Sendung „Psychic Cheats“.

Da erreicht ihn eine Nachricht von Charles Cameron, dem seit Ewigkeiten verschwundenem Idol von Goodman. Cameron haust inzwischen in der Einöde in einem schmuddeligen Wohnwagen und steckt in einer ausgewachsenen Sinnkrise. Er bittet Goodman, sich drei Fälle paranormaler Begegnungen anzusehen, für die er keine rationalen Erklärung gefunden hat. Für ihn sind sie der Beweis, dass es übernatürliche Kräfte gibt.

Nach diesem Anfang folgen wir in Andy Nyman und Jeremy Dysons Horrorfilm „Ghost Stories“ Goodman bei der Überprüfung der Fälle. Er unterhält sich mit den Menschen, die diese übernatürliche Erfahrungen hatten und Rückblenden illustrieren die Ereignisse. So begegnet, in der ersten und längsten Episode des Films, ein Nachtwächter in einem früheren Irrenhaus Geistern. In der zweiten Episode bleibt, nach einem Unfall, das Auto eines Zwanzigjährigen im Wald liegen und es geschehen unheimliche Dinge. In der dritten und kürzesten Episode wird ein arroganter Geschäftsmann der während der Schwangerschaft seiner Frau von einem Poltergeist genervt.

In dieser Episode darf Martin Freeman als Geschäftsmann laut und herrisch gegen sein Filmimage anspielen. Freemans Freude daran ist unüberseh- und -hörbar.

Der Film von Nyman und Dyson basiert auf ihrem Theaterstück, das im Februar 2010 im Liverpool Playhouse seine Premiere hatte. Danach wurde es in London am Lyric Hammersmith und zwei West-End-Bühnen gespielt. In weiteren Großstädten, wie Toronto, Shanghai, Lima, Sydney und Moskau, wurde es aufgeführt. Über eine halbe Million Besucher sahen es und mit der Kinoversion werden weitere Zuschauer hinzukommen. Die Bühnenherkunft merkt man im Film noch an den langen Dialogpassagen. In einem originären Filmdrehbuch würde man schneller die Schauplätze wechseln. Die ausführlichen Rückblenden, in denen die Geisterbegegnungen aus der Sicht der Erzähler gezeigt werden, tragen außerdem dazu bei, die ursprüngliche Bühnensituation weiter aufzubrechen.

Die Theaterherkunft, die daher wahrscheinlich nur dem wissenden Auge auffällt, ist dann auch kein Problem des stilsicher sehr britisch inszenierten Horrorfilms,. Es sind die Fälle, die Goodman sich ansehen soll.

Diese Fälle übernatürlicher Begegnungen sind so läppisch, dass sie die Zweifel von Cameron an seinem Lebenswerk nicht begründen können. Denn jedem Kinozuschauer werden schnell zwei, drei rationale Erklärungen einfallen. Als eigenständige, atmosphärische Grusel-Kurzfilme auf dem Niveau einer durchschnittlichen bis schlechten „The Twilight Zone“-Episode, funktionieren sie allerdings ziemlich gut.

Am Ende gibt es eine Schlusspointe, die die vorherigen Ereignisse in einem anderen Licht erscheinen lässt, ohne die Qualität und Schlüssigkeit anderer Filme mit einem Schlusstwist zu erreichen.

So ist „Ghost Stories“, gut gespielt, gut inszeniert, nicht mehr als ein kleiner Grusler für Zwischendurch.

Ghost Stories (Ghost Stories, Großbritannien 2017)

Regie: Andy Nyman, Jeremy Dyson

Drehbuch: Andy Nyman, Jeremy Dyson (basierend auf ihrem Theaterstück)

mit Andy Nyman, Martin Freeman, Paul Whitehouse, Alex Lawther

Länge: 98 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Moviepilot über „Ghost Stories“

Metacritic über „Ghost Stories“

Rotten Tomatoes über „Ghost Stories“

Wikipedia über „Ghost Stories


TV-Tipp für den 19. April: Emil und die Detektive

April 19, 2018

MDR, 00.00

Emil und die Detektive (Deutschland 1931)

Regie: Gerhard Lamprecht

Drehbuch: Billie Wilder (aka Billy Wilder)

LV: Erich Kästner: Emil und die Detektive, 1928

Nachdem Herr Grundeis dem für die Ferien aus der Provinz nach Berlin kommenden Buben Emil Tischbein das Feriengeld geklaut hat, macht Emil sich im Großstadtdschungel mit einer Bande Kinder auf die Jagd nach dem Bösewicht.

Ewig nicht mehr gezeigter Filmklassiker des deutschen Films und des Kinderfilms.

Mit Fritz Rasp, Käthe Haack, Rolf Wenkhaus, Rudolf Biebrach, Olga Engl, Inge Landgut

Hinweise

Filmportal über „Emil und die Detektive“

Rotten Tomatoes über „Emil und die Detektive“

Wikipedia über „Emil und die Detektive“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Erich Kästners „Die verschwundene Miniatur“ (1935/2009)


TV-Tipp für den 18. April: Aliens – Die Rückkehr

April 18, 2018

https://youtu.be/XKSQmYUaIyE

Kabel 1, 22.50

Aliens – Die Rückkehr (Aliens, USA 1986)

Regie: James Cameron

Drehbuch: James Cameron (nach Charakteren von Dan O’Bannon und Ronald Shusett)

Ripley soll einige Marines auf einen Alien-verseuchten Planeten begleiten und beim Kampf gegen die ihr bekannten Aliens helfen.

Inzwischen ein SF-Klassiker, der als Kriegsfilm die harten Soldaten fröhlich als Kanonenfutter verheizt.

„‚Aliens‘ (und das leistet eine Fortsetzung selten) entwickelt den Spukhaus-im-Weltraum-Plot von ‚Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt‘ (Alien, 1979) weiter, indem er sämtliche monströsen Highlights des Vorgängers aufgreift und in den Kontext eines anderen, in den Weltraum verlagerten Genres stellt. (…) Cameron (…) kocht hier sein eigenes Süppchen mit hartgesottenen Heldinnen, Biomechanoiden, politischer Paranoia und atemloser Spannung, wobei er die Prämisse des ersten Filmes beibehält.“ (Phil Hardy, Hrsg.: Die Science Fiction Filmenzyklopädie, 1998)

Zum Kinostart urteilte der Fischer Film Almanach anders: „Mit ‚Alien‘ von Ridley Scott (…), mit der phantastischen Welt und den Kreaturen von H. R. Giger hat dieser Film nichts mehr gemein. (…) Fortsetzung folgt – hoffentlich nicht.“ und über Ripley wurde gesagt „eine zu allem entschlossene Amazone, eine Art Über-Mutter im Rambo-Look“

Auch „Zoom“ war ungnädig: „War der erste ‚Alien‘-Film (…) noch durchaus raffiniert, so wird in der Fortsetzung ganz auf drastische Schockeffekte und die üblichen Technik-Spielereien gesetzt.“

Tja, damals regierte Ronald Reagan die USA, im Kino sorgten Rambo, „Missing in Action“ Chuck Norris und Konsorten im Kampf gegen „Die rote Flut“ für volle Kassen und die Filmkritik beurteilte Filme auch vor dem politischen Klima der USA, der Rambo-Ideologie.

mit Sigourney Weaver, Carrie Henn, Michael Biehn, Paul Reiser, Lance Henricksen, Bill Paxton, William Hope

Hinweise

Rotten Tomatoes über „Aliens“ (98 % Frischegrad)

Wikipedia über „Aliens“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von James Camerons „Terminator 2 – Tag der Abrechnung“ (Terminator 2: Judgment Day, USA 1991)


Cover der Woche

April 17, 2018


TV-Tipp für den 17. April: Frühjahr 48

April 17, 2018

Arte, 21.55

Frühjahr 48 (Deutschland 2018)

Regie: Matthias Haentjes

Drehbuch: Matthias Haentjes

Spielfilmlange Doku über über Europa vor siebzig Jahren und wie die damaligen Entscheidungen die nächsten Jahrzehnte beeinflussten.

Hinweis

Arte über die Doku


TV-Tipp für den 16. April: Point Blank

April 16, 2018

Arte, 22.20

Point Blank (Point Blank, USA 1967)

Regie: John Boorman

Drehbuch: Alexander Jacobs, David Newhouse, Rafe Newhouse

LV: Richard Stark: The hunter, 1962 (später wurde das Buch wegen der Verfilmungen unter den Titeln „Point Blank“ und „Payback“; in Deutschland unter „Jetzt sind wir quitt“ und „Payback“ verlegt)

Walker ist stinkig. Zuerst versuchen seine Frau und sein Kumpel ihn umzubringen. Dann hauen beide gemeinsame mit der Beute ab. Kaum kann der Profiverbrecher sich wieder bewegen, begibt er sich auf einen Rachefeldzug.

Endlich ist Boormans Gangsterfilmklassiker wieder im Puschenkino. „Point Blank“ ist immer noch eine der besten Westlake/Stark-Verfilmungen.

Point Blank“ war der erste Film, der auf Alcatraz gedreht wurde. Hauptbedingung für die Drehgenehmigung war, dass der Film keine Glorifizierung von Verbrechen enthalten dürfe.

Ähem,….

Mit Lee Marvin, Angie Dickinson, Keenan Wynn, John Vernon

Hinweise

Rotten Tomatoes über „Point Blank“

TCM über „Point Blank“

Wikipedia über „Point Blank“ (deutsch, englisch)

Noir of the Week über „Point Blank“

Thrilling Detective über Parker

Meine Besprechung von Darwyn Cookes „Parker“ (Richard Stark’s Parker – The Hunter, 2009; – yep, der tolle Comic zum Buch)

Homepage von Donald E. Westlake

Kriminalakte: Nachruf auf Donald E. Westlake

Kriminalakte: Covergalerie Donald E. Westlake

Meine Besprechung von Donald E. Westlakes Dortmunder-Roman „Get Real“

Meine Besprechung von Donald E. Westlakes Dortmunder-Roman „What’s so funny?“

Meine Besprechung von Donald E. Westlakes Dortmunder-Roman „Watch your back!“

Meine Besprechung von Donald E. Westlakes Dortmunder-Kurzroman „Die Geldmacher“ (Walking around money; erschienen in „Die hohe Kunst des Mordens“ [Transgressions])

Meine Besprechung von Donald E. Westlakes „Mafiatod“ (361, 1962)

Meine Vorstellung von Westlakes als Richard Stark geschriebener Parker-Serie (mit „Nobody runs forever“)

Meine Besprechung von Richard Starks Parker-Romans „Ask the Parrot“

Meine Doppelbesprechung von Richard Starks Parker-Romanen „Fragen Sie den Papagei“ (Ask the Parrot) und „Dirty Money“

Meine Besprechung des Films “The Stepfather”, nach einem Drehbuch von Donald E. Westlake

Meine Besprechung von Lax/Donald Westlakes „Hot Rock“ (Pierre qui roule, 2008, Comic)

Meine Besprechung von Taylor Hackfords Richard-Stark-Verfilmung „Parker“ (Parker, USA 2013)


TV-Tipp für den 15. April: The Getaway

April 15, 2018

Arte, 21.50

The Getaway (The Getaway, USA 1972)

Regie: Sam Peckinpah

Drehbuch: Walter Hill

LV: Jim Thompson: Getaway, 1958 (Getaway)

Auf Wunsch des korrupten Politikers Jack Benyon wird Doc McCoy vorzeitig aus der Haft entlassen. Er soll eine Bank ausrauben. Der Überfall gelingt, aber danach geht alles schief.

Die gelungene und kommerziell sehr erfolgreiche Verfilmung des Krimis, mit Steve McQueen und Ali MacGraw – obwohl das letzte Drittel des Buches fehlt. Und das ist noch nicht alles, wie der französische Regisseur Alain Corneau meint: „Im Gegensatz zu Hammett und Chandler sind die Amerikaner nicht dazu in der Lage, Thompson zu verfilmen. Nehmen wir zum Beispiel Getaway. Die Figuren werden für die Verfilmung um 180 Grad gedreht, das Buch um mindestens ein Drittel gekürzt. Die Personen und das Thema des Romans wurden an die Seite gedrängt. Doc McCoy ist im Buch ein viel düsterer Charakter als Steve McQueen, und die philosophischen Dimensionen gingen völlig verloren.“ – Trotzdem ist „Getaway“ ein kalter, düsterer und amoralischer Film.

Mit Steve McQueen, Ali MacGraw, Ben Johnson, Al Lettieri, Slim Pickens, Bo Hopkins

Wiederholung: Freitag, 27. April, 00.0 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

Meine Besprechung von Sam Peckinpahs „Gefährten des Todes“ (The deadly Companions, USA 1961)

Meine Besprechung von Sam Peckinpahs „Steiner – Das eiserne Kreuz“ (Cross of Iron, D/GB 1977)

Meine Besprechung von Mike Siegels Dokumentation „Sam Peckinpah: Passion & Poetry“ (D 2005)

Wikipedia über Sam Peckinpah (deutsch, englisch)

Georg Seeßlen über Sam Peckinpah (der Nachruf erschien zuerst in epd Film 2/1985)

The Guardian: Rick Moody über Sam Peckinpah (9. Januar 2009)

Senses of Cinema: Gabrielle Murray über Sam Peckinpah

Mordlust über Jim Thompson

Crimetime über Jim Thompson

Wikipedia über Jim Thompson (Englisch)

Kirjasto über Jim Thompson

Popsubculture über Jim Thompson

Meine Besprechung von Jim Thompsons „Jetzt und auf Erden“ (Now and on Earth, 1942)

Meine Besprechung von Michael Winterbottoms Jim-Thompson-Verfilmung „The Killer inside me“ (The Killer inside me, USA 2010)

Senses of Cinema über „The Getaway“

Drehbuch „Getaway“ von Walter Hill (Final Revised Shooting Draft – 23. Februar 1972)

Meine Besprechung von Walter Hills “Straßen in Flammen” (Streets on Fire, USA 1984)

Meine Besprechung von Walter Hills „Shootout – Keine Gnade“ (Bullet to the the Head, USA 2013)


TV-Tipp für den 14. April: Southpaw

April 14, 2018

Pro7, 20.15

Southpaw (Southpaw, USA 2015)

Regie: Antoine Fuqua

Drehbuch: Kurt Sutter

Billy Hope ist ein erfolgreicher Boxer. Bis eine persönliche Katastrophe sein bisheriges Leben auf den Kopf stellt und er auch an ganz anderen Fronten kämpfen muss.

Überzeugender Boxerfilm, der innerhalb der bekannten Genrekonventionen interessante Akzente setzt.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Jake Gyllenhaal, Rachel McAdams, Forest Whitaker, Naomie Harris, Curtis `50 Cent`Jackson, Oona Laurence, Miguel Gomez, Skylan Brooks, Beau Knapp, Victor Ortiz

Hinweise
Deutsche Homepage zum Film
Englische Homepage zum Film
Film-Zeit über „Southpaw“
Moviepilot über „Southpaw“
Metacritic über „Southpaw“
Rotten Tomatoes über „Southpaw“
Wikipedia über „Southpaw“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Antoine Fuquas “Training Day” (Training Day, USA 2001)

Meine Besprechung von Antoine Fuquas “Gesetz der Straße – Brooklyn’s Finest” (Brooklyn’s Finest, USA 2009)

Meine Besprechung von Antoine Fuquas “Olympus has fallen – Die Welt in Gefahr” (Olympus has fallen, USA 2013)

Meine Besprechung von Antoine Fuquas “The Equalizer” (The Equalizer, USA 2014)

Meine Besprechung von Antoine Fuquas “Southpaw” (Southpaw, USA 2015)

Meine Besprechung von Antoine Fuquas „Die glorreichen Sieben“ (The Magnificent Seven, USA 2016)


Neu im Kino/Filmkritik: Deutsche Genreversuche: Der „Spielmacher“ manipuliert den Fußball

April 13, 2018

Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis rutscht der ehemalige Fußballspieler und Deutsch-Kroate Ivo schnell…und hier kommen wir schon zu dem zentralen Problem von „Spielmacher“. In seinem Spielfilmdebüt verschenkt Timon Modersohn grundlos viel von dem Potential, das seine Geschichte hat. Am Ende ist „Spielmacher“ nur ein okayer Gangsterfilm über illegale Sportwetten, in dem ein deutlich besserer Film versteckt ist.

Um das zu erklären, müssen wir uns kurz mit den Grundlagen des Erzählens beschäftigen. In einer Geschichte, jedenfalls in der Theorie, präsentiert der Erzähler Informationen so, dass sie einen sinnvollen Zusammenhang ergeben. Eine Handlung ergibt die nächste und wir sind emotional involviert, weil wir wissen, was für die einzelnen Personen auf dem Spiel steht und was sie wollen. Die Grundstruktur ist dabei immer, dass jemand ein genau definiertes Ziel gegen große Widerstände erreichen will. Dafür müssen wir wissen, was der Protagonist erreichen will, was für eine Person er ist und gegen welche Widerstände er kämpfen muss. In einem „Tatort“ will der Kommissar den Fall aufklären. Dafür muss er unter all den Verdächtigen den Täter finden.

Manchmal gibt es am Ende eine Überraschung, die dazu führt, dass wir all die vorherigen Ereignisse unter einem anderen Blickwinkel betrachten. Die bekanntesten Beispiele dafür dürften immer noch „Die üblichen Verdächtigen“ und „The Sixth Sense“ sein. Meistens, und das ist gut so, verzichtet der Erzähler auf eine solche Überraschung. Auch „Spielmacher“, und das kann ich verraten, verzichtet auf eine solche Pointe, die wir hätten, wenn Ivo zum Beispiel ein Undercover-Polizist wäre und wir das in der letzten Minute erfahren.

Wenn ich jetzt den begonnen Satz mit „wieder“ weiterführe, verrate ich, dass Ivo bereits Kontakte zum kriminellen Wettmilieu hatte. Wenn ich stattdessen nur schreibe „lernt einen Mann kennen, der illegale Wetten im großen Stil organisiert“, behaupte ich, dass Ivo bislang keinen Kontakt zu dem Milieu hatte, dass er verführt wird und in ein ihm bislang unbekanntes kriminelles Milieu abrutscht.

In jedem Fall ist jede Geschichte möglich. Aber die eine Geschichte schließt die andere aus.

Und das ist kein Punkt, der am Filmanfang unklar sein sollte. Immerhin geht es um das zentrale Handlungsmotiv des Protagonisten in einer ziemlich einfachen Geschichte. Denn Ivo, der es in keinem Job lange aushält, soll für Dejan, eine Halb- und Unterweltfigur, die illegale Fußballwetten organisiert, arbeiten. Er soll Fußballspieler beobachten, Empfehlungen geben und kleine Botengänge erledigen.

Während er das tut, befreundet er sich mit Lukas, einem jungen aufstrebendem Spieler in seinem alten Fußballclub, und verliebt sich in dessen alleinerziehende Mutter Vera.

Dieses schlechte Informationsmanagement betrifft nicht nur den Protagonisten. Es zieht sich durch den gesamten Film. So gibt es, um nur ein Beispiel zu nennen, eine Szene, in der ein Spielbeobachter, der über den Aufstieg von Spielern in andere Vereine entscheidet, Lukas beim Spielen beobachtet. Eigentlich ist Lukas gut genug für den anderen Verein. Aber er erhält die erhoffte Empfehlung dann doch nicht. Danach sehen wir, wie der Spielbeobachter Geld erhält. Es handelt sich selbstverständlich um die Bezahlung für die vorher erfolgte Nicht-Empfehlung.

So erzählt ist das eine langweile Abfolge von Ereignissen. Wenn wir allerdings zuerst sehen, dass der honorige Spielbeobachter Geld erhält, damit er etwas tut, wird die anschließende Szene, in der er die Spieler beobachtet, plötzlich spannend. Wir fragen uns in dem Moment, ob er den Jungen aufgrund seiner Leistungen empfehlen wird oder ob er das Schmiergeld annimmt. So erzählt ist diese Szene plötzlich dramatisch. Dafür hätten die Macher nur zwei Szenen umstellen müssen.

Und damit kommen wir zum Bösewicht, der von Oliver Masucci überzeugend gespielt wird. Es gibt nur ein Problem: Dejan lebt die aus schlechten Gangsterfilmen bekannte Hollywood-Marotte exzessiv aus, alle Menschen schwer zu verletzen oder umzubringen, die seine Befehle nicht zu seiner Zufriedenheit ausführen. Das ist keine effektive Form der Personalrekrutierung und -fortentwicklung. Auch wenn nächtliche Mitarbeitergespräche in einem Steinbruch, inklusive der bewährten ‚in die Grube werfen‘-Entsorgungsmethode, das Auge des Cineasten erfreuen.

So ist „Spielmacher“ ein Gangsterthriller, der ein interessantes Thema hat (illegale Wetten im Fußball), glaubwürdig in der Milieuzeichnung ist, gute Schauspieler hat und überzeugend inszeniert ist. Aber er ist ganz schlecht im Erzählen seiner Geschichte. Sie funktioniert immer noch. Schließlich sind alle wichtigen Teile vorhanden. Nur meistens am falschen Platz.

Wie es besser geht zeigte Özgür Yildirim vor wenigen Wochen in seinem Gangsterfilm „Nur Gott kann mich richten“.

Spielmacher (Deutschland 2018)

Regie: Timon Modersohn

Drehbuch: Christian Brecht, Timon Modersohn

mit Frederick Lau, Oliver Masucci, Antje Traue, Mateo Wansing Lorrio, Paul Faßnacht, Karl Markovics

Länge: 99 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

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Filmportal über „Spielmacher“

Moviepilot über „Spielmacher“

 


TV-Tipp für den 13. April: Big Bad Wolves

April 13, 2018

Tele 5, 23.00

Big Bad Wolves (Mi Mefahed Mezeev Hara, Israel 2013)

Regie: Aharon Keshales, Navot Papushado

Drehbuch: Aharon Keshales, Navot Papushado

Quentin Tarantino nannte „Big Bad Wolves“ in seiner üblichen überschäumenden Begeisterung, den besten Film des Jahres. So weit würde ich nicht gehen, aber das düstere und sehr harte  Drama ist verdammt gut, hat etliche gemeine Überraschungen und eine ordentliche Portion schwarzen Humor. Es geht um einen Vater, der aus dem Mörder seiner kleinen Tochter ein Geständnis herauspressen will. Ein suspendierter Polizist, der zufällig in den Folterkeller stolpert, soll ihm dabei helfen. Aber foltert er den Richtigen? Und: ist das wichtig?

Mit Tzahi Grad, Lior Ashkenazi, Rotem Keinan, Dov Glickman, Menashe Noy, Dvir Benedek, Nati Kluger

Hinweise

Moviepilot über „Big Bad Wolves“

Metacritic über „Big Bad Wolves“

Rotten Tomatoes über „Big Bad Wolves“

Wikipedia über „Big Bad Wolves“


Neu im Kino/Filmkritik: Deutsche Genreversuche: Unhöfliche Erpresserwarnung: „Steig. Nicht. Aus!“

April 12, 2018

Als Karl Brendt (Wotan Wilke Möhring) an seinem 15. Hochzeitstag – um die Ehe steht es nicht zum Besten – ihre beiden Kinder zur Schule fährt, erhält er einen Anruf. Der unbekannte Anrufer behauptet, er habe eine Bombe im Auto deponiert. Er fordert von Brendt etwas über eine halbe Million Euro. Der größte Teil soll von Brendts Firmenkonto und ein kleiner Teil von seinem Privatkonto kommen. Wenn Brendt um Hilfe ruft oder das Auto verlässt oder die Kinder das Auto verlassen lässt, wird die Bombe explodieren. Brendt hat keine Ahnung, ob der Anrufer die Wahrheit sagt oder sich einen Scherz erlaubt. Verzweifelt versucht er das Geld zusammen zu bekommen. Er muss seine Mitgesellschafter in der Baufirma und seine Frau überzeugen, das Geld auf ein Offshore-Konto zu überweisen.

Gleichzeitig überlegt er, wie er aus dieser Situation wieder herauskommen kann. Dass der Anrufer nicht scherzt, begreift Brendt, als er beobachtet, wie die in dem Autos seines Geschäftspartners Omar Cicek eingebaute Bombe explodiert. Ciceks Frau, die auf dem Beifahrersitz saß, glaubte dem Erpresser nicht und löste beim Aussteigen die Bombe aus. Brendts Sohn wird bei der Explosion durch einen lebensgefährlich Splitter verletzt. Trotzdem will der Erpresser ihn, jedenfalls zunächst, nicht zu einem Krankenhaus fahren lasse.

Nach einer Verfolgungsjagd durch die Polizei, endet Brendts Fahrt durch Berlin auf dem Gendarmenmarkt. Die Polizei sperrt den Platz ab und versucht mit Brendt zu verhandeln. Kommissar Fritz Drache (Aleksandar Jovanovic) hält ihn für gefährlich und will ihn dazu zu bewegen, seine Kinder gehen zu lassen und aufzugeben. Notfalls mit Waffengewalt.

LKA-Sprengstoffexpertin Pia Zach (Hannah Herzsprung) zweifelt allerdings schnell an der Version des durchgeknallten Ehemannes, der seine Kinder entführte.

Christian Alvart dürfte nicht beleidigt sein, wenn man ihn Genre-Regisseur nennt. Zuletzt drehte er die actionlastigen Tschiller-“Tatorte“. Davor inszenierte er für das Kino Thriller wie „Antikörper“, „Pandorum“ und „Banklady“. Auch sein neuester Film „Steig. Nicht. Aus!“ ist ein Thriller, der den Vergleich mit ausländischen Genrefilmen nicht scheuen muss. Er ist ein Remake des spanischen Thrillers „Anrufer unbekannt“ (El Desconocido, 2015), den ich nicht kenne. Aber Alvarts Remake ist ein spannender Thriller, der nie die Sehnsucht weckt, unbedingt das Original sehen zu wollen. Und das kann nicht über jedes Remake gesagt werden.

Vor allem die erste Hälfte, in der Brendt verzweifelt versucht, die Forderung des Erpresser zu erfüllen, indem er seine Geschäftspartner und seine Frau versucht zu überzeugen, das Geld möglichst schnell auf ein Offshore-Konto zu überweisen und, gleichzeitig, nach einem Ausweg aus seiner misslichen Situation sucht, ist richtig gelungen.

In der zweiten Hälfte, wenn Brendt auf dem Gendarmenmarkt von der Polizei umzingelt wird und sie den vermeintlichen Entführer mit all dem, was die Polizei an Material im Lager hat, zur Aufgabe bewegen will, erlebt man erstaunlich unprofessionelle Verhandlungen. Aber auch in diesen Minuten bleibt es dank des hohen Erzähltempos und der überraschenden Wendungen und der Konflikte innerhalb der Polizei spannend.

Erst am Ende verschenkt der Thriller viel von seinem Potential. Das Motiv des bis dahin unbekannten Täters erscheint willkürlich aus der aktuellen Tageszeitung gegriffen. Der Plan des Täters ist in Moment nicht mehr der perfekte Plan, als der er bis dahin erschien. Stattdessen ist ein auf absurden Annahmen und Zufällen aufgebautes Luftschloss.

In dem Moment wünschte ich mir einen Bösewicht wie Howard Payne, den von Dennis Hopper in „Speed“ gespielten Bösewicht zurück. Der wollte einfach nur Geld erpressen, das er als sein Geld ansah. Durch die Planung und Ausführung seines verbrecherischen Plans hatte er ja schwer dafür gearbeitet. Und, seien wir ehrlich, für einen Thriller, der während einer kurzen Zeitspanne spielt und in dem es letztendlich nur auf die Konfrontation von Held und Bösewicht ankommt, ist das für den Bösewicht ein vollkommen ausreichendes Motiv. Das von Alvart angebotene und erst am Ende enthüllte Motiv des Bösewichts greift dann, zu seinem Nachteil, eine aktuelle großstädtische Diskussion auf und man beginnt sich Gedanken über Ziel, Zweck und Ausführung des Plans zu machen.

Dabei ist „Steig. Nicht. Aus!“ vor allem ein spannender Thriller über einen ganz gewöhnlichen Mann, der auf einer Bombe sitzt und versucht, seine Kinder zu retten, während sein wohlgeordnetes bürgerliches Leben langsam zerfällt. Sogar die Polizei hält ihn auf dem Gendarmenmarkt für einen Wahnsinnigen, den sie bei der ersten falschen Bewegung gerne erschießen würde.

Steig. Nicht. Aus! (Deutschland 2018)

Regie: Christian Alvart

Drehbuch: Christian Alvart (nach dem Drehbuch von Alberto Marini)

mit Wotan Wilke Möhring, Hannah Herzsprung, Christiane Paul, Aleksandar Jovanovic, Emily Kusche, Carlo Thoma, Marc Hosemann, Fahri Yardim, Mavie Hörbiger

Länge: 109 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Homepage zum Film

Filmportal über „Steig. Nicht. Aus!“

Moviepilot über „Steig. Nicht. Aus!“

Wikipedia über „Steig. Nicht. Aus!“

Meine Besprechung von Christian Alvarts „Banklady“ (Deutschland 2013)

Meine Besprechung von Christian Alvarts „Halbe Brüder“ (Deutschland 2015)


Neu im Kino/Filmkritik: „A quiet Place“, wegen der Monster

April 12, 2018

Damit haben die Macher wohl nicht gerechnet: in den USA eroberte letztes Wochenende die Horrordystopie „A quiet Place“ mit großem Abstand den ersten Platz der Kinocharts. Mit über 50 Millionen US-Dollar spielte der Film doppelt so viel wie der zweitplatzierte Film, Steven Spielbergs bunter Science-Fiction-Kracher „Ready Player One“, ein. Inzwischen dürfte der US-Umsatz von „A quiet Place“ den von „Pacific Rim: Uprising“ übertreffen. Das ist ein schöner Erfolg für einen von der US-Kritik abgefeierten Film. Aber Kritikerlob schlägt sich normalerweise nicht so überzeugend in Einspielergebnissen nieder. Denn im Gegensatz zu einem hoch budgetierten Film, der dann auch entsprechend viel Geld einspielen muss, ist „A quiet Place“ ein kleiner Film. Ein an einem Ort spielendes Vierpersonenstück.

Die Familie Abbott – Vater Lee (John Krasinski), seine schwangere Frau Evelyn (Krasinskis Ehefrau Emily Blunt) und ihre Kinder, die gehörlose Tochter Regan (Millicent Simmonds) und ihr jüngerer Bruder Marcus (Noah Jupe) – leben in den USA in einem abgelegenem Bauernhaus. Es sieht paradiesisch aus. Trotzdem verhalten die Abbotts sich seltsam. Sie schweigen. Manchmal flüstern sie. Meistens verständigen sie sich in der Gebärdensprache. Sie bemühen sich, keine Geräusche zu verursachen.

Denn Geräusche sind, wie wir schon in den ersten Minuten „A quiet Place“ sehen, tödlich.

In einem verlassenen Gemischtwarenladen holen sie einige Dinge, die sie brauchen. Auf dem Heimweg das von ihrem jüngsten Sohn aus dem Geschäft geklaute Spielzeug ein Geräusch von sich und seine Familie kann nur entsetzt beobachten, wie ein Alien ihn in Sekunden förmlich massakriert.

Diese Aliens reagieren auf Geräusche und töten die Verursacher der Geräusche. In den vergangenen Jahren haben sie fast die gesamte Menschheit vernichtet.

Das ist eine faszinierende Ausgangsidee, die an die Prämisse von Trey Edward Shults‘ „It comes at Night“ (It comes at Night, USA 2017) erinnert. Auch in dem Horrorfilm hatten die Bewohner eines einsam gelegenen Farmhauses Angst vor einer tödlichen Bedrohung, die sich nach Einbruch der Dunkelheit nähert und auf Geräusche reagiert. Shults lässt allerdings das genaue Wesen der Bedrohung im Dunkeln.

John Krasinski, der aktuell in der Ende August startenden TV-Serie „Jack Ryan“ den Helden spielt, geht in seiner dritten Spielfilmregie einen leicht anderen Weg: bei ihm zeigt sich die Gefahr sehr schnell sehr deutlich. Deshalb sind die Maßnahmen, die die Abbotts zu ihrem Schutz ergreifen, sehr vernünftig. Um ihr Haus haben sie die Wege, die sie gefahrlos benutzen können mit Sand markiert. Im Haus sind knarzende Dielen markiert. Sie haben ein Lichtsystem, um über Entfernungen miteinander zu kommunizieren. Abends sehen sie die Leuchtfeuer der anderen Überlebenden. Für Evelyns Baby hat Lee einen provisorischen schalldichten Raum angelegt. Ein schreiendes Baby würde die todbringenden Kreaturen scharenweise anlocken.

Ein Baby, nämlich die zweite Tochter seiner Ehefrau, war für Krasinski eine Inspiration für die geräuschlose Welt, in der sein Film spielt. Einerseits, weil Eltern ihre Kinder beschützen wollen und die ewige Sorge um das Wohlergehen des Babys das gemeinsame Leben bestimmt. Andererseits weil sie Geräusche vermieden, um ihr Baby nicht zu wecken. In ihrem Alltag wurde das Vermeiden von Geräuschen dann auch ein Spiel zwischen Krasinski und Blunt.

(Wir wollen jetzt nicht das Baby als die tödliche, alles vernichtende Kreatur betrachten.)

Jedenfalls malt Krasinski, nach einem Drehbuch von ihm, Bryan Woods und Scott Beck, diese Situation mit viel Liebe zum Detail aus. Danach bringt er seine Charaktere in Lebensgefahr. Diese Szenen sind dann Suspensekino par excellence. Vor allem wenn in einer Nacht alle denkbaren Katastrophen über der Familie zusammenkommen. Dann versuchen Regan und Marcus im Kornsilo nicht in den Maiskörnern zu versinken. Wegen der Monster können sie nicht um Hilfe rufen oder sich mit Geräuschen bemerkbar machen. Das gleiche gilt für ihre Mutter, die im Haus festgehalten wird. Vor und nach der Geburt ihres Babys. Und ihr Vater versucht sie alle zu retten. Natürlich ebenfalls ohne die Aufmerksamkeit der Kreaturen auf sich zu lenken.

Das ist höllisch spannend, aber auch unlogisch. Denn warum haben die Abbotts nicht einfach irgendwo eine Geräuschquelle installiert? Dort könnten sie die Kreaturen in aller Ruhe töten; falls die Kreaturen sich nicht gleich selbst gegenseitig töten. Oder sie könnten mit der Geräuschquelle die Kreaturen von ihrem Haus weglocken und im Schutz des Lärms ungestört leben.

A quiet Place (A quiet Place, USA 2018)

Regie: John Krasinski

Drehbuch: John Krasinski, Bryan Woods, Scott Beck (nach einer Geschichte von Bryan Woods und Scott Beck)

mit John Krasinski, Emily Blunt, Millicent Simmonds, Noah Jupe

Länge: 90 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „A quiet Place“

Metacritic über „A quiet Place“

Rotten Tomatoes über „A quiet Place“

Wikipedia über „A quiet Place“ (deutsch, englisch)


TV-Tipp für den 12. April: Malcolm X

April 12, 2018

3sat, 22.25

Malcolm X (Malcolm X, USA 1992)

Regie: Spike Lee

Drehbuch: Spike Lee, Arnold Perl

LV: Alex Haley: The Autobiography of Malcolm X, 1965 (Malcolm X – Die Autobiographie)

Beeindruckendes, konventionell inszeniertes, über dreistündige Biopic über Malcolm X von der Wiege bis zur Bahre.

mit Denzel Washington, Angela Bassett, Albert Hall, Spike Lee, Al Freeman jr., Delroy Lindo, Theresa Randle, Giancarlo Esposito

Hinweise

Rotten Tomatoes über „Malcolm X“

Wikipedia über „Malcolm X“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Spike Lees „Buffalo Solders ’44 – Das Wunder von St. Anna“ (Miracle at St. Anna, USA/Italien 2008)

Meine Besprechung von Spike Lees “Oldboy” (Oldboy, USA 2013)


DVD-Kritik: „Detroit“, Kathryn Bigelows Thriller über einige Tage im Sommer 1967

April 11, 2018

Zum Kinostart schrieb ich:

Emotionale Wucht hat Kathryn Bigelows neuer Film „Detroit“ unbestritten. Sie zeichnet, wieder mit Drehbuchautor Mark Boal, die mehrtägigen Rassenunruhen in Detroit im Juli 1967 nach, bei denen 43 Menschen starben. 33 von ihnen waren Afroamerikaner. 24 von ihnen wurden von Polizisten und National Guardsmen erschossen.

Im Mittelpunkt des 144-minütigen Films stehen die fast in Echtzeit geschilderten Ereignisse im Algier Motel in der Nacht vom 25. zum 26. Juli. Wir sind mit den Akteuren in einem Hotelflur und ein, zwei Zimmern eingesperrt. Die Anspannung und Angst sind spürbar. Auch weil die weißen Polizisten gnadenlos ihre Macht gegenüber den afroamerikanischen Verdächtigen und den zwei weißen jungen Frauen ausnutzen und auch einige von ihnen töten.

Allerdings begeht Bigelow in „Detroit“ die gleichen Fehler wie in „Zero Dark Thirty“. Sie verwendete auch die gleiche Struktur. Wieder verhindert die rein deskriptisch-dokumentarische Bearbeitung des Themas eine Analyse. Wieder kann es, gewollt oder ungewollt, leicht zu Fehlschlüssen kommen. In „Zero Dark Thirty“ war das die Legitimierung von Folter. In „Detroit“ ist das die Konzentration auf einen Polizisten als Täter und das Fehlen der Vorgeschichte der Rassenunruhen. Der Film beginnt mit einer Polizeirazzia in einem illegalen Club, bei dem weißen Polizisten sich im Rahmen der Gesetze bewegen. Diese Razzia war der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Die Gründe für die Unruhen waren allerdings der Mangel an bezahlbarem Wohnraum für Afroamerikaner als Folge von Stadterneuerungsprojekten und die vorherrschende, rassistisch motivierte Polizeigewalt. Die Polizei bestand fast ausschließlich aus weißen Männern.

Im Film ist die Razzia die Begründung für die durchgehend von Afroamerikanern ausgehende Gewalt und Plünderungen. Dagegen versuchen die Weißen, Recht und Ordnung aufrecht zu erhalten. Dieses Setting führt dazu, dass die gesamte Vorgeschichte, die damalige Stimmung, der strukturelle Rassismus und die Machtverhältnisse ausgeblendet werden.

Auch bei den Ereignissen im Algier Motel bleibt diese Zuordnung von Täter und Opfer vorhanden. So ist Philip Krauss zwar ein paranoider Rassist, der seine Macht auskostet und die anderen Polizisten zu Mittätern macht. Er hat auch vorher einen Afroamerikaner durch einen Schuss in den Rücken schwer verletzt. Aber der Afroamerikaner war ein Plünderer und er flüchtete. Krauss hat auch Angst vor den Afroamerikanern und er ist eindeutig überfordert. Als er und seine Kollegen in das Motel stürmen, reagierten sie auf Schüsse aus dem Hotel auf sie (mit einer Startpistole für Wettkämpfe). Sie wollen einen Scharfschützen (den es nicht gibt) verhaften. Sie reagieren über. Sie nutzen auch ihre Macht aus und genießen es. Aber durch die im Film gezeigte Vorgeschichte erscheinen die Opfer dann als Täter und die Täter als die Opfer der Umstände.

Immer wieder leisten Bigelow und Boal in ihrem Film durch die Auswahl und Anordnung der akribisch recherchierten Fakten der Rationalisierung Vorschub, dass die Gewalt grundlos von den Afroamerikanern ausging und die weißen Polizisten nur das Richtige tun wollten. Sie ignorieren den Kontext. Über die Hintergründe der tagelangen Gewaltexplosion, die gesellschaftliche Situation und Strukturen erfährt man nichts. Entsprechend eruptiv und aus dem Nichts erfolgen die Gewalttätigkeiten.

So ist „Detroit“ brillant inszeniert als Terrorkino, aber analytisch so oberflächlich, dass es einfach ärgerlich ist.

 

Beim zweiten Ansehen bestätigt sich mein erster Eindruck.“Detroit“ ist spannend, hat viel Zeitkolorit und ist politisch höchst bedenklich.

Durch ihre Entscheidung den Thriller in einem semidokumentarischen Stil mit unruhiger Handkamera zu inszenieren, konzentriert Kathryn Bigelow sich auf die packend inszenierte Dokumentation von Abläufen. Über die Personen erfahren wir allerdings nichts. Sie bleiben Figuren auf einem Schachbrett. Es gibt keine Erklärungen und keine Hintergrundinformationen. In jeder Zeitungs- oder TV-Reportage über die Unruhen und den Vorfall im Algier Motel gäbe es das. Als Zuschauer des Kinofilms muss man sich aus den gezeigten Bildern eigene Erklärungen zurechtbasteln. Als Zuschauer wird man allerdings auch manipuliert, weil Bigelow und Boal nur einen Ausschnitt zeigen und Informationen weglassen. Sie begünstigen so, wahrscheinlich sogar ungewollt, eine bestimmte Interpretationen der damaligen Ereignisse.

Denn obwohl Afroamerikaner die meisten Rollen spielen, bestimmt die Sicht des weißen Mannes den Film und damit auch die Interpretation der Unruhen. Die Afroamerikaner kommen da, bis auf den von John Boyega gespielten Wachmann, nur als passive Beobachter, Hausfrauen und Randalierer vor. Die Polizei muss gegen eine aus dem Nichts kommende Gewalteruption vorgehen. Sie versucht gegen Plünderer, Brandstifter und aus anonymen Gruppen agierende Gewalttäter das Gesetz durchzusetzen.

Die von ihr beiläufig immer wieder gezeigte Polizeibrutalität wird da zu einem für die Filmhandlung bedeutungslosen Hintergrundrauschen. Und rassistische Polizisten scheint es, bis auf Philip Krauss (Will Poulter), 1967 nicht gegeben zu haben. Das ist Unfug. Damals und heute. Mit dieser Sicht fehlt dann auch der Blick auf strukturelle Probleme bei der Polizei und den alltäglichen Rassismus. Letztendlich steht in „Detroit“ ein Ereignis im Mittelpunkt und die Täter werden, aufgrund den Ermittlungen von weißen Polizisten, angeklagt.

Detroit“ zeigt fast schon exemplarisch die Grenzen eines rein dokumentarischen, auf jede Analyse verzichtenden erzählerischen Ansatzes auf. Weil es aber keinen objektiven Blick gibt, übernehmen der Blick der Kamera, die Inszenierung, die Auswahl und Präsentation der Ereignisse diese Analyse. Ein Beitrag zur Lösung der Probleme entsteht so nicht. Es fällt auch schwer, anhand von „Detroit“ über die Probleme zu reden.

Aber auf der reinen emotionalen Ebene als kurzweiliges, durchgehend hochenergetisch erzähltes Spannungskino funktioniert „Detroit“ prächtig.

Das Bonusmaterial für den Thriller wäre ärgerlich, wenn es nicht so lächerlich wäre. Es besteht aus fünf Minifeaturettes, die man sich in neun Minuten ansehen kann, einem Music Video, dem Trailer (deutsch und englisch) und einer vierzigsekündigen, aus Filmbildern bestehenden Bildergalerie. Warum hat man, wenn man schon kein Geld ausgeben will, nicht schnell ausführliche Interviews mit Bigelow, Boal und einem Historiker geführt? Die hätten ausführlich über die historischen Hintergründe und den Dreh äußern können. So gibt es nur einige belanglose Werbeschnipsel.

Detroit (Detroit, USA 2017)

Regie: Kathryn Bigelow

Drehbuch: Mark Boal

mit John Boyega, Anthony Mackie, Will Poulter, Algee Smith, Samira Wiley, John Krasinski, Hannah Murray, Jacob Latimore, Jason Mitchell

Blu-ray

Concorde Home Entertainment

Bild: 1080p High Definition, 1.81:1 (16:9)

Ton: Deutsch (DTS-HD Master Audio 5.1, DD 2.0), Englisch (DTS-HD Master Audio 5.1)

Untertitel: Deutsch, Deutsch für Hörgeschädigte

Bonusmaterial: Featurettes (Die Wahrheit von Detroit, Die Besetzung von Detroit, Die Invasion von Detroit, Die Hoffung von Detroit, Damals und heute), Musikvideo „Grow“ mit Algee Smith und Larry Reed, Bildergalerie, Deutscher und Originaltrailer (13 Minuten; laut Concorde)

Länge: 144 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

DVD und 4K UHD sind identisch ausgestattet.

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „Detroit“

Metacritic über „Detroit“

Rotten Tomatoes über „Detroit“

Wikipedia über „Detroit“ (deutsch, englisch)

History vs. Hollywood über „Detroit“

Meine Besprechung von Kathryn Bigelows „Zero Dark Thirty“ (Zero Dark Thirty, USA 2012)

Meine Besprechung von Kathryn Bigelows „Detroit“ (Detroit, USA 2017)

Die Pressekonferenz

Peter Travers unterhält sich mit Kathryn Bigelow über den Film

https://www.youtube.com/watch?v=VBNYoHrkI5s

Ein kurzer Bericht über die damaligen Ereignisse , die Gegenwart und den Film


TV-Tipp für den 11. April: Die fetten Jahre sind vorbei

April 10, 2018

3sat, 22.35

Die fetten Jahre sind vorbei (Deutschland 2004)

Regie: Hans Weingartner

Drehbuch: Katharina Held, Hans Weingartner

Mit eher spaßigen Einbrüchen leben zwei Freunde in Berlin ihre Version der Revolution gegen das System aus. Dann gibt es „Jules und Jim“-Liebesprobleme und bei einem ihrer Einbrüche begegnen sie dem Hausherr, den sie spontan in die Berge entführen. Dort müssen sie feststellen, dass der böse Kapitalist ein Alt-68er ist.

Mehr sympathisch als revolutionär, aber: „Interessante Denkanstöße liefert der sehenswerte Film allemal.“ (Martin Schwarz, Zitty 25/2004)

Mit knapp 900.000 Kinobesuchern war Hans Weingartners Film damals ein für Diskussionen sorgender Kinohit. Auch wenn 2004 Werke wie „(T)Raumschiff Surprise – Periode 1“, „Sieben Zwerge – Männer allein im Wald“, „Der Untergang“ und „Der Wixxer“ deutlich mehr Besucher hatten.

3sat zeigt die etwas kürzere TV-Fassung in der die Schlusssequenz fehlt. Die Kinofassung endet offener.

mit Daniel Brühl, Julia Jentsch, Stipe Erceg, Burghart Klaußner, Claudio Caiolo, Bernhard Bettermann

Hinweise

Filmportal über „Die fetten Jahre sind vorbei“

Moviepilot über „Die fetten Jahre sind vorbei“

Rotten Tomatoes über „Die fetten Jahre sind vorbei“

Wikipedia über „Die fetten Jahre sind vorbei“ (deutsch, englisch)

Schnittberichte vergleicht die Fassungen


Cover der Woche

April 10, 2018


TV-Tipp für den 10. April: Komm Komm Grundeinkommen! (aka „Free Lunch Society“)

April 9, 2018

https://www.youtube.com/watch?v=dG_TjlEs4us

Arte, 22.00

Komm Komm Grundeinkommen! (Deutschland/Österreich 2017)

Regie: Christian Tod

Drehbuch: Christian Tod

Gerade erst als „Free Lunch Society“ im Kino und schon jetzt im TV: Christian Tods informativer Film für das Bedingungslose Grundeinkommen.

Hinweise

Homepage zum Film

Moviepilot über „Free Lunch Society“

Wikipedia über das Bedingungslose Grundeinkommen