TV-Tipp für den 9. Dezember: It Must Schwing! Die Blue Note Story

Dezember 9, 2018

https://vimeo.com/272222285

ARD, 23.35

It must schwing – The Blue Note Story (Deutschland 2018)

Regie: Eric Friedler

Drehbuch: Eric Friedler

Sehr schöne Doku über Alfred Lion und Frank Wolff, zwei Berliner Jungs, Jazzfans und Juden, die vor den Nazis in die USA fliehen, dort ein Plattenlabel gründen, es Blue Note nennen – und der Rest ist Geschichte.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Herbie Hancock, Sonny Rollins, Wayne Shorter, Quincy Jones, Lou Donaldson, Ron Carter, Sheila Jordan, Rudy Van Gelder, Kenny Burrell, Jimmy Heath, George Benson, Reggie Workman, Cecil McBee, Charles Tolliver, Rolf Kühn, Bennie Maupin, Bary Singer, Dan Morgenstein, Peter-Joachim von Drenkmann, Michael Cuscuna

Hinweise

Homepage zum Film

Filmportal über „It must schwing“

Moviepilot über „It must schwing“

Wikipedia über Blue Note (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Eric Fiedlers „It must schwing – The Blue Note Story“ (Deutschland 2018)


Neu im Kino/Filmkritik: Über Gaspar Noés „Climax“

Dezember 8, 2018

Jede Geschichte habe einen Anfang, eine Mitte und ein Ende. Aber nicht unbedingt in dieser Reihenfolge, sagte Jean-Luc Godard, der große Philosoph des Kinos, einmal.

Gaspar Noé, der große Provokateur des Kinos, nahm für seinen neuen Film „Climax“ Godards Satz wörtlich. Der Film beginnt mit dem Ende und auch der Vorspann ist nicht an der gewohnten Stelle. Aber das sind kleine formale Spielerei in einem Film, der letztendlich strikt chronologisch seine Geschichte erzählt.

1996 feiern 21 junge Tänzer und Tänzerinnen in Frankreich in einer Turnhalle einer schon einige Tage leerstehenden Schule das Ende der aufreibenden Proben. Am nächsten Tag soll die große Tour durch Frankreich und die USA beginnen. Diese Nacht wird gefeiert, getanzt und getrunken. Auch der von der Choreographin für ihre Tänzer und Tänzerinnen gemischte Sangria. Zu spät bemerken sie, dass in der Sangria nicht nur Alkohol, sondern auch etwas anderes ist, das sie vollkommen enthemmt.

Währenddessen legt DJ Daddy trendige Tanzmusik auf und als waschechter Master of Ceremony liefert er der zunächst feiernden und tanzenden, später halluzinierenden und verhexten Masse den passenden Soundtrack für die Hexenmesse, die dem Prinzip der Enthemmung gehorcht.

In seinem neuesten Film „Climax“ verzichtet Gaspar Noé auf ein Drehbuch. Bei den Dialogen dürften die Schauspieler improvisieren. Sie sind sowieso unwichtiger als die langen Tänze, die Enthemmungen, die Stadien der Trance und, nun, all die Dinge, die man auch noch so auf einer Party tut und über die man nachher nicht mit seinen Eltern oder seiner Freundin (wenn sie nicht dabei war) reden will.

Optisch ist das ein einziger Trip, der deutlich vom Horrorfilm der siebziger Jahre, vor allem dem Giallo und stilprägenden Regisseuren wie Dario Argento, inspiriert ist. Nur dass bei Noé die Kamera sich noch enthemmter durch die Räume bewegen kann. Die Leere der chronologisch gedrehten Geschichte kann sie kaum verdecken. Auch weil die Tänzer schnell austauschbare Opfer für die Anbetung eines abwesenden, nicht näher bezeichneten Satans sind. Wer will kann „Climax“ dann als Allegorie auf die Gesellschaft sehen, die angesichts einer nahenden Katastrophe einfach weiterfeiert.

Am Ende ist „Climax“ ein neunzigminütiger, formal beeindruckender, kompromissloser Low-Budget-Videoclip voll HipHop-, Electro- und Techno-Musik der neunziger Jahre, Farben und tanzender junger Menschen. Ein Feelbad-Trip mit höchst rudimentärer Story und pseudo-provozierender Szenen. Ob einem das gefällt, hängt vor allem davon ab, ob einem die Musik gefällt.

Climax (Climax, Frankreich 2018)

Regie: Gaspar Noé

Drehbuch: Gaspar Noé

mit Sofia Boutella, Romain Guillermic, Souheila Yacoub, Kiddy Smile, Claude Gajan Maull, Giselle Palmer, Taylor Kastle, Thea Carla Schott, Sharleen Temple, Lea Vlamos, Alaia Alsafir, Kendall Mugler, Lakdhar Dridi, Adrien Sissoko, Mamadou Bathily, Alou Sibide, Ashley Biscette, Mounia Nassangar, Tiphanie Au, Sarah Belala, Alexandre Moreau, Naab, Straus Serpent, Vince Galliot Cumant

Länge: 93 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Moviepilot über „Climax“

AlloCiné über „Climax“

Metacritic über „Climax“

Rotten Tomatoes über „Climax“

Wikipedia über „Climax“ (englisch, französisch)

Meine Besprechung von Gaspar Noés „Love 3D“ (Love, Frankreich/Belgien 2015)


TV-Tipp für den 8. Dezember: Stirb langsam

Dezember 8, 2018

Weihnachtsfilme, Weihnachtsfilme und

Vox, 22.00

Stirb langsam (Die hard, USA 1988)

Regie: John Mc Tiernan

Drehbuch: Jeb Stuart, Steven E. de Souza

LV: Roderick Thorp: Nothing lasts forever, 1979 (Stirb langsam)

Bahnbrechendes Action-Kino, das Bruce Willis zum Star machte – im Buch besucht der Held seine Tochter, im Film besucht der Held seine Frau, der Rest (Terroristen besetzten ein Hochhaus, unser Held kämpft gegen sie) ist bekannt. EPD Film meinte „ein durch und durch regressiver Film, der einer infantilen Lust an der Zerstörung Nahrung verschafft.“

Das Drehbuch von Jeb Stuart und Steven E. De Souza war für den Edgar nominiert.

Mit Bruce Willis, Alan Rickman, Bonnie Bedelia, Alexander Godunov, Reginald VelJohnson, William Atherton, Paul Gleason, Hart Bochner

Hinweise

Rotten Tomatoes über „Stirb langsam“

Wikipedia über „Stirb langsam“ (deutsch, englisch)

Spiegel: „Eines Tages“ über 20 Jahre „Stirb langsam“

Thrilling Detective über Joe Leland (so heißt John McClane im Buch)

The Independent: Nachruf auf Roderick Thorp

Meine Besprechung von Howard Chaykin (Autor)/Stephen Thompson/Gabriel Andrade jr. (Zeichner): Die Hard – Das erste Jahr (Die Hard: Year One 1 – 8, 2009)

Meine Besprechung von John McTiernans „Nomads – Tod aus dem Nichts“ (Nomads, USA 1985)


Neu im Kino/Filmkritik: „Widows – Tödliche Witwen“, tote Männer und ein todsicherer Plan

Dezember 8, 2018

Steve McQueens neuer Film beginnt mit friedlichen Bildern von Männern, die sich von ihren Frauen verabschieden und zur Arbeit gehen. Ihre Arbeit ist allerdings etwas ungewöhnlich: sie sind Profi-Einbrecher und bei diesem Einbruch geht einiges schief. Sie müssen flüchten, werden von der Polizei quer durch die Stadt verfolgt und als die Polizei sie in einer Lagerhalle verhaften will, explodiert ihr Fluchtfahrzeug im Kugelhagel. Die Beute geht in Flammen auf. Die Diebe sterben.

Ihre Frauen sind die titelgebenden Witwen, die kurz darauf knietief in finanziellen Problemen stecken. Und dann fordert auch noch Jamal Manning (Brian Tyree Henry) sein Geld zurück. Denn Harry Rawlins (Liam Neeson, vor allem lebendig in Rückblenden) und seine Gang haben sein Wahlkampfgeld gestohlen. Harrys Frau Veronica Rawlins (Viola Davis) hat einen Monat, um das Geld zu beschaffen.

Weil sie das Tagebuch ihres Mannes hat, in dem er alle Informationen für seinen nächsten Einbruch akribisch notierte, besitzt sie den Plan für einen Einbruch. Jetzt braucht sie nur noch einige Informationen, wie den Standort des Gebäudes, in dem der mit einigen Millionen Dollar gefüllte Tresor steht, und einige Helferinnen. Sie denkt dabei an die anderen Frauen, die bei Harrys letztem Einbruch ebenfalls ihre Männer verloren haben. Linda (Michelle Rodriguez), deren Kleidergeschäft von ihrem Mann verzockt wurde, und Alice (Elisabeth Debicki), die von ihrem Mann als Vollzeit-Ehefrau an der kurzen Leine gehalten wurde, helfen ihr. Später stößt Belle (Cynthia Erivo), die als Friseuse und Kindermädchen für Lindas Kinder kaum über die Runden kommt, zu ihnen.

Die ursprüngliche Idee für „Widows“ ist schon ziemlich alt. Lynda La Plante hatte sie bereits in den frühen achtziger Jahren und setzte sie ziemlich zeitgleich als Roman und TV-Miniserie um. Die uns anscheinend nie gezeigte TV-Serie war 1983 ein Hit im britischen TV und 2002 die Vorlage für eine US-TV-Miniserie. La Plante erzählte die Geschichte der diebischen Frauen 1985 und 1995 in zwei weiteren TV-Miniserien weiter. „Widows“ war für sie der Beginn einer erfolgreichen Karriere. So war sie als Autorin und Produzentin für die TV-Serien „Heißer Verdacht“ (Prime Suspect) und „Der Preis des Verbrechens“ (Trial & Retribution) verantwortlich. Um nur die zwei langlebigen Serien zu nennen, die auch in Deutschland bekannter sind.

Steve McQueen sah 1983 als Jugendlicher die TV-Serie und er war von den Frauen, die ein Ding drehen, fasziniert. Das war damals brandneu. Zusammen mit „Gone Girl“-Autorin Gillian Flynn setzte er sich jetzt an eine zeitgemäße Adaption des Stoffes.

McQueen und Flynn verlegten die Geschichte nach Chicago, in die Gegenwart. Die Lokalpolitik und die sozioökonomischen Verwerfungen und Konflikte innerhalb der US-Gesellschaft sind ein wichtiger Teil der sehr dicht erzählten Geschichte, die immer wirkt, als habe man die sechsteilige TV-Serie auf kinotaugliche zwei Stunden eingedampft. Da bringt jede Szene die Geschichte erkennbar voran. Und weil McQueen zwischen mehreren Handlungssträngen jongliert, kann man sich ziemlich schnell ausmalen, wie alles miteinander zusammenhängt.

Im Mittelpunkt des Thrillers stehen die Planung und Durchführung des Coup. Aber McQueen wechselt souverän zwischen mehreren Handlungssträngen. Neben den vier Frauen, die einige Taschen voll Geld stehlen wollen, sind auch Jack Mulligan (Colin Farrell) und Jamal Manning involviert. Sie sind gerade mitten im Wahlkampf um den Posten des Stadtrats für den 18. Bezirk von Chicago. Mulligans Vater Tom (Robert Duvall) will das Wahlamt an seinen Sohn vererben. Der Afroamerikaner Manning ist ein bekannter Verbrecher, der als Stadtrat ehrbar werden und etwas für seine Gemeinde tun will.

Es sind, auch weil McQueen die einzelnen Handlungsstränge immer wieder aufspaltet, viele Episoden und Themen, die dank seiner sicheren Regie und dank des guten Drehbuchs nie zu einer chaotischen Abfolge unzusammenhängender Episoden werden. Es ist auch schön zu sehen, dass jeder Charakter, auch wenn er nur wenige Minuten Filmzeit hat, zu einer dreidimensionalen Figur entwickelt wurde.

Widows – Tödliche Witwen“ ist ein mustergültiger, elegant erzählter Genrefilm, bei dem vor allem der Name des Regisseurs erstaunt. Denn Steve McQueens vorherige Filme „Hunger“, „Shame“ und „12 Years a Slave“ waren intensive Dramen, die sich auf einen Charakter, einen Mann, konzentrierten und dem nie von der Seite wichen. Sein neuester Film ist dagegen ein astreiner, konsequent den Regeln des Heist-Movies folgender Thriller mit mehreren Erzählsträngen und ganz gewöhnlich starken Frauen als Protagonisten.

Kurz gesagt ist „Widows“ für Steve McQueen das, was „Inside Man“ für Spike Lee war: ein aus dem sonstigen Werk herausstechender schnörkelloser und spannender Genrefilm.

Und mir fällt ein, dass ich immer noch nicht Wallace Strobys dritten Hardboiled-Krimi „Fast ein guter Plan“ (Pendragon) mit Profidiebin Crissa Stone gelesen habe.

Widows – Tödliche Witwen (Widows, USA 2018)

Regie: Steve McQueen

Drehbuch: Gillian Flynn, Steve McQueen (basierend auf der gleichnamigen TV-Serie von Lynda La Plante)

mit Viola Davis, Michelle Rodriguez, Elizabeth Debicki, Cynthia Erivo, Colin Farrell, Daniel Kaluuya, Jackie Weaver, Robert Duvall, Liam Neeson, Brian Tyree Henry, Garrett Dillahunt, Carrie Coon, Jon Bernthal, Manuel Garcia-Rulfo, Lukas Haas

Länge: 130 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „Widows“

Metacritic über „Widows“

Rotten Tomatoes über „Widows“

Wikipedia über „Widows“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Steve McQueens „Shame“ (Shame, Großbritannien 2011)

Meine Besprechung von Steve McQueens „12 Years a Slave“ (12 Years a Slave, USA 2013)

Meine Besprechung von David Finchers Gillian-Flynn-Verfilmung „Gone Girl – Das perfekte Opfer (Gone Girl, USA 2014) (Buch- und Filmkritik)

Meine Besprechung von Gilles Paquet-Brenners Gillian-Flynn-Verfilmung „Dark Places – Gefährliche Erinnerung“ (Dark Places, USA/Frankreich 2015)

Steve McQueen über den Film

Steve McQueen und Gillian Flynn über den Film

Steve McQueen, Viola Davis, Michelle Rodriguez und Elizabeth Debicki über den Film


Neu im Kino/Filmkritik: „100 Dinge“ und Matthias Schweighöfer und Florian David Fitz

Dezember 8, 2018

Wer sich nach einem Blick auf Plakat und Trailer fragt, wie oft man die Herren Schweighöfer und Fitz in einem ab 6 Jahren freigegebenem Film nackt sieht, muss nicht weiterlesen: man sieht sie oft. Vor allem Matthias Schweighöfer läuft erstaunlich oft nackt durch das Bild und er hat irgendwann vor dem Dreh ein umfangreiches Muskelaufbauprogramm absolviert. Das fällt vor allem am Ende des Films auf; nach einer Szene, die jeder Berliner sofort als Fantasie erkennt.

Wer wissen will, ob sich der Film „100 Dinge“ lohnt, kann weiterlesen.

Matthias Schweighöfer und Florian David Fitz (auch Drehbuch und Regie) spielen die Jugendfreunde Toni Katz und Paul Konaske, die kaum gegensätzlicher sein könnten. Während Paul (Florian David Fitz) mühelos jedes Weckerklingeln ignoriert, eine riesige Auswahl nie getragener, brandneuer Sneakers hat und gerade, wie in „Her“, in die Stimme der künstlichen Intelligenz seines Smartphones verliebt ist, ist Toni (Matthias Schweighöfer) das komplette Gegenteil. Er ist schon vor dem ersten Weckerklingeln wach, steckt mehr Zeit und Arbeit in sein Aussehen als jede Frau und er ist der perfekte aalglatte Verkäufer. Sie könnten kaum unterschiedlicher sein. Trotzdem gründeten sie gemeinsam eine Firma. Ihr Start-Up entwickelte eine App, die ihren Kunden mit lieblicher Stimme und persönlicher Ansprache bei der täglichen Lebensgestaltung hilft und Kauftipps gibt. Diese App, die Paul gerade testet, präsentieren sie dem US-Internet-Milliardär David Zuckermann (Artjom Gilz, der wie eine schlechte Mark-Zuckerberg-Kopie aussieht).

Also die beiden Firmengründer präsentieren ihre Idee nicht dem großen Boss, sondern einem Kuratorium gelangweilter Angestellter. Aber weil Zuckemann zuhört und er in ihrer Idee Potential sieht, gibt er ihnen einen millionenschweren Entwicklungsauftrag und er will demnächst Berlin besuchen.

Am Abend feiern Paul und Toni mit ihren Angestellten das Riesengeschäft. Während der Büroorgie beginnen Paul und Toni sich zu streiten. Denn Toni behauptet, Paul sei viel zu konsumsüchtig und unbeherrscht, um nur einen Tag auf etwas zu verzichten. Er sei das perfekte Opfer für ihre App. Ein Wort gibt das nächste, bis Paul eine Wette vorschlägt: er und Toni verzichten jetzt sofort auf alles. In den kommenden 100 Tagen darf jeder sich jeden Tag einen Gegenstand aus einem Lagerraum, in dem ihre persönliche Habe deponiert ist, zurückholen. Wer als erster gegen die Regeln verstößt, hat die Wette verloren. Der Wetteinsatz ist die eigene Hälfte der Firma.

100 Dinge“ ist eine der Komödien, bei der man viel Zeit auf vollkommen unwichtige Fragen verwenden kann, wie warum einmal Schnee in Berlin liegt und einmal nicht. Es sind Fragen, die in einem besseren Film egal wären. Aber im zweiten gemeinsamen Film von Florian David Fitz und Matthias Schweighöfer stimmt so wenig, dass solche Fragen wichtig werden.

Das beginnt schon mit ihren durchgehend unglaubwürdigen, meist hoffnungslos überdreht agierenden Charakteren. Sie sind so verschieden, dass ihre jahrzehntelange Freundschaft nie auch nur einen Hauch von Glaubwürdigkeit hat. Dazu kommt, dass sie, wie Erzfeinde, ständig versuchen, sich zu betrügen. Sie sind Kunstfiguren mit Problemen, die in diesem Licht auch künstlich erscheinen. So müssen wir einfach glauben, dass Paul sich in die Stimme seiner von ihm programmierten App verliebte. Warum und wieso ist in „100 Dinge“ egal. In Spike Jonzes „Her“ verstanden wir intellektuell und emotional, warum der einsame Theodore Twombly sich in die liebliche Computerstimme verliebte.

Die um Paul und Toni und ihre Wette herumgesponnene Geschichte, in der sie selbstverständlich auch eine Frau kennenlernen und auch einige persönliche Problemchen verarbeiten, streift dann etliche aktuelle und wichtige Themen, ohne sie jemals zu vertiefen. Stattdessen darf ein Kapitalismusjunkie die Liebe seines Lebens entdecken und am Ende wird alles gut, weil der Drehbuchautor es so will. Besser wäre es gewesen, weil die Figuren es so wollen. Garniert wird das ganze mit begrüßenswerter, aber wohlfeiler und nicht besonders glaubwürdiger Konsumkritik.

100 Dinge“ ist eine langweilig-vorhersehbare Komödie, deren Halbwertzeit schon auf dem Weg vom Kino zum gegenüberliegenden Konsumtempel überschritten wird.

100 Dinge (Deutschland 2018)

Regie: Florian David Fitz

Drehbuch: Florian David Fitz

mit Florian David Fitz, Matthias Schweighöfer, Miriam Stein, Hannelore Elsner, Wolfgang Stumph, Maria Furtwängler, Katharina Thalbach, Artjom Gilz

Länge: 111 Minuten

FSK: ab 6 Jahre

Hinweise

Homepage zum Film

Filmportal über „100 Dinge“

Moviepilot über „100 Dinge“

Wikipedia über „100 Dinge“


TV-Tipp für den 7. Dezember: Die Bourne Identität

Dezember 7, 2018

RTL II, 20.15

Die Bourne Identität (The Bourne Identity, USA 2002)

Regie: Doug Liman

Drehbuch: Tony Gilroy, William Blake Herron

LV: Robert Ludlum: The Bourne Identity, 1980 (Der Borowski-Betrug, Die Bourne-Identität)

CIA-Agent und Killer Jason Bourne hat sein Gedächtnis verloren. Schlimme Sache. Aber schlimmer ist, dass seine ehemaligen Arbeitgeber ihn umbringen wollen.

Die eher werkferne, kommerziell erfolgreiche Verfilmung des ersten Borowski-Buches. Für die Verfilmung des damals über zwanzig Jahre alten Buches wurde nur das Skelett der Handlung übernommen, der Rest aktualisiert und ein unterhaltsamer Action-Thriller gedreht, der sogar angenehm altmodisch ist. Nur Matt Damon wirkt einfach fünf Jahre zu jung für den eiskalten Profikiller. Ddas Problem hatte er in den spannenden Fortsetzungen nicht mehr.

Mit Matt Damon, Franka Potente, Chris Cooper, Clive Owen, Brian Cox, Walton Goggins

Hinweise

Rotten Tomatoes über „Die Bourne Identität“

Wikipedia über „Die Bourne Identität“ (deutsch, englisch) und Robert Ludlum (deutsch, englisch)

Robert-Ludlum-Fanseite

Kirjasto über Robert Ludlum

Meine Besprechung von Tony Gilroys “Das Bourne-Vermächtnis” (The Bourne Legacy, USA 2012)

Meine Besprechung von Paul Greengrass‘ „Jason Bourne“ (Jason Bourne, USA 2016)

Meine Besprechung von Doug Limans „Edge of Tomorrow“ (Edge of Tomorrow, USA 2014) und der DVD

Meine Besprechung von Doug Limans „Barry Seal – Only in America“ (American Made, USA 2017)


TV-Tipp für den 6. Dezember: Slow West

Dezember 6, 2018

3sat, 22.25

Slow West (Slow West, England/Neuseeland 2015)

Regie: John Maclean

Drehbuch: John Maclean

Wilder Westen, 1870: der sechzehnjährige Schotte Jay Cavendish sucht seine aus Schottland geflüchtete große Liebe Rose Ross und eigentlich ist das Greenhorn zwischen Kopfgeldjägern, Indianern und allen anderen Wild-West-Gefahren zum Sterben verdammt. Wenn ihm nicht Silas Selleck, ein Revolverheld mit unklaren Absichten, helfen würde.

Schöner kleiner Western mit angenehm kurzer Laufzeit.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Kodi Smit-McPhee, Michael Fassbender, Ben Mendelsohn, Caren Pistorius, Rory McCann, Andrew Robertt, Edwin Wright, Kalani Queypo

Hinweise
Englische Homepage zum Film
Deutsche Homepage zum Film
Film-Zeit über „Slow West“
Moviepilot über „Slow West“
Metacritic über „Slow West“
Rotten Tomatoes über „Slow West“
Wikipedia über „Slow West“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von John Macleans „Slow West“ (Slow West, England/Neuseeland 2015)


Privatdetektive: Nero Wolfe und „Der rote Stier“

Dezember 5, 2018

Nero Wolfe steht auf einer Wiese. Ihm gegenüber steht ein kampfeslustiger Stier. Weil diese Situation in der Welt von Nero Wolfe vollkommen ungewöhnlich ist, erinnern sich alle, die den Kriminalroman irgendwann gelesen haben, an diese Szene. Denn Nero Wolfe ist ein übergewichtiger, in New York lebender Privatdetektiv, Orchideenzüchter, Genießer (er beschäftigt einen Koch, der locker in jedem Sterne-Restaurant reüssieren könnte) und er verlässt so ungern sein Brownstone-Haus, dass man auch sagen kann, er verlässt es nie. Das tut sein Assistent Archie Goodwin, der Erzähler der Nero-Wolfe-Geschichten.

In „Der rote Stier“ hat Wolfe seine Wohnung verlassen, um an einem Wettbewerb von Orchideenzüchtern teilzunehmen. Und er musste das von Goodwin gefahrene Auto verlassen und über eine Wiese gehen und vor dem Stier, den er und Goodwin zu spät entdecken, auf einen Felsen flüchten, der mitten auf der Wiese liegt. Jetzt ist Nero Wolfe an dem Ort, an dem man ihn am wenigsten erwarten würde.

Gegenüber diesem Bild verblast die restliche Geschichte.

Dabei ist „Der rote Stier“, der sechste von Rex Stout geschriebene Nero-Wolfe-Roman, ein wundervoller Privatdetektivkrimi. Im Original erschien der Krimi 1938 in einer gekürzten Ausgabe in „The American Magazine“. 1939 erschien er ungekürzt als Buch. Seitdem gab es mehrere deutsche Veröffentlichungen. Die jüngste ist von Conny Lösch und ihre vollständige Neuübersetzung ist ein Lesevergnügen. Sprachlich wirkt ist da nichts verstaubt oder altmodisch. Das gilt auch für den Krimiplot, den man mit einigen kleinen Änderungen mühelos in die Gegenwart verlegen könnte.

Denn selbstverständlich ermitteln Nero Wolfe und Archie Goodwin schnell in einem Mordfall. Der titelgebende, preisgekrönte Zuchtbulle Hickory Caesar Grindon gehört Thomas Pratt. Der Besitzer einer gut laufenden Fastfood-Restaurantkette hat ihn Monte McMillan für eine erkleckliche Summe abgekauft. Er will ihn in einigen Tagen, mit geladenen Gästen und begleitet von einem großen Presserummel, verspeisen.

Für die örtlichen Züchter ist das ein Sakrileg. Und Clyde Osgood wettet mit Pratt, dass er Caesar nicht verspeisen werden. Noch in der Nacht stirbt Osgood. Offensichtlich wollte er Caesar von der Wiese entführen und wurde dabei von Caesar getötet.

Als Nero Wolfe einen Blick auf den Toten und den blutbefleckten Stier wirft, weiß er, dass Osgood ermordet wurde und dass Caesar nicht der Täter ist.

Die Ermittlungen, also die Befragungen all der möglichen und unmöglichen Täter, werden von Rex Stout etwas hinausgezögert, weil Wolfe zuerst einen Klienten finden muss, der sein unverschämt hohes Honorar bezahlen will.

Anschließend entwickelt sich das übliche, aus Ratekrimis bekannte Spiel, in dem alle Menschen befragt werden, die etwas über die Hintergründe des Mordes wissen könnten, und es gibt selbstverständlich deutlich mehr Verdächtige als Täter. Diesen Rätselplot erzählt Stout, mit leichtem Humor, so flott, dass „Der rote Stier“ echte Pageturner-Qualitäten hat.

Unter Fans gilt „Der rote Stier“ als einer der besten Nero-Wolfe-Romane. Das hat mehrere Gründe. Alle wichtigen Punkte von Nero Wolfes Welt sind bereits etabliert, aber sie sind noch nicht so fest zementiert wie in den späteren Romanen. Innerhalb der bekannten Formel gibt es noch viel Raum für unangestrengte Experimente, wie Nero Wolfe für einen gesamten Roman aus seiner New Yorker Wohnung zu holen und so dem Leser schon von der ersten Seite an ein besonderes Abenteuer zu bieten. Aber vor allem ist die Erzählfreude von Rex Stout auf jeder Seite spürbar und der Plot ist glänzend konstruiert.

Das nennt man dann: einen auch heute noch lesenswerten Klassiker.

Rex Stout: Der rote Stier – Ein Fall für Nero Wolfe

(vollständig neu übersetzt von Conny Lösch)

Klett-Cotta, 2018

352 Seiten

16 Euro

Originalausgabe

Some Buried Caesar

Farrar & Rineheart, 1939

Ursprünglich, in gekürzter Form 1938 in The American Magazine als „The Red Bull“.

Hinweise

Krimi-Couch über Rex Stout

Kaliber 38 über Rex Stout

Wikipedia über Rex Stout (deutsch, englisch) und Nero Wolfe (deutsch, englisch)

Thrilling Detective über Rex Stout und Nero Wolfe

Meine Besprechung von Rex Stouts „Es klingelte an der Tür“ (The Doorbell rang, 1965)

 


TV-Tipp für den 5. Dezember: Frau zu verschenken

Dezember 4, 2018

https://www.youtube.com/watch?v=Bj_sL2fQP7A

Arte, 22.40

Frau zu verschenken (Préparez vos mouchoirs, Frankreich/Belgien 1978)

Regie: Bertrand Blier

Drehbuch: Bertrand Blier

Weil Raoul seine Frau Solange glücklich sehen will, sie aber immer apathisch und lustlos ist, schenkt er sie in einem Restaurant spontan einem fremden Mann. Auch er kann Solange nicht aufheitern. Dafür werden Raoul und Stéphane Freunde, die immer noch Solange glücklich sehen wollen. Da trifft sie einen Dreizehnjährigen.

Provozierende, groteske Erotiksatire, die 1979 den Oscar als bester ausländischer Film erhielt.

Blier „möchte der maskulinen Selbstüberschätzung (die immer nur an das eine denkt und meint, die Frauen seien ebenso eingleisig orientiert) eins auswischen. Dem männlichen Chauvinismus gibt er denn auch kräftig eins auf den Deckel.“ (Fischer Film Almanach 1980)

zum Totlachen komische Geschichte“ (Marianne Gray: Gérard Depardieu – Der europäische Superstar, 1992/1995)

mit Gérard Depardieu, Patrick Dewaere, Carole Laure, Riton, Michel Serrault, Eleonore Hirt

Hinweise

Rotten Tomatoes über „Frau zu verschenken“

Wikipedia über „Frau zu verschenken“ (deutsch, englisch, französisch)


Cover der Woche

Dezember 4, 2018


TV-Tipp für den 4. Dezember: Polizeiruf 110: Kreise

Dezember 4, 2018

NDR, 22.00

Polizeiruf 110: Kreise (Deutschland 2015)

Regie: Christian Petzold

Drehbuch: Christian Petzold

Kommissar Hanns von Meuffels soll den Mord an der Eigentümerin einer Möbel-Manufaktur aufklären. Die Firma sollte von einem Investor übernommen werden und mit dem Eigentümerwechsel sollten 72 Arbeitsplätze wegfallen. Der Hauptverdächtige ist ihr Ex-Mann, dem die Polizei nichts nachweisen kann.

Christian Petzold, der in den vergangenen Jahren hauptsächlich für das Kino arbeitete und dessen TV-Filme immer wie Kinofilme aussehen, inszeniert seinen ersten „Polizeiruf 110“. Es wurde, wie erwartet, ein ebenso ungewöhnlicher, wie gelungener Krimi. 2016 inszenierte er mit „Wolfe“ einen weiteren „Polizeiruf 110“ mit Kommissar von Meuffels.

Ach ja: Petzolds Inspiration für „Kreise“ war Claude Gorettas „Ganz so schlimm ist er auch nicht“ mit einem noch jungen und schlanken Gérard Depardieu in der Hauptrolle.

mit Matthias Brandt, Barbara Auer, Justus von Dohnányi, Luise Heyer, Daniel Sträßer, Jan Messutat

Hinweise

Wikipedia über „Polizeiruf 110“ und diesen Polizeiruf

Meine Besprechung von Christian Petzolds „Phoenix“ (Deutschland 2014)

Meine Besprechung von Christian Petzolds „Transit“ (Deutschland/Frankreich 2018)

Christian Petzold in der Kriminalakte


Die Krimibestenliste Dezember 2018

Dezember 3, 2018

Die aktuelle Krimibestenliste der F.A.S. und Deutschlandfunk Kultur kann auch als weihnachtliche Einkaufsliste dienen:

1. Sara Paretsky – Kritische Masse (Platzierung im Vormonat: /)

Aus dem Englischen von Laudan & Szelinski. Ariadne im Argument-Verlag, 540 Seiten, 24 Euro

2. Louise Penny – Hinter den drei Kiefern (Platzierung im Vormonat: 3)

Aus dem Englischen von Andrea Stumpf und Gabriele Werbeck. Kampa, 496 Seiten, 16,90 Euro

3. Fred Vargas – Der Zorn der Einsiedlerin (Platzierung im Vormonat: 2)

Aus dem Französischen von Waltraud Schwarze. Limes, 512 Seiten, 23 Euro

4. Mick Herron – Slow Horses. Ein Fall für Jackson Lamb (Platzierung im Vormonat: 1)

Aus dem Englischen von Stefanie Schäfer. Diogenes, 480 Seiten, 24 Euro

5. Patrícia Melo – Der Nachbar (Platzierung im Vormonat: /)

Aus dem Portugiesischen von Barbara Mesquita. Tropen, 160 Seiten, 18 Euro

6. Anne Goldmann – Das größere Verbrechen (Platzierung im Vormonat: /)

Ariadne im Argument-Verlag, 240 Seiten, 13 Euro

7. Simone Buchholz – Mexikoring (Platzierung im Vormonat: 4)

Suhrkamp, 248 Seiten, 14,95 Euro

8. Carol O’Connell – Blind Sight (Platzierung im Vormonat: /)

Aus dem Englischen von Judith Schwaab. btb, 512 Seiten, 10 Euro

9. Christoph Peters – Das Jahr der Katze (Platzierung im Vormonat: 9)

Luchterhand, 352 Seiten, 22 Euro

10. Mechtild Borrmann – Grenzgänger (Platzierung im Vormonat: /)

Droemer, 286 Seiten, 20 Euro

Mit 8 Frauen dürfte das die frauenlastigste Krimibestenliste aller Zeiten sein.

Da muss sich Friedrich Ani mit seinem neuen Süden-Roman „Der Narr und seine Maschine“ (Suhrkamp, 144 Seiten, 18 Euro) wohl noch einen Monat gedulden.

Und Joe R. Lansdale sollte mit seinem neuen Krimi „Bissige Biester“ (Golkonda, 272 Seiten, 16,90 Euro), wieder mit dem Duo Hap Collins und Leonard Pine, ebenfalls kommenden Monat eine lobende Erwähnung erhalten.

Damit wären wir, für den Moment, beim Dreckigen Dutzend.


TV-Tipp für den 3. Dezember: Borsalino & Co.

Dezember 3, 2018

Arte, 22.30

Borsalino & Co. (Borsalino & Co., Deutschland/Frankreich/Italien 1974)

Regie: Jacques Deray

Drehbuch: Jacques Deray, Pascal Jardin

Vier Jahre nach dem Kassenhit „Borsalino“ kam die ebenfalls erfolgreiche Fortsetzung „Borsalino & Co.“ in die Kinos und weil Siffredi am Ende des vorherigen Films seinen Gangsterfreund Capella verloren hat, muss Alain Delon sich jetzt mit niemand mehr die Bühne teilen. Jetzt will Siffredi im Marseille der dreißiger Jahre den Mord an seinem Freund rächen und die kriminelle Herrschaft über die Stadt haben. Wenn da nicht konkurrierende Gangster wären.

Gangsterthriller, der nicht so gut und erfolgreich wie „Borsalino“ ist. Aber das sollte Genrejunkies nicht davon abhalten, sich diesen selten gezeigten Film anzusehen.

Arte dürfte die ungekürzte 106-minütige Fassung zeigen.

Mit Alain Delon, Ricardo Cucciolla, Reinhad Kolldehoff, Daniel Ivernel, Catherine Rouvel

Hinweise

Rotten Tomatoes über „Borsalino & Co.“

Wikipedia über „Borsalino & Co.“ (deutsch, englisch, französisch)


TV-Tipp für den 2. Dezember: Borsalino

Dezember 2, 2018

Arte, 20.15

Borsalino (Borsalino, Frankreich/Italien 1970)

Regie: Jacques Deray

Drehbuch: Jean-Claude Carrière, Claude Sautet, Jacques Deray, Jean Cau

LV: Eugène Saccamano: Bandits à Marseille, 1959

Marseille, 30 Jahre: Die beiden Kleinganoven Siffredi (Alain Delon) und Capella (Jean-Paul Belmondo) wollen die Stadt beherrschen.

Unglaublich erfolgreicher und unterhaltsamer Gangsterfilm. Heute in der restaurierten Fassung.

Morgen zeigt Arte um 22.30 Uhr die vier Jahre später entstandene Fortsetzung „Borsalino & Co.“. Wieder von Deray inszeniert, wieder mit Delon, aber dieses Mal ohne Belmondo.

mit Jean-Paul Belmondo, Alain Delon, Michel Bouquet, Catherine Rouvel, Francoise Christophe

Wiederholung: Freitag, 7. Dezember, 00.55 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

Rotten Tomatoes über „Borsalino“

Wikipedia über „Borsalino“ (deutsch, englisch, französisch)