Nach einem in der Gegenwart spielendem Prolog, in dem Studierende während eines Anatomieseminars die Knochen von Josef Mengele gezeigt bekommen, springt Kirill Serebrennikov zurück in die fünfziger Jahre. In schönster Film-Noir-Manier und selbstverständlich in Schwarz-Weiß flüchtet ein Mann tagsüber durch Buenos Aires. Er fühlt sich verfolgt. Und wie wir ziemlich schnell erfahren, ist seine Sorge nicht vollkommen unberechtigt.
Seit 1949 lebt der Mann als Helmut Gregor in Südamerika. In Wirklichkeit ist es Josef Mengele. Mengele wurde 1911 in Günzburg an der Donau als ältester Sohn des vermögenden Fabrikbesitzers Karl Mengele geboren. Später studierte er Medizin und Anthropologie, war Assistent bei dem Rassenhygieniker Otmar von Verschuer und von Mai 1943 bis Januar 1945 Lagerarzt im KZ Auschwitz-Birkenau. Später wurde er als Todesengel und Monster von Auschwitz bekannt. Zum Mythos wurde er, weil er der Polizei immer wieder entkommen konnte und, auch in fiktionalen Geschichten, alle möglichen Geschichten über ihn verbreitet wurden. Rückblickend hatten sie nichts mit Mengeles Leben in Südamerika zu tun. Der Polizei konnte er über viele Jahre entkommen, weil sie sich nicht für ihn interessierte.
In seinem neuen Film „Das Verschwinden des Josef Mengel“ erzählt Kirill Serebrennikov, unterbrochen von einigen Rückblenden in das KZ Auschwitz, Josef Mengeles Leben in Südamerika und wie er zunehmend paranoid, isoliert und verbittert wird. Bis zu seinem Tod unterstützt ihm seine Familie finanziell. Weitere Unterstützung erhält er in Argentinien unter dem Diktator Perón von weiteren Nazis und einem breiten Netz von Sympathisanten. Serebrennikov zeigt – und das dürften die erschreckensten Szenen des Films sein – wie die Alt-Nazis in Argentinien unbehelligt von jeder Verfolgung und unter den Augen der Öffentlichkeit in ihren Villen ihr Nazitum ungehindert ausleben. Sie müssen sich nicht verstecken und tun es auch nicht.
Für Mengele ist Buenos Aires nur eine Station in Südamerika.
1977 besucht ihn sein Sohn Rolf in der Nähe von Sao Paulo. Er will mehr über seinen Vater erfahren und trifft einen einsamen, in einer heruntergekommenen Wohnung lebenden, verbitterten, die Welt hassenden Mann. Zwei Jahre später hat Mengele in dem brasilianischen Badeort Bertioga beim Schwimmen im Meer einen tödlichen Schlaganfall. Er wird unter falschem Namen beerdigt. 1985 bestätigt eine forensische Untersuchung die Identität von Mengele.
Diese Biographie eines verachtenswerten Mannes faszinierend vor allem in den Szenen, in denen Serebrennikov Mengeles Leben in den fünfziger Jahren in Argentinien und wie er 1956 kurz nach Deutschland zu seiner Familie zurückkehrt und seinen zwölfjährigen Sohn Rolf trifft, erzählt. Später wird „Das Verschwinden des Josef Mengele“ zunehmend zäh. Das gilt vor allem für seine Begegnung mit seinem Sohn 1977 in Sao Paulo. Sie zieht sich in sich wiederholenden Gesprächen endlos hin. Schon davor wird immer deutlicher, dass Mengele kein besonders interessanter oder komplexer Mensch ist. Er ist auch kein Mensch, für den man Mitleid oder Empathie empfinden könnte
Er ist ein Mitläufer, der nicht weiter nachdenkt, ein Rassist und ein Feigling, der nicht einsehen möchte, dass er grausame Verbrechen begangen hat. Er fühlt sich von allen ungericht behandelt. Dankbarkeit, bespielsweise gegenüber seiner ihn finanziell unterstützenden Familie, kennt er nicht. Er ist unfähig zur Reflektion über sich und seine Taten. Er wird zunehmend einsam und paranoid.
August Diehl, der Mengele kongenial spielt, sagt, Mengele „war einfach ein kleiner spießiger Arzt in einem Lager“.
Olivier Guez, der Autor der Romanvorlage, ergänzt im Presseheft: „Jeder andere Mensch, der im Film zu sehen ist, ist wertvoller. Denn er [Josef Mengele] ist unbelehrbar und komplett flach. Er verkörpert die Mediokrität des Bösen“.
Die Vorlage für Kirill Serebrennikovs Noir ist „Das Verschwinden des Josef Mengele“ von Olivier Guez. Guez schrieb auch das Drehbuch für Lars Kraumes „Der Staat gegen Fritz Bauer“. Sein Roman „Das Verschwinden des Josef Mengele“ ist ein Tatsachenroman, der ein strikt an den bekannten Fakten entlangerzählter Bericht ist. Guez reportiert einfach die Ereignisse nacheinander. Das Ergebnis ist eine angesichts des Materials eine erstaunlich dröge lexikalische Lektüre.
Dagegen ist Serebrennikovs etwas lang geratene Verfilmung als gnadenlose Demontage des Übermenschen ein spannender Noir mit satirischen Elementen, Wut auf Mengele, die Nazis und ihre Unterstützer und einem mitleidlosen Blick auf den gefürchteten Auschwitz-Arzt, der zunehmend zum lächerlichen Mann wird.
Das Verschwinden des Josef Mengele(Frankreich/Monaco/Deutschland/Mexiko/USA/Großbritannien/Serbien/Lettland 2025)
Regie: Kirill Serebrennikov
Drehbuch: Kirill Serebrennikov
LV: Olivier Guez: La disparition de Josef Mengele, 2017 (Das Verschwinden des Josef Mengele)
mit August Diehl, Max Bretschneider, David Ruland, Friederike Becht, Mirco Kreibich, Dana Herfurth, Karoly Hajdyk, Falk Rockstroh, Burghart Klaußner
Länge: 135 Minuten
FSK: ab 12 Jahre
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auch bekannt als „The Disappearance“ und „La disparition de Josef Mengele“
LV: Robert Moore: A Time to Die: The Untold Story of the Kursk Tragedy, 2002 (aktualisierte Neuausgabe unter „Kursk“)
Angenehm unpathetische Rekonstruktion der Tragödie der „Kursk“. Im August 2000 explodiert in dem russischen U-Boot ein Torpedo. Die meisten Besatzungsmitglieder sterben sofort. 23 Männer überleben die Explosion und kämpfen anschließend um ihr Leben, während die Rettungsaktionen erschreckend langsam anlaufen und das russische Militär internationale Hilfe ablehnt.
mit Matthias Schoenaerts, Léa Seydoux, Peter Simonischek, August Diehl, Max von Sydow, Colin Firth, Bjarne Henriksen, Magnus Millang, Artemiy Spiridonov, Joel Basman, Matthias Schweighöfer, Pernilla August, Martin Brambach
Regie: Quentin Tarantino (Regie „Nation’s Pride“: Eli Roth)
Drehbuch: Quentin Tarantino (deutsche Dialoge: Tom Tykwer; französische Dialoge: Nicholas Richard)
Frankreich, 1944: Aldo Raine und seine Spezialeinheit sind zum Nazi-Skalpieren nach Europa gekommen. Die Jüdin Shosanna will den SS-Mann Hans Landa (Oscar für Christoph Waltz), der ihre Familie umbrachte, töten. In Paris, in einem Kino, treffen sie sich.
Ein feiner Kriegsfilm, den man unbedingt in der Originalfassung, in der meisterlich zwischen den verschiedenen Sprachen gewechselt wird, ansehen sollte. Außerdem wird auch im Original die meiste Zeit deutsch gesprochen.
Wahrscheinlich wird die deutsche Synchronisation gezeigt.
mit Brad Pitt, Mélanie Laurent, Eli Roth, Christoph Waltz, Michael Fassbender, Diane Kruger, Daniel Brühl, Til Schweiger, Gedeon Burkhard, Jacky Ido, B. J. Novak, Omar Doom, August Diehl, Sylvester Groth, Martin Wuttke, Mike Myers, Julie Dreyfus, Mike Myers, Rod Taylor, Sönke Möhring, Ken Duken, Christian Berkel, Ludger Pistor, Jana Pallaske, Bo Svenson, Enzo G. Castellari (als er selbst), Samuel L. Jackson (Erzähler in der Originalversion)
LV: Robert Moore: A Time to Die: The Untold Story of the Kursk Tragedy, 2002 (aktualisierte Neuausgabe unter „Kursk“)
Angenehm unpathetische Rekonstruktion der Tragödie der „Kursk“. Im August 2000 explodiert in dem russischen U-Boot ein Torpedo. Die meisten Besatzungsmitglieder sterben sofort. 23 Männer überleben die Explosion und kämpfen anschließend um ihr Leben, während die Rettungsaktionen erschreckend langsam anlaufen und das russische Militär internationale Hilfe ablehnt.
mit Matthias Schoenaerts, Léa Seydoux, Peter Simonischek, August Diehl, Max von Sydow, Colin Firth, Bjarne Henriksen, Magnus Millang, Artemiy Spiridonov, Joel Basman, Matthias Schweighöfer, Pernilla August, Martin Brambach
Im Buch besucht der Teufel in den dreißiger Jahren Moskau. In Michael Lockshins in Russland an der Kinokasse erfolgreichen Verfilmung ist das nicht so.
In Michail Bulgakows Roman „Der Meister und Margarita“, einem Kultbuch, das er von 1928 bis zu seinem Tod 1940 schrieb und dasin der Sowjetunion erstmals, in einer radikal gekürzten Fassung 1966 veröffentlicht und schnell in Lesezirkeln, mit den gekürzten Teilen, zu einem Erfolg wurde, besucht der Teufel Moskau und sorgt für eine ordentliche Portion Chaos. So tritt er als Woland, Professor für Schwarze Magie, in einer Varietéshow auf und beglückt die Anwesenden mit Zehn-Rubel-Geldscheinen, Begleitet wird er unter anderem von dem riesigen menschenähnlichem Kater Begemot. Der titelgebende Meister ist ein Schriftsteller, der einen Roman über Pontius Pilatus schreibt. Margarita ist seine Muse und eine Hexe, die nackt auf einem Besen durch die Nacht reitet und in der Wohnung Nr. 50, die viele verschiedene Mieter hat, einen Zeit und Raum sprengenden Ball mit ihr als Stargast besucht. Und ein Schrifsteller rutscht, wie Woland es vorhersagte, auf einer Lache aus Sonnenblumenöl aus und wird von einer Straßenbahn enthauptet.
Das alles gibt es auch in Michael Lockshins Verfilmung des Romans. Aber er erzählt diese Ereignisse nicht in der Chronologie des Romans, er variiert sie auch – so reitet Margarita auch im Film nackt durch die Nacht, aber sie ist unsichtbar, die Wohnung Nr. 50 ist weniger präsent und Wolands Magiershow konzentriert sich auf seinen sehr pompösen Auftritt – und er erfindet neue Szenen dazu.
Er erfindet eine Rahmenhandlung, in der der Meister in einer Irrenanstalt ein Buch schreibt, das wir dann sehen und wir sehen, wie er ein anderes Buch schreibt und sich mit Margarita darüber unterhält, und wir sehen die vom Meister aufgeschriebene Pilatus-Geschichte. Durch diese Rahmung wird die Filmgeschichte eindeutig in der Fantasie des Autors verortet. Während in Bulgakows Roman der Teufel Moskau besucht, ist in Lockshins Film der Teufel eine nur im Kopf des Meisters existierende Figur, mit der er sich literarisch an Widersachern rächt.
Und er fügt immer wieder Bezüge zur Gegenwart ein. Sein Dreißiger-Jahre-Moskau ist ein retrofuturistisches Moskau, das immer auch ein Bild des heutigen Moskaus ist. Damals herrschte Stalin, heute Putin. Der Name des Dikators änderte sich, aber nicht die Methoden seiner Herrschaftsausübung.
Lockshins satirische Komödie „Der Meister und Margarita“ist zugleich sich Freiheiten nehmende Romanverfilmung und Making of zu dem Roman.
Die Geschichte inszenierte er als in einer Steampunk-Welt spielende Mischung aus Trash und Hochkultur. Es gibt literarische und filmische Anspielungen und Exzesse. Es gibt auch eine CGI-Fantasywelt, die wir so ähnlich aus anderen russischen Filmen kennen.
Dieser Stil und die guten Schauspieler (August Diehl als Teufel ist köstlich!) gefallen. Weniger gefällt, dass Lockshins Verfilmung schnell zu einer Reihe unzusammenhängender, gut aussehender, mal mehr, mal weniger gelungener, für sich stehender, oft in verschiedenen imaginierten Welten spielenden Episoden wird. Und mit knapp drei Stunden ist seine episodische, oft vor sich hin mäandernde Schwarze Komödie zu lang geraden.
Der Roman hat mit dem gleichen Problem zu kämpfen. Nach einer ziemlich gelungenen ersten Hälfte folgt eine unglaublich zähe zweite Hälfte. Im ersten Teil geht es um die Taten des Teufels und die Auswirkungen seiner Taten. Im zweiten Teil, der knapp die Hälfte des Buchs umfasst, geht es um Margarita, die als Hexe durch die Nacht reitet und eine Party besucht.
Die in dem Roman vorhandene Systemkritik, die den Erfolg des Romans in der Sowjetunion begründete, ist aus westlicher und heutiger Perspektive ohne Hintergrundwissen kaum nachvollziehbar. Im Film ist diese Kritik an totalitären Systemen deutlicher.
In Russland war der zu den teuersten russischen Filmen zählende Film ein Kassenerfolg. Sechs Millionen zahlende Besucher sahen sich im Kino das systemkritische Werk an. Aktuell ist Lockshins Verfilmung der finanziell erfolgreichste R-Ratet-Film der russischen Kinogeschichte und einer der zehn erfolgreichsten Kinofilme Russland.
Der Meister und Margarita(Master i Margarita, Russland/Kroatien 2024)
Regie: Michael Lockshin
Drehbuch: Michael Lockshin, Roman Kantor
LV: Michail Bulgakow: Master i Margarita, 1966 (Der Meister und Margarita)
Mit August Diehl, Julia Snigir, Jewgeni Zyganow, Polina Aug, Claes Bang, Juri Kolokolnikow, Alexei Rosin, Dmitri Lysenkow, Alexei Guskow, Jewgeni Knjasew, Danil Steklow, Alexander Jazenkow
Länge: 156 Minuten
FSK: ab 12 Jahre
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Die Vorlage
Michail Bulgakow: Der Meister und Margarita
(übersetzt von Alexandra Berlina)
Anaconda, 2020/2024
576 Seiten
7,95 Euro
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Diese Übersetzung ist auch in einer illustrierten Schmuckausgabe, die 18 Euro kostet, erhältlich. Wer also ein Geschenk sucht.
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Originalausgabe
Master i Margarita
Erste Veröffentlichung ab November 1966 als Fortsetzungsroman in einer um ein Achtel gekürzten Fassung in der Literaturzeitschrift Moskwa
LV: Robert Moore: A Time to Die: The Untold Story of the Kursk Tragedy, 2002 (aktualisierte Neuausgabe unter „Kursk“)
Angenehm unpathetische Rekonstruktion der Tragödie der „Kursk“. Im August 2000 explodiert in dem russischen U-Boot ein Torpedo. Die meisten Besatzungsmitglieder sterben sofort. 23 Männer überleben die Explosion und kämpfen anschließend um ihr Leben, während die Rettungsaktionen erschreckend langsam anlaufen und das russische Militär internationale Hilfe ablehnt.
mit Matthias Schoenaerts, Léa Seydoux, Peter Simonischek, August Diehl, Max von Sydow, Colin Firth, Bjarne Henriksen, Magnus Millang, Artemiy Spiridonov, Joel Basman, Matthias Schweighöfer, Pernilla August, Martin Brambach
Als in Japan ihr vor vierzig Jahren erschienenes Erstlingswerk neu verlegt wird, wird Sidonie Perceval (Isabelle Huppert) von ihrem Verleger Kenzo (Tsuyoshi Ihara) eingeladen für eine Lesetour und einige Pressetermine. Er ist, wie sie bei ihrer Ankunft in Japan erstaunt feststellt, ein etwas seltsamer Kleinverleger. Aber die gefeierte französische Schriftstellerin ist auch etwas seltsam. Eigentlich wollte sie nicht nach Japan fliegen. Mit ihrem neuen Buch kommt sie nicht voran. Sie trauert immer noch um ihren verstorbenen Mann Antoine (August Diehl). Der taucht plötzlich quicklebendig in ihrem Hotelzimmer auf.
„Madame Sidonie in Japan“ ist eine nette kleine, sich für ihre Figuren Zeit nehmende Komödie über das sehr freundlichen Aufeinandertreffen von japanischer und französischer Kultur zwischen Verbeugungen und der Frage, wer Sidonies Tasche trägt. Es gibt einen manchmal etwas kindischen, immer harmlosen Geist, etwas Liebe und einige nicht allzu tiefschürende Einblicke in den Literaturbetrieb, während im Hintergrund die japanische Landschaft vorbeizieht. Dabei sind, wenn Antoine als Geist auftaucht oder wenn Sidonie und Kenzo nebeneinander im Auto sitzen, die Spezialeffekte in Élise Girards drittem Kinofilm so betont offensichtlich, dass sie schon wieder einen Retro-Charme versprühen. Und irgendwann kommen Sidonie und ihr schweigsamer Verleger Kenzo, der nach der Scheidung sehr melancholisch wurde, sich bei den langen Autofahrten und Spaziergängen näher. Das sorgt am Filmende für eine Szene, die man so in dieser harmlosen Low-Key-Komödie nicht erwartet hätte.
Madame Sidonie in Japan(Sidonie au Japon, Frankreich/Deutschland/Japan/Schweiz 2023)
Regie: Élise Girard
Drehbuch: Maud Ameline, Élise Girard, Sophie Fillières
mit Isabelle Huppert, Tsuyoshi Ihara, August Diehl
Ein verborgenes Leben (A hidden life, Deutschland/USA 2019)
Regie: Terrence Malick
Drehbuch: Terrence Malick
TV-Premiere. Malicks meditatives Biopic über Franz Jägerstätter, einen in Oberösterreich lebenden tiefgläubigen Bauern, der 1939 den Treueeid auf Adolf Hitler und irgendeine Teilnahme am Krieg verweigert, ist sein bester und zugänglichster Film seit „Der schmale Grat“ (The thin red Line).
mit August Diehl, Valerie Pachner, Maria Simon, Karin Neuhäuser, Tobias Moretti, Ulrich Matthes, Matthias Schoenaerts, Franz Rogowski, Karl Markovics, Bruno Ganz, Michael Nyqvist, Martin Wuttke, Sophie Rois, Alexander Fehling, Joel Basman, Jürgen Prochnow
Regie: Quentin Tarantino [Regie „Nation’s Pride“: Eli Roth]
Drehbuch: Quentin Tarantino (deutsche Dialoge: Tom Tykwer; französische Dialoge: Nicholas Richard)
Frankreich, 1944: Aldo Raine und seine Spezialeinheit sind zum Nazi-Skalpieren nach Europa gekommen. Die Jüdin Shosanna will den SS-Mann Hans Landa (Oscar für Christoph Waltz), der ihre Familie umbrachte, töten. In Paris, in einem Kino, treffen sie sich.
Ein feiner Kriegsfilm, den man unbedingt in der Originalfassung, in der meisterlich zwischen den verschiedenen Sprachen gewechselt wird, ansehen sollte. Außerdem wird auch im Original die meiste Zeit deutsch gesprochen.
Wahrscheinlich wird die deutsche Synchronisation gezeigt.
mit Brad Pitt, Mélanie Laurent, Eli Roth, Christoph Waltz, Michael Fassbender, Diane Kruger, Daniel Brühl, Til Schweiger, Gedeon Burkhard, Jacky Ido, B. J. Novak, Omar Doom, August Diehl, Sylvester Groth, Martin Wuttke, Mike Myers, Julie Dreyfus, Mike Myers, Rod Taylor, Sönke Möhring, Ken Duken, Christian Berkel, Ludger Pistor, Jana Pallaske, Bo Svenson, Enzo G. Castellari (als er selbst), Samuel L. Jackson (Erzähler in der Originalversion)
23 – Nichts ist so wie es scheint(Deutschland 1998)
Regie: Hans-Christian Schmid
Drehbuch: Hans-Christian Schmid, Michael Gutman
Die 80er Jahre: Anti-Atomkraft-Demos in Brokdorf und die ersten Heimcomputer im eigenen Zimmer. Der Hannoveraner Karl Koch ist ein Computernerd und Hacker. Nach der Lektüre der „Illuminatus!“-Bücher von Robert Shea und Robert Anton Wilson (Grandios komische Romane. Keine Sachbücher!) sieht er überall Zeichen für Verschwörungen. Als er in den Fokus der östlichen und westlichen Geheimdienste gerät, steigert sich seine Paranoia weiter.
Spannender, auf einer wahren Geschichte basierender Blick in die achtziger Jahre. Damals, also in den Achtzigern und Neunzigern, ware Verschwörungstheorien noch eine Art Gemeinwissen und nach Schmids beeindruckendem Film sah man überall die Zeichen der Verschwörung.
mit August Diehl, Fabian Busch, Dieter Landuris, Jan-Gregor Kremp, Stephan Kampwirth, Peter Fitz, Hanns Zischler, Burghart Klaußner
Denn jetzt erzählt Matthew Vaughn, der Regisseur der beiden „Kingsman“-Filme, die Vorgeschichte, also wie die Kingsman-Organisation entstand.
Diese Organisation ist ein über allen Nationen stehender, keiner Regierung und keiner anderen Instanz Rechenschaft schuldender geheimer Geheimdienst. Sie kann daher, ohne den Einfluss von Regierungen und staatlichen Interessen für das Gute kämpfen.
Die Anfänge liegen über hundert Jahre zurück. 1903 besucht Orlando Oxford, der Duke of Oxford (Ralph Fiennes), im Auftrag des Roten Kreuzes in Südafrika ein während des Zweiten Burenkriegs errichtetes britisches Konzentrationslager. Oxfords Frau wird während des Besuchs aus dem Hinterhalt erschossen. Oxfords Sohn muss ihren Tod mitansehen.
In den nächsten Jahren erzieht der gramgebeugte Witwer auf seinem Anwesen seinen Sohn. Bei der Erziehung helfen ihm sein Leibwächter Shola (Djimon Hounsou) und die Haushälterin Polly (Gemma Arterton). Beide verfügen über einige erstaunliche Talente.
Auch als andere junge Männer sich während des Ersten Weltkriegs bereitwillig zum Dienst an der Waffe melden, tut Oxford alles, damit sein inzwischen 17-jähriger kriegsbegeisterter Sohn Conrad (Harris Dickinson) nicht eingezogen wird. Er will ihn unter allen Umständen beschützen. Seine Devise ist: Es ist besser, ein lebendiger Feigling als ein toter Held zu sein. Was er Conrad nur zögernd verrät, ist, dass sein Image als zurückgezogen lebender, sich aus allem heraushaltender Adliger nur eine Tarnung ist. Im Keller seines Anwesens ist die noch sehr provisorische Zentrale eines von ihm aufgebauten weltweiten Netzes von Informanten. Sie sind Kindermädchen, Butler und Angestellte in Herrschaftshäusern. Von ihren Arbeitgebern werden sie nicht beachtet und so können sie ungestört alle Gespräche mitverfolgen, während sie das aus mehreren Gängen bestehende Abendmenüs auftragen, abräumen und Wein nachschenken. So erfahren sie von Komplotten, ehe die Geheimdienste sie auch nur erahnen. Aufgrund dieses Wissens versucht Oxford, ebenfalls im Hintergrund bleibend und seine Beziehungen ausnutzend, das Weltgeschehen zu beeinflussen. Zum Beispiel in dem sie versuchen, Attentate zu verhindern oder den offensichtlich wahnsinnigen Einflüsterer des russischen Zaren, Grigori Jefimowitsch Rasputin (Rhys Ifans in herrlich übertriebenem Overacting-Modus), zu töten.
Dabei stoßen Oxford und seine beiden Vertrauten Shola und Polly auf eine Gruppe von Verschwörern, die die Welt in einen Krieg stürzen möchte.
Vaughns Film endet, nach zahlreichen haarsträubenden Abenteuern für Oxford und seine treuen Begleiter, mit der Gründung der Kingsman-Organisation. Die Zentrale ist, nachdem das Zimmer bereits mehrfach für solche Treffen benutzt wurde, im Hinterzimmer eines noblen Herrenschneiders, der dafür sorgt, dass die Agenten immer gut gekleidet und ausgestattet sind.
Im Gegensatz zu den ersten beiden „Kingsman“-Filmen (ein dritter ist in Arbeit) und der Comicvorlage von Mark Millar und Dave Gibbons spielt „The King’s Man – The Beginning“ nicht mehr in der Gegenwart und einer damit verknüpften Fantasiewelt, in der es, wie in einem James-Bond-Film, Superschurken, Gadgets und immer gut gekleidete, britisch höfliche Agenten gibt.
„The King’s Man – The Beginning“ spielt in einer historisch genau verorteten Periode und er nimmt die historischen Ereignisse ernst. Nur bei den Erklärungen, also der Schilderung der Hintergründe, nimmt er sich Freiheiten. Zum Problem wird dies vor allem in einer Abspannszene. Bis dahin, immerhin dürften die wenigstens ohne die Hilfe einschlägiger Lexika und Geschichtsbücher wissen, welche Verflechtungen zwischen den europäischen Ländern damals herrschten und wie genau es zum Ersten Weltkrieg gekommen ist, ist das kein Problem. Letztendlich benutzt Vaughn in seinem Film wahre Ereignisse, um sie wild fortzuspinnen.
Im Film gibt es zwei zu diesem Zeitpunkt erstaunliche Todesfälle. Jeder dieser Tode hätte dazu führen können, dass der Film in sich zusammenfällt. Trotzdem kriegt Vaughn beide Male die Kurve. Und in den ersten beiden „Kingsman“-Filmen gab es ähnliche Überraschungen.
Angenehm ist, dass der Protagonist des Films, Orlando Oxford, ein Pazifist ist. Er ist ein ehemaliger, hochdekorierter Kriegsheld, der inzwischen seine Ziele erreichen möchte, ohne dass Menschen dabei sterben. Doch die Welt ist nicht so und dann muss er doch kämpfen und töten. Damit verbreitet „The King’s Man – The Beginning“ letztendlich doch die sattsam bekannte Botschaft. Aber Vaughn weist dieses Mal deutlicher als in seinen anderen Filmen (wozu auch „Kick-Ass“ gehört) auf andere Methoden der Konfliktlösung und auf die Auswirkungen von Gewalt und Verlusten hin. Das führt dazu, dass in „The King’s Man – The Beginning“ der Weg bis zur Gewaltanwendung und den exzessiven Actionszenen länger als gewohnt ist.
Damit schlägt Matthew Vaughn in seinem neuen Actionfilm einige neue, durchaus ernstere und nachdenklichere Töne an. Das und weil in epischer Breite erzählt wird, wie es zur Gründung der Kingsman kommt, verläuft die Handlung immer wieder etwas schleppend. Es gibt viel Zeitkolorit und peppig verpackte historische Informationen. Wobei sich hier das Nachprüfen empfiehlt.
Es gibt auch reichlich Humor und viel haarsträubende und oft blutige Action. So, wie wir es von den „Kingsman“- und „Kick-Ass“-Filmen (die auch auf einem Comic von Mark Millar basieren) kennen.
The King’s Man – The Beginning (The King’s Man, USA/Großbritannien 2021)
Regie: Matthew Vaughn
Drehbuch: Matthew Vaughn, Karl Gajdusek (nach einer Geschichte von Matthew Vaughn) (basierend auf dem Comic „The Secret Service“ von Mark Millar und Dave Gibbons)
mit Ralph Fiennes, Gemma Arterton, Rhys Ifans, Matthew Goode, Tom Hollander, Harris Dickinson, Daniel Brühl, Djimon Hounsou, Charles Dance, Alexandra Maria Lara, Alexander Shaw, Joel Basman, August Diehl, Aaron Taylor-Johnson, Stanley Tucci, David Kross
Der Zweite Weltkrieg ist vorbei. Aber für Max ist eine Rückkehr in sein altes Leben nicht möglich. Er war im Konzentrationslager Auschwitz. Seine Familie ist verschollen. Auf seinem Hof wohnt jetzt ein Deutscher, der ihn mit einem Gewehr bedroht. Orientierungslos läuft er durch den Wald und trifft auf die jüdische Brigade der britischen Armee. Als er erfährt, dass sie gezielt Deutsche töten, die wichtige Positionen in der Hierarchie des Nationalsozialismus hatten oder das System aktiv unterstüzten, schließt er sich ihnen an. Kurz darauf treffen sie auf die Nakam. Diese sind eine ebenfalls jüdische Rächertruppe. Aber sie ist skrupelloser. Für sie war jeder Deutsche an der Vernichtung der Juden beteiligt. Deshalb ist er schuldig und kann getötet werden.
Nach dem alttestamentarischem Auge-um-Auge-Prinzip wollen sie jetzt die gesamte Bevölkerung von Nürnberg, Köln, München, Berlin und Hamburg vergiften. Max schließt sich ihnen an. Gemeinsam gehen sie nach Nürnberg.
Was jetzt wie eine billige Kolportage und Rachefantasie nach zu vielen Quentin-Tarantino-Filmen (der in seinen letzten Filmen ja skrupellos die Geschichte umschreibt) klingt, ist eine wahre Geschichte, die bis vor kurzem kaum bekannt war. Die Mitglieder der Nürnberger Gruppe um Abba Kovner, einem damals 27-jährigem Dichter und Widerstandskämpfer, schwiegen bis vor kurzem. Für das Archiv der Gedenkstätte Yad Vashem erzählten sie ihre Geschichte und Dina Porat, die Chef-Historikerin der Gedenkstätte, veröffentlichte 2019 das Buch „ „Die Rache ist Mein allein“ – Vergeltung für die Schoa: Abba Kovners Organisation Nakam“ darüber. Sie war auch als Beraterin für „Plan A – Was würdest du tun?“ tätig.
Die Brüder Doron und Yoav Paz („Phobidilia“, „JeruZalem“, „The Golem“) verfilmten diese Rachegeschichte als moralische Fragen stellendes Drama. Während die Terroristen sich langsam ihrem Ziel nähern, erzählen sie sich von ihren Erlebnissen im Krieg, warum sie sich an dem Anschlag beteiligen wollen und ob eine solche Tat gerechtfertigt ist. Doron und Yoav Paz bietet dabei alle gängigen Argumente für und gegen die Tat an. Das geschieht manchmal etwas didaktisch und monologlastig.
Eine richtige pulstreibende Thrillerspannung will nicht aufkommen und ist von den Paz-Brüdern auch nicht gewollt. Es fehlt einfach der ‚Wettlauf gegen die Zeit‘ und ein Gegner, der ihren Plan gefährden könnte. Stattdessen verfolgen wir auf welche Schwierigkeiten, die im Untergrund operierende Nakam-Gruppe bei der Ausführung ihres Planes stößt. So muss sie, ohne entdeckt zu werden, in die Kanalisation gelangen, in ihr den richtigen Ort für ihre Tat finden und das Gift besorgen.
Somit ist „Plan A“ primär ein filmisch konventionell erzählter, durchaus zum Nachdenken anregender Diskurs über die verschiedenen Formen von Rache und Vergeltung, im Gewand einer Thriller-Geschichte.
Plan A – Was würdest du tun?(Deutschland/Israel/USA 2021)
Regie: Yoav Paz, Doron Paz
Drehbuch: Yoav Paz, Doron Paz
mit August Diehl, Sylvia Hoeks, Michael Aloni, Ishai Golan, Oz Zehavi, Yoel Rozenker, Nikolai Kinski, Milton Welsh, Michael Brandner, Kai Ivo Baulitz
LV: Robert Moore: A Time to Die: The Untold Story of the Kursk Tragedy, 2002 (aktualisierte Neuausgabe unter „Kursk“)
TV-Premiere. Angenehm unpathetische Rekonstruktion der Tragödie der „Kursk“. Im August 2000 explodiert in dem russischen U-Boot ein Torpedo. Die meisten Besatzungsmitglieder sterben sofort. 23 Männer überleben die Explosion und kämpfen anschließend um ihr Leben, während die Rettungsaktionen erschreckend langsam anlaufen und das russische Militär internationale Hilfe ablehnt.
mit Matthias Schoenaerts, Léa Seydoux, Peter Simonischek, August Diehl, Max von Sydow, Colin Firth, Bjarne Henriksen, Magnus Millang, Artemiy Spiridonov, Joel Basman, Matthias Schweighöfer, Pernilla August, Martin Brambach
Wiederholung: Sonntag, 18. April, 00.10 Uhr (Taggenau!)
Regie: Quentin Tarantino [Regie „Nation’s Pride“: Eli Roth]
Drehbuch: Quentin Tarantino (deutsche Dialoge: Tom Tykwer; französische Dialoge: Nicholas Richard)
Frankreich, 1944: Aldo Raine und seine Spezialeinheit sind zum Nazi-Skalpieren nach Europa gekommen. Die Jüdin Shosanna will den SS-Mann Hans Landa (Oscar für Christoph Waltz), der ihre Familie umbrachte, töten. In Paris, in einem Kino, treffen sie sich.
Ein feiner Kriegsfilm, den man unbedingt in der Originalfassung, in der meisterlich zwischen den verschiedenen Sprachen gewechselt wird, ansehen sollte. Außerdem wird auch im Original die meiste Zeit deutsch gesprochen.
Wahrscheinlich wird die deutsche Synchronisation gezeigt.
mit Brad Pitt, Mélanie Laurent, Eli Roth, Christoph Waltz, Michael Fassbender, Diane Kruger, Daniel Brühl, Til Schweiger, Gedeon Burkhard, Jacky Ido, B. J. Novak, Omar Doom, August Diehl, Sylvester Groth, Martin Wuttke, Mike Myers, Julie Dreyfus, Mike Myers, Rod Taylor, Sönke Möhring, Ken Duken, Christian Berkel, Ludger Pistor, Jana Pallaske, Bo Svenson, Enzo G. Castellari (als er selbst), Samuel L. Jackson (Erzähler in der Originalversion)
Regie: Quentin Tarantino [Regie „Nation’s Pride“: Eli Roth]
Drehbuch: Quentin Tarantino (deutsche Dialoge: Tom Tykwer; französische Dialoge: Nicholas Richard)
Frankreich, 1944: Aldo Raine und seine Spezialeinheit sind zum Nazi-Skalpieren nach Europa gekommen. Die Jüdin Shosanna will den SS-Mann Hans Landa (Oscar für Christoph Waltz), der ihre Familie umbrachte, töten. In Paris, in einem Kino, treffen sie sich.
Ein feiner Kriegsfilm, den man unbedingt in der Originalfassung, in der meisterlich zwischen den verschiedenen Sprachen gewechselt wird, ansehen sollte. Außerdem wird auch im Original die meiste Zeit deutsch gesprochen.
Wahrscheinlich wird die deutsche Synchronisation gezeigt.
mit Brad Pitt, Mélanie Laurent, Eli Roth, Christoph Waltz, Michael Fassbender, Diane Kruger, Daniel Brühl, Til Schweiger, Gedeon Burkhard, Jacky Ido, B. J. Novak, Omar Doom, August Diehl, Sylvester Groth, Martin Wuttke, Mike Myers, Julie Dreyfus, Mike Myers, Rod Taylor, Sönke Möhring, Ken Duken, Christian Berkel, Ludger Pistor, Jana Pallaske, Bo Svenson, Enzo G. Castellari (als er selbst), Samuel L. Jackson (Erzähler in der Originalversion)
Nachdem die letzten Filme von Terrence Malick immer esoterisch-religiös verschwurbelter wurden und sie nur noch für einen immer kleineren Kreis restlos Überzeugter genießbar sind, waren meine Erwartungen an seinen neuen Film denkbar gering. Auch wenn es hieß, dass „Ein verborgenes Leben“ wieder traditioneller erzählt sei. Malick erzählt die wahre Geschichte von Franz Jägerstätter, einem österreichischen Bauern, der 2007 von der römisch-katholischen Kirche zum Seligen ernannt wurde. Er verweigerte den Kriegsdienst. Dafür wurde er wegen Wehrkraftzersetzung am 9. August 1943 im Zuchthaus Brandenburg hingerichtet.
Das klingt, angesichts von Malicks vorherigen Filmen „The Tree of Life“, „To the Wonder“, „Knight of Cups“ und „Song to Song“, schon auf dem Papier nach einem denkbar ungenießbarem religiösen Traktat. Und das war wahrscheinlich auch genau das, was Terrence Malick vor und während der Dreharbeiten, die im Sommer 2016 waren, plante. Aber irgendwann während des Schnitts scheint sich seine Einstellung zum Glauben zu einer wesentlich distanzierteren, möglicherweise sogar atheistischen Position verändert zu haben.
So ist „Ein verborgenes Leben“ jetzt ein Film über einen zutiefst religiösen Menschen, der sich weigert, die Geschichte eines zutiefst religiösen Menschen zu erzählen. Immer dann, wenn Malick Jägerstätters Glauben thematisieren könnte, immer dann, wenn er Jägerstätters Motive aus seinem Glauben erklären könnte, immer dann, wenn er aus diesem Glauben heraus ein kraftvolles Argument für die Ablehnung des Krieges machen könnte, schreckt er zurück. Sicher. Sein Glaube und die Gründe für seine Kriegsdienstverweigerung werden angesprochen. Es wird auch gebetet und einige Geistliche reden mit Jägerstätter über seine Handlungen. Aber es sind keine tiefgründigen Dialoge. Es sind eher lästige Pflichterfüllungen, die ein überwältigendes Desinteresse am Leben und den Ansichten des Porträtierten zeigen. Weil Malick Jägerstätter zu einem großen Schweiger werden lässt, wird auch kaum deutlich, warum er als Vorbild dienen könnte und warum er Jahrzehnte nach seinem Tod, nachdem sein Schicksal bekannter wurde, andere Menschen inspirierte.
Das spricht jetzt nicht gegen den Film. Im Gegenteil! Schließlich umgeht Malick so die inhaltlichen Fallen eines naiven Faith-based-Films. Optisch spielt Malick sowieso in einer ganz anderen Liga.
Weil Malick dieses Mal seine Geschichte weitgehend chronologisch erzählt, ist der Film deutlich zugänglicher als seine vorherigen Filme. Diese wurden seit „The new World“ immer assoziativer und damit auch offen für jede Interpretation. Das beliebige Potpourri aus Bildern und Tönen war immer schön anzusehen, aber auch todsterbenslangweilig. Das kann über „Ein verborgenes Leben“ nicht gesagt werden.
Trotzdem ist „Ein verborgenes Leben“ meilenweit von einem konventionellem Hollywood-Biopic entfernt. Malick bricht die Chronologie immer wieder auf. Er schweift ab. Immer wieder scheint die Geschichte in einer Wiederholungsschleife gefangen zu sein. Das trifft besonders auf die Szenen im Gefängnis zu, wenn Jägerstätter der Monotonie des Gefängnisalltags ausgesetzt ist. Malick nimmt sich Zeit, Jägerstätter, seine Frau und seine Kinder lange Zeit zu beobachten, wenn sie ihrer alltäglichen Arbeit auf ihrem abgelegenem Hof in St. Radegund, Oberösterreich, nachgehen oder mit ihren drei Töchtern Blinde Kuh spielen. Kameramann Jörg Widmer verfolgt dabei die Schauspieler so schwebend, wie man es aus Malicks vorherigen Filmen „The new World“, „The Tree of Life“, „To the Wonder“, „Knight of Cups“ und „Song to Song“ kennt. Für die war Emmanuel Lubezki der stilbildende Kameramann. Widmer war der Steadicam-Operator. Entsprechend vertraut ist er mit diesem sehr leicht wieder zu erkennendem Stil des Teams Lubezki/Malick.
Es gibt, selbstverständlich, viel Voice-Over und in der Originalfassung wird immer wieder willkürlich zwischen Deutsch und Englisch gewechselt. Im Gegensatz zu anderen Filmen, wo mich das wahnsinnig störte, störte es mich hier nicht. Es passt zu der medidativen Malick-Stimmung.
„Ein verborgenes Leben“ ist Malicks zugänglichster und auch bester Film seit „Der schmale Grat“ (The thin red Line).
Ein verborgenes Leben (A hidden life, Deutschland/USA 2019)
Regie: Terrence Malick
Drehbuch: Terrence Malick
mit August Diehl, Valerie Pachner, Maria Simon, Karin Neuhäuser, Tobias Moretti, Ulrich Matthes, Matthias Schoenaerts, Franz Rogowski, Karl Markovics, Bruno Ganz, Michael Nyqvist, Martin Wuttke, Sophie Rois, Alexander Fehling, Joel Basman, Jürgen Prochnow
Nach einer Explosion eines Torpedos sinkt im August 2000 das russische Atom-U-Boot K-141 Kursk auf den Grund der Barentssee. Als kurz darauf bekannt wird, dass es Überlebende gibt, beginnen die Rettungsaktionen. Weil Russland noch dem Denken des Kalten Kriegs verhaftet ist und Angst vor westlicher Spionage hat, wird über mehrere Tage ausländische Hilfe abgelehnt. Auch später verlaufen die internationalen Rettungsversuche, aufgrund der zahlreichen russischen Restriktionen, sehr schleppend.
Die Weltöffentlichkeit verfolgte, soweit es mit den spärlichen offiziellen Informationen möglich war, die Rettungsversuche. Am 21. August bestätigen die norwegischen Rettungstaucher, dass kein Besatzungsmitglied das Unglück überlebte. Damit gehört der Untergang der Kursk mit 118 Toten zu den größten U-Boot-Unglücken.
2002 veröffentlicht Robert Moore das Sachbuch „A Time to Die“ über die erfolglose Rettungsaktion. Das Buch ist die Grundlage für Thomas Vinterbergs Survivaldrama „Kursk“, das sich, teils notgedrungen, künstlerische Freiheiten nimmt. Er konzentriert sich dabei auf die die Explosion überlebenden 23 Besatzungsmitglieder und ihre Angehörigen. Die Marinesoldaten warten in der Kursk in einer vom restlichen U-Boot abgeschlossenen Kammer auf Rettung, während sie um ihr Überleben kämpfen. Von Anfang an sind Nahrung und Luft Mangelware, das kalte Ozeanwasser dringt in das havarierte U-Boot ein und sie können sich nur durch Klopfzeichen bemerkbar machen. Zur gleichen Zeit versuchen ihre Frauen, Kinder und Eltern im Marinestützpunkt herauszufinden, was passiert ist. Auch sie sind zur Untätigkeit verdammt. Und das russische Militär mauert. Zunächst gibt es keine Informationen, später falsche. Auch die Hilfsangeboten verschiedener westlicher Staaten werden aus ziemlich ausführlich geschilderten politischen Motiven abgelehnt.
Vladimir Putin, der damals seit Mai Präsident der Russischen Föderation war, hat allerdings keinen Auftritt in dem Spielfilm. Noch vor den Dreharbeiten wurde seine Rolle aus dem Drehbuch gestrichen zugunsten des menschlichen Dramas im U-Boot und auf dem Marinestützpunkt.
„Kursk“ ist keine patriotische Heldensaga. Das liegt auch daran, dass der Film von Luc Bessons EuropaCorp produziert wurde (Keine Panik. Mit den üblichen Actionfilmen hat er nichts zu tun) und dass es keine russische Beteiligung gibt. Gedreht wurde vor allem in Belgien. Auf Englisch. Deshalb ist auch nichts gegen die deutsche Synchronisation einzuwenden, in der konsequent Deutsch gesprochen wird.
Die Schauspieler kommen aus ganz Europa. Trotzdem spielen erstaunlich viele uns sehr vertraute deutsche Schauspieler mit. Meistens in kleinen Rollen und weil sie international unbekannter sind, erleiden einige von ihnen einen überraschend schnellen Filmtod. Matthias Schweighöfer, August Diehl, Martin Brambach gehören zur U-Boot-Besatzung. Peter Simonischek spielt Admiral Gruzinsky, den russischen kommandierenden Offizier der Marineübung an der die Kursk teilnahm. Er trauert dem Kalten Krieg hinterher. Damals war die Flotte größer und die Übungen imposanter.
Dazu kommen etliche Stars des europäischen Kinos. Matthias Schoenaerts als Mikhail Averin, den kommandierenden Offizier der Kursk. Léa Seydoux als seine schwangere Frau Tanya. Max von Sydow als Admiral Petrenko, der auch das Gesicht der russischen Regierung ist und der die Bedürfnisse des Staates über das Überleben der Soldaten stellt. Und Colin Firth als britischer Commodore David Russell, der den Russen Hilfe bei der Rettung der Kursk-Besatzung anbietet. Der echte David Russell beriet auch das Filmteam und Colin Firth.
Allein schon diese äußeren Umstände sprechen gegen das patriotische Hohelied auf den tapferen russischen Soldaten.
Am wichtigsten ist allerdings Vinterbergs betont nüchterne Erzählweise. Sie bereitet einen schon lange vor dem Ende auf das düstere Ende vor. Sie verhindert allerdings auch einen zu großen emotionalen Überschwang. Die Taschentücher müssen bei diesem Überlebensdrama nicht ausgepackt werden. Pulstreibend spannend wird es bei den zahlreichen russischen Rettungsversuchen, die alle aufgrund des maroden und veralteten Materials scheitern, auch nicht. Gleichzeitig verschont Vinterberg einen vor dem überbordenden Pathos der Michael-Bay-Schule.
Kursk (Kursk, Belgien/Frankreich/Norwegen 2018)
Regie: Thomas Vinterberg
Drehbuch: Robert Rodat
LV: Robert Moore: A Time to Die: The Untold Story of the Kursk Tragedy, 2002 (aktualisierte Neuausgabe unter „Kursk“)
mit Matthias Schoenaerts, Léa Seydoux, Peter Simonischek, August Diehl, Max von Sydow, Colin Firth, Bjarne Henriksen, Magnus Millang, Artemiy Spiridonov, Joel Basman, Matthias Schweighöfer, Pernilla August, Martin Brambach
Regie: Quentin Tarantino [Regie „Nation’s Pride“: Eli Roth]
Drehbuch: Quentin Tarantino (deutsche Dialoge: Tom Tykwer; französische Dialoge: Nicholas Richard)
Frankreich, 1944: Aldo Raine und seine Spezialeinheit sind zum Nazi-Skalpieren nach Europa gekommen. Die Jüdin Shosanna will den SS-Mann Hans Landa (Oscar für Christoph Waltz), der ihre Familie umbrachte, töten. In Paris, in einem Kino, treffen sie sich.
Ein feiner Kriegsfilm, den man unbedingt in der Originalfassung, in der meisterlich zwischen den verschiedenen Sprachen gewechselt wird, ansehen sollte. Außerdem wird auch im Original die meiste Zeit deutsch gesprochen.
Wahrscheinlich wird die deutsche Synchronisation gezeigt.
mit Brad Pitt, Mélanie Laurent, Eli Roth, Christoph Waltz, Michael Fassbender, Diane Kruger, Daniel Brühl, Til Schweiger, Gedeon Burkhard, Jacky Ido, B. J. Novak, Omar Doom, August Diehl, Sylvester Groth, Martin Wuttke, Mike Myers, Julie Dreyfus, Mike Myers, Rod Taylor, Sönke Möhring, Ken Duken, Christian Berkel, Ludger Pistor, Jana Pallaske, Bo Svenson, Enzo G. Castellari (als er selbst), Samuel L. Jackson (Erzähler in der Originalversion)
Regie: Quentin Tarantino [Regie „Nation’s Pride“: Eli Roth]
Drehbuch: Quentin Tarantino (deutsche Dialoge: Tom Tykwer; französische Dialoge: Nicholas Richard)
Frankreich, 1944: Aldo Raine und seine Spezialeinheit sind zum Nazi-Skalpieren nach Europa gekommen. Die Jüdin Shosanna will den SS-Mann Hans Landa (Oscar für Christoph Waltz), der ihre Familie umbrachte, töten. In Paris, in einem Kino, treffen sie sich.
Ein feiner Kriegsfilm, den man unbedingt in der Originalfassung, in der meisterlich zwischen den verschiedenen Sprachen gewechselt wird, ansehen sollte. Außerdem wird auch im Original die meiste Zeit deutsch gesprochen.
Wahrscheinlich wird die deutsche Synchronisation gezeigt.
mit Brad Pitt, Mélanie Laurent, Eli Roth, Christoph Waltz, Michael Fassbender, Diane Kruger, Daniel Brühl, Til Schweiger, Gedeon Burkhard, Jacky Ido, B. J. Novak, Omar Doom, August Diehl, Sylvester Groth, Martin Wuttke, Mike Myers, Julie Dreyfus, Mike Myers, Rod Taylor, Sönke Möhring, Ken Duken, Christian Berkel, Ludger Pistor, Jana Pallaske, Bo Svenson, Enzo G. Castellari (als er selbst), Samuel L. Jackson (Erzähler in der Originalversion)
Auf den ersten Blick – Autor, Regisseur, Hauptdarsteller, Budget, Prämisse – wirkt „Allied – Vertraute Fremde“ wie eine willkommene Rückkehr zum klassischen Abenteuerfilm, der Romantik mit Abenteuer verbindet. Historisch nicht unbedingt hundertprozentig akkurat, aber höchst unterhaltsam. Und dann zündet der Film ähnlich furios wie ein nasser Silvesterkracher.
Die Gründe für dieses Scheitern sind das Drehbuch und die beiden Hauptdarsteller Brad Pitt und Marion Cotillard, denen man das Liebespaar niemals abnimmt.
Brad Pitt spielt den Geheimagenden Max Vatan. Ein Kanadier, der für die britische Special Operations Executive (SOE) arbeitet. 1942 wird er zu einem Geheimdienst-Einsatz nach Casablanca geschickt. Es gibt, um jetzt eine mehr als offensichtliche Inspiration zu nennen, zwar ein Café, aber keinen Humphrey Bogart und keine Ingrid Bergman. Dafür trifft Max Marianne Beauséjour (Marion Cotillard). Die französische Widerstandskämpferin ist seine lokale Kontaktperson, die ihn in die Kreise der deutschen Besatzer einführt. Sie wollen während einer Feier den deutschen Botschafter erschießen.
Während der Mission verlieben sie sich, heiraten, kriegen ein Kind (begleitet von den Bomben, die die Deutschen über London abwerfen) und, während sie in ihrer neuen Rolle als fürsorgliche Mutter aufgeht, arbeitet er als Offizier in der SOE-Zentrale. Max und Marianne führen in London ein zutiefst bürgerliches Leben, bis Max von seinen Vorgesetzten darüber informiert wird, dass seine Frau eine deutsche Agentin sei. Er soll sie, nach dem Beweis ihrer Schuld, töten. Aber er will ihre Unschuld beweisen.
Ab diesem Moment erwartet der Genrejunkie ein Spiel, in dem es in jeder Minute Dinge gibt, die Marianne belasten oder entlasten. Schließlich will Max nicht nur Mariannes Unschuld beweisen, sondern auch den Verräter finden.
Das klingt doch noch einem klassischen Weltkrieg-II-Spionagethriller, verbunden mit einer prickelnden Liebesgeschichte, wie man ihn heute nicht mehr im Kino, aber im Fernsehen aus unzähligen Nachmittagswiederholungen kennt und immer wieder gerne sieht.
Das war auch von den Machern, immerhin „Eastern Promises“-Autor Steven Knight und „Forrest Gump“-Regisseur Robert Zemeckis geplant.
Geliefert bekommt man eine mehr als lauwarme Spurensuche, in die Marianne nicht involviert ist. Sie bleibt in der zweiten Filmhälfte in jeder Beziehung passiv. Er sucht währenddessen, ohne ihr etwas davon zu sagen Beweise für ihre Unschuld. Im Krieg gestaltet sich das etwas schwierig, aber letztendlich folgt diese Suche der Logik eines Weihnachtseinkaufs mit festem Wunschzettel, der in einem gut sortiertem Geschäft erledigt wird. Spannung wird dagegen anders buchstabiert.
Ein weiteres Problem ist, dass bis zu dem Moment, in dem Max mit dem auf seiner Frau lastendem Verdacht unglaublich viel Filmzeit vergeht. Schon der erste Akt in Casablanca entwickelt sich im Rahmen der anvisierten Geschichte und des damit verbundenen Konflikts zäh und ist mit vierzig Minuten viel zu lang geraten. In London vergehen dann wieder um die zwanzig Minuten in denen uns das glückliche, bürgerliche, konflikt- und verdachtsfreie Familienleben von Max und Marianne gezeigt wird. Erst danach erfährt Max (und wir als Zuschauer), dass seine Frau eine deutsche Spionin sein soll. Erst in diesem Moment, der in einem besser konstruiertem Film spätestens nach einer halben Stunde hätte kommen sollen (bewährter Syd-Field-Ratschlag), steht er vor der Frage, ob er ihr vertrauen kann; ob sie die Person ist, die sie behauptet zu sein. Bis dahin ist „Allied – Vertraute Fremde“ eine ganz banale, spannungsfreie Liebesgeschichte vor dem Hintergrund des Krieges und der von Misstrauen geprägten Welt der Geheimdienste und ihrer abenteuerlichen Aktionen.
Es ist allerdings auch eine Liebesgeschichte, in der auf der Leinwand zwischen Brad Pitt und Marion Cotillard erschreckend wenig Leidenschaft herrscht. Um zu zeigen, wie aufgewühlt und verliebt sie sind, bietet Robert Zemeckis einen ganzen Sandsturm auf, der um ihr Auto tobt, während sie das tun, was verliebte Paare halt so tun, wenn sie gemeinsam in einem Auto sitzen. Nur: es hilft nicht.
„Allied – Vertraute Fremde“ macht erschreckend wenig aus seiner mehr als vielversprechenden Prämisse und angesichts der involvierten Personen ist der Film eine der großen Enttäuschungen des Kinojahres.
Allied – Vertraute Fremde(Allied, USA 2016)
Regie: Robert Zemeckis
Drehbuch: Steven Knight
mit Brad Pitt, Marion Cotillard, Jared Harris, Lizzy Caplan, Daniel Betts, Matthew Goode, August Diehl