Neu im Kino/Filmkritik: Kreative Titelwahl, nächste Folge: „Zoomania 2“

November 26, 2025

Als „Zoomania“ vor neun Jahren im Kino lief, gab es fast einhelliges Kritikerlob, Preise und ein Einspiel von über einer Milliarde US-Dollar. Trotzdem war eine Fortsetzung nicht nötig. Denn der Animationsfilm erzählt eine wunderschöne in sich abgeschlossene Geschichte über eine junge Häsin, die in der nur von Tieren bewohnten Metropole Zoomania Polizistin werden will. Allerdings war noch nie ein Kaninchen bei der Polizei. Gegen alle Widerstände, grenzenlos optimistisch, voller Energie und mit einem ungewöhnlichem Verbündeten, dem Fuchs und sympathischen Trickbetrüger Nick Wilde, erreicht Judy Hopps ihr Ziel.

In „Zoomania 2“ sind Judy Hopps und Nick Wilde Partner. Für ihre Kollegen und ihren Chef vom Zoomania Police Departement (ZPD) sind sie wahre Nervensägen.

Nachdem Judy bei einer etwas aus dem Ruder laufenden Verhaftung eine Schlange sieht, beginnt sie, zusammen mit Nick, auf eigene Faust zu ermitteln. Denn seit hundert Jahren sind Schlangen in Zoomania geächtet.

Die Verbannung von Schlangen aus der Stadt hat etwas mit dem Gründungsmythos von Zoomania und der mächtigen Familie Lynxley zu tun.

Zoomania 2“, geschrieben und inszeniert von Jared Bush und Byron Howard, den Machern des ersten Films, ist ein klassischer Buddy-Cop-Actionfilm. Wie in den „Lethal Weapon“-, „Beverly Hills Cop“- und „Bad Boys“-Filmen, um nur einige bekannte Actionfilme nennen, die in Serie gingen, jagen zwei gegensätzliche Polizisten Verbrecher, machen Witze und hinterlassen eine Spur der Verwüstung. Die älteren Semester dürften daher ihr Vergnügen am Erkennen der seit Jahrzehnten etablierten und immer wieder erfolgreich variierten Genrekonventionen haben. Jüngere, also Kinder, für die der Disney-Film in erster Linie gemacht ist, dürfen sich über eine flotte Geschichte freuen. Sie ist mit vielen Gags, auch vielen Nebenbei-Gags, gespickt. Es gibt wunderschöne und stimmige Erweiterungen der aus dem ersten Film bekannten Welt. Und, im Herzen des Films, ein wirklich sympathisches Duo.

Die Filmgeschichte selbst gehorcht jetzt den Gesetzen des Polizeifilms, in denen der Ermittler einen neuen Fall aufklären muss. Das hat nicht mehr die emotionale Fallhöhe des ersten Films, eröffnet aber mühelos den Weg zu weiteren Judy-Hopps/Nick-Wilde-Filmen. Wie „Tatort“-Kommissare oder Sherlock Holmes (der ohne seinen Dr. Watson nicht denkbar ist) oder James Bond (vor Daniel Craig) können Judy und Nick für das ZPD viele weitere Fälle lösen.

Zoomania 2 (Zootopia 2, USA 2025)

Regie: Jared Bush, Byron Howard

Drehbuch: Jared Bush

mit (im Original den Stimmen) Ginnifer Goodwin, Jason Bateman, Ke Huy Quan, Fortune Feimster, Andy Samberg, Patrick Warburton, Quinta Brunso, Idris Elba, Bonnie Hunt, Don Lake, Maurice LaMarche, Nate Torrence, Raymond S. Persi, David Strathairn, Shakira, Danny Trejo, Alan Tudyk, Macaulay Culkin, Jean Reno, John Leguizamo, Josh Gad, June Squibb, Tig Notaro, Michael J. Fox, Dwayne Johnson, Ed Sheeran (teils in kleinen Sprechrollen)

(in der deutschen Fassung) Josefine Preuß, Florian Halm, Rick Kavanian, Susanne Dauber, Steven Gätjen

Länge: 108 Minuten

FSK: ab 6 Jahre

Hinweise

Moviepilot über „Zoomania 2“

Metacritic über „Zoomania 2“

Rotten Tomatoes über „Zoomania 2“

Wikipedia über „Zoomania 2“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Byron Howard/Rich Moore/Jared Bushs „Zoomania“ (Zootopia, USA 2016)


Neu im Kino/Filmkritik: Erst ein Schuh, jetzt „Das Kanu des Manitu“

August 14, 2025

Dieses Mal müssen Abahachi, der edle Häuptling der Apachen (Michael Bully Herbig), und sein Blutsbruder Ranger (Christian Tramitz) das Kanu des Manitu finden. Einige Banditen und ein Ölbaron wollen es ebenfalls haben. Weil „Das Kanu des Manitu“ eine Komödie von Michael Bully Herbig ist, die gedanklich in der Tradition der „Bullyparade“ (1997 – 2002) und der daraus entstandenen, überaus erfolgreichen und ziemlich klamaukigen Komödie „Der Schuh des Manitu“ (2001) steht, ist diese Filmgeschichte nur der Aufhänger für allerei Albernheiten, Blödeleien und Sketche. Der gemeinsame Nenner dieser Parodie sind dabei die erfolgreichen Karl-May-Western aus den sechziger Jahren. Ob heutige Jugendliche diese Filme noch so gut kennen wie die Jugendlichen der achtziger und neunziger Jahren, die diese Western regelmäßig im TV sehen konnten, werden die kommenden Tage zeigen.

Unabhängig von dem möglichen Kassenerfolg – „Der Schuh des Manitu“ ist mit knapp 12 Millionen Kinobesucher in Deutschland die erfolgreichste deutsche Komödie; Herbigs Nachfolgefilm „(T)Raumschiff Surprise – Periode 1“ (2004) folgt mit über 9 Millionen Besuchern auf dem zweiten Platz, „Bullyparade – Der Film“ (2017) konnte mit knapp 1,9 Millionen Besuchern nicht an die vorherigen Erfolge anknüpfen – stellt sich natürlich die Frage, ob der Film nötig ist. Schließlich sind Michael Herbig, Christian Tramitz, Rick Kavanian und die anderen Mitwirkenden, die schon beim ersten Film dabei waren, an anderen Punkten in ihrer Karriere.

Jetzt kehren sie also zu den Anfängen ihrer Karriere und ihrem erfolgreichsten Werk zurück. Damit die Angelegenheit mehr als ein Aufwärmen altbekannter Gags für die Fans, eine Art Klassentreffen des damaligen Teams (und einiger Neuzugänge, von denen vor allem ein „Komparse“ im Gedächtnis bleibt) und eine Spekulation auf einen positiven Effekt auf das eigene Bankkonto ist, sollte es natürlich einen künstlerischen Grund geben, um sich wieder in die Welt von Winnetou, Karl May und den erfolgreichen Verfilmungen in den sechziger Jahren zu begeben.

Denn schon 2001 demontierte, parodierte und verschwulte Herbig die Karl-May-Western so sehr, dass danach alles dazu gesagt war. Entsprechend unnötig ist „Das Kanu des Manitu“.

Gelungen ist die Komödie so halbwegs. Sie ist technisch überzeugend, liebevoll ausgestattet und mit vielen Nebenbei-Gags. Sowieso ist die Gagdichte ziemlich hoch. Die Qualität ist durchwachsen und etliche der guten Gags werden bereits im Trailer präsentiert.

Die Aktualisierungen beziehen sich auf das gefahrlose Gebiet des Umgangs mit dem Wort „Indianer“ und einer durchaus berührenden Szene am Filmende. In ihr nehmen echte Apachen und Natives weiterer Stämme Abahachi/Herbig in ihren Kreis auf und bezeichnen ihn als einen der ihren, weil es nicht auf das Blut, sondern die inneren Werte ankomme.

In dem Moment sagt Bully Herbig auch, mit dem sprichwörtlichen Zaunpfahl, etwas über echte und falsche kulturelle Aneignung. Dass damals „Der Schuh des Manitu“ und heute „Das Kanu des Manitu“ keine Auseinandersetzung mit dem echten Wilden Westen ist, wusste schon damals jeder, der nicht vollkommen verblödet ist. Sie sind eine liebevolle Parodie der fantastischen Karl-May-Western, die unzählige Jugendliche durch die Kindheit und Jugend begleiteten.

Deshalb gibt es auch keine weiteren Aktualisierungen oder neue Themen für die Witze. Der Rassismus der aus Europa kommenden weißen Siedler, deren Glaube, ungezügelter Kapitalismus und die damit verbundene rücksichtslos betriebene Eroberung des Wilden Westens wären dankbare Objekte für neue Witze gewesen. Solche Gags würden das sichere Gebiet der Karl-May-Westernfilmparodie verlassen und sich mehr mit dem echten Wilden Westen und der Gegenwart beschäftigen. Das wollten die Macher nicht. Sie wollten einfach ihr altes Programm wieder präsentieren, etwas entstaubt und garniert mit zu vielen von Stefan Raab komponierten Songs und damit verbundenen Gesangseinlagen.

Das Kanu des Manitu“ ist ein unnötiger Film mit Albernheiten, Klamauk und kindgerechtem Humor (beispielsweise wenn sie in einer Höhle das Kanu des Manitu suchen und finden), der in der Welt dreißig Jahre alter Sketche lebt.

Das Kanu des Manitu (Deutschland 2025)

Regie: Michael Bully Herbig

Drehbuch: Michael Bully Herbig, Christian Tramitz, Rick Kavanian

mit Michael Bully Herbig, Christian Tramitz, Rick Kavanian, Jasmin Schwiers, Jessica Schwarz, Friedrich Mücke, Daniel Zillmann, Tobias van Dieken, Pit Bukowski, Akeem van Flodrop, Tutty Tran, Merlin Sandmeyer, Waldemar Kobus, Jan van Weyde, Sky du Mont

Länge: 88 Minuten

FSK: ab 6 Jahre

Hinweise

Homepage zum Film

Filmportal über „Das Kanu des Manitu“

Moviepilot über „Das Kanu des Manitu“

Wikipedia über „Das Kanu des Manitu“

Meine Besprechung von Michael Bully Herbigs „Ballon“ (Deutschland 2018)

Meine Besprechung von Michael Bully Herbigs „Tausend Zeilen“ (Deutschland 2022)


Neu im Kino/Filmkritik: „IF: Imaginäre Freunde“ auf der Suche nach neuen und alten Freunden

Mai 17, 2024

Die zwölfjährige Bea muss in New York einige Tage bei ihrer Oma, die sie seit Ewigkeiten nicht gesehen hat, verbringen. Ihr Vater, ein immer gut gelaunter Spaßmacher, der sich seine kindliche Seite bewahrt hat, liegt dort im Krankenhaus. Der alleinerziehende Witwer wartet auf eine Operation, über die wir nichts genaues erfahren, weil seine Krankheit nicht im Zentrum der Filmgeschichte steht.

Bea wird in ihrem Kinderzimmer einquartiert. Zufällig entdeckt sie, dass in dem Apartment über ihrem Zimmer einige ungewöhnliche und seltsam aussehenden Wesen leben, die nur sie sehen kann. Diese Wesen, wie eine Schmetterlingsdame mit riesigen Augen, verschiedene Teddybären und ein riesiges, unförmiges Plüschwesen, waren früher „Imaginäre Freunde“ von Kindern. Als die Kinder älter wurden, haben sie ihre imaginären Freunde vergessen. Einige IFs leben zusammen mit Cal. Viele weitere IFs leben in einem Altersheim für IFs, das sie lieber gestern als heute verlassen würden. Für diese IFs sucht Cal Kinder, die sie als IFs akzeptieren. Das ist leichter gedacht als verwirklicht. Eine Freundschaft kann nämlich nur entstehen, wenn das Kind ein IF erkennt. Und Kinder können da sehr wählerisch sein.

Bea, die in New York keine Freunde hat, will Cal und den IFs helfen. Als die Suche nach neuen Freunden für die IFs erfolglos verläuft, schlägt sie vor, anstatt neue Freunde zu suchen, einfach wieder die alten Freunde zu besuchen und sie zu fragen, ob sie ihre Freundschaft zu ihrem imaginärem Freund erneuern wollen. Auch das ist leichter gesagt als getan.

Das Konzept eines Imaginären Freundes ist ohne große Erklärungen verständlich und ein Imaginärer Freund kann einem Kind bei seiner Entwicklung helfen. Es scheint sich dabei um eine Idee zu handeln, die in den USA verbreiteter als in Deutschland ist. Jedenfalls zuckten die Eltern, mit denen ich mich in den vergangenen Tagen und Wochen darüber unterhielt, hilflos mit den Schultern. Sie oder ihre Kinder hatten fast alle keine imaginären Freunde. Ob solche imaginären Freunde jetzt etwas gutes oder etwas schlechtes sind, mögen andere beurteilen.

Im Film „IF: Imaginäre Freunde“ sind sie jedenfalls gute, nette, wohlwollende, manchmal tapsige Gesellen und eine Verbindung zur Fantasie der Kindheit. Geschrieben und inszeniert wurde der Film von John Krasinski, der zuletzt Horror- und Science-Fiction-Fans mit seinen beiden „A Quiet Place“-Filmen begeisterte. Jetzt drehte er einen Film, der wohl eine Fantasy-Komödie für Kinder mit Disney-Touch sein soll und bei dem die Schauspieler mit animierten Figuren interagieren. Früher, beispielsweise in „Elliot, das Schmunzelmonster“ oder in „Falsches Spiel mit Roger Rabbit“, agierten Schauspieler mit Zeichentrickfiguren. Heute agieren sie mit CGI-Figuren, die in diesem Fall auf den ersten Blick als Trickfiguren erkennbar sind. Das ist durchaus gut gemacht.

Aber ein Film besteht nicht nur aus bunten Bildern. Und schon sind wir bei den Problemen von „IF: Imaginäre Freunde“. Für eine Komödie gibt es zu wenig zu lachen. Auch schmunzeln fällt schwer. Es herrscht immer ein forcierter Humor. Er missachtet die Regeln die er aufstellt, nach Belieben. So sollen nur Bea, Cal und der Freund des IFs einen IF sehen können. So sind IFs imaginäre Wesen. Trotzdem gibt es immer wieder Szenen, die gegen diese Regeln verstoßen. Die Story ist während des Sehens nicht erkennbar. Es ist einfach unklar, worum es geht und warum es wichtig ist, ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Es ist auch unklar, warum es wichtig ist einen IF zu haben; oder anders gesagt: was tut ein IF für seinen Freund? Die Schlußpointe erklärt dann einiges. Gleichzeitig hat sie ihre eigenen Probleme. Das erkennbare Thema des Films, der Verlust der Kindheit und die Aufforderung sich diese Kindheit zurückzuholen, richtet sich dann nicht an Kinder (die haben ihre IFs ja noch), sondern an Erwachsene; also an die Erwachsenen, die einen IF hatten und jetzt die Gefühle und Freundschaften ihrer Kindheit verdrängt haben.

IF: Imaginäre Freunde“ ist ein Möchtegern-Disney-Film, dem die Magie und der Charme eines guten Disney-Films fehlt.

IF: Imaginäre Freunde (IF, USA 2024)

Regie: John Krasinski

Drehbuch: John Krasinski

mit Cailey Fleming, Ryan Reynolds, John Krasinski, Fiona Shaw, Liza Colón-Zayas, Alan Kim

(im Original den Stimmen von) Steve Carell, Phoebe Waller-Bridge, Louis Gossett Jr., Emily Blunt, Matt Damon, Maya Rudolph, Jon Stewart, Sam Rockwell, Sebastian Maniscalco, John Krasinski, Christopher Meloni, Richard Jenkins, Awkwafina, George Clooney, Keegan-Michael Key, Matthew Rhys, Bradley Cooper, Blake Lively, Amy Schumer, Brad Pitt

(in der deutschen Fassung den Stimmen von) Rick Kavanian, Christiane Paul, Lina Larissa Strahl, herrH

Länge: 104 Minuten

FSK: ab 0 Jahre

Hinweise

Moviepilot über „IF: Imaginäre Freunde“

Metacritic über „IF: Imaginäre Freunde“

Rotten Tomatoes über „IF: Imaginäre Freunde“

Wikipedia über „IF: Imaginäre Freunde“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von John Krasinskis „A quiet Place“ (A quiet Place, USA 2018)

Meine Besprechung von John Krasinskis „A quiet Place 2“ (A Quiet Place: Part II, USA 2021)


Neu im Kino/Filmkritik: Grüß Gott! Der „Beckenrand Sheriff“ will sein Freibad retten

September 14, 2021

In dem bayerischen Ort Grubberg soll das heruntergekommene städtische Freibad geschlossen werden. Auf der frei werdenden Fläche sollen noble Wohnungen entstehen. Bademeister Karl Kruse, der titelgebende „Beckenrand Sheriff“, der sich ein Leben außerhalb des Freibads nicht vorstellen kann, will das verhindern.

Ausgehend von dieser Prämisse entwirft Marcus H. Rosenmüller („Wer früher stirbt, ist länger tot“, „Sommer in Orange“) eine prominent besetzte, entspannt vor sich hin blödelnde Geschichte. In einer Abfolge von Sketchen werden alle wichtigen und aktuellen Themen angesprochen. Mal besser, mal schlechter, aber nie unter der Gürtellinie. So spielt Milan Peschel den betont grantigen, überaus peniblen Bademeister Karl Kruse, der darauf achtet, dass die Stühle millimetergenau ausgerichtet sind. Dimitri Abold spielt Sali, einen aus Nigeria kommenden Asylbewerber, der als Azubi zu ihm geschickt wird. Kruses in der Verwaltung arbeitende Schwester hofft so, Salis Abschiebung zu verhindern. Sali ist zwar willig, aber auch ein Nichtschwimmer. Das wäre kein großes Problem, wenn nicht die selbstverständlich hoffnungslos erfolglose Wasserball-Mannschaft einen Sieg bräuchte (Haben wir das nicht schon in einem Dutzend anderer Komödien gesehen?) und Sali ein begnadeter Ballfänger wäre. Also muss er schwimmen lernen.

Im Schwimmbad trifft er lange nachdem das Bad für den täglichen Publikumsverkehr geschlossen wurde, Lisa (Sarah Mahita). Die junge Schwimmerin war mal die große Olympiahoffnung des Dorfes. Bis eine seltsame, nie vollkommen geklärte Dopinggeschichte diese Karriere beendete. Jetzt trainiert sie heimlich nach Sonnenuntergang. Ihr Vater ist Albert Dengler (Sebastian Bezzel), der Mann, der auf dem Schwimmbadgelände Häuser bauen möchte.

Und so langsam finden sich die Menschen zusammen, die einerseits in herzlicher Abneigung miteinander verbunden sind, und andererseits nur gemeinsam das Freibad retten können.

Bei den Mitteln, die sie dafür einsetzen, und wie ihnen die Rettung gelingt, wird es dann immer wieder ärgerlich. Natürlich ist ein Spielfilm keine verfilmte Gemeinderatsordnung. Und natürlich können die Filmemacher sich beim Erzählen ihrer Geschichte jede künstlerische Freiheiten nehmen. Ärgerlich wird es allerdings dann, wenn man den Eindruck hat, das Wissen der Macher über die Kommunalpolitik erschöpft sich in einer Mischung aus Schlagzeilenlektüre und Stammtischgesprächen. Dabei hätten die realen Verfahren Stoff für mehr und bessere Verwicklungen und politische Winkelzüge geboten. So sammelt, um nur ein Beispiel zu nennen, Kruse irgendwann Unterschriften für den Erhalt des Freibads. Jeder, der schon einmal eine Unterschriftensammlung gemacht hat, weiß, wie schwierig die Formulierung der Forderung ist und wie sehr eine Verwaltung eine Sammlung vor, während und nach der Unterschriftensammlung blockieren kann. Zum Beispiel, indem sie Formulierungen nicht zulässt, die Prüfung endlos hinauszögert oder nur an bestimmten Orten sammeln lässt. All das bietet Stoff für wundervolle komödiantische Verwicklungen, die hier nicht genutzt werden, weil Kommunalpolitik auf nicht informiertem Stammtisch-Niveau behandelt wird.

Beckenrand Sheriff“ ist ein belangloser Bayern-Klamauk, der eine politische Satire hätte sein können.

Beckenrand Sheriff (Deutschland 2021)

Regie: Marcus H. Rosenmüller

Drehbuch: Marcus Pfeiffer

mit Milan Peschel, Dimitri Abold, Sebastian Bezzel, Rick Kavanian, Gisela Schneeberger, Johanna Wokalek, Sarah Mahita, Rocko Schamoni, Thomas Mraz, Frederick Linkemann

Länge: 114 Minuten

FSK: ab 6 Jahre

Hinweise

Filmportal über „Beckenrand Sheriff“

Moviepilot über „Beckenrand Sheriff“

Wikipedia über „Beckenrand Sheriff“


Neu im Kino/Buch- und Filmkritik: Michael Ende, „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ – jetzt mit Schauspielern

März 29, 2018

Es dauerte einige Minuten, bis ich Lummerland in Dennis Gansels Realverfilmung von Michael Endes „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ als Lummerland akzeptieren konnte. Nicht unbedingt wegen der allseits bekannten Verfilmungen der Augsburger Puppenkiste, in der die Insel Lummerland aus Pappe, Plastik und Klebstoff war, das Meer eine Folie, die Lok eine Spielzeugeisenbahn und die Bewohner Puppen. Die TV-Serie, – eigentlich zwei TV-ARD-Serien, einmal 1961/1962 in SW, einmal 1977/1978 in Farbe -, ist ein Klassiker. Vor allem die Farbversion gehört zur frühkindlichen Bildung jedes Kindes, das damals in der BRD aufwuchs.

Selbstverständlich habe auch ich als Kind die Serie gesehen. Wahrscheinlich habe ich damals auch das Buch gelesen. Und beides seitdem fast vollständig vergessen.

Das Problem in diesen Minuten war daher nicht meine nicht mehr wirklich vorhandene Erinnerung an die TV-Serie, sondern die Diskrepanz zwischen der Behauptung, dass auf einer sehr kleinen Insel, die „ungefähr doppelt so groß wie unsere Wohnung“ (Ende) ist, vier Menschen in ihren Häusern leben, deren König ein Schloss auf einem Berg hat und eine Eisenbahn ihre Runden dreht, und dem offensichtlichen Augenschein, dass das in der Realität niemals funktionieren würde. In einem Trickfilm oder einem Puppentheaterstück, in dem sowieso alles abstrahiert ist, oder einem Roman, in dem ich mir eine fantastische Welt so zusammenstellen kann, wie sie mir gefällt, stört das nicht. Aber wenn dann Henning Baum als Lukas der Lokomotivführer, Annette Frier als Frau Waas, Christoph Maria Herbst als Herr Ärmel, Uwe Ochsenknecht als König Alfons der Viertel-vor Zwölfte und Solomon Gordon in seinem Kinodebüt als Jim Knopf in ihren Häusern, die schon fast die gesamte Insel einnehmen, und die Lokomotive Emma, die hier um engste Kurven fahren muss, auf Lummerland stehen, dann ist das etwas anderes.

Nach einigen Minuten konnte ich das akzeptieren. Außerdem verlassen Jim Knopf, Lukas und Emma die Insel. König Alfons der Viertel-vor Zwölfte hat nämlich festgestellt, dass die Insel, wenn Jim Knopf erwachsen wird, zu klein für fünf Bewohner, ihre Behausungen und eine Lok ist. Deshalb soll der Bahnbetrieb eingestellt und Emma verschrottet werden.

Weil Lukas sich nicht von Emma trennen will, will Lukas mit seiner geliebten Lok die Insel verlassen. Weil Jim Knopf nicht auf Lukas und Emma verzichten will, will er sie begleiten. Also verlassen sie zu dritt Lummerland.

Ihre Seefahrt endet an der Küste des Kaiserreichs Mandala. Das offensichtliche Vorbild für Mandala ist China. Dort erfahren sie, dass die Prinzessin Li Si von der Wilden 13 entführt wurde und in der Drachenstadt Kummerland von Frau Mahlzahn gefangen gehalten wird. In diesem Moment erfährt Jim Knopf im Buch, dass er als schlecht adressiertes Paket auf der Insel Lummerland ankam. Im Film, der sonst dem Roman sehr genau, fast schon sklavisch folgt, erfährt Jim Knopf das früher und die Suche nach seiner Herkunft ist für ihn, neben seiner Freundschaft zu Lukas und Emma, ein Grund, um Lummerland zu verlassen.

Jim und Lukas beschließen, Prinzessin Li Si zu retten. Auf dem Weg zur Drachenstadt müssen sie viele Gefahren in fantastischen Welten überstehen. Sie treffen sehr seltsame Geschöpfe, wie den Scheinriesen Tur Tur und den Halbdrachen Nepomuk, mit denen sie sich schnell anfreunden. Allerdings müssen sie weiter nach Kummerland.

Mit „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ durfte Dennis Gansel, der vorher unter anderem „Mechanic: Resurrection“, „Die Welle“ und „Napola – Elite für den Führer“ drehte, so richtig viel Geld ausgeben. Offiziell betrug das Budget 25 Millionen Euro und damit gehört er in jedem Fall zu den teuersten deutschen Filmen. Das Geld ist, wenn man auf Schauwerte steht, gut investiert. Die von fünf Computereffektfirmen und mehreren hundert Digital Artists geschaffenen Tricks überzeugen. Vieles wurde auch gebaut. So kann Lummerland seit einem Jahr im Filmpark Babelsberg besichtigt werden. Im Bavaria Filmstudio kann auf der Filmtour Nepomuks Höhle und eine Version der Lok Emma besichtigt werden. Und bei Massenszenen dürfen dann auch schon mal 150 prächtig kostümierte Schauspieler durch das Bild laufen.

Für Kinder ist Gansels „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ ein wunderschöner Abenteuerfilm. Für Erwachsene ist der episodisch erzählte Film, in dem es für Jim Knopf, Lukas und Emma nie wirklich gefährlich wird, dann doch zu kindgerecht. Im Gegensatz zu Pixar-Filmen, in denen für Erwachsene mindestens noch eine zweite und dritte Bedeutungs-, Anspielungs- und Interpretationsebene vorhanden ist.

Das kann auch über Michael Endes glänzend geschriebene Buch gesagt werden. Er hat es in erster Linie für Kinder geschrieben in der Absicht, ihnen auf unterhaltsame Weise etwas beizubringen. Er will ihnen Mut machen, ihre Neugierde wecken, zu Toleranz erziehen und Freude am Lernen vermitteln. Denn Schule muss nicht, wie bei Frau Mahlzahn, der furchterregenden, diktatorischen Lehrerin, eine totalitäre Zwangsanstalt an.

Und er hat einen unerschütterlichen Glaube an das Gute. So verwandelt sich Frau Mahlzahn nach der Begegnung mit Jim Knopf. Der Scheinriese Herr Tur Tur, der seit Ewigkeiten einsam in der Wüste lebt, freut sich über die Begegnung mit Jim Knopf und Lukas. Sie laufen nicht vor ihm weg, sondern sie bleiben neugierig stehen. Wie sie später erfahren, ist ein Scheinriese jemand, der umso größer erscheint, je weiter entfernt man von ihm ist. Wenn man sich ihm nähert, wird er immer kleiner, bis er die größe eines normalen Menschen hat. Eine schöne, sich selbst erklärende Metapher, die Erwachsene leicht entschlüsseln können.

Und gerade die durch die Geschichte und ihre Figuren transportierte Weltsicht macht „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ auch für Erwachsene zu einer sehr interessanten und lohnenden Lektüre. Denn jetzt erkennt man die Absichten des Autors, die man als Kind überlas. Dabei ist auch erstaunlich, wie viel Ende Erwachsenen zu sagen hat und wie aktuell dieses fast siebzig Jahre alte Buch ist, das jetzt zu einem bunten Fantasyfilm für Kinder wurde, der sich nicht vor ähnlich gelagerten Hollywoodfilmen verstecken muss.

Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer (Deutschland 2018)

Regie: Dennis Gansel

Drehbuch: Dirk Ahner, Andrew Birkin, Sebastian Niemann

LV: Michael Ende: Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer, 1960

mit Henning Baum, Solomon Gordon, Annette Frier, Christoph Maria Herbst, Uwe Ochsenknecht, Milan Peschel, Rick Kavanian, Leighanne Esperanzate, Ozzie Yue, Michael Bully Herbig (Stimme von Nepomuk), Judy Winter (Stimme von Frau Mahlzahn)

Länge: 110 Minuten

FSK: ab 0 Jahre

Die Vorlage

Michael Ende: Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer

(mit Zeichnungen von Franz Josef Tripp, koloriert von Mathias Weber)

Thienemann, 2015

272 Seiten

16,99 Euro

Die Erstausgabe erschien 1960.

Zum Filmstart erschien eine Filmausgabe mit über vierzig Filmbildern.

Hinweise

Homepage zum Film

Filmportal über „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“

Moviepilot über „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“

Wikipedia über „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ und Michael Ende

Homepage von Michael Ende

Thienemann über Michael Ende

Meine Besprechung von Dennis Gansels „Mechanic: Resurrection“ (Mechanic 2 – Resurrection, Frankreich/USA 2016)


Neu im Kino/Filmkritik: „High Society“, Plattenbau und zwei vertauschte Kinder

September 15, 2017

Die Prämisse von „High Society – Gegensätze ziehen sich an“ ist altbekannt und, auch wenn Regisseurin Anika Decker im Presseheft sagt, sie sei vor zweieinhalb Jahren durch die Lektüre eines Zeitungsartikels über vertauschte Babys in Frankreich darauf gekommen, schon in zahlreichen Spielfilmen durchgespielt worden. Denn sie ist ein wundervolles „was wäre wenn“-Gedankenexperiment: Was wäre, wenn du nach deiner Geburt vertauscht worden wärst? Üblicherweise sind die Familien vollkommen gegensätzlich. Üblicherweise ist eine Familie sehr arm und die andere sehr reich. Die Fragen und Konflikte ergeben sich aus dieser Prämisse fast von selbst: Was ist Erziehung? Was Vererbung? Wer sind deine Eltern? Die biologischen oder die, die dich erzogen haben? Soll der Tausch wieder rückgängig gemacht werden? Oder wäre das ein noch größeres Unrecht? Undsoweiter, undsofort. Eigentlich ist es kaum möglich, eine solche Verwechslungsgeschichte zu vergeigen.

Anika Decker gelingt das in ihrem neuen Film „High Society“, den sie eine Familien- und Gesellschaftskomödie nennt, mit einer fast schon beeindruckenden Konsequenz.

In „High Society“ werden Anabel und Aura in der Geburtsklinik vertauscht. 25 Jahre später wird der Tausch entdeckt und, schwuppdiwupp, ist die reiche Anabel (Emilia Schüle) in der Familie von Carmen Schlonz (Katja Riemann) im Plattenbau (mit importiertem Ghetto-Feeling) und die arme Aura (Caro Cult) in der Familie von Trixie von Schlacht (Iris Berben) in der noblen Industrieellenvilla, in der Menschen mit offensichtlichen Geschmacksverirrungen leben dürfen. Wie im Plattenbau am anderen Ende von Berlin.

Beginnen wir mit dem Positiven: Iris Berben und Katja Riemann werfen sich mit einer Verve in ihre Rollen, dass man sich schnell fragt, warum sie das tun. Vielleicht wollten sie einfach ihren Spaß haben. Denn, und schon sind wir beim Negativen, das Drehbuch ist eine willkürliche Aneinanderreihung von Szenen, die höchstens für einen unlustigen Sketchabend taugen. Die gezeigten Milieus und Konflikte stammen dann auch aus genau dieser wirklichkeitsfernen TV-Soap- und Sketch-Welt mit ihren billigen Kulissen und unglaubwürdigen Charakteren. Stringenz in der Geschichte und Figurenzeichnung sind hier Fremdworte. Der Film ist ein einziger Kladderadatsch, der wirkt, als habe man einfach Szenen aus verschiedenen Drehbüchern zusammengeworfen und danach nicht einmal geprüft, ob das irgendwie auch nur halbwegs stimmig ist. Dass keine einzige Pointe zündet, verwundert in dieser kopflosen Fremdschäm-Veranstaltung, nicht. Wegen des Timings, wegen der Qualität der Pointen und wegen der Abwesenheit irgendeiner Idee, wie das Material sinnvoll angeordnet werden kann.

Dass es Anika Decker nicht gelingt, aus der Prämisse eine Geschichte zu entwickeln, verwundert dann doch. Denn bei der Prämisse schreibt sich die Geschichte wie von selbst. Wenn man denn ein Thema hat.

Anika Decker schrieb die Drehbücher für „Keinohrhasen“, „Zweiohrhasen“, „Rubbeldiekatz“ und „Traumfrauen“, ihrem Regiedebüt.

High Society – Gegensätze ziehen sich an (Deutschland 2017)

Regie: Anika Decker

Drehbuch: Anika Decker

mit Emilia Schüle, Jannis Niewöhner, Iris Berben, Katja Riemann, Caro Cult,Jannik Schümann, Manuel Rubey, Marc Benjamin, Rick Kavanian

Länge: 100 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Homepage zum Film

Filmportal über „High Society“

Moviepilot über „High Society“