Die zwei Gesichter des Januars (The two Faces of January, Großbritannien/USA/Frankreich 2014)
Regie: Hossein Amini
Drehbuch: Hossein Amini
LV: Patricia Highsmith: The two Faces of January, 1964 (Unfall auf Kreta, Die zwei Gesichter des Januars)
Athen, 1962: Der kleine Betrüger Rydal (Oscar Isaac) schlägt sich als Fremdenführer durch, trifft das amerikanische Ehepaar Chester MacFarland (Viggo Mortensen) und Colette (Kirsten Dunst) und wird in einem Mordfall verwickelt. Denn auch Chester ist in betrügerische Geschäfte verwickelt.
Green Book – Eine besondere Freundschaft(Green Book, USA 2018)
Regie: Peter Farrelly
Drehbuch: Peter Farrelly, Nick Vallelonga, Brian Currie
Gut gemachtes, auf einer wahren Geschichte basierendes Feelgood-Movie über die sich während einer Konzerttour durch die Südstaaten in den frühen sechziger Jahren entwickelnde Freundschaft zwischen dem Konzertpianisten Don Shirley (Mahershala Ali) und seinem für diese Tournee engagiertem Fahrer und Rausschmeißer Tony ‚The Lip‘ Vallelonga (Viggo Mortensen).
Der allgemeine Jubel über den Film, die zahlreichen Preise, unter anderem der Oscar als bester Film des Jahres (Spike Lee hatte mit seinem Wutausbruch, dass jeder andere nominierte Film den Oscar mehr verdient hätte als „Green Book“, vollkommen recht), können nicht über die doch ziemlich altbackene Ideologe des Films (der weiße Mann als Retter des Schwarzen und mit etwas gutem Willen kann der Rassissmus besiegt werden) hinwegtäuschen. „Green Book“ ist halt perfektes Hollywood-Wohlfühlkino.
LV: Edwin Torres: Carlito’s Way, 1975 und After Hours, 1979 (auf Deutsch zum Filmstart als Doppelband „Carlito’s Way“ bei Heyne erschienen)
Drogenhändler Carlito Brigante wird vorzeitig aus der Haft entlassen und will fortan ehrlich bleiben. Aber er hat nicht mit den Umständen und seinem Anwalt gerechnet.
Machen wir es kurz: De Palmas Period-Picture der Siebziger ist ein grandioser Gangsterfilm
mit Al Pacino, Sean Penn, Penelope Ann Miller, John Leguizamo, Luis Guzman, Viggo Mortensen
LV: Edwin Torres: Carlito’s Way, 1975 und After Hours, 1979 (auf Deutsch zum Filmstart als Doppelband „Carlito’s Way“ bei Heyne erschienen)
Drogenhändler Carlito Brigante wird vorzeitig aus der Haft entlassen und will fortan ehrlich bleiben. Aber er hat nicht mit den Umständen und seinem Anwalt gerechnet.
Machen wir es kurz: De Palmas Period-Picture der Siebziger ist ein grandioser Gangsterfilm
mit Al Pacino, Sean Penn, Penelope Ann Miller, John Leguizamo, Luis Guzman, Viggo Mortensen
Diese Woche läuft Viggo Mortensens Western „The Dead don’t hurt“ an. In zwei läuft dann Kevin Costners „Horizon“ an. Sein Drei-Stunden-Epos ist der Beginn einer aktuell auf drei bis vier Spielfilme angelegten Erzählung über den amerikanischen Westen und seine Eroberung mit vielen Figuren und Handlungssträngen. (Die Besprechung gibt es zum Filmstart.)
Viggo Mortensen, der wie Costner in seinem Epos, Regie führte, das Drehbuch schrieb, produzierte und die Hauptrolle übernahm, erzählt dagegen in „The Dead don’t hurt“ nur eine Geschichte. Zu den gleichen Themen, mit einigen Variationen und – soweit das beim Vergleich zwischen einem ersten Teil und einem in sich abgeschlossenem Film gesagt werden kann – leicht anderen Schwerpunkten.
In „The Dead don’t hurt“ geht es um Holger Olsen (Viggo Mortensen). In San Francisco trifft er seine Frau Vivienne Le Coudy (Vicky Krieps). Er verliebt sich sofort in die selbstständige Frau und sie in den nobel schweigenden Mann. Gemeinsam reisen sie zu seinem Haus, einer typischen Wilder-Western-Baracke, malerisch gelegen in einem Tal. Dort versucht sie das Beste aus das der Situation zu machen. Als der Bürgerkrieg ausbricht, meldet er sich freiwillig auf der Seite der Union – und verschwindet für ungefähr die nächste halbe Stunde aus dem Film.
Währenddessen arbeitet Vivienne in dem Dorf im Saloon als Bedienung. Weston Jeffries (Solly McLeod), der gewalttätige, alle schikanierende Sohn des lokalen Großgrundbesitzers Alfred Jeffries (Garret Dillahunt), vergewaltigt sie – und sie wird schwanger.
Als Holger zurückkehrt (inzwischen sind ungefähr neunzig Filmminuten bzw. drei Viertel des Films rum), nehmen sie ihr altes Leben wieder auf. Mehr oder weniger. Denn auch Holger fällt auf, dass das Alter ihres Sohnes nicht zur Dauer seiner Abwesenheit passt.
Kurz darauf erkrankt sie und stirbt. Das ist jetzt kein wahnsinnig großer Spoiler, denn der Film beginnt mit ihrem Tod und entfaltet sich von diesem Moment an in zahlreichen, teils aus verschiedenen Perspektiven erzählten Rückblenden.
In dem Moment arbeitet Holger auch als Dorfsheriff. Er hat etwas Ärger mit dem Bürgermeister Rudolph Schiller (Danny Huston) und dem örtlichen Großgrundbesitzer Jeffries, die die Stadt als ihr Eigentum betrachten, und Jeffries‘ Sohn. Ihn lernen wir ebenfalls am Filmanfang als einen Mann kennen, der in dem Dorf seelenruhig alle erschießt, die er auf seinem Weg vom Saloon zu seinem Pferd trifft. Warum er das tut, wissen wir nicht. Er weiß, dass ihm nichts passieren wird. Holger soll sich so um die Angelegenheit kümmern, dass die Jeffries‘ mit dem Ergebnis einverstanden sind.
Wie diese Angelegenheit endet, wird ebenfalls am Filmanfang erzählt und am Filmende weiter erzählt.
Eigentlich erzählt Viggo Mortensen in seinem zweiten Spielfilm keine komplizierte Geschichte. Im Grundsatz ist es eine sehr einfache Geschichte, die ziemlich genau auf die Frage „Was würdest du tun, wenn deine Frau vergewaltigt wurde?“ hinausläuft. Damit die Bedeutung der Frage für den Protagonisten erfasst werden kann, muss vorher erzählt werden, wer er ist, wer sie ist, welche Beziehung sie zueinander haben und auch in welchem Umfeld die Tat stattfand. Das alles erzählt Mortensen auch.
Aber er erzählt seine Geschichte unnötig kompliziert auf mehreren Zeitebenen mit zahlreichen Zeitsprüngen, die oft erst nach einigen Sekunden bemerkt werden. Und danach in Gedanken in die richtige Chronologie gebracht werden müssen.
Außerdem ist „The Dead don’t hurt“ arg langsam erzählt. Mortensen braucht über zwei Stunden, um eine Geschichte zu erzählen, die als klassischer Hollywoodwestern locker in neunzig oder, wenn es sich um ein straff erzähltes B-Picture handelt, sogar weniger Minuten erzählt wurden.
Diese unnötig verschachtelte Struktur führt dazu, dass die Story, die auch in der offiziellen Synopse und dem Trailer (der die Geschichte weitgehend chronologisch bewirbt) fast vollständig erzählt wird, sich erst langsam, eigentlich erst am Filmende, in ihrer Chronologie zusammen setzt. Bis dahin darf munter gerätselt werden, wo die Szene hingehört. Die Identifikation mit den einzelnen Figuren ist durchgehend schwierig. Das Miterleben ihrer emotionalen Reise wird zugunsten der Struktur geopfert.
Auch alle im Film angesprochenen Themen, die zugleich die klassischen Western-Themen und Konfliktkonstellationen sind, leiden darunter. Sie entfalten nie die Kraft, die sie entfalten könnten.
Diese nicht chronologische, zersplitterte Struktur zerstört den Western, der letztendlich eine gradlinige, einfache Geschichte erzählt. Hätte Mortensen „The Dead don’t hurt“ chronologisch erzählt, hätte er von mir sicher eine absolute Sehempfehlung erhalten. Denn die Schauspieler sind gut. Die Bilder von Marcel Zyskind („The Killer inside me“, „Daliland“, „Falling“ [Mortensens Regie-Debüt]) ebenso. Die angesprochenen Themen sind damals und heute wichtig und ihre Behandlung ist gelungen. Es ist alles vorhanden für einen packenden Western.
Aber wegen der Präsentation der Geschichte packt der Western nicht. Es ist wie das Betrachten von auf dem Boden zerstreuten Notizzetteln, die mühsam in die richtige Reihenfolge gebracht werden.
Das macht „The Dead don’t hurt“ zu einem ärgerlichem Film.
The Dead don’t hurt (The Dead don’t hurt, USA/Mexiko 2023)
Regie: Viggo Mortensen
Drehbuch: Viggo Mortensen
Musik: Viggo Mortensen
Produktion: Viggo Mortensen (und andere)
Kamera: „Vielleicht nächstes Mal.“
mit Viggo Mortensen, Vicky Krieps, Solly McLeod, Danny Huston, Garret Dillahunt, Colin Morgan, Ray McKinnon, W. Earl Brown, Atlas Green
Die zwei Gesichter des Januars (The two Faces of January, Großbritannien/USA/Frankreich 2014)
Regie: Hossein Amini
Drehbuch: Hossein Amini
LV: Patricia Highsmith: The two Faces of January, 1964 (Unfall auf Kreta, Die zwei Gesichter des Januars)
Athen, 1962: Der kleine Betrüger Rydal (Oscar Isaac) schlägt sich als Fremdenführer durch, trifft das amerikanische Ehepaar Chester MacFarland (Viggo Mortensen) und Colette (Kirsten Dunst) und wird in einem Mordfall verwickelt. Denn auch Chester ist in betrügerische Geschäfte verwickelt.
Zehn Jahre nach seinem letzten Spielfilm „Jauja“, ebenfalls mit Viggo Mortensen, läut jetzt Lisandro Alonsos neuer Film „Eureka“ bei uns an. Mit 147 Minuten ist er ziemlich lang geraten; was auch daran liegt, dass er drei Geschichten erzählt, die lose bis überhaupt nicht miteinander verbunden sind und die, wie erwartbar bei voneinander unabhängigen Kurzfilmen, von unterschiedlicher Qualität sind. Der erste Kurzfilm ist ein im neunzehnten Jahrhundert spielender Western. Ein Fremder kommt in einen von Gesetzlosen, halbseidenen Säufern und Huren bewohnten Ort. Was er in dem Ort zu finden hofft, ist unklar. Aber schnell ist klar, dass er ein begnadeter und schneller Schütze ist, der ohne zu zögern andere Menschen erschießt.
Diese Geschichte endet abrupt nach 23 Minuten in der Gegenwart in einem Fernseher, der in der Wohnung einer Polizistin in South Dakota im Pine Ridge Reservat im Hintergrund läuft. In den nächsten über siebzig Minuten beobachtet Alonso die Polizistin bei der Arbeit, die vor allem aus langen nächtlichen Fahrten auf einsamen Straßen besteht. Dabei trifft sie auf eine Französin, deren Auto liegen geblieben ist, und einen Einheimischen, der betrunken Auto fährt. Sie wird auch zu einem Fall von Häuslicher Gewalt gerufen. Alltag im Reservat eben.
Zur gleichen Zeit putzt ihre Nichte eine Turnhalle, trifft einen auf der Polizeistation inhaftierten Gleichaltrigen und sie bittet ihren Großvater um einen mythischen Trank, der ihr eine Flucht aus ihrem Leben im Reservat ermöglicht.
Nach diesem mit über siebzig Minuten umfangreichsten Erzählblock des Films springt der Film für die dritte und letzte Episode in das Jahr 1974 und in den brasilianischen Dschungel zu einem anscheinend weitab von der Zivilisation lebendem indigenen Volk. Deren naturverbundenes Leben wird von Goldsuchern bedroht. Einer der Indigenen begibt sich in das Lager der Goldsucher und sucht mit ihnen Gold. Später flüchtet er aus dem kapitalistisch-ausbeuterisch geführtem Lager in den Regenwald.
Alonso inszenierte seinen neuesten Film, bis auf den Western-Kurzfilm am Filmanfang, der lakonisch schwarzhumorig, schnell geschnitten und wie ein klassisches B-Picture erzählt ist, im Stil des dokumentarisch beobachtenden Slow Cinemas. Gerade im zweiten Teil, der sich stark am Independent Cinema orientiert, bleibt die Kamera fast immer auf dem Gesicht der Streifenpolizistin Alaina. Auch dieser Teil gefällt in den Teilen, in denen Alainas Arbeit und das Leben im Reservat dokumentiert wird. Er zeigt auch ausführlich die im Reservat stehenden hässlichen Billiggebäude und die menschenleere Landschaft, von der wir in der Nacht nur die Straße und einige Fertighäuser sehen. Erklärt wird wenig bis nichts. So kommt ihre Nichte, die in diesem Erzählblock die zweite Hauptrolle hat, im Lauf der normal wirkenden Nacht zu der Erkenntnis, dass sie nicht mehr im Reservat bleiben möchte, Sie bittet ihren Großvater um einem mythischen Trank, der ihr eine Reise durch Raum und Zeit ermöglicht; – was jetzt erst einmal nur nach einer pompösen Umschreibung für einen Drogentrip klingt. Immerhin ermöglicht dieser Trip Alonso den Übergang vom US-amerikanischen Indianerreservat nach Brasillien. Dieser dritte, in den siebziger Jahren spielende Kurzfilm langweilt dann nur noch. Viel zu vieles bleibt nebulös und das, was wir sehen, ist nicht interessant.
„Eureka“ ist nach einem fabelhaftem Start im Wilden Westen ein zunehmend uninteressanter und langweiliger werdender Slow-Cinema-Film.
Die Gesetzeshüter Virgil Cole und Everett Hitch sollen in Appaloosa für Recht und Ordnung sorgen. Dort terrorisiert Farmer Bragg die Einwohner. Er hat auch den vorherigen Marshall erschossen.
Gelungene, werkgetreue Verfilmung eines Westerns von Robert B. Parker, dem Autor der Spenser- und Jesse-Stone-Kriminalromane, der seine bekannten Themen von Freundschaft, Loyalität, Recht und Gesetz in einem anderen Setting ausprobiert.
„Appaloosa“ erhielt beim Boston Film Festival den Preis für den besten Film und das beste Drehbuch.
Die Gesetzeshüter Virgil Cole und Everett Hitch sollen in Appaloosa für Recht und Ordnung sorgen. Dort terrorisiert Farmer Bragg die Einwohner. Er hat auch den vorherigen Marshall erschossen.
Gelungene, werkgetreue Verfilmung eines Westerns von Robert B. Parker, dem Autor der Spenser- und Jesse-Stone-Kriminalromane, der seine bekannten Themen von Freundschaft, Loyalität, Recht und Gesetz in einem anderen Setting ausprobiert.
„Appaloosa“ erhielt beim Boston Film Festival den Preis für den besten Film und das beste Drehbuch.
Green Book – Eine besondere Freundschaft(Green Book, USA 2018)
Regie: Peter Farrelly
Drehbuch: Peter Farrelly, Nick Vallelonga, Brian Currie
Gut gemachtes, auf einer wahren Geschichte basierendes Feelgood-Movie über die sich während einer Konzerttour durch die Südstaaten in den frühen sechziger Jahren entwickelnde Freundschaft zwischen dem Konzertpianisten Don Shirley (Mahershala Ali) und seinem für diese Tournee engagiertem Fahrer und Rausschmeißer Tony ‚The Lip‘ Vallelonga (Viggo Mortensen).
Der allgemeine Jubel über den Film, die zahlreichen Preise, unter anderem der Oscar als bester Film des Jahres (Spike Lee hatte mit seinem Wutausbruch, dass jeder andere nominierte Film den Oscar mehr verdient hätte als „Green Book“, vollkommen recht), können nicht über die doch ziemlich altbackene Ideologe des Films (der weiße Mann als Retter des Schwarzen und mit etwas gutem Willen kann der Rassissmus besiegt werden) hinwegtäuschen. „Green Book“ ist halt perfektes Hollywood-Wohlfühlkino.
„Crimes of the Future“ heißt einer von David Cronenbergs ersten und sein letzter Film. Dabei ist sein neuester Film kein Remake und auch keine Forterzählung von seinem früheren Film, einem 1970 entstandenem Low-Budget-Film, der in einer Welt spielt, in der es keine Frauen mehr gibt, sondern ein vollkommen eigenständiges Werk. Cronenberg gefällt einfach der Titel.
Den Filmtitel entdeckte er in dem dänischen Film „Sult“ (Hunger, Dänemark 1966, Regie: Henning Carlsen). Dort schreibt auf einer Brücke ein Dichter den Titel „Crimes of the Future“ in sein Notizbuch. Cronenberg dachte sich, dass er das Gedicht gerne lesen würde. Als er dann einen Low-Budget-Film drehte, der nach zwei Kurzfilmen sein zweiter längerer Film war, dachte er sich, dass „Crimes of the Future“ ein neugierig machender Filmtitel sei. Jedenfalls er würde sich gerne einen Film mit diesem Titel ansehen.
Über fünfzig Jahre später hat er wieder einen Film mit dem Titel gedreht. Er sei, so Cronenberg, eine Meditation über die menschliche Evolution. Es gehe um Verbrechen, die der menschliche Körper gegen sich selbst begehe. Es gehe um Fragen, wie ob der menschliche Körper sich so weiterentwickeln könne, dass er Probleme löse, die die Menschheit geschaffen habe.
In der von Cronenberg nur schemenhaft geschilderten Zukunft haben immer mehr Menschen in ihrem Körper mutierte Organe mit bislang unbekannten Fähigkeiten. Einige davon sind gefährlich. Andere nicht. Einige scheinen sogar vollkommen nutzlos zu sein.
Saul Tenser (Viggo Mortensen) ist ein Avantgarde-Performance-Künstler, in dessen Körper es ständig neue mutierte und neue Organe gibt. Bei seinen öffentlichten Auftritten lässt der Subkultur-Star sie sich von seiner Partnerin Caprice (Léa Seydoux) herausoperieren.
Gleichzeitig gibt es Menschen, die ihren Körper mit transplantierten Organen verändern.
Weil diese Veränderungen im menschlichen Körper nicht von allen begrüßt werden, gibt es das National Organ Registry. Diese Behörde erfasst alle Organe. Vertreten wird sie von Wipper (Don McKellar) und Timlin (Kristen Stewart), die sich etwas seltsam verhalten. Timlin ist von Tenser fasziniert.
Und eine Untergrundorganisation, deren Motive niemals richtig klar werden, verfolgt Tenser.
So weit, so unklar. Denn David Cronenberg geht es in seinem neuesten Film nicht um eine nachvollziehbare Geschichte, sondern um eine zugleich beunruhigende und beruhigende Atmosphäre. Die Dystopie ist eine Aneinanderreihung von teils traumhaften, teils beunruhigenden, teils verstörenden, oft alptraumhaften Szenen, in denen Körper und Körperteile eine seltsame Symbiose eingehen und Stühle wie lebendige Skelette aussehen. „Crimes of the Future“ ist purer Body-Horror, den er mit den Begrenzungen inszeniert, mit denen er in den siebziger und achtziger Jahren seine Filme inszenierte. Letztendlich wirkt der Film, als sei er, bis auf wenige Bilder, in einem alten Lagerhaus entstanden. Gedreht wurde der Film in Griechenland, wo es noch diese Lagerhäuser gibt, die wir aus in den Siebzigern in New York gedrehten Low-Budget-Filmen kennen.
Cronenberg erzählt seine mehr erahn- als nacherzählbare Geschichte sehr langsam, in dunklen Bildern, die „Crimes of the Future“ fast zu einem braunschwarzem Film machen und ihm ein Noir-Feeling verleihen. Auch die Ausstattung, wie das Büro der Organregistrierungsbehörde, erinnert öfter an die klassischen Noir-Filme aus den Vierzigern. Die technischen Geräte, die Körper umgeben und in sie eindringen, sind handgefertigte Geräte, die wie die düsteren Entwürfe für einen Science-Fiction-Film aus den siebziger Jahren wirken.
Acht Jahre nach seinem letzten Film „Maps to the Stars“ kehrt Cronenberg zurück zu seinen Anfängen. Dabei ist die Grundlage für „Crimes of the Future“ kein neues Drehbuch, in dem der Regisseur im Rahmen eines Alterswerkes einfach noch einmal seine altbekannten Obsessionen als mehr oder weniger gelungenes Best-of präsentiert, sondern ein über zwanzig Jahre altes Werk. Cronenberg schrieb das Drehbuch 1998/99 im Umfeld von „Crash“ (1996) und „eXistenZ“ (1999). Gerade zu dem Virtual-Reality-Thriller „eXistenZ“ gibt es unübersehbare visuelle Verbindungen. Und damit auch zu „Videodrome“ (1983). Wobei es in „Crimes of the Future“ um Körper und Körper geht.
Aus verschiedenen Gründen zerschlugen sich dann alle Versuche, die Geschichte zu verfilmen. Cronenberg legte das Drehbuch zur Seite, bis sein Produzent Robert Lantos ihn darauf ansprach und meinte, die Geschichte sei heute aktueller und wichtiger als damals.
Das stimmt insofern, dass heute Eingriffe und Veränderungen am eigenen Körper alltäglicher als vor 25 Jahren sind. Das gilt auch für die Umweltverschmutzung und den Anteil von Mikroplastik, den jeder in seinem Körper hat. Cronenberg fragt sich, was das mit unserem Körper macht oder machen könnte.
„Crimes of the Future“ präsentiert, und damit ähnelt er dem 1970er „Crimes of the Future“, beunruhigende, dystopische Bilder ohne eine erkennbare Geschichte. Über die gezeigte Welt und die Botschaft kann kaum gesprochen werden. Zu diffus ist sie. Cronenbergs neuer Film ist wie ein Orakel, das einige tief verstören, andere langweilen und die Fans des Body-Horror-Cronenbergs begeistern wird. Denn dieses Mal zeigt er ausführlich wieder richtigen Body Horror.
Crimes of the Future (Crimes of the Future, Kanada/Frankreich/Griechenland/Großbritannien 2022)
Regie: David Cronenberg
Drehbuch: David Cronenberg
mit Viggo Mortensen, Léa Seydoux, Kristen Stewart, Scott Speedman, Welket Bungue, Don McKellar, Tanaya Beatty, Nadia Litz, Lihi Kornowski, Denise Capezza
Als Vorbereitung für David Cronenbergs neuen Film „Crimes of the Future“, der am 10. November in Deutschland im Kino anläuft. Ebenfalls mit Viggo Mortensen und eine hundertfünfzigprozentige Rückkehr zu dem Bodyhorror-Cronenberg der Siebziger Jahre.
Tele 5, 23.10
A History of Violence (A History of Violence, USA/Kanada 2005)
Regie: David Cronenberg
Drehbuch: Josh Olson
LV: John Wagner/Vince Locke: A History of Violence, 1997 (Graphic Novel)
Tom Stall ist ein gewöhnlicher Schnellrestaurantbesitzer irgendwo in Indiana. Als zwei Killer sein Restaurant ausrauben wollen, tötet er sie im Affekt. Danach ist er der Held des Tages und zwei Mafiosi aus Philadelphia tauchen auf. Sie behaupten, Tom von früher zu kennen. Damals war er ein Mafiakiller und der Philly-Mob habe noch eine Rechnung mit ihm offen.
Ein eiskaltes, klar strukturiertes Noir-Drama von Cronenberg, der hier eine altbekannte Genregeschichte und gleichzeitig viel mehr erzählt.
Das Drehbuch von Josh Olson war für den Edgar-Allan-Poe-Preis als bestes Drehbuch nominiert. „Syriana“ erhielt die Trophäe.
Mit Viggo Mortensen, Maria Bello, Ed Harris, William Hurt
Die zwei Gesichter des Januars (The two Faces of January, Großbritannien/USA/Frankreich 2014)
Regie: Hossein Amini
Drehbuch: Hossein Amini
LV: Patricia Highsmith: The two Faces of January, 1964 (Unfall auf Kreta, Die zwei Gesichter des Januars)
Athen, 1962: Der kleine Betrüger Rydal (Oscar Isaac) schlägt sich als Fremdenführer durch, trifft das amerikanische Ehepaar Chester MacFarland (Viggo Mortensen) und Colette (Kirsten Dunst) und wird in einem Mordfall verwickelt. Denn auch Chester ist in betrügerische Geschäfte verwickelt.
Drehbuch: Earl W. Wallace, William Kelley (nach einer Geschichte von William Kelley, Pamela Wallace und Earl W. Wallace)
In Philadelphia beobachtet ein achtjähriger Amish-Junge einen Polizistenmord. Auf dem Polizeirevier kann der Junge die Mörder identifizieren: es sind Kollegen des ermittelnden Detective John Book. Book muss mit dem Zeugen und seiner Mutter bei den Amish untertauchen. Dort entdeckt er eine Welt, die absolut nichts mit seiner Welt zu tun hat.
Polizeifilmklassiker, der im Genrekostüm die Geschichte eines Culture Clash erzählt.
„Weir hat einen überaus spannenden (Kriminal-)Film geschaffen, der auf Action – mit Ausnahme der gewalttätigen Schlusssequenz, die sich aber aus der Fabel völlig motiviert – weitgehend verzichten kann, weil er von Menschen handelt, die von sich aus faszinierend genug sind.“ (Fischer Film Almanach 1986)
Das Drehbuch erhielt den Edgar Allan Poe Award, den Writers Guild of America Award (WGA Award) und den Drehbuchoscar. Peter Weir und Harrison Ford waren für Oscars nominiert und als bester Film war „Der einzige Zeuge“ ebenfalls nominiert. Die Schmonzette „Jenseits von Afrika“ erhielt dann den Oscar als bester Film.
mit Harrison Ford, Kelly McGillis, Jan Rubes, Josef Sommer, Lukas Haas, Alexander Godunov, Danny Glover, Viggo Mortensen (Debüt)
Green Book – Eine besondere Freundschaft(Green Book, USA 2018)
Regie: Peter Farrelly
Drehbuch: Peter Farrelly, Nick Vallelonga, Brian Currie
Gut gemachtes, auf einer wahren Geschichte basierendes Feelgood-Movie über die sich während einer Konzerttour durch die Südstaaten in den frühen sechziger Jahren entwickelnde Freundschaft zwischen dem Konzertpianisten Don Shirley (Mahershala Ali) und seinem für diese Tournee engagiertem Fahrer und Rausschmeißer Tony ‚The Lip‘ Vallelonga (Viggo Mortensen).
Der allgemeine Jubel über den Film, die zahlreichen Preise, unter anderem der Oscar als bester Film des Jahres (Spike Lee hatte mit seinem Wutausbruch, dass jeder andere nominierte Film den Oscar mehr verdient hätte als „Green Book“, vollkommen recht), können nicht über die doch ziemlich altbackene Ideologe des Films (der weiße Mann als Retter des Schwarzen und mit etwas gutem Willen kann der Rassissmus besiegt werden) hinwegtäuschen. „Green Book“ ist halt perfektes Hollywood-Wohlfühlkino.
Mit friedlichen Protestmärschen will Dr. Martin Luther King 1965 in Selma, Alabama, für das allgemeine Wahlrecht kämpfen. Denn dort ist die Diskriminierung der Afroamerikaner besonders deutlich. Und dort eskaliert die Situation in auch von King ungeahnter Weise. Ein Diakon wird von Weißen erschlagen. Auf der Edmund Pettus Bridge werden die friedlich Demonstrierenden mit Tränengas und nackter Gewalt zurückgedrängt. Die Bilder wurden im Fernsehen ausgestrahlt. An dem Abend schlagen Klu-Klux-Klan-Mitglieder drei weiße Geistliche zusammen. Einer stirbt an den Verletzungen.
Der dritte Versuch, friedlich von Selma nach Montgomery, der Hauptstadt von Alabama, zu marschieren wird dann zwischen dem 21. und 25. März 1965 zu einem Triumphzug für die Bürgerrechtsbewegung.
Das grandiose und wichtige Drama/Biopic „Selma“ setzt King und seinen Mitkämpfern ein würdiges Denkmal. DuVernays Film wurde von der Kritik abgefeiert und mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet.
mit David Oyelowo, Tom Wilkinson, Tim Roth, Cuba Gooding Jr., Alessandro Nivola, Carmen Ejogo, Lorraine Toussaint, Ophrah Winfrey, Tessa Thompson, Giovanni Ribisi, Common, Dylan Baker, Wendell Pierce, Stan Houston
Green Book – Eine besondere Freundschaft(Green Book, USA 2018)
Regie: Peter Farrelly
Drehbuch: Peter Farrelly, Nick Vallelonga, Brian Currie
TV-Premiere. Gut gemachtes, auf einer wahren Geschichte basierendes Feelgood-Movie über die sich während einer Konzerttour durch die Südstaaten in den frühen sechziger Jahren entwickelnde Freundschaft zwischen dem Konzertpianisten Don Shirley (Mahershala Ali) und seinem für diese Tournee engagiertem Fahrer und Rausschmeißer Tony ‚The Lip‘ Vallelonga (Viggo Mortensen).
Der allgemeine Jubel über den Film, die zahlreichen Preise, unter anderem der Oscar als bester Film des Jahres (Spike Lee hatte mit seinem Wutausbruch, dass jeder andere nominierte Film den Oscar mehr verdient hätte als „Green Book“, vollkommen recht), können nicht über die doch ziemlich altbackene Ideologe des Films (der weiße Mann als Retter des Schwarzen und mit etwas gutem Willen kann der Rassissmus besiegt werden) hinwegtäuschen. „Green Book“ ist halt perfektes Hollywood-Wohlfühlkino.
Captain Fantastic – Einmal Wildnis und zurück(Captain Fantastic, USA 2016)
Regie: Matt Ross
Drehbuch: Matt Ross
Ben lebt mit seiner Frau Leslie und ihren sechs Kindern im Nordwesten der USA mitten in der Wildnis ein von der Gesellschaft abgekoppeltes autarkes Leben. Nach Leslies Suizid, bricht Ben mit seinen Kindern zu ihrer Beerdigung nach New Mexiko auf. Dort wollen sie ihren letzten Wunsch erfüllen.
Grundsympathischer Feelgood-Film ist, der ein großes Herz für gesellschaftliche Außenseiter hat.
mit Viggo Mortensen, Steve Zahn, Frank Langella, Missy Pyle, Kathryn Hahn, George McKay, Samantha Isler, Annalie Basso, Nicholas Hamilton, Shree Crocks, Charlie Shotwell, Ann Dowd, Erin Moriarty
Den Menschen so fern (Loin des Hommes, Frankreich 2014)
Regie: David Oelhoffen
Drehbuch: David Oelhoffen
LV (frei nach): Albert Camus: L’Hôte, 1957 (Der Gast, Erzählung)
Algerien, 1954: Der Ex-Soldat und Lehrer Daru soll den des Mordes angeklagten Bauern Mohamed in die nächste Stadt bringen, wo er zum Tod verurteilt wird. Während Daru ihn nicht dorthin bringen will, will Mohamed unbedingt dorthin
Tolles existenzialistisches Drama vor einer menschenleeren Western-Kulisse, musikalisch spärlich untermalt von Nick Cave und Warren Ellis.