Gut, die Überschrift ist jetzt – ungefähr genauso kreativ wie der von David Ayer nach einem Drehbuch von Sylvester Stallone inszenierte Film.
Jason Statham spielt den Bauarbeiter Levon Cade. Als bei einer Kneipentour mit ihren Freundinnen die 19-jährige Tochter seines Chefs entführt wird, sucht der Ex-Elitesoldat Cade sie. Dabei legt er sich mit der Russenmafia an, die Frauen entführt und als Sexsklavinnen verkauft.
„A Working Man“ ist ein typischer rechtslastiger 70er/80er-Jahre-Actionthriller mit minimalsten Anpassungen an den Zeitgeist. Damals wie heute heiligt der Zweck die Mittel. Gewalt ist kein Problem sondern die Lösung und nur ein toter Russe ist ein guter Russe. Rambo avanti.
Das Trio Ayer-Stallone-Statham, das in den vergangenen Jahren bereits in verschiedenen Zusammensetzungen zusammenarbeitete, liefert genau das, was man von ihnen erwartet.
Und das schöne für die Macher ist, dass – wenn das Einspielergebnis stimmt – bereits für Nachschub gesorgt: Chuck Dixon, der Autor der Romanvorlage, hat bereits elf weitere Selbstjustiz-Thriller mit Levon Cade veröffentlicht. Dixon ist vor allem als Comicautor, unter anderem für Batman und The Punisher, bekannt.
A Working Man (A Working Man, USA 2025)
Regie: David Ayer
Drehbuch: Sylvester Stallone
LV: Chuck Dixon: Levons Trade, 2021
mit Jason Statham, Jason Flemyng, Merab Ninidze, Maximilian Osinski, Cokey Falkow, Michael Peña, David Harbour, Noemi Gonzalez, Arianna Rivas, Emmett J. Scanlan, Eve Mauro
Den Namen des Papstes kennt jeder. Aber wie ein neuer Papst gewählt wird, ist nur in groben Zügen bekannt. Nach dem Tod des Oberhauptes der katholischen Kirche versammeln sich die Unter-Achtzigjährigen Kardinäle in Rom im Vatikan. Auf dem Petersplatz versammeln sich Gläubige und die live berichtenden Medien. Aus dem Schornstein der Sixtinischen Kapelle steigt in unregelmäßigen Abständen Rauch auf. Ist der Rauch schwarz, wurde kein neuer Papst gewählt. Ist er weiß, wurde ein neuer Papst gewählt, der sich kurz danach der Welt präsentiert.
Anhand einer fiktiven Papstwahl erzählt Robert Harris in seinem 2016 erschienenem Thriller „Konklave“ wie so eine Papstwahl abläuft. Edward Berger („Im Westen nichts Neues“) verfilmte jetzt den Roman nach einem Drehbuch von Peter Straughan („Dame, König, As, Spion“) und mit Starbesetzung. Wichtige Kardinäle werden von Ralph Fiennes, Stanley Tucci und John Lithgow gespielt. Isabella Rossellini spielt Schwester Agnes, die als Leiterin der Casa Santa Marta, zusammen mit ihren Nonnen, für die Unterbringung und Verköstigung der Männer zuständig ist.
Berger schildert detailliert die Abläufe im Vatikan, der während der Wahl vollständig von der Welt abgeschlossen ist. Niemand darf das Gebäude betreten oder verlassen. Briefe, Telefonate und, inzwischen, Computer mit Internetzugang, sind verboten. Nichts soll die Wahl beeinflussen.
Vor diesem Hintergrund entfaltet sich dann das Drama der Papstwahl. Verschiedene Fraktionen und Ansichten über den künftigen Kurs der Kirche stehen sich gegenüber. Es gibt Vertreter der progressiven Richtung, die die katholische Kirche stärker an die Gegenwart anpassen wollen. Es gibt konservative und ultrakonservative Kardinäle, die die Kirche am liebsten wieder zurück ins Mittelalter führen möchten. Jede Fraktion hat ihren Favoriten. Ein aus Afrika kommender Kardinal forciert einen aus Afrika kommenden Papst, weil es bislang noch keinen afrikanischen Papst gab. Es werden, wie in der weltlichen Politik oder einem Verein, Koalitionen geschmiedet und es wird versucht, einzelne Kardinäle zu beeinflussen.
Kardinal Lawrence (Ralph Fiennes), der Dekan des Kardinalskollegiums, versucht als Wahlleiter einerseits das Verfahren ohne Unglücke durchzuführen und er versucht, als er neue Informationen über aussichtsreiche Kandidaten erhält, diese zu überprüfen. Ohne den Kontakt zur Außenwelt, wozu auch ein Telefonat gehört, ist das eine schwierige Aufgabe. Er muss auch überprüfen, ob Kardinal Benítez (Carlos Diehz) wirklich ein Kardinal ist. Denn bis jetzt hat noch niemand von dem aus Kabul kommendem Mann gehört. Er sagt, der gerade verstorbene Papst habe ihn vor kurzem ernannt und es vor seinen Glaubensbrüdern geheim gehalten. Benítez benimmt sich wie ein wahrer Gläubiger, der mit den zwischen den Kardinalen eingespielten Machtspielen nichts zu tun hat – und weil „Konklave“ ein Thriller ist, macht ihn seine offen nach Außen getragene Naivität besonders verdächtig. Jedenfalls für die Zuschauer.
Die Diskussionen innerhalb der katholischen Kirche über die Zukunft der Kirche werden im Film gestreift, aber nicht vertieft. Straughan und Berger konzentrieren sich auf die Wahlgänge und wie sich von Wahlgang zu Wahlgang Mehrheiten verschieben. Garniert wird das Machtspiel spannungssteigernd mit einer fulminant lauten Thrillermusik, die eine Spannung schafft, die die Bilder von alten Männern, die in historischen Gemäuern Zettel ausfüllen, nicht hergeben.
Konklave (Conclave, USA/Großbritannien 2024)
Regie: Edward Berger
Drehbuch: Peter Straughan
LV: Robert Harris: Conclave, 2016 (Konklave)
mit Ralph Fiennes, Stanley Tucci, John Lithgow, Isabella Rossellini, Carlos Diehz, Lucian Msamati, Brían F. O’Byrne, Merab Ninidze
Einmal schnell – mit der selbstgewählten Option über einige Filme, je nach Zeit, mehr zu schreiben: die Filme, die heute starten. Auf der einen Seite der Skala ein Blockbuster für die große Leinwand („Godzilla vs. Kong“). Auf der anderen Seite der diesjährige Oscar-Gewinner („Nomadland“). Dazwischen ein deutscher Science-Fiction-Film („Ich bin dein Mensch“), Dramen und Action. Denn „Nobody“ verlässt den Raum.
„Godzilla vs. Kong“ ist ein Spektakel, das für die große Leinwand gemacht ist. Die Story wurde schon vor dem Schreiben des Drehbuchs weggeworfen zugunsten einiger, teils vollkommen abstruser Szenen, die Schauspieler sind noch nicht einmal unterfordert von den anderthalb verlangten Gesichtsausdrücken, aber wenn dann King Kong und Godzilla sich kloppen und dabei Hongkong zerstören, die Boxen im Kino mit großem Wumms dröhnen, dann, ja, dann bleibt nur die Erkenntnis: KINO IST ZURÜCK! ENDLICH.
Ich gebe zu, dass ich den Film im Zoopalast in Berlins größtem Kinosaal sah, Monster auf einer Monsterleinwand überwältigend sind und es einer der ersten Filme war, die ich nach der monatelangen Pause im Kino sehen konnte. Das alles förderte meine Begeisterung.
Davon abgesehen ist „Godzilla vs. Kong“ ein dummer Sommer-Blockbuster, der genau das sein will und dessen Existenzberechtigung im Titel steht. Godzilla, King Kong und, – ähem, das wäre jetzt ein Spoiler.
Godzilla vs. Kong (Godzilla vs. Kong, USA 2021)
Regie: Adam Wingard
Drehbuch: Eric Pearson, Max Borenstein (nach einer Geschichte von Terry Rossio, Michael Dougherty und Zach Shields)
mit Alexander Skarsgård, Millie Bobby Brown, Rebecca Hall, Brian Tyree Henry, Kyle Chandler, Shun Oguri, Eiza González, Julian Dennison, Demián Bichir
„Nomadland“ ist das Gegenteil. Ein kleines Indie-Drama mit einer gewohnt fantastischen Frances McDormand, die hier die Nomadin Fern spielt.
Nach dem Verlust von Mann, Job und Haus entschloss Fern sich 2011 (also während der Nachwirkungen der Finanzkrise), ihre Sachen zu packen. Seitdem lebt sie in ihrem Wohnwagen, fährt von schlechtbezahltem Job zu schlechbezahltem Job und genießt, wie viele andere Menschen, die Freiheiten des Nomadenlebens.
Chloé Zhao („The Rider“) zeigt quasi-dokumentarisch das Leben dieser Nomaden und ihrer Gemeinschaft. Wieder drehte sie mit Laien, die sich selbst spielen. Und wieder ist da kein falscher Ton zu spüren.
Bei den diesjährigen Oscars wurde ihre Charakterstudie „Nomadland“ als bester Film, für die beste Regie und die beste Hauptrolle ausgezeichnet. Golden Globes gab es als bester Film und für die beste Regie. Um nur die bekanntesten Preise zu nennen. Insgesamt erhielt der Film, laut IMDB, über 230 Preise.
Zhaos karge Charakterstudie ist großes großartiges Kino mit Bildern, die für die große Leinwand komponiert sind. In diesem Fall (und, Ich verspreche!, in den folgenden Zeilen werde ich nicht mehr erwähnen, wo ich die Filme gesehen habe) musste ich den Film am Computer sehen und ich dachte die ganze Zeit nur „ich will den Film im Kino sehen“.
Nomadland (Nomadland, USA 2020)
Regie: Chloé Zhao
Drehbuch: Chloé Zhao
LV: Jessica Bruder: Nomadland: Surviving America in the Twenty-First Century, 2017 (Nomaden der Arbeit, Sachbuch)
mit Frances McDormand, David Strathairn, Linda May, Swankie, Bob Wells
„Percy“ erzählt nah an den Fakten und angenehm altmodisch die Geschichte von Percy Schmeiser. Der Kanadier ist ein Farmer der alten Schule, der die besten Samen der vorherigen Ernte aufbewahrt und nächstes Jahr wieder aussät. Genau so haben Bauern seit Jahrhunderten gearbeitet. Bis Konzerne Firmen wie Monsanto genmanipulierte Saatgut anboten. Diese sind resistent gegen bestimmte Unkrautvernichtungsmittel, was für die Bauern natürlich eine Arbeitserleichterung ist. Für Monsanto sind sie ein großes Geschäft. Denn sie haben Patente dafür erworben und die Bauern müssen jedes Jahr bei ihnen neue Samen kaufen. Ein Monokulturen förderndes Riesengeschäft, das von Umwelt- und Dritte-Welt-Bewegungen seit Jahrzehnten kritisiert wird.
Percy hatte damit nichts zu tun, bis Monsanto 1997 auf seinen Feldern Spuren von ihren Samen nachwies und ihn verklagte. Im Gegensatz zu anderen Farmern zog Percy Schmeiser vor Gericht.
Clark Johnson erzählt in seinem Justizdrama „Percy“ jetzt die Geschichte von Percy Schmeiser und seinem Kampf gegen Monsanto nach. Das tut er, indem er sich auf das Drehbuch und die Schauspieler – Christopher Walken als Percy Schmeiser, Zach Braff als sein Anwalt, Christina Ricci als Aktivistin – verlässt. Eine kluge Entscheidung.
Percy (Percy, Kanada 2020)
Regie: Clark Johnson
Drehbuch: Garfield Lindsay Miller, Hilary Pryor
mit Christopher Walken, Christina Ricci, Zach Braff, Luke Kirby, Roberta Maxwell, Adam Beach, Martin Donovan
Auch „Der Spion“ beeindruckt nicht durch Spektakel (das hatten wir schon in „Godzilla vs. Kong“), sondern mit seinen Schauspielern. Die Geschichte basiert ebenfalls auf Tatsachen. Jedenfalls soweit man das weiß, wenn es um Geheimagenten und ihre Arbeit geht.
Der britische Geheimdienst MI6 und der amerikanische Geheimdienst CIA engagieren im November 1960 den harmlosen, leicht schmierigen Geschäftsmann Greville Wynne (Benedict Cumberbatch), der immer wieder mit Ostblockstaaten Geschäfte macht. Er soll den Kontakt zu dem hochrangigen Sowjetoffizier Oleg Penkowski (Merab Ninidze) herstellen. Penkowski möchte nämlich den Westmächten geheime Informationen zuspielen.
MI6 und CIA sind sich sicher, dass der KGB keinen Verdacht schöpfen wird, wenn Wynne sich mit Penkowski trifft. Womit sie nicht rechneten, ist, dass die beiden gegensätzlichen Männer sich befreunden. Als Penkowski aufzufliegen droht und der MI6 nichts für ihn unternehmen will, will Wynne seinen Freund retten.
„Der Spion“ ist unauffälliges Schauspielerkino mit viel frühsechzigerjahre Patina. Fans des Genres denken bei der Geschichte von Wynne, der über seine Erlebnisse als Spion zwei Bücher mit zweifelhaftem Wahrheitsgehalt schrieb, natürlich sofort an John le Carrés „Das Russland-Haus“ und die grandiose Verfilmung von Fred Schepisi mit Sean Connery.
Das ist nicht schlecht, aber auch nicht unbedingt ein Film, den man sich im Kino ansehen muss.
Der Spion (The Courier, Großbritannien 2020)
Regie: Dominic Cooke
Drehbuch: Tom O’Connor
mit Benedict Cumberbatch, Merab Ninidze, Rachel Brosnahan, Jessie Buckley, Angus Wright, James Schofield, Anton Lesser
Der neueste Film aus dem „Conjuring“-Universum ist, nach Spin-offs und Vorgeschichten, „Conjuring 3: Im Bann des Teufels“ und damit ein Film aus der Hauptreihe. Wieder wird ein wahrer Fall der Geisterjäger Ed und Lorraine Warren erzählt. Dieses Mal ist es der Brookfield Demon Murder Case.
Am 16. Februar 1981 ermordet der junge Arne Cheyenne Johnson seinen Freund bestialisch. Sein Verteidiger würde auf irgendeine Form von verminderter Zurechnungsfähigkeit plädieren. Aber die Warrens sind schon vor Ort und sie wissen, dass Johnson von einem besonders fiesem Dämonen besessen ist und genau darauf soll die Verteidigung aufbauen. Die nötigen Beweise wollen sie beschaffen.
Der neueste „Conjuring“-Film läuft für meinen Geschmack zu sehr in den Bahnen eines gewöhnlichen Justizkrimis ab, in dem die tapferen Ermittler während der Verhandlung die Beweise für die Unschuld des Angeklagten suchen und in letzter Sekunde finden. Da ist es wirklich einerlei, ob der Angeklagte unschuldig ist, nicht zurechnungsfähig (beispielsweise wegen Opioid-Gebrauch) oder gerade von einem Dämonen besessen war. Das ist eine Frage der Fakten und der Verteidigungsstrategie.
Weil „Conjuring 3“ ein Horrorfilm ist, interessiert sich Regisseur Michael Chaves weniger für rechtstechnische Details und Verteidigungsstrategien, sondern für Geister, Dämonen und Teufelsaustreibungen mit Hilfe der katholischen Kirche.
James Wan, der Regisseur der vorherigen „Conjuring“-Filme ist dieses Mal nur als Autor und Produzent involviert.
Conjuring 3: Im Bann des Teufels(The Conjuring: The Devil made me do it, USA 2021)
Regie: Michael Chaves
Drehbuch: David Leslie Johnson-McGoldrick (nach einer Geschichte von James Wan und David Leslie Johnson-McGoldrick)
mit Patrick Wilson, Vera Farmiga, Ruairi O’Connor, Sarah Catherine Hook, Julian Hilliard
Mit einer anderen Sorte von Nicht-Mensch muss Alma sich in „Ich bin dein Mensch“ auseinandersetzen.
Alma soll für drei Wochen einen menschenähnlichen Roboter testen und danach ein Gutachten schreiben. Es geht um die Frage, ob Ehen zwischen Mensch und Maschine erlaubt werden sollen. Dafür wird ihr Tom zugeteilt. Er wurde extra für sie konfiguriert, nachdem in umfangreichen Test Almas Wünsche und Sehnsüchte erforscht wurden. Der Android ist dann auch das Inbild eines Traummanns: gutaussehend, höflich, umsorgend, perfekt im Haushalt und allwissend. Nur seine Bewegungen, Mimik und, selten, Sprachrhythmus verraten, dass Tom kein Mensch ist.
In ihrem neuen Film „Ich bin dein Mensch“ beschäftigt Maria Schrader („Vor der Morgenröte“) sich mit der Frage, was Androiden von Menschen unterscheidet, was Gefühle sind und damit auch und vor allem, was das Menschsein und die menschliche Gesellschaft ausmacht. Das erzählt sie mit Hilfe eines immer wieder überraschend humorvollen Drehbuchs, guten Schauspielern und einer eleganten Kamera und Bildgestaltung (Benedict Neuenfels).
„Ich bin dein Mensch“ ist ein feiner, auf der Berlinale abgefeierter, zum Nachdenken anregender Film und einer der besten deutschen Filme des Jahres.
Maren Eggert erhielt einen Silbernen Bären für ihre schauspielerische Leistung.
Ich bin dein Mensch (Deutschland 2021)
Regie: Maria Schrader
Drehbuch: Jan Schomburg, Maria Schrader
LV: Emma Braslavsky: Ich bin dein Mensch, 2019 (Kurzgeschichte, in „2029 – Geschichten von Morgen“)
mit Maren Eggert, Dan Stevens, Sandra Hüller, Hans Löw, Wolfgang Hübsch, Annika Meier, Falilou Seck, Jürgen Tarrach, Henriette Richter-Röhl, Monika Oschek
‚Wie der Vater, so der Sohn‘ ist ein dummer Spruch, der in diesem Fall zutrifft. Denn Brandon Cronenbergs „Possessor“ sieht wie ein Horrorfilm seines Vaters David Cronenberg aus den Siebzigern aus. Auch die Geschichte könnte von David Cronenberg stammen.
Eine geheimnisumwitterte Firma hat eine Technik entwickelt, mit der man in fremde Gehirne eindringen und diese Menschen dann zu bestimmten Handlungen bewegen kann. Die Firma bietet dabei vor allem eine Dienstleistung an: Mord. Und zwar Morde, die sonst nicht durchführbar wären. Jedenfalls nicht so.
Eine ihrer Agentinnen ist Vos. Sie hadert zunehmend mit den Folgen der Aufträge für ihre Psyche. Immer weniger kann sie zwischen ihrer Arbeit in fremden Köpfen und ihrem Privatleben mit ihrer Familie unterscheiden.
Brandon Cronenberg inszenierte seinen Horrorfilm „Possessor“ als Hommage an die frühen Bodyhorrorfilme von David Cronenberg. Die Farbgebung, die Erzählgeschwindigkeit, die Kamerabewegungen, der Ton, die Tricks (bei den Morden wird nach der Methode „zuviel rotes Blut kann es nicht geben“ vorgegangen), die minimalistischen, futuristisch aussehenden Sets und die von der Firma verwandten Technik erinnern alle an David Cronenbergs Frühwerk.
Allerdings fehlt in „Possessor“ die damalige Gesellschaftskritik und das Ende, das sich um eine Antwort auf die wichtigen im Film gestellten Fragen drückt, ist äußerst unbefriedigend.
„Possessor“ ist primär L’Art pour l’art, die einen, wegen dem was zu sehen ist und dem was nicht zu sehen ist, mit einem gewaltigen Gefühl des Unwohlseins über das Eindringen in fremde Körper zurücklässt.
Und gerade das macht diesen Horrorfilm sehenswert.
Posessor (Possessor, Kanada/Großbritannien 2020)
Regie: Brandon Cronenberg
Drehbuch: Brandon Cronenberg
mit Andrea Riseborough, Christopher Abbott, Rossif Sutherland, Sean Bean, Jennifer Jason Leigh
Hutch Mansell (Bob Odenkirk) ist auf den ersten Blick ein ganz gewöhnlicher Mann, der ein ganz gewöhnliches Leben lebt mit einem langweiligen Job, Frau und Kindern. Er ist ein richtiger Nobody. Als zwei Einbrecher bei ihnen einbrechen, überwältigt er sie, als er die Chance hat, nicht. Stattdessen legt er den Golfschläger zur Seite und lässt sie mit der Beute ziehen. Seine Kinder halten ihn für ein Weichei. Dass der Revolver, den die Einbrecherin in der Hand hielt, nicht geladen war und er deshalb nicht zuschlug, sagt er ihnen nicht.
Als seine Tochter kurz darauf ihr heißgeliebtes Kitty-Cat-Armband vermisst, beginnt Hutch die Einbrecher zu suchen. Das ist der Auftakt für eine ungeahnte Gewaltorgie. Denn Hutch war nicht immer der harmlose Vorstadtdaddy.
„Nobody“ ist ein B-Picture-Actionkracher mit viel Gewalt, trockenem Humor und gut(gelaunt)en Schauspielern. Erfunden wurde die Geschichte von Derek Kolstadt (Drehbuch, Produktion) und David Leitch (Produktion), die auch in die „John Wick“-Filme involviert sind und die Geschichte von Hutch Mansell ähnelt der von John Wick. Denn der Unterschied zwischen einem Kinderarmband und einem Hund als Anlass für eine besinnunglose Gewaltorgie ist letztendlich minimal. Auch die Ausbildung von Hutch Mansell und John Wick ähnelt sich. Wobei Hutch Mansell früher für eine andere Institution als John Wick arbeitete und er am Ende mit der Hilfe von seinem Vater und einigen alten Freunden gegen die Bösewichter kämpft.
Das ist ein großer Spaß für kleine Jungs. Eine Fortsetzung ist nicht nötig. Obwohl Derek Kolstadt anscheinend schon an einer arbeitet und sie angesichts des bisherigen Einspiels unvermeindlich erscheint. Ein Crossover mit John Wick ist, weil die Filme von verschiedenen Studios produziert wurden, unwahrscheinlich und für mein Empfinden auch vollkommen unnötig.
Nobody(Nobody, USA 2021)
Regie: Ilya Naishuller
Drehbuch: Derek Kolstad
mit Bob Odenkirk, Connie Nielsen, RZA, Aleksey Serebryakov, Christopher Lloyd, Michael Ironside, Billy MacLellan, Gage Munroe
Unnötig beschreibt „Monster Hunter“ treffend. Dieses Mal schickt Paul W. S. Anderson seine Frau Milla Jovovich in die Wüste.
Jovovich spielt Captain Artemis. Zusammen mit ihrem Team geraten sie während eines gefährlichen Militäreinsatzes in der Wüste in einen Sandsturm, der sie in ein Paralleluniversum schleudert, in dem es noch mehr Sand und viele, riesige und sehr gefährliche Monster gibt.
„Monster Hunter“ ist, wie die ebenfalls von Anderson mit Jovovich inszenierten „Resident Evil“-Filme, eine Computerspielverfilmung. Und es ist keine gute Verfilmung; wobei ich, weil ich das Spiel nicht kenne, genaugenommen sagen müsste: kein guter Film. Die Dialoge wirken wie Restbestände aus einem Trailer eines militaristischen 80er-Jahre-B-Pictures. Die Story folgt der alten Computerspieldramaturgie von Herausforderung, Lösung suchen, Feind vernichten. Und weil Jovovich als Heldin all die Angriffe überlebt, ist auch klar, dass sie immer die richtige Lösung findet.
Ein Langweiler. Ach wie spaßig waren da die „Resident Evil“-Filme.
Ein Superheldenfilm aus Ungarn? Warum nicht? Und dann noch gedreht mit einem Budget, das bei einem Marvel-Film gerade die Portoausgaben deckt. Das klingt interessant und natürlich muss ein Superheldenfilm kein überbordendes Trickfeuerwerk sein. Schließlich richtet „Jupiter’s Moon“ sich nicht unbedingt an Teenager. Und bei einem Science-Fiction-Film geht es letztendlich immer um die Idee und wie sie ausformuliert wird. Siehe beispielsweise „Moon“ oder „Ex Machina“.
Dummerweise versagt „Jupiter’s Moon“ nach einem verheißungsvollen Anfang in diesem Punkt vollständig.
Es beginnt an der serbisch-ungarischen Grenze. Eine Gruppe Flüchtlinge will illegal über die Grenze nach Ungarn. Sie werden entdeckt, verfolgt und ein Polizist erschießt einen der Flüchtlinge. Aber der Syrer Aryan ist nicht tot. Er überlebt die tödlichen Schüsse, schwebt Richtung Himmel, dreht sich mehrmals ungläubig staunend um die eigene Achse, kehrt auf die Erde zurück und lebt weiter. Zunächst in einem Auffanglager für Flüchtlinge.
Dort entdeckt ihn der korrupte Arzt Dr. Stern, der dringend Geld benötigt. Er befreit Aryan. Denn er sieht in Aryans Fähigkeit, sich selbst zu heilen, eine Möglichkeit schnell an viel Geld zu kommen.
Als bitterer, durchaus satirisch zugespitzter Blick auf den Umgang Ungarns mit Flüchtlingen und wie ein Flüchtling aus egoistischen Motiven von einem Einheimischen als Goldesel benutzt wird, könnte „Jupiter’s Moon“ sehr gut funktionieren. Diese Beschreibung ist intensiv und gelungen.
In dem Rahmen wäre auch der Actionplot – der Polizist, der Aryan an der Grenze erschoss, sucht ihn jetzt – akzeptabel.
Aber dann ist da noch die Superheldengeschichte, die nur ein ärgerlicher Gimmick ist, um Interesse am Film zu wecken. Aryan ist als „Engel oder ein noch höheres Wesen“ (Presseheft) von der ersten bis zur letzten Minute passiv. Seine Fähigkeiten werden nicht erklärt. Es ist auch unklar, für was Aryan steht oder was er für sich mit seiner Fähigkeit anfangen kann oder will. Anstatt eines klaren erzählerischen Fokus, einer Erklärung für Aryans Fähigkeiten und einer thematischen Geschlossenheit bietet Regisseur Kornél Mundroczò nach über zwei Stunden Filmzeit nur ein frustrierendes Potpourri an Möglichkeiten.
Sein vorheriger Film „Underdog“ (TV-Titel „Weißer Gott“) ist als dystopische Parabel ungleich gelungener.
Auf der technischen Ebene beeindrucken, von den ersten Minuten an, die vielen langen Plansequenzen. Hier hat Kameramann Marcell Rév erstaunliches geleistet. Zu seinen anderen Werken gehören „Assassination Nation“ und „Underdog“.
Die Szenen, in denen Aryan schwebt, sind in ihrer Mischung aus Effektivität und Einfachheit beeindruckend. Letztendlich sind sie eine Mischung aus Doppelbelichtung und frei schwebender, sich drehender Kamera. Das ist nichts, was es nicht schon seit über hundert Jahren gibt, aber das Gefühl der Desorientierung ist vorhanden.
Nur: Wer sieht sich schon Filme wegen der Kameraarbeit an?
Jupiter’s Moon (Jupiter’s Moon, Ungarn 2017)
Regie: Kornél Mundruczó
Drehbuch: Kata Wéber
mit Merab Ninidze, Zsombor Jéger, György Cserhalmi, Móni Balsai, András Bálint, Farid Larbi, Máté Mészáros
2008 veröffentlichte Journalist Misha Glenny eine über fünfhundertseitige Reportage über die Globalisierung des Organisierten Verbrechens nach dem Zusammenbruch des Ostblocks. Denn obwohl das Organisierte Verbrechen schon immer global war, blieben die Mafia, die Cosa Nostra und die Triaden weitgehend unter sich.
2018 lief die auf Glennys Buch basierende zehnteilige TV-Serie im BBC. Eine zweite Staffel ist schon in Arbeit.
Für die in der Gegenwart spielende Serie musste natürlich einiges aktualisiert und alles dramatisiert werden. Denn eine Serie ist kein Dokumentarfilm und kein Sachbuch. Mit Drehbuchautor Hossein Amini („Drive“, „Die zwei Gesichter des Januars [auch Regie]) und James Watkins („Eden Lake“, „Die Frau in Schwarz“) schien das hoch budgetierte Projekt in den richtigen Händen zu sein. Denn die Dreharbeiten erstreckten sich über den halben Globus und mit James Norton, David Strathairn und David Dencik wurden auch international bekannte Namen verpflichtet. Und Misha Glenny schreibt im Vorwort der Neuausgabe von seinem Sachbuch „McMafia“: „Schon nach einem fünfminütigem Gespräch mit den beiden war ich überzeugt: Wenn wir eine Fernsehanstalt dazu bringen konnten, sich des Themas von ‚McMafia‘ anzunehmen, waren sie diejenigen, mit denen ich arbeiten wollte. (…) An den beiden beeindruckte mich vor allem, dass sie die Welt, die ich in dem Buch abbilden wollte, begriffen und richtig einschätzen.“
Der Kosmos des globalen Verbrechens entfaltet sich in der achtteiligen TV-Serie um Alex Godman, den Sohn eines mit seiner Familie aus Russland nach London geflohenen, sich im alkoholgetränkten Ruhestand befindenden Oligarchen. Godman will mit der Welt seines Vaters und seiner Verwandtschaft nichts zu tun haben. Er ist ein Banker und er wird, gegen seinen Willen, in die Welt des internationalen, organisierten Verbrechens involviert.
Das ist die Ausgangslage, von der Amini und Watkins vom globalen Verbrechen erzählen. Leider nicht besonders gelungen, erstaunlich zäh und langweilig. Aus den vielen, rund um den Globus verstreuten Szenen schält sich nur sehr langsam so etwas wie eine Geschichte heraus.
Ein packendes Drama entsteht allerdings nie. Denn eine Story ist nicht erkennbar und alles zieht sich elend lang hin. „McMafia“ ist kein Gangsterthriller, sondern ein verfilmtes Sachbuch, in dem jede Szene eine weitere Seite des Buchs illustriert. Weil es eine Serie ist, wurden die Informationen dann auf einige Sprechende verteilt. Die Schauspieler wirken immer so, als ob sie in die Serie gezwungen wurden und jetzt ihre Texte vom Blatt ablesen. Die Inszenierung bewegt sich, erschreckend einfallslos, auf dem Niveau einer altertümlichen, schon lange vergessenen TV-Serie.
Das hat nichts mit Miniserien wie „The Night Manager“, „Narcos“, „Romanzo Criminale“ oder, um auch ein deutsches Beispiel zu nennen, „Im Angesicht des Verbrechens“ zu tun. An „Im Angesicht des Verbrechens“ hat mir vieles nicht gefallen, aber es hatte immer die packende „ich will wissen, wie es weitergeht“-Qualität, die „McMafia“ nie hat. Hier muss ich mich förmlich zwingen, die nächste Folge zu sehen – und nicht dabei einzuschlafen.
McMafia – Staffel 1(McMafia, Großbritannien 2018)
Regie: James Watkins
Drehbuch: Hossein Amini, James Watkins, David Farr, Laurence Coriat, Peter Harness
Erfinder: Hossein Amini, James Watkins
mit James Norton, David Strathairn, Juliet Rylance, Merab Ninidze, David Dencik, Aleksey Serebryakov, Maria Shukshina, Caio Blat, Faye Marsay, Kirill Pirogov, Nawazuddin Siddiqui, Karel Roden
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DVD
Polyband
Bild: 1,78:1 (16:9)
Ton: Deutsch, Englisch (Dolby Digital 5.1)
Untertitel: Deutsch, Englisch
Bonusmaterial: The Cast, The McMafia World, Bringing The McMafia World to Life
Länge: 450 Minuten (8 x 56 Minuten) (3 DVDs)
FSK: ab 16 Jahre
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Die Vorlage
Misha Glenny: McMafia – Die grenzenlose Welt des organisierten Verbrechens